Community Building in Zeiten der galoppierenden Krise

Stefan hat mich gerade dankenswerterweise durch sein letztes Posting wieder auf eine ältere Diskussion gestoßen. Ich hab dadurch meine alten Hoffnungen wieder entdeckt, die ich eigentlich mit Hiddinghausen verbunden hatte. Diese Diskussion wollte ich da eigentlich weiter führen aber dazu kam es dort nicht so recht. Ich glaube auch, dass das kein Zufall ist. Dort kamen Leute aus ganz Deutschland für ein Wochenende zusammen. Es war schon vorher klar, dass man hinterher im Alltag nicht viel miteinander zu tun haben wird. Deswegen ist es kein Wunder, dass die Schwerpunkte da andere waren. Ich möchte jetzt einen anderen Versuch starten. Worum geht es?

In einem Satz: Aufbau einer lokalen „resilient community“ zur Produktion des Lebens durch „commons based Peer Production“ in einem „Saturday House“.

Ok, jetzt seid ihr nicht viel schlauer als zuvor. Hier also ein paar Erklärungen:

Was ist eine resilient community? Das ist ein Begriff den ich von John Robb aus seinem Blog kenn. Er schreibt wohl grad ein Buch drüber. Wörtlich übersetzt ist das eine belastbare Gemeinschaft. Gerade in der kommenden Krise werden wir sicherlich froh sein über die sozialen Netze denen wir noch angehören. Diese zu stärken ist zum einen als Krisenstrategie enorm wichtig – das ist tatsächlich wohl auch die Hauptperspektive von Robb – als Alternative zu verfallenden Staaten und gewalttätigen Banden. Zum anderen denke ich aber, dass der Übergang zur stofflichen Produktion für die Peer Production auf die eine oder andere Art lokal stattfinden muß auch wenn es dabei nicht bleiben sollte.

Was ist ein Saturday House? Eigentlich etwas sehr unspektakuläres. Ein Vater, dessen Tochter an eine Sudbury-Schule in Seattle geht, wünschte sich eine ähnlich demokratische, spontane, offene Arbeitsumgebung, wie er sie für seine Tochter an der Schule kennengelernt hatte.  Seine Lösung: In regelmäßigen Abständen (z.B. wöchentlich) trifft man sich einen ganzen Tag lang um gemeinsam zu machen was man will. Das kann spielen, feiern, abhängen oder arbeiten sein. Die Idee: Gemeinsame Projekte entstehen in einer solchen Athmosphäre wie von selbst. Niemand „verliert“ Zeit, weil man ja machen kann, was man will (oder muß) und es gibt doch bei all dem immer Anknüpfungspunkte für gemeinsame Tätigkeiten. Zunächst trifft man sich reihum bei Teilnehmern zu Hause, später kann man sich vielleicht auch eigene Räumlichkeiten leisten. Saturday Houses haben auch Ähnlichkeiten mit den in  der Internet-Szene beliebten Bar-Camps oder mit Open-Space, sie sind halt nur regelmäßig.

Meine Vorschlag ist jetzt also diese beiden Ideen zu verknüpfen, also ein Sudbury House zu nutzen um eine belastbare, egalitäre Gemeinschaft aufzubauen und von Anfang an mit einem gemeinsamen übergeordneten Ziel zu versehen, nämlich der Produktion des Lebens durch Peer Production. Dabei muß nichts übers Knie gebrochen werden, jeder soll wie gesagt das tun, was für ihn gerade anliegt. Wenn das ein konkretes Arbeiten an Alternativen ist, ists gut, wenn nicht auch. Wichtig ist zunächst nur das gemeinsame Ziel als solches.

Der Vorteil gegenüber der klassischen Kommune ist außerdem, dass dort meist der ökonomische Zusammenhang zuerst kommt und sich erst daraus eine gelingende Community ergibt (oder oft genug eben dann genau nicht). Umgekehrt wird ein Schuh draus. Beides muß sich parallel entwickeln und je dezentraler und vernetzter das Ganze ist um so besser. Das muß ja gemeinsames Wohnen oder Wirtschaften von Teilen der Community später nicht ausschließen. Gerade die Diskussionen um die Commons und ihre Kümmerer zeigen ja auch wie wichtig funktionierende Communitys sind. Die Herausforderung für uns liegt dabei darin Wege zu finden unsere vernetzte Produktionsweise und unsere fragmentierte Zeitlichkeit unseres postmodernen Alltags in so einem Prozeß zu berücksichtigen. Deswegen braucht es Möglichkeiten sich Schritt für Schritt aus alten Abhängigkeiten (gegenüber Markt und Staat) zu lösen um neue eingehen zu können bzw. sie überhaupt erst zu erfinden. Das ist logischerweise ein Suchprozeß, aber den muß man eben auch und gerade lokal anfangen.

Ich denke auch, dass genau jetzt der perfekte Zeitpunkt für ein solches Projekt ist. Die Finanzkrise zeigt von Tag zu Tag die Ohnmacht von Markt und Staat auf und schon in den nächsten Wochen wird das auf unser aller Leben Auswirkungen haben. Es gibt keinen Grund einfach die Hände in den Schoß zu legen und deren systhematischer Ratlosigkeit zuzugucken (Auch wenn das eine gewisse Faszination hat – das DAX-Anstarren hat bei mir in den letzten Tagen bizarre Ausmaße angenommen – aber auf Dauer kommt man sich dabei vor wie beim Waschmaschine angucken).

Also: Wer ist dabei? Ich bin natürlich vor allem an Frankfurterinnen und Frankfurtern interessiert. Zum einen wohne ich hier und zum anderen wird uns hier in der Bankenstadt diese Krise bestimmt mit am härtesten Treffen. Aber ich würde mich natürlich auch über Projekte in anderen Städten freuen, die sich davon inspirieren lassen.

13 Kommentare

Entdecke mehr von keimform.de

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen