Wertfrei im Alltag. Heute: Kleinkindbetreuung
Wo Stefan schon eine Artikelserie macht, kann ich ja schlecht hinten an stehen. Deswegen jetzt auch eine von mir: Ich habe mir vorgenommen über meine Erfahrungen mit wertfreien Alternativen in ganz normalen Alltagssituationen zu schreiben. Davon gibt es mehr, als man so auf den ersten Blick vielleicht vermutet. Meistens gibt es auch eine wertförmig organisierte Alternative und ich versuche dann die Vor- und Nachteile beider Lösungen herauszuarbeiten und suche schliesslich nach Möglichkeiten die wertfreie Alternative zu fördern. Natürlich ist auch jedeR eingeladen selber eigene Erfahrungen beizusteuern im Rahmen dieser Reihe.
Als erstes möchte ich über meine Erfahrungen mit Betreuung für meinen Sohn schreiben.
Betreung für Kleinkinder unter 3 Jahren ist ja in vielen Gegenden hierzulande immer noch ein großes Problem. Krippenplätze zu kriegen ist schwer. Bei uns war es so, dass wir zuerst von gigantischen Wartelisten entmutigt wurden und dann, als wir einen hätten haben können, innerhalb von Tagen entscheiden hätten müssen, wie wir die nicht unerheblichen Mengen Geld auftreiben. Das ist – wenn man nicht vorher einen festen Job hatte in den man zurück kehren kann – zumindestens ein großes Wagnis. Weil man ja auch ein Kind, dass sich einmal eingewöhnt hat nicht aus finanziellen Gründen wieder aus einer Gruppe rausholen will.
Inzwischen haben wir einen Mix von Betreuungsmöglichkeiten. Zum einen geht Lino zweimal die Woche für drei Stunden in einen „Minikindergarten“ für den wir 110 Euro im Monat bezahlen. Zum anderen wechsel ich mich mit einer Nachbarin ab, die einen Sohn in Linos Alter hat. Ich habe also den direkten Vergleich beider Varianten, einer wertförmig organisierten und einer privat auf freundschaftlicher Basis organisierten.
Der Hauptvorteil der privaten Lösung – neben der offensichtlichen Tatsache, dass sie kein Geld kostet – ist, dass es eigentlich eine doppelte Entlastung ist. Selbst wenn ich „dran“ bin und beide Kinder bei mir habe, ist es mindestens so sehr so, dass die beiden sich miteinander beschäftigen, wie ich mit ihnen. Ich kann also durchaus nebenher noch ein bisschen an keimform.de-Artikeln schreiben oder Wäsche waschen, was mit Lino alleine zumindestens lange nicht so gut und problemlos geht.
Man könnte natürlich argumentieren, dass das garnicht wirklich wertfrei sei, was wir da machen, weil noch immer auf Tausch basierend. Das ist aber nicht wirklich so, weil wir das nicht 1-zu-1 aufrechnen, sondern man sich halt so gut es geht gegenseitig hilft. Und je länger das läuft umso mehr entfernt man sich von der Tauschsituation, weil man sich umso mehr vertraut, dass niemand versucht den anderen auszunutzen.
Der Hauptvorteil der Minikindergartenlösung ist es, dass da eine größere Gruppe von Kindern ist und das dem Lino einfach großen Spaß macht. Das deutet auch gleich auf den Hauptnachteil der selbstorganisierten Lösung hin: Sie skaliert nicht so gut, wie der Informatiker sagt. Mit drei Kindern wäre es vielleicht noch ok, aber irgendwann werden unsere Wohnungen zu klein und eine Vertrauensbasis stellt sich auch unter mehr Leuten schwerer her. Dann braucht man schnell geprüfte und lohnarbeitende ErzieherInnen und vor allem eigene Räume – sprich Geld.
Ein Nachteil des Minikindergartens ist natürlich auch, dass man natürlich selten auf jemanden trifft, der (womöglich sogar anti-)pädagogische Vorstellungen hat, die zu den eigenen kompatibel sind. Das ist aber gleichzeitig auch ein Problem der selbstorganisierten Lösung, es ist garnicht so einfach Leute zu finden mit denen man gut klar kommt.
Was wäre also zu tun um die wertfreie Alternative zu fördern: Neben Räumen für selbstorganisierte Projekte (wer bräuchte die nicht!) vielleicht sowas wie eine Art Partnersucheportal für Kinderbetreung. Letzteres ist vielleicht ein Problem, weil es sehr ortsgebunden ist. Wenn man erst eine halbe Stunde anreisen muß ist der Entlastungseffekt schnell stark reduziert. Es dürfte also recht schwierig sein, hier eine kritische Masse zusammenzubekommen.
Schalten Sie auch das nächste mal ein, wenn es wieder heisst „Wertfrei im Alltag.“ Dann mit dem Thema „Zeug loswerden“.
Danke für den interessanten Bericht! Mir fehlen die Erfahrungen in Kinderbetreuung, um da groß mitreden zu können, aber einen Punkt hätte ich trotzdem:
Diese Gleichsetzung (professionelle Arbeit = Geld) stimmt natürlich im Alltag, d.h. im heutigen Alltag. Aber im Rahmen einer Freien Gesellschaft spricht IMHO wenig dagegen, dass einige Mitglieder einer Gemeinde (sagen wir eines Dorfes oder Stadtteils) einen professionellen Kindergarten organisieren, während die anderen Gemeindemitglieder jeweils andere Bestandteile einer gemeinsamen Grundversorgung organisieren. Mit solchen Modellen gemeinschaftlicher Organisation, die nicht direkt auf Tausch (es wird nichts verrechnet), sondern auf Beteiligung (alle, die können, bringen sich irgendwie ein) beruhen, kann man glaube ich sehr viel weiterkommen als wir uns heute vorstellen können.
Ich hätte vielleicht die These, dass das von Benni angesprochene Problem mit der Größe des Zusammenhanges vielleicht eher ein „Einzelfallproblem“ ist, für das es eine Bewegungslösung braucht. Klar, wenn Benni drei Kinder hat, gehts noch, bei sechs is schon nix mehr mit Wäschewaschen nebenbei, auch klar. Aber wenn immer mehr Menschen aus seiner Umgebung ähnliche Projekte am Start haben, dann ergeben sich vielleicht auch Lösungen für mehr als drei oder vier Kinder auf „einmal“. Vielleicht lassen sich dann über basismäßig organisierte Zusammenhänge auch größere gemeinsame Aktionen planen, eine Eltern-Kind-Freizeit etwa oder ein Zeltlager für die älteren.
Davon abgesehen lassen sich in kritisch-emanzipatorischen Zusammenhängen sicherlich auch Menschen finden, die gerne Zeit mit Kindern verbringen. Da hilft dann die NutzerInnengemeinschaft weiter – so denn mal jemensch das Programm ordentlich fertigprogrammiert.
Ich habe ca. 13 Jahre Jugendarbeit, davon ca.4 Jahre mit kleinen Kindern gearbeitet. Migrantenkinder: Kriegsflüchtlinge, Kontingentflüchtlinge, Aussiedler, je nach Status. Als Musik und Spezial-Auftragspädogoge (selbstbezeichneter Titel) habe ich auch in einer grösseren (native Speaker) Einrichtung gearbeitet.
In der Übergangsheim-Hardcore-Ecke durfte ich mit Herz, multikulturellem Einsatz und basisnaher Effizienz wirkungsvoll arbeiten. Es wurde von der Basis gedankt. Bei den „Deutschen“ hatte ich Probleme…Ich habe mich in die Küche als hilfe verpieselt, bis die Geschäftsführung mich wieder in die Abteilung brachte, in der Erziehung multikulturell und aus dem Bauch „wertfrei“ gewürdigt wurde. Der Job hat mir ein „Burn out Syndrom“ gebracht. Kein Problem. Tatsache ist:
In den Jahren, in denen ich Erziehung gemacht habe und Assimilierung von Flüchtlingen, standen nur die Eltern dieser hinter mir. Ist ne Forschung wert. Abgesehen davon, dass es für mich sehr anstrengend war mit Kleinkindern zu arbeiten.
Die legendäre „Russendisco“ in Hamburg Barmbek (Haus der Jugend Flachsland) diente vorerst als „Ermittlungspool“ und wurde beäugt von behördlicher Seite.
Alles in Allem: „Wer will den heute noch Pädagogik, Erziehung und Bildung machen, die 35 Jahre versäumte wurde durch fehlerhafte Gesetze, obwohl ne Menge arbeitslose Erzieher und Lehrer rumlaufen?
Sicher könnte ich den Baby-nator machen, wenn vorher die Eltern mir Vertrauen und Mitarbeit zusichern. Nur das zu organisieren?? Das ist nicht billig. Ne Mini Krippe ist bestimmt für die Kids richtig gut wenn auch noch Tiere im Spiel sind. Problem ist die behördliche Überbaumutation inklusive Paranoia-Geschrei der Medien, was Missbrauch, Manipulation und..angeht.
Ist ein verdammt schweres Genre, was sich durch eine sehr verzwickte GesetzesKette über die Jahre implantiert hat.
Ich bin zwar richtig gut und die Leute, die sich mit mir geopfert haben auch, aber die können auch nicht mehr.
Der einzige Erfolg waren die Kinder, die ich später mal wieder getroffen habe. Die nahmen mich in den Arm und haben sich bedankt und ich brauchte keine Angst haben, weil sie diemal mich getröstet haben und über 18 waren…
Ach: Einer hat mich mal in der Süderstrasse gelobt (Hamburg)
der sagte ich mach das richtig gut. In den Villen-Vierteln rannten die Mütter vor mir weg und hielten den kinder die Augen zu…
Ist verdammt schwer in einer Basis so etwas zu organisieren.
Nichts desto Trotz der Artikel, auf den ich geantwortet habe ist sehr sehr gut und so etwas muß mehr werden.
Vielen Dank