Gemeingüter-Buch erschienen – Buchvorstellung am Montag
Das von Silke Helfrich editierte Buch »Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter« ist jetzt erschienen. Die Buchvorstellung findet am Montag (23. März) um 19.30 Uhr in der Heinrich-Böll-Stiftung (Schumannstraße 8) in Berlin statt.
Das Buch (PDF) ist, wie mir scheint, sehr imposant geworden, mit Beitragen von Yochai Benkler, David Bollier, Petra Buhr (Netzwerk Freies Wissen), Elinor Ostrom, Richard Stallman, Sunita Narain, Ulrich Steinvorth, Peter Barnes, Oliver Moldenhauer (Ärzte ohne Grenzen), Pat Mooney und vielen anderen. Ein besonderes Anliegen des Buches ist es, die Bewegungen der »geistigen Gemeingüter« (Freie Software, Freies Wissen, Freie Kultur…) und der »natürlichen Gemeingüter« (Umwelt- und Naturschutz, Ernährungssouveränität etc.) in ihren gemeinsamen Perspektiven zu zeigen und miteinander ins Gespräch zu bringen – momentan fehlt es an Kontakten und Anknüpfungspunkten zwischen diesen Bewegungen, obwohl jeweils das eine ohne das andere keinen Sinn ergibt.
Das Buch enthält auch einen Beitrag von mir: Die Commons der Zukunft: Bausteine für eine commonsbasierte Gesellschaft (PDF); in der gedruckten Fassung beginnt er auf Seite S. 208. Dort beschreibe ich kurz, wie ich mir eine künftige, auf Commons und Peer-Produktion basierende Gesellschaft vorstelle und nach welchen Grundprinzipien und Spielregeln eine solche Gesellschaft meiner Ansicht nach funktionieren könnte. Das sind natürlich Überlegungen, mit denen ich mich in meinem Buch sehr viel ausführlicher auseinandergesetzt habe, aber hier versuche ich die wesentlichen Elemente kurz und präzise auf den Punkt zu bringen, und dabei insbesondere die Bedeutung der Commons für die gesamtgesellschaftliche Peer-Produktion herauszuarbeiten.
Das komplette Buch kann man im Buchhandel (z.B. bei Amazon), beim Verlag oder bei der Heinrich-Böll-Stiftung bestellen; man kann es auch komplett als PDF herunterladen. Die Netzausgabe wird unter den Bedingungen der Creative Commons BY-NC-ND-Lizenz zur Verfügung gestellt, erlaubt ist also nur die unkommerzielle Weitergabe ohne Veränderungen. Das ist zwar sehr restriktiv, aber auf mehr wollte sich der Verlag leider nicht einlassen 🙁 . Bleibt zu hoffen, dass trotzdem noch genug Leser/innen die gedruckte Fassung kaufen, damit sie beim nächsten Mal mutiger werden, was Creative Commons betrifft.
Ich werde auf jeden Fall zur Buchvorstellung gehen und würde mich freuen, dort weitere Keimform- und Commons-Interessierte zu treffen.
Wie war’s denn am Montag? Wer war denn so da von den Autoren da?
@Martin: Autoren waren nicht allzu viele da, jedenfalls noch Catharina Maracke und John Hendrik Weitzmann (die über Creative Commons geschrieben haben) und Petra Buhr (über die Wissensallmende). Insgesamt war die Buchvorstellung ganz gut besucht (ca. 50 Leute?) und jedenfalls sehr unterhaltsam, weil es einen ziemlichen Clash auf dem Podium gab.
Nach Silke, die einen sehr schönen Vortrag über das Konzept der Commons gehalten hat, gab es dann nämlich eine absolut enthusiastische Rede von Andreas Weber. Der hat ein Buch namens »Biokapital. Die Versöhnung von Ökonomie, Natur und Menschlichkeit« geschrieben und kann also schwerlich antikapitalistischer Umtriebe verdächtigt werden, aber dieser gesammelte Enthusiasmus für ein Paradigma, dass sich der üblichen Einteilung in »Der Markt wird’s schon richten« oder »Der Staat muss es richten« verweigert, ging Reinhard Bütikofer, Ex-Bundesvorsitzender der Grünen, offensichtlich gewaltig gegen den Strich. Der sprach dann von »antiliberalen Diskursen«, die immer in Krisenzeiten hochkommen würden und in den 30er Jahren schon sehr bedeutend wurden, damals in 3 Ausprägungen: Faschismus, Stalinismus und Roosevelts New Deal. Seine Botschaft sollte wohl sein, dass damals nur der sozialdemokratische New Deal, der in die Marktlogik eingebunden war und sie in keiner Weise in Frage stellte, ein akzeptabler »antiliberaler Diskurs« war. Dementsprechend verlangte er vom Commons-Diskurs, dass er sich auch brav zum Markt bekenne müsse. Wie er überhaupt darauf kam, den Commons-Diskurs als »antiliberal« einzustufen, ist mir nicht ganz klar – vermutlich v.a. weil er das Privateigentum, die höchste Freiheit des Liberalen, nicht als absolut heilig anerkennt.
In bester Kalter-Kriegs-Logik unterstellte er dann, dass jede Ablehnung oder Relativierung des Markts vermutlich zu Staatssozialismus, Zentralplanung oder Schlimmerem führen würde, und war sich nicht zu blöd, dafür neben Stalin und den Nazis auch die Roten Khmer als Beispiel heranzuziehen. Schon interessant, wie der Commons-Diskurs mit seiner Zurückweisung der üblichen Markt-vs.-Staat-Logik hier zu geradezu hysterischen Reaktionen führte.
Ich hab dann in der Diskussion darauf hingewiesen, dass erstens das interessante an commonsbasierter Peer-Produktion ja gerade ist, dass es sich um eine dritte Produktionsweise handelt, jenseits der klassischen Zweiteilung von Marktproduktion vs. geplanter Produktion. Und zweitens, dass commonsbasierte Produktionsformen ja sehr viel älter sind als der kapitalistische Markt und dass man davon ausgehen kann, dass sie auch dann noch existieren werden, wenn der Kapitalismus längst wieder Geschichte ist. Das wird ihn nicht beruhigt haben, aber was soll’s.
Lustig! Dieser Bütikofer scheint ja ein Gartennazi zu sein, wie sie die Deutschen gern haben (das ist Lady Bitch Rays wunderbarer Ausdruck für „Spießer“). Kaum wittert er, der sich selbst ohne Zweifel (wie alle Grünen) für das Progressivste und Emanzipierteste überhaupt hält, dass jemand mehr will und im Denken ein bisschen weiter geht als er, verliert er völlig die Haltung. Habe selbst Ähnliches in meinem Bekanntenkreis erlebt. Wenn man es wagt, mal den Kapitalismus (und sei’s nur für eine Sekunde) für ein historisches, kein überhistorisches Für-immer-Phänomen zu halten, gehn sie mit Zähnen und Klauen auf einen los.
Aber solche Panikreaktionen sind auch ein Zeichen für das Ende einer Denkbewegung. Die Grünen sind heute – mehr als die SPD, die leider durchaus ein Revival erleben könnte – am Ende. Was sollen sie noch bringen – nachdem sie sich allzu schnell allzu gründlich den Mächtigen angebiedert haben und dann selbst zu Mächtigen wurden, und jetzt das einzige, was sie noch konnten (in progressiver Sprachwahl Wirtschaftsliberalismus anzupreisen und längst widerlegte Wundermärchen über den Kapitalismus im Ökogewand zu verkaufen), schlagartig – der Krise sei dank – nicht mehr gefragt ist?
Gemein eigentlich: Der Kapitalismus, an dessen Heilbarkeit und Vereinbarkeit mit dem emanzipatorischen Projekt sie so fest glaubten wie sonst niemand (selbst die Konservativen nicht, die haben das ja gar nicht nötig, die wissen worum es ihnen geht), ist ihnen in den Rücken gefallen. Was er jetzt grade anstellt, macht dem letzten Döfchen klar, dass „Vorwärts mit dem Markt“-Parolen der Vergangenheit angehören.
Und damit auch die Grünen.
@Martin: Naja, da sollte man wirklich nicht verallgemeinern. Die Grünen bringen auch sowas hervor: http://www.robert-zion.de/downloads/Freitag_15_03_09.pdf
Danke für den Hinweis! Robert Zion will offenbar den Grünen ein wenig von dem früheren Mut zurückgeben. Aber ob jemand, der Willy Brandt als sein Vorbild nennt, seine Party zu dem radikalen Schritt bewegen will, sich von der Agenda 2010 abzuwenden und von dem Focus online sichtlich angetan ist , es wirklich ernst meint mit der Abschaffung des Kapitalismus? Ich weiß nicht so recht …
In der Zeit ist jetzt eine Rezension des Buchs erschienen: Ubuntu heißt Gemeinsinn (via CommonsBlog).
Silke vermeldet gerade, dass die ersten 1000 Exemplare des Buchs schon verkauft wurden 🙂
Sehr geehrte Keimform-Leser, Herr Farenski hat seinen Film „Leben mit der Energiewende“ mit einer sogenannten CC = „Open Source“ Lizenz ins Netz gestellt. Dies brachte mich auf eine Idee in gleicher Richtung.
Ich lass, in den USA soll angeblich das erschaffene technische Projekt-Wissen (Know-How), aus mit öffentlichen Geldern gefördert Forschungs-Projekten auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein, diese wäre gesetzlich verbrieft. Ist das wirklich so? In Deutschland ist die Praxis m.e. bisher anders. Zusammen mit einer Universität arbeite ich mit Hilfe öffentlicher Gelder, an einem einfachen „Low-Tech“-Speicher, der mit purer Absicht von jedem Klempner verstanden und gebaut werden kann. Eine Patent-Anmeldung soll es auch geben. Ich überlege nun, schon von Anbeginn eine Art CC = „Open Source“-Patent daraus zu machen, um die mögliche breite und dezentrale Nutzung nicht „zusätzlich“ mit eigenen finanziellen Hürden/Ansprüchen zu belegen, d.h. bewusst auf mögliche Lizenzgebühren zu Verzichten. Auch um von „Copy-Paste-Unternehmen“ (Dieben von geistigen Eigentum) nicht irgendwann die Nutzung der eigenen Entwicklungen per gerichtliche Abmahnungen untersagt zu bekommen.
Es geht darum durch diese Entwicklung und durch dieses CC = „Open Source“-Patent den Ausbau/Nutzung der Erneuerbaren Energien bei den normalen Bürgern zu Fördern.Wie könnte ich diesen CC = „Open Source“-Ansatz unbürokratisch nutzen, um damit die erhoffte offene Nutzung/Verbreitung des Speichers, durch jeden Interessenten, auch zu schützen?
Ich bitte um sachdienliche Hinweise.
Viele Grüße
Detlef
@Detlef: Das geistige Eigentum von Immaterial- und Materialgütern fallen unter verschiedene Rechtsregimes. Es ist reichlich kompliziert.
Christian Siefkes hat sich mit der Problematik der Hardware befasst. Bitte mal dort nachlesen und ggf. dort weiterfragen.