Sortierungen zum Wert
[Kolumne Immaterial World in der Wiener Zeitschrift Streifzüge]
Um welche Art von Begriff handelt es sich beim Wert, so wie ihn Karl Marx entwickelte? Schnell wird klar, dass es nicht um oberflächliche Beschreibungen geht. Der Wert ist also nicht etwas einfach Daseiendes, (An-)Fassbares oder bloß subjektive Präferenz als „Ausdruck der Wichtigkeit eines Gutes, die es für die Befriedigung der subjektiven Bedürfnisse besitzt“ (Gabler Wirtschaftslexikon), wie etwa die bürgerliche Ökonomik meint. Marx entwickelte den Begriff Wert als objektive Kategorie.
Eine Kategorie entsteht nicht durch schrittweise Abstraktion von Konkretem, etwa um ein in dem bunten Erscheinenden verborgenes Allgemeines hervorzulocken. So könnte ich auf die Idee kommen, einen objektiven Wert in den vielen subjektiven Werten, den oben genannten konkreten einzelnen Präferenzen, zu finden. Schrittweise würde ich die individuellen Besonderheiten wegstreichen und erhielte am Ende – eine leere Menge. Ich erkenne, was ich hineingesteckt hatte: Es sind subjektive Präferenzen.
Marx macht es anders. Er abstrahiert nicht von den Einzelhandlungen, sondern rekonstruiert die typischen gesellschaftlichen Handlungen und bestimmt ihre konstitutiven Aspekte. Konkrete einzelne Handlungen haben für Marx nur illustrativen Charakter. Was ihn interessiert, ist der ideale gesellschaftliche Durchschnitt, denn nur darin findet der Wertbegriff seinen Ort. So rekonstruiert Marx den Wert als gesellschaftliches Verhältnis.
Was bedeutet Wert als Verhältnis? Das wird deutlich, wenn wir uns den Charakter der Tauschhandlungen vor dem Kapitalismus klarmachen. Hier stand jeder einzelne Tauschakt für sich. Relevant war, was jede Seite von der anderen für den je eigenen Gebrauchszweck bekommen wollte und ob sich der Tausch fair anfühlte. Das war jedes Mal neu anzuschauen, neu auszutarieren, neu auszuhandeln. Ob dabei ein vermittelndes Drittes (Münzen oder anderes) im Spiel war, war nicht wesentlich.
Das stimmt ziemlich gut mit dem oben zitierten bürgerlichen Begriff vom Wert als Präferenz überein, der ja gerade keinen objektiven Charakter hat. Objektiven Charakter und allgemeine Existenz bekommt der Wert erst, wenn nicht die einzelne Tauschhandlung der für sich abgeschlossene Bezugsrahmen ist, sondern jeder Tausch gleichsam die ganze Gesellschaft einbezieht. Der einzelne Tausch wird damit Aspekt der gesellschaftlichen Gesamtheit aller Warenvergleiche, in welcher die einzelne Ware ins Verhältnis zu allen anderen Waren gesetzt wird. Nun erst manifestiert sich Wert. Doch was konstituiert sich da als Wert? Das ist die Frage nach dem Inhalt oder der Substanz.
Das Wort Substanz hat schon viele in die Irre geführt. Einige sehen darin eine physiologische Quantität, was Marx’sche Formulierungen auch nahelegen, denn Substanz klingt so physisch. Doch Marx hat Hegel im Denkgepäck, und bei der Substanz kommt das zum Tragen. Traditionell ist die Fassung von Etwas als Substanz der Versuch, dieses Etwas ontisch zu fixieren und als von den Menschen unabhängig Seiendes zu fassen – anstatt dieses Etwas als von den Menschen Gemachtes, etwas durch die Menschen Seiendes zu begreifen. Auch die Substanz entpuppt sich so als ein Verhältnis, als eines des Machens und des Gemachten, das nicht starr, sondern sich permanent ändernd in Bewegung befindet.
Die Substanz des Werts ist bei Marx die abstrakte Arbeit oder genauer: die allgemeine Dimension menschlichen Arbeitens, die Zeitdauer. Doch beim Warentausch werden nicht nur die unmittelbaren Herstellzeiten der Waren verglichen, es ist komplizierter. Da die konkreten Arbeiten jeweils ihre Voraussetzungen benötigen wie Produktionsmittel und -material und qualifizierte Arbeitskraft, die ihrerseits Herstellzeit kosten, erstreckt sich das genannte Substanzverhältnis nicht nur auf die unmittelbaren Aufwände bei der Herstellung der Waren, sondern ebenso auf die mittelbaren Aufwände der Produktionsvoraussetzungen (Ressourcen, Technik, Qualifikation). So kommt es, dass global Aufwände mit geringen Voraussetzungen (Low-Tech) und niedrig bezahlten langen Arbeitszeiten mit solchen mit hohen Voraussetzungen (High-Tech) und höher bezahlten kurzen Arbeitszeiten gleichgesetzt werden, also den gleichen Wert haben. Die Folge: Ungerechtigkeit durch gerechten Tausch.
Das globalgesellschaftliche Wertverhältnis ändert sich permanent – und darin schwimmt die einzelne Ware. Wie kann sie einen festen Preis haben, jedenfalls für eine gewisse Zeit? Um ein hochdimensionales Verhältnis in Raum und Zeit auf eine raum- und zeitlose Dimension abzubilden, braucht es das Geld. Das Geld ist eindimensionale reine Quantität, es ist das Dritte, auf das sich alle Waren beziehen. Aus einer Megarelation der Aufwände wird so ein simpler Geldwert und schließlich ein Preis. Damit ist das Geld logisch dem Wert vorausgesetzt, und gleichzeitig ist es als allgemeine Ware sein Produkt. Folglich sind Geld und Wert gleichursprünglich und erst mit dem Kapitalismus in die Welt gekommen.
Missverständnisse sind an der Tagesordnung (wer weiß, welchen ich aufsitze). Eines besteht darin, Wert und Geld zu ontologisieren, also zu Seinsweisen jeglicher Produktion zu erklären. So wird rückprojizierend auch für den antiken Tausch ein Wertvergleich angenommen, den es dort noch gar nicht geben konnte, weil sich noch kein gesellschaftliches Aufwandsverhältnis herausgebildet hatte. Ebenso wird in frühen Münzen oder Muscheln etc. das Geld vermutet, das erst mit dem Kapitalismus aus Vorformen hervorging. Die Summe der Einzeltausche, ob mit oder ohne Tauschmittel, ergaben vor dem Kapitalismus noch lange kein objektives Gesamtverhältnis, sondern blieben von subjektiven Präferenzen und kulturellen Gepflogenheiten bestimmte Einzelhandlungen.
Erst der Kapitalismus machte mit allem Besonderen, allem Einzelnen, allem Lokalen Schluss und schuf damit umgekehrt erst die Voraussetzung für die Entstehung von Individualität, Anonymität und Autonomie. Paradoxerweise ist es eine Individualität der Uniformität des immer gleichen Warenhandelns, denn wir alle müssen Ware, Wert und Geld täglich aufs Neue reproduzieren, um unsere Existenz zu sichern. Es ist die Individualität der traurigen Getrenntheit des isolierten Einzelnen in einer Welt wahnwitzigen Wachstums, das allein der abstrakten Form des Reichtums entspringt. Ohne ein Ende von Ware, Wert und Geld ist nichts anderes zu haben.
Im Gegenteil scheint mir „neu auszuhandeln“ eher für den Kapitalismus typisch – so stellt sich der Wert ja gerade her. Klar, an der Supermarktkasse wird nicht gehandelt, aber dieser Aushandlungsprozess findet vorher statt – sei’s wenn der Supermarkt mit Großhändlern verhandelt, immer wenn außertarifliche Arbeitsverträge ausgehandelt werden, wenn ein Haus verkauft wird, oder auch wenn ich mich im Supermarkt für eins der unzähligen Konkurrenzprodukte entscheide, die alle um meine Kaufkraft werben. Vor dem Kapitalismus waren Preise hingegen in vielen Fällen konventionell – sie wurden durch die Regierung, durch eine Gilde oder durch Gewohnheit festgesetzt. Natürlich gab es auch Aushandlungen und Feilschen, aber wo das dominant wird, würde ich das eher als Zeichen dafür sehen, dass sich ein Wertverhältnis gerade herauszubilden beginnt.
Seriously? Von (Wirtschafts-)Geschichte keine Ahnung zu haben, ist ja keine Schande, aber so tun als ob ist dann doch problematisch. Und du berufst dich zwar auf Marx, aber du zitierst ihn nicht, und mit Sicherheit wirst du bei Marx keine Stelle finden, wonach das „Geld … erst mit dem Kapitalismus in die Welt gekommen“ sei.
Theorie ist ja schön und gut, aber in dem Moment wo die Theorie der empirischen Erkenntnis allzu sehr widerspricht, wird das irgendwann ein größeres Problem für die Theorie als für die Empirie.
Also auch wenn ich Christians Tonfall nicht angemessen finde, fürchte ich, dass er in der Sache Recht hat. Also es ist natürlich das immer gleiche semantische Spiel und Du wirst uns entgegenhalten, dass eben nur das kapitalistische Geld das „echte“ Geld ist. Klassischer Fall von „True Scotsman“ https://de.wikipedia.org/wiki/Kein_wahrer_Schotte wenn Du mich fragst 😉
Zusätzlich verquickst Du auch noch die logische und die historische Dimension unzulässig, wenn Du daraus, dass Geld und Wert (und Arbeit und …) im Kapitalismus sich logisch bedingen, daraus auch ein historisch gemeinsames Auftreten folgerst.
Um diese Diskussion sinnvoll zu führen müssten wir wohl erst mal die Eigenschaft(en) von „Geld“ (im üblich verstandenen Sinn) im Kapitalismus benennen, die es vorher nicht hatte. Das ist wohl vor allem die von Dir benannte Funktion den Wert auszudrücken und zu erzeugen. Aber dadurch wird ja alles vorher nicht kein „Geld“. Ich würde eher sagen im Kapitalismus kriegt das Geld einfach eine zusätzliche Funktion. Das ging aber historisch eben nur, weil es schon da war! Weil seine anderen Funktionen eben es erst ermöglichten diese zusätzliche Funktion wahr zu nehmen. Erst ein Geld, dass allgemeines Tauschmittel schon war, dass schon politisch im nationalen Rahmen stabilisiert war, konnte diese Funktion im Kapitalismus wahr nehmen.
Auch die anderen historischen Formen des Geldes kann man nur verstehen, wenn man sie nach ihren unterschiedlichen Funktionen historisch aufdröselt. Das ist dann bei den römischen Sesterzen auch wieder anders als bei den mittelalterlichen Gulden oder den berühmten Muscheln. Aber das führt jetzt vielleicht zu weit. Man findet bei Graeber sehr viel erhellendes und materialreiches dazu. Und das ist auch genau das Gegenteil von ontologisieren übrigens.
@Christian: Dass die Preise stets neu ausgehandelt werden, scheint mir nicht für den Kapitalismus typisch zu sein, sondern für bürgerliche Angebots-Nachfrage-Theorien des Werts im Kapitalismus, die du damit reproduzierst. Ich stimme dir hingegen darin zu, dass es vor dem Kapitalismus neben den lokalisierten Tauschakten/Preisbildungen auch politisch festgesetzte Preise gab.
Was die Gleichurspünglichkeit von Geld und Wert angeht, hängt natürlich alles vom Geldbegriff ab. Ich folge hier (mit Einschränkungen) Eske Bockelmann, vgl. https://www.streifzuege.org/2022/wert-geld-und-kapital/
@Benni: Ja, kann ich annehmen, dass ich (in der Kürze) logische und historische Argumentation verquicke. Logisch scheint es mir jedoch widersprüchlich zu sein, dass die spezifische Funktion, die IMHO Geld erst zum Geld macht (allgemeines Tauschmittel) und die erst mit dem Kapitalismus entsteht, schon vorausgesetzt sein soll.
Solange es sich nicht um ein gesellschaftliches Verhältnis handelt, ist es kein Geld – das ist die Basisthese. Alles andere wäre eine Art Vorgeld, dass in der Tat historisch genauer anzugucken wäre. Ja, da haben Graeber, aber auch Bockelmann einiges an Material zu geliefert – und unterschiedlich bewertet.
@Stefan: Bockelmann ist keine seriöse Quelle, was vorkapitalistische Gesellschaften betrifft. In seinen Büchern geht er äußerst selektiv und interpretierend mit den verwendeten Quellen um. In dem zitierten Streifzüge-Artikel gibt es erst gar keine Quellen an! – wodurch er sich aus jedem ernsthaften Diskurs eigentlich schon selber ausschließt.
Zudem widerspricht er sich in dem Text auch selbst. So schreibt er über die mittelalterlichen Städte: „Sie bilden die ersten Gesellschaften, die von Kauf und Verkauf leben – weil sie davon leben müssen: weil sie der sonst so stabil und konstant vorwaltenden Versorgung beraubt sind.“
Aber später schreibt er: „Der historische Umschlag in dieses neue Verhältnis vollzieht sich gut belegbar im Verlauf des sogenannten ‚langen‘ 16. Jahrhunderts. Jetzt erst, in Europa, wo sich der Umschlag vollzieht, werden Münzen zu Geld – und müssen sie sich daraufhin noch gründlich wandeln, um der Geldform schließlich zu entsprechen.“
OK, das „‚lange‘ 16. Jahrhunderts“ markiert insbesondere in England den Beginn des Kapitalismus, soweit würde ich mitgehen. Aber was ist nun aus den mittelalterlichen Städten geworden? Die gab es ja schon lange vor dem 16. Jahrhundert und sie waren auch damals schon überwiegend geldvermittelt – aber nun hat Bockelmann sie schon wieder vergessen.
Auch dass die mittelalterlichen Städte die „ersten Gesellschaften [waren], die [überwiegend] von Kauf und Verkauf leben“, wie er in dem vorigen Zitat schreibt, haut so nicht hin. Denn Städte gab es auch schon vorher und in vielen anderen Gesellschaften, und in den allermeisten von ihnen dürften Geld und Warentausch eine wesentliche Rolle gespielt haben.
Auf dem Land spielte Geld sicher in vielen Fällen eine kleinere Rolle, aber nicht unbedingt die ganz unwichtige Nebenrolle, die Bockelmann ihm so generell anhängen will. Und wenn er etwa schreibt: “Und das gilt auch für Münzen, die sehr wohl in dem einen Moment zum Tausch und schon im nächsten wieder als das Metall genutzt werden können, das sie sind. Das eine Mal sind sie Tauschmittel, das andere Mal eben nicht.” – Dann ist das eine Mystifizierung, weil es suggeriert, dass Münzen im Römischen Reich, im Mittelalter, im Alten China etc. regelmäßig eingeschmolzen wurden, um dann statt als Tauschmittel wieder rein stofflich als „Metall“ genutzt zu werden – was aber mit Sicherheit nicht die Regel war.
(Dass Münzen eingeschmolzen wurden, kam wahrscheinlich am häufigsten vor, wenn sie Landesgrenzen überschritten und dann neu anhand ihres Metallwerts zu Münzen in der Landeswährung geprägt wurden. Aber das war eben die Art, wie sich die Währungskonvertierung in Zeiten von Metallgeld vollzog, und natürlich hörten sie dadurch genauso wenig auf, Geld zu sein, wie Euro beim Austausch in Dollar.)
Was ist der Wert? Du schreibst: “Was ihn interessiert, ist der ideale gesellschaftliche Durchschnitt, denn nur darin findet der Wertbegriff seinen Ort. So rekonstruiert Marx den Wert als gesellschaftliches Verhältnis.”
Dagegen schreibt Postone über die Wertgröße auf S.292 seines Hauptwerkes: An dieser Stelle ist wichtig, festzuhalten, daß Marx im 1. Kapitel des Kapitals seine Behauptung, die Verausgabung gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit sei das Maß des Werts, nicht vollständig ausführt. (…)
Seine Argumentation zielt dabei darauf, die zeitliche Bestimmung der Wertgröße als eine kategoriale Bestimmung sowohl der Produktion als auch der Dynamik des Ganzen zu rechtfertigen, und nicht nur – wie es zunächst scheinen mag – als eine Bestimmung allein der Steuerung des Tauschs.
Um die “Dynamik des Ganzen” näher zu erläutern, bezieht sich Postone auf S.433 auf die Einführung des Dampfwebstuhls in England, ein Beispiel, welches Marx im 1. Kapitel des ersten Bandes des Kapitals eingeführt hatte. Wie seine Ausführungen zum Wert in Band 1 im Allgemeinen bewegt sich auch dieses Beispiel auf der Ebene der gesellschaftlichen Totalität. Im englischen Originaltext steht an dieser Stelle: “Like his exposition of value in Volume 1 more generally, this example operates on the level of the social totality.”
Was heißt hier “Ebene der gesellschaftlichen Totalität”? Eine dynamische Wechselwirkung zwischen Wertdimension (abstrakte Arbeit, Wert, abstrakte Zeit) und Gebrauchswertdimension (konkrete Arbeit, stofflicher Reichtum, konkrete Zeit). Auf S.435 schreibt Postone, dass Produktivität (= die Gebrauchswertdimension der Arbeit) die gesellschaftliche Arbeitsstunde (=Wertdimension) bestimmt. “Es ist wichtig festzuhalten, dass diese Bestimmung nicht in abstrakter Zeit ausgedrückt werden kann. Nicht die Menge an Zeit, die einen Wert von x ergibt, hat sich verändert, sondern der Standard dessen, was diese Zeitmenge konstituiert.” Der Wert ergibt sich zwar aus abstrakter Arbeit und die Wertgröße aus abstrakter Zeit, doch “die Produzenten sind nicht nur gezwungen, gemäß einer abstrakten Zeitnorm zu produzieren, sie müssen dies auch auf eine historisch angemessene Art und Weise tun: sie sind dazu gezwungen, »mit der Zeit Schritt zu halten«. (S.453) Ich sehe eine gewisse Analogie zu den Kondratieff-Zyklen. Stellt euch vor, wie sehr sich die Gesellschaft wieder verändern wird durch Quantencomputer, Mobilfunk G5 oder ähnliche „Zukunftstechnologien“. Die ganze Gesellschaft wird wieder heftig umgekrempelt werden, aber wenn Wert die Grundbedingung der Gesellschaft bleibt, dann wird die Herrschaft der Riesenmaschine über den Menschen nur noch feiner und monströser werden.
@stefan: Geld als allgemeines Tauschmittel gab es definitiv schon vor dem Kapitalismus. Du wirst keinen Bauern und erst recht keinen Stadtbewohner im mittelaterlichen Europa oder in China oder im römischen Reich und in vielen anderen Weltgegenden und -zeiten finden, der Geld als Bezahlung abgelehnt hätte.
Also wenn das die spezifische kapitalistische Funktion sein soll, dann bist Du auf dem Holzweg.
@Christian: Das diskutiere am besten mit Eske Bockelmann selbst. Kannst ihn ja einladen, hier mitzudiskutieren.
@Christoph: Ich verstehe deine Ausführungen als Ergänzung? Ein „dagegen“ kann ich nicht so richtig erkennen. Wenn doch, dann versuche es noch mal genauer zu fassen.
@Benni: Geld war Tauschmittel, ja, aber nicht allgemein. Allgemein ist es erst dann, wenn du deine Existenz nicht mehr ohne sichern kannst. Und ja, das ist nicht das alleinige Kriterium für bzw. die einzige Funktion im Kapitalismus.
@Stefan: Du sagtest, dass Marx sich für den idealen gesellschaftlichen Durchschnitt interessiert habe, denn nur darin fände der Wertbegriff seinen Ort. Das hört sich für mich so an, als wolle Marx nur eine Rechenaufgabe lösen. Marx hatte die Arbeit eines Handwebers verlgichen mit der Schnelligkeit eines Dampfwebstuhls und festgestellt, dass man mit dem Webstuhl doppelt soviel Garn pro Stunde verweben kann wie mit der Hand. Das sieht auf den ersten Blick wie eine einfache Rechnung aus. Neue Technik, Zeit halbiert. Doch die Erfindung des Dampfwebstuhls hat nicht nur die durchschnittlichen Produktionszeiten in der Textilbrache gesenkt, denn alle Produzenten sehen sich nun gezwungen, mit Dampfkraft zu produzieren und wenn sich die Produktionsmethode verallgemeinert hat, gilt die Produktion mit Dampfkraft als das neue Basisniveau der Produktivität. Alle Produzenten müssen hinfort unter “Volldampf” produzieren. Abstrakt zeitlich gesehen bleibt die gesellschaftliche Arbeitsstunde das Maß des Wertes, konkret jedoch verändert sie sich entsprechend den Veränderungen der Produktivität. Nach dem Dampf kamen Stahl, Eisenbahn, Elektrotechnik, Chemie, Informationstechnik und in Zukunft vielleicht Quantencomputer und Kernfusion. Alle diese neuen Technologien verkürzen nicht nur abstrakt-zeitlich gesehen Produktionsvorgänge, sondern verändern die gesellschaftliche Arbeitsstunde konkret, die Zeit wird immer “dichter”.
@Stefan:
Hmm hmm, wenn du dir die Aussagen von Bockelmann zu eigen machst und sie weiterverbreitest, solltest du eigentlich auch in der Lage sein, sie zu verteidigen, wenn’s drauf ankommt?
Also man könnte nun darüber streiten, wer wenn dieses „du“ ist und welche Menschen in früheren Gesellschaften auf Geld als Mittel zur Existenzsicherung angewiesen waren und welche nicht. Das eigentliche Probleme sehe ich aber darin, dass du die Allgemeinheit der Geldverwendung hier direkt in deine Definition von Geld reinnimmst. Würde man das bei anderen Dinge akzeptieren? Also angenommen jemand definiert: „Ein Auto ist erst dann ein Auto, wenn man im Alltag ohne mehr nicht klarkommt – vorher handelt es sich lediglich um Vorformen.“ Dann könnte man schließen, dass es vielleicht in amerikanischen Städten mit ausgeprägten Suburbs und ohne funktionierenden Nahverkehr Autos gibt sowie in Deutschland auf dem Land, in deutschen Großstädten aber nicht – dort gibt es stattdessen nur Vorformen.
So weit, so klar. Aber ist das eine sinnvolle Definition? Mit welchem Recht und welcher Plausibilität nimmt sich jemand das Recht heraus, den individuelle Notwendigkeit von Autos zum Teil ihrer Definition zu machen? Ich denke, die meisten würde eine solche Definition zurecht als willkürlich zurückweisen. Zudem trägt sie überhaupt nichts zum Verständnis von Autos bei – man hat nun lediglich eine zusätzliche Unterscheidung zwischen Autos und Auto-Vorformen, die alles verkompliziert, aber keinen Erkenntnisgewinn bringt. Und ob’s nun um „Autos“ oder um „Geld“ geht, macht dabei keinen Unterschied.
Zudem: Wieso sollte „allgemein“ denn bedeuten, dass es ohne nicht geht? Ich würde es eher so verstehen, dass das „allgemeine Tauschmittel“ zum Erwerb beliebiger Tauschgegenstände (Waren) eingesetzt werden kann. Was käuflich ist, ist (in der Regel) gegen Geld erwerbbar. Damit ist dann klar, dass es auch in einer etwa weitgehend auf Subsistenzproduktion basierenden Gesellschaft Geld geben konnte und gab, sofern dort Dinge (oder auch Menschen – Sklav:innen) käuflich erwerbbar waren.
@Stefan und Christian
Stefan sagt: Folglich sind Geld und Wert gleichursprünglich und erst mit dem Kapitalismus in die Welt gekommen.
Christian bezweifelt das: Seriously? Von (Wirtschafts-)Geschichte keine Ahnung zu haben, ist ja keine Schande, aber so tun als ob ist dann doch problematisch. Und du berufst dich zwar auf Marx, aber du zitierst ihn nicht, und mit Sicherheit wirst du bei Marx keine Stelle finden, wonach das „Geld … erst mit dem Kapitalismus in die Welt gekommen“ sei.
Ich möchte die These von Stefan unterstützen, wonach das Geld (als allgemeine Ware) und der Wert erst mit dem Kapitalismus in die Welt gekommen sind.
Postone sieht das auch so und zitiert Marx dabei. Verzeiht mir bitte die Kopie einer ganzen Buchseite, aber ich kann den Menschen Postone nicht besser zusammenfassen, S.408ff.:
Obwohl es die Waren- und Geldzirkulation sicherlich historisch auch schon vor dem Kapitalismus gegeben hat, wird die Arbeitskraft nur im Kapitalismus zu einer Ware und nimmt die Arbeit nur im Kapitalismus die Form von Lohnarbeit an (MEW 23, 183 f.). Erst hier wird die Warenform des Arbeitsprodukts allgemein (MEW 23, 184, Fn. 42) und Geld zum realen allgemeinen Äquivalent. Diese historische Entwicklung steht bei Marx für eine epochale historische Transformation: sie »umschließt eine Weltgeschichte« (MEW 23, 184). Der Kapitalismus markiert einen qualitativen Bruch mit allen anderen historischen Formen gesellschaftlichen Lebens.
Dies bestätigt mein Argument, daß die logische Entfaltung der Kategorien von der Ware über das Geld hin zum Kapital nicht als notwendige historische Abfolge verstanden werden sollte. Die Bestimmung der Ware am Anfang des Kapitals setzt Lohnarbeit schon voraus. Marx will in seiner Darstellung keine historische Entwicklung nachzeichnen, sondern geht logisch vom Wesen des Systems aus. Dies wird durch seine Feststellung bestätigt, daß Handels- und zinstragendes Kapital historisch zwar vor die moderne >Grundform< des Kapitals zu datieren sind, logisch aber aus dieser kapitalistischen Grundform abzuleiten sind (weswegen sie erst später, im dritten Band, behandelt werden) (MEW 23, 177 f.). Weiter unten wird auf dieses Thema des Verhältnisses von Geschichte und Logik in der Marxsehen Analyse zurückzukommen sein.
Diese Lesart widerspricht der oben kritisierten Interpretation, die Marxsche Wertanalyse im ersten Band des Kapitals erstelle ein Modell vorkapitalistischer Gesellschaft und erst die Diskussion von Preis und Profit im dritten Band beziehe sich auf die kapitalistische Gesellschaft. Dies unterstellt, daß der Wert historisch dem Preis vorausgeht. Das Gegenteil aber ist der Fall: meine Interpretation verweist darauf, daß ebenso wie Warenzirkulation, Geld, Handels- und zinstragendes Kapital historisch der modernen Form des Kapitals vorangehen, auch die Preise – wenngleich nicht die >Produktionspreise<, auf die Marx sich im dritten Band bezieht – schon vor dem Wert existierten. Wert als totalisierende Kategorie wird nur in der kapitalistischen Gesellschaft konstituiert.
In dieser Hinsicht ist es bezeichnend, daß Marx erst, als er mit der Entwicklung der Kategorie Kapital beginnt, gegen Theorien argumentiert, die den Wert einer Ware auf die Bedürfnisse, die sie befriedigen könnte, beziehen. Er hält dagegen, daß diese Theorien Gebrauchswert mit Wert durcheinanderwerfen und den Charakter der Produktion nicht zureichend berücksichtigen. (MEW 23.173 f.) Daß solche Argumente an diesem Punkt der Marxschen Darstellung auftauchen, zeigt, daß die deduktive Ableitung des Werts in den ersten Abschnitten des Kapitals die wirkliche Grundlage für seine den Wert betreffende Argumentation nicht ist – daß Wert also keine subjektive Kategorie darstellt, sondern eine objektivierte gesellschaftliche Vermittlung, die durch Arbeit konstituiert und mittels der Verausgabung von Arbeitszeit gemessen wird. Die wirkliche Grundlage dieser Position liefert vielmehr seine Entfaltung der Kategorie des Kapitals beziehungsweise seine Analyse der Produktion. Weit davon entfernt, ein Marktgleichgewicht im Kapitalismus zu erklären oder gar ein Modell einer vorkapitalistischen Gesellschaft zu begründen, kommt der Wert im Marxschen Verständnis erst als eine strukturierende gesellschaftliche Kategorie, das heißt erst mit der Konstitution von Kapital als einer totalisierenden Form, zu sich selbst. Er ist die Kategorie von Effizienz, Rationalisierung und fortdauernder Transformation. Wert ist die Kategorie einer richtungsgebundenen dynamischen Totalität.
Nach Marx ist Wert eine Kategorie der Kritik an den Verhältnissen, die sich durch ihn entwickeln – und damit im Sinn einer gesellschaftlichen Emanzipation gegen die Wertlosigkeit des menschlichen Lebens und seiner Natur im Kapitalismus begriffen.
„Unser wechselseitiger Wert ist für uns der Wert unsrer wechselseitigen Gegenstände. Also ist der Mensch selbst uns wechselseitig wertlos.“ (MEW 40, S. 462f.) Von daher ist er nicht eine schlichte Verallgemeinerung der Arbeit, sondern die logische Substanz abstrakt menschlicher Arbeit. Diese ist nur zu begreifen, wenn man aus dem Strukturalismus der gesellschaftlichen Formationen hinaus denkt, sie so subjektiv wie objektiv zugleich versteht.
„In jedem Verhältnis, worin sich die Positionen nicht sinnvoll aufeinander beziehen lassen, sich nur im Dazwischensein ihrer Existenzen gegen einander verhalten, verbleibt ihre Beziehung ohne wirklichen Rückhalt. In ihrer Ausschließlichkeit verschwindet sie in dem, was nur außer sich Sinn macht, in der Abwesenheit ihres Zwecks, der durch nichts gegenwärtig ist, also auch nicht wirklich wahr sein kann. In solcher Wirklichkeit beziehen sich ihre Inhalte füreinander wesenlos, wesentlich abwesend. Und so verhalten sie sich zu einander aus der Abwesenheit ihrer Beziehung, aus dem Nichts ihrer Wirkungen nurmehr abstrakt, wirken nurmehr durch das, was sie nicht wirklich sein können, verhalten sich durch ihre Abstraktion von sich, die ohne Sinn für einander sich im allgemeinen wie eine fremden Kraft entwickelt.“ (https://kulturkritik.net/begriffe/index.php?lex=wert)
Eine Ergänzung zu Stefans Text:
Soweit es Tausch in vorkapitalistischen Gesellschaften gab, gilt das, was Stefan dazu ausführt. Es geht nicht um Äquivalententausch, sondern um irgendwie zustande kommende Abmachungen über Gabe und Gegengabe. Dieser Tausch findet oft zwischen Anführern statt.
Dazu ein Beispiel von Georges Duby bezogen auf das Frühmittelalter (https://keimform.de/author/wille/). In dem Beispiel in Bezug auf Bleiverkehr wird dreimal scheinbar gehandelt. Einmal mit Geld („eine große Summe Münzgeld dafür bezahlen“):
Wir sind es gewohnt, daraus Gleichungen zu machen, die man auch auf eine Gleichung reduzieren kann: Blei = eine Summe Münzgeld = Beten für den Geber = ohne Erwartung einer Gegenleistung (vordergründig?)
Das Auffällige: hier wird nichts über Quantitäten gesagt, sondern ausschließlich über Qualitäten (Gebrauchswertcharakter). Entspricht denn wenigstens der Fall „Münzgeld“ unserem Umgang mit dem Gelde? – Nein, die gesamte Gesellschaft ist durchzogen von einem weit und tief verzweigten und verflochtenen Netz zirkulierender Güter und Dienstleistungen, die durch Redistribution und Reziprozität für Verteilung sorgen, dabei steht Freigebigkeit – vor allem der Eliten – im Vordergrund. Nach außen kommen Plünderungen, Piraterie und Tributzahlungen ergänzt werden.
Wenn dabei auch mal Münzgeld eingesetzt wird, so könnte das genauso gut Vieh (pecus) sein. Daher leitet sich ein früher Begriff für Geld ab: pecunia.
Die Unterscheidung zwischen Elitenhandeln und Handeln der zu mehr als 90% bäuerlichen Bevölkerung (Subsistenzwirtschaft, gegenseitige Hilfe, Leben in einer Gemeinschaft) sollte nicht vergessen werden.
Annette Schlemm schreibt im Blog Philosophenstübchen (https://philosophenstuebchen.wordpress.com/2022/06/23/markt-konkurrenz-und-durchschnittsprofitrate/) bezüglich der Begriffe IM und AUßERHALB des Kapitalismus (28.6.2022):
Was hilft es nun, immer wieder von Neuem zu behaupten, dass es DAS Geld doch schon immer gab? Lange Zeit war es nur GELT. Zum GELT gab es hier bereits mehrere Hinweise, die in dieser Diskussion regelmäßig übergangen werden (siehe die Kommentare in https://keimform.de/2020/eske-bockelmann-das-geld/ vom 27.12.2021 und vom 11.1.2021).
Wesentlich für die Frage, ob Geld nur einer allgemeine Geltung (GELT) oder ein rein kapitalistisches Element darstellt, ist doch das, was dem Geld die Macht verleiht, dass man es haben muss, um überhaupt leben zu können. Und diese Macht besteht dadurch, dass Geld als Ware, als allgemeines Privateigentum gehandelt wird, dass es die allgemeine Vermittlung eines gesellschaftlichen Stoffwechsels betreibt und die Teilung der Arbeit zwischen Bedürfnis und Produkt aufhebt, deshalb sich als Mittler zwischen Bedürfnis und Erzeugung seiner Gegenstände Not wendend verhält.
„In einer Gesellschaft, deren Produkte allgemein die Form der Ware annehmen, d.h. in einer Gesellschaft von Warenproduzenten, entwickelt sich dieser qualitative Unterschied der nützlichen Arbeiten, welche unabhängig voneinander als Privatgeschäfte selbständiger Produzenten betrieben werden, zu einem vielgliedrigen System, zu einer gesellschaftlichen Teilung der Arbeit.“ (MEW 23, S. 57)
Weil menschliche Bedürfnisse nur in Einheit mit der menschlichen Arbeit zu verstehen sind (siehe hierzu Stoffwechsel), weil sie nur zwischen Produktion und Konsumtion sich adäquat verhalten können, stellt sich ihre Trennung zwischen Einkauf und Verkauf, die Trennung der Arbeit zwischen Gebrauchswert und Tauschwert (siehe Teilung der Arbeit) dar und können nur in der Geldform ihren abstrakten Zusammenhang vermitteln. Von daher kann der arbeitende Mensch seine Bedürfnisse nur durch Geld befriedigen und der bedürftige Mensch nur durch einen Arbeitslohn sein Leben verdienen.
In der bürgerlichen Gesellschaft müssen die Menschen ihr Leben verdienen, können also nicht als lebende Menschen gesellschaftlich zusammenwirken, keine gemeinschaftliche Wirklichkeit ihres Lebens bilden. Unter solcher Bedingtheit bleiben Bedürfnisse und Arbeit im Wesentlichen von einander getrennt und müssen im Nachhinein ihres Werdens ihre Einheit unentwegt einholen. So ist und bleibt den Menschen ihr allen gemeiner, ihr gesellschaftlicher Lebenszusammenhang äußerliche, isolierte Existenz und daher auch äußere Notwendigkeit, Zwang in und durch ihre Veräußerung – Lebenspflicht schlechthin.
Siehe hierzu auch https://kulturkritik.net/begriffe/index.php?b=kapitalismus
@ Benni: Du schreibst:
In Algerien allerdings sah das früher etwas anders aus. Früher? Nicht in grauen Vorzeiten oder im Mittelalter, nein, 1963. Das ist die Übergangszeit von einer traditionellen Gesellschaft in die mit kapitalistischer Produktionsweise. Man hatte z.T. bereits Erfahrungen mit dem Geld gemacht und hielt in anderer Weise am Herkömmlichen fest.
Die rationale Verwendung einer Geldmenge verlangt ein Kalkül, eine Denkform, die dem bisherigen Denken fremd ist und die nur widerstrebend gelernt wird:
Dabei kommen ganz grundsätzliche Sichtweisen zum Ausdruck:
Oder kurz: gehandelt wird nur mit Fremden und Feinden. Innerhalb des eigenen Familienclans gibt es keinen Tausch. Dort wird „streng nach den Regeln der Reziprozität und der Unentgeltlichkeit“ (ebd.) verfahren. Die von Polanyi hervorgehobene Einbettung des wirtschaftlichen Handelns in die Gesellschaft, in ihre Gepflogenheiten, in tief verwurzeltes kulturelles, mythisch-rituelles Verhalten wird in diesem Text ausgesprochen, ohne direkt auf Polanyi zu verweisen. Dazu gehört eben die „Logik des Gabentauschs“ (8).
In der Übergangsgesellschaft (1963 und nicht zu Beginn der Neuzeit!) ist der Kapitalismus schon recht weit gediehen, trifft aber immer wieder auf das alte Denken:
Diese Anekdote handelt in der Übergangszeit. Hier trifft ein „unvermeidliches Kalkül“ mit dem „verabscheuungswürdigen kalkulierenden Denken“ zusammen. „Zunächst legt (die Anekdote) offen, daß man einen klaren Trennungsstrich zwischen der Bezahlung, sei es in Geld oder in Naturalien, im Sinne einer Entschädigung für die aufgebrachten Mühen, und dem Mahl macht, das einen symbolischen Akt repräsentiert, den man nur auf die Gefahr eines Skandals hin einfach auf seine ökonomische Dimension reduzieren kann“ (ebd.). „Das Mahl ist ein Akt des Tausches, der ein Bündnis besiegelt und eine der Verwandtschaft analoge Beziehung zwischen Freunden begründet („Ich stelle Speise und Salz zwischen uns“)“ (ebd.).
Wenn also „der“ Bauer einfach so Geld bekommt in Antike oder Mittelalter, in Europa, China und/oder Asien, so gehört eine Menge an Abstraktion dazu. Das traditionell Hergebrachte muss schon abgelöst sein. Hier wird im Übergang gezeigt, wie kompliziert das ist, und das soll dann in der reinen vorkapitalistischen Gesellschaft noch viel einfacher und leichter gegangen sein („Du wirst keinen (…) finden, der Geld als Bezahlung abgelehnt hätte“)? – Eben doch, und das sogar in der bereits warenwirtschaftlich kontaminierten Transformationsgesellschaft im Algerien der 1950er/60er Jahre.
@Christian: Ein Auto ist kein sozialer Prozess, deswegen ist das eine abwegige Analogie (Analogien erklären eh nix, außer, dass es „irgendwie genauso aussieht“). Allgemein deswegen, weil es in Formzusammenhängen (hier: Gesellschaftsform) bestimmende Prozesse gibt. Die Möglichkeit ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Sklav:innen gibt es auch im Kapitalismus, dennoch ist der wesentliche soziale Prozess die Warenproduktion, weil die Leute vorrangig darüber ihre Existenz erhalten (aka „ohne geht’s nicht“).
@Christoph/Postone: Yep, „Wert als totalisierende Kategorie wird nur in der kapitalistischen Gesellschaft konstituiert“.
@Wolfram#1: Wert hat auch eine subjektive Seite, willst du das sagen?
@Wilfried#1: Danke für die Ausführungen.
@Wolfram#2: Ich lese das mal kritisch – oder meinst du es affirmativ?
@Wilfried#2: Danke für den Verweis auf Bourdieu.
@Stefan „@Wolfram#1: Wert hat auch eine subjektive Seite, willst du das sagen?“
Ich versuche, an den emanzipatorischen Gedanken von Marx zu erinnern, der in einer dialektisch formlierten Kritik einen subjektiven Grund gegen objektive Verselbständigungen verfolgt.
Seine 1. Feuerbachthese formuliert seine Abgrenziung von einer rein objektivistischen Theorie, die ihren praktischen Grund nicht darstellt, indem sie lediglich ihr Objekt betrachtet, ihm äußerlich bleibt:
„1. Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus – den Feuerbachschen mit eingerechnet – ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit, nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als menschliche sinnliche Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv.“
Der Wert selbst hat sich objektiv in und durch tätige Abstraktion, also im Warenausch entwickelt und setzt von daher praktisch auch alles voraus, was sich in der Geschichte der bisherigen Gesellschaften vergegenständlicht hat, was also schon menschlicher Gegenstand war, bevor die Teilung der Arbeit – die Abstraktion ihrer Vermittlung – ihn zu einer selbständigen Macht formatiert hat.
Stefan. „@Wolfram#2: Ich lese das mal kritisch – oder meinst du es affirmativ?“
„So ist und bleibt den Menschen ihr allen gemeiner, ihr gesellschaftlicher Lebenszusammenhang äußerliche, isolierte Existenz und daher auch äußere Notwendigkeit, Zwang in und durch ihre Veräußerung – Lebenspflicht schlechthin.“ Das kann man affirmativ doch nur verstehen, wenn man die Menschen in solcher Objektivität unkritisch „verstehen will“ und sie nicht subjektiv, sich darin nicht auch selbst, sich nicht als objektiviertes Subjekt in seiner Emtfremdung erkemnen will. Rein objektive Wissenschaft (siehe z.B. Positivismus, Empirisms, Phänomenologie, Systemtheorie u.a.) kann keine kritische Theorie sein, weil sie ihre Getrenntheit von ihrem Gegenstand nicht erfassen kann, selbst nur abstraktes Denken b etreibt.
@Christoph: Ich lese Postone anders als du. „Erst hier [im Kapitalismus] wird die Warenform des Arbeitsprodukts allgemein … und Geld zum realen allgemeinen Äquivalent.“ Das sagt doch unzweideutig: Ja, Geld (und auch Waren und Arbeit) gab es schon vorher (sonst könnte er nicht von „werden“ reden), aber erst im Kapitalismus wird es zum „allgemeinen Äquivalent“. Da würde ich mitgehen. Vorher kann man es etwa als „allgemeines Tauschmittel“ betrachten, wie wir es in anderen Kommentare getan hatten.
@Christian: Geld als Tauschmittel gab es vielfältig auch schon früher, aber nicht als allgemeines Tauschmittel (allgemeines Äquivalent), oder?
@Christoph schrieb: „Wert ist die Kategorie einer richtungsgebundenen dynamischen Totalität.“
Die Wertform wird von Marx nicht beliebig am Anfang seiner Analyse behandelt und ist auch keine Kategorie irgedeiner „Dynamik“. Grundlegend ist, dass der Wertbegriff bei Marx das Rätsel aufdeckt, warum Wert im Wesentlichen die Teilung der Arbeit zwischen Produktion und Konsumtion auflöst, warum er in der Preisform sich als Zahlungsmittel verhält, und im allgemeinen als Kaufmittel des Werts im Widersspruch hierzu funktioniert und bleibenden Geldbesitz als Schatz ermöglicht. Schließlich entsteht aus dem Widerspruch der Geldform alles, was die drei Bände von der Lohnarbeit der Arbeitskraft bis hin zum Kreditwesen erklären wollen. (siehe hierzu auch https://kulturkritik.net/begriffe/index.php?lex=teilungderarbeit
@Christoph:
Wieso sollten „allgemeines Tauschmittel“ und „allgemeines Äquivalent“ dasselbe sein? Ich würde unter erstem eher das Tauschmittel verstehen, mit dem all oder fast all die Waren erwerbbar sind, die in der jeweiligen Gesellschaft eben verfügbar sind. Letztlich finde ich es aber egal, ob man es „allgemeines Tauschmittel“ oder „flexibel verwendbares Tauschmittel“ o.a. nennt, wichtig ist die Erkenntnis: „Geld […] gab es vielfältig auch schon früher“ (= vor dem Kapitalismus). Solange wir uns darauf einigen können, bin ich zufrieden.
Zu behaupten, es hätte vor dem Kapitalismus gar kein Geld gegeben („Geld [ist] erst mit dem Kapitalismus in die Welt gekommen“), ist hingegen so peinlich falsch, dass es mir weh tut, sowas in einem immerhin von mir mitbegründeten Blog zu lesen.
Aber vielleicht würde inzwischen auch Stefan mitgehen, denn er schrieb ja oben: „Geld war [vor dem Kapitalismus] Tauschmittel, ja“? Allerdings müsste er dann eigentlich noch seine Kolumne umschreiben, um das richtig zu stellen.
@ Christian: Das dritte Kapitel im 1. Band des Kapitals ist über Geld und die Zirkulation. Marx beschreibt nach und nach 1. Geld als Maß der Werte, 2. als Zirkulationsmittel, 3. Geld als Geld. Im nachfolgenden 4. Kapitel geht es dann um die Verwandlung von Geld in Kapital. Ich glaube Geld als Kapital gibt es erst im Kapitalismus, denn damit Geld Kapital werden konnte, brauchte es erstmal Lohnarbeit. Und erst wenn Arbeit flächendeckend zur Ware geworden ist, kommt der Wert zu sich selbst, entwickelt eine immer stärkere Dynamik, die Postone mit einer Tretmühle vergleicht. Kapital ist „Wert in Bewegung“.
@Christian: Ich habe nicht behauptet, es hätte vor dem Kapitalismus „gar kein Geld“ gegeben. Das ist ein Strohpuppenargument. Geld ist kein Ding, das da ist oder nicht, 0 oder 1. Sondern es ist ein verdinglichtes gesellschaftliches Verhältnis und erst mit diesem Verhältnis entstanden. Deswegen schrieb ich hier: „Solange es sich nicht um ein gesellschaftliches Verhältnis handelt, ist es kein Geld – das ist die Basisthese. Alles andere wäre eine Art Vorgeld, dass in der Tat historisch genauer anzugucken wäre“. Keimformen halt.
@Stefan: „Eine Art Vorgeld“? Also doch https://kulturkritik.net/begriffe/index.php?lex=rechengeld
@Wolfram: Ja, nur würde ich aus dem Vorgeld/Rechengeld/Gutscheingeld/Lokalgeld keine Alternative (bei dir „Vertragswirtschaft“) ableiten. Ein Zurück gibt es beim Geld nicht. Das Geld ist zu sich gekommen, das kannst du nicht mehr rückformen.
@Stefan schrieb „Das Geld ist zu sich gekommen, das kannst du nicht mehr rückformen.“
Das Geld hat seinen Widerspruch von Zahlngsmittel und Kaufmittel totalisiert und verlangt durch den Wahnsinn der Spekulation auf die Kreditwirtschaft (95% Giralgeldschöpfung) und deren Schaden für den Großteil der Menschen nach einer Besinnung auf reale Existenzen, z.B. genossenchaftliche Kommnalarbeit, die natürlich auch in ihren Aufwänden möglichst gerecht verteilt werden muss. Verträge sind auch bei Marx der Unterschied zur Beliebigkeit von willkürlichen Beziehungen:
„Für alle Lebewesen, die keine Verträge darüber abschließen konnten, sich gegenseitig nicht zu schaden noch schaden zu lassen, gibt es weder Recht noch Unrecht. (Diogenes Laertius X, 150.)
Ebenso aber ist es auch bei den Völkern, die die Verträge darüber nicht abschließen konnten oder wollten, sich gegenseitig nicht zu schaden noch schaden zu lassen. Gerechtigkeit ist nicht etwas an sich Seiendes, sondern im gegenseitigen Verkehr, an welchem Ort auch immer, werde ein Vertrag abgeschlossen, sich nicht zu schaden noch schaden zu lassen.“ (Karl Marx, MEW 40, S. 343)
@Stefan:
Nun kommt es ja nicht nur darauf an, was du meinst, sondern auch darauf, was andere verstehen. Und ich frage mich schon, wie viele Leute nach Lektüre der Aussage „Folglich [ist das] Geld […] erst mit dem Kapitalismus in die Welt gekommen“ die Frage „Geht der Autor davon aus, dass es vor dem Kapitalismus schon Geld gab?“ mit JA beantworten würden. Allzu viele dürften es nicht sein, schätze ich.
Zum Thema „Vorgeld“ und zur Idee: „Das Geld ist zu sich gekommen, das kannst du nicht mehr rückformen“ – da stecken allerhand verborgene philosophische Vorannahmen drin, die du mal explizit ausbuchstabieren müsstest, um feststellen zu können, wie weit sie tragen. Ich habe gewisse Zweifel. Also z.B. „Vorgeld“: das macht vielleicht noch Sinn in Bezug auf des Geld des europäischen Mittelalters, das dem kapitalistischen Geld tatsächlich historisch vorwegging. Es macht aber schon keinen Sinn in Hinblick auf das Geld etwa in China, Japan, dem präkolumbianischen Amerika etc. – das sind ja alles andere Formen von Geld, deren Entwicklung irgendwann durch die Verbreitung von Kolonialismus und Kapitalismus abgeschnitten wurde, die man aber nicht – zumindest nicht ohne sorgfältige Studien – mit dem europäisch-mittelalterlichen Geld einfach gleichsetzen und deshalb als bloße „Vorformen“ verbuchen kann.
Auch die Idee, dass das kapitalistische sozusagen das einzige „echte“ Geld sei, weshalb das Geld erst hier „zu sich gekommen“ und nun kein anderes Geld mehr möglich sei, ist philosophisch fragwürdig. Einmal klingt sie verdächtig nach der Idee eines „Endes der Geschichte“, an dem wir zufällig genau jetzt angekommen sind – in diesem Falle zwar nicht der Geschichte allgemein, aber doch der Geschichte des Geldes. Diese Idee hat sich aber bislang eher blamiert und dürfte sich kaum rigoros begründen lassen. Zweitens werden so alle eventuellen Entwicklungslinien, die die Produktionsverhältnisse (und als Teil von ihnen das Geld) in anderen Gesellschaften vielleicht hätten annehmen können, wenn ihnen nicht der Kapitalismus dazwischen gekommen wäre, negiert – und ebenso die Möglichkeit geleugnet, dass solche oder auch andere Entwicklungslinien in Zukunft wieder aktuell werden könnten.
@Christian: Texte können immer unterschiedlich interpretiert werden, klar. Du weisst jedoch, was mein Argument ist, und du verwendest Strohpuppen, um draufzuhauen. Lame.
Es ist richtig, dass „allerhand verborgene philosophische Vorannahmen“ in meinem Text drinstecken – wie in so ziemlich jedem theoretischen Text. Ausbuchstabieren würde sich auf jeden Fall lohnen. Da läge jenseits einer kurzen Kolumne.
Mit „Vorgeld“ meinte ich nicht historisch vorgängig, sondern begrifflich vorgängig. Also eher Geld im Keimformstatus oder als Vorform. Das trifft auf alle Regionen der Welt zu, denn schließlich hat sich das „kapitalistische Geld“, das zu-sich-gekommene Geld, durchgesetzt. Und ja, es lässt am Ende in gesellschaftlicher Größenordnung kein anderes Geld neben sich zu.
Wieso das das Ende der Geschichte sein soll, erschließt sich mir jedoch nicht. Ich hoffe nicht, doch meine Überlegung bedeutet in der Tat, dass eine emanzipatorische Alternative nur jenseits des Geldes liegen kann.
@Stefan: Ich verwende keine „Strohpuppen“, ich weiß nicht, wie du darauf kommst. Wenn du nicht inhaltlich diskutieren und dich auf die Argumente anderer einlassen willst, dann halt nicht – schade drum.
Zum Thema „Vorform“: dieser Begriff macht so allgemein verwendet keinen Sinn, wie ich ja oben schon angemerkt hatte. Dass A eine „Vorform“ von B ist, setzt eine Entwicklung von A zu B voraus. Nach deiner Logik müsste man etwa auch die Irokesen-Konföderation als Vorform der USA bezeichnen, weil sich beide auf demselben Gebiet befanden. Aber das ist unsinnig, weil es keine Entwicklung vom einen zum anderen gab. Ebenso wenig kannst du Formen von Geld als „Vorformen“ des kapitalistischen Geldes bezeichnet, die historisch keine waren.
Auch die Idee dass im „kapitalistischen Geld“ das Geld „zu sich gekommenen“ ist, ist nicht mehr als eine Behauptung, die du erstmal belegen müsstest. Was du vermutlich nicht kannst, allein schon weil du ja neben dem „kapitalistischen Geld“ gar kein anderes als „richtiges“ Geld anerkennst, wodurch die Behauptung dann zur bloßen Tautologie verkommt.
@Christian: Erst verteidigst du deine Strohpuppe „gar kein Geld“ und dann ist es keine?
Wenn A eine Vorform von B ist, dann muss es keine direkten Entwicklungsweg von A zu B gegeben haben, wie die Buchstabennähe von A und B suggerieren mag (von dir eingeführt). Es kann viele konkret-historische Vorformen vom Typ A gegeben haben (A1, A2, A3,…), von denen auch etliche ihr Ende fanden, in anderen Formen aufgingen, sich umformten, etc. Irgendwann wurden aus ihnen Formen vom Typ B. Mir geht’s um die Typen, eben Formen, nicht ihre konkret-historischen Realisierungen. Deswegen kann ich sehr wohl Vorformen der entfalteten kapitalistischen Geldform so nennen, auch wenn sie konkret-historisch keinen unmittelbaren Zusammenhang aufweisen. Das meinte ich mit dem begrifflich-logischen Zusammenhang.
Ich finde den Streit um Worte, den ihr gerade führt nicht so interessant. Ist ja jetzt nicht so entscheidend ob man etwas „Vorgeld“, „Geld-Keimform“, „nicht-kapitalistisches Geld“ oder whatever nennt. Konsens scheint ja zu sein, dass es einen Unterschied zwischen dem kapitalistischen Geld und allen anderen Geldformen gibt. Nur das kapitalistische Geld „echtes“ Geld zu nennen, erscheint mir da eher eine rhetorische Zuspitzung (die ich vielleicht nicht besonders glücklich oder hilfreich finde) als jetzt ein wirklich inhaltliches Problem. Stefan sagt dazu:
„Solange es sich nicht um ein gesellschaftliches Verhältnis handelt, ist es kein Geld – das ist die Basisthese“
Das scheint mir Stefans zentrales Argument zu sein. Oder, Stefan? Das Problem was ich damit habe: Das verlagert die Diskussion ja nur dazu was jetzt ein „gesellschaftliches Verhältnis“ ist und was nicht. Ich wüsste gerne wieso der Dollar oder der Euro ein „gesellschaftliches Verhältnis“ ist und die römische Sesterze, der florentiner Gulden, Chinesisches Papiergeld etc. aber nicht.
@Benni: Genau, erst wenn Geld sich als gesellschaftliches Verhältnis durchgesetzt hat, ist es in meinem Verständnis „Geld“ – und vorher halt eine Vorform davon. Dies deswegen, weil Geld den Wert ausdrückt, der nur als gesellschaftliches und damit objektives Verhältnis existiert.
Du fragst nun: „Ich wüsste gerne wieso der Dollar oder der Euro ein „gesellschaftliches Verhältnis“ ist und die römische Sesterze, der florentiner Gulden, Chinesisches Papiergeld etc. aber nicht.“
Weil die Vorformen von Geld für die gesellschaftliche Reproduktion nicht bestimmend waren. Die Menschen sicherten ihre Existenz wesentlich außerhalb von Kauf und Verkauf (v.a. in der Landwirtschaft). Geld, sofern vorhanden, diente dazu, solche Güter zu erlangen, die lokal nicht zugänglich waren. Der Gewinn bestand im erlangten seltenen Gut, nicht im Geld. Es galt also W-G-W. Und: „Die Summe der Einzeltausche, ob mit oder ohne Tauschmittel, ergaben vor dem Kapitalismus noch lange kein objektives Gesamtverhältnis, sondern blieben von subjektiven Präferenzen und kulturellen Gepflogenheiten bestimmte Einzelhandlungen“.
Ist erstmal Geld als Geld gesellschaftliche durchgesetzt, ist es (durchschnittlich) zwingend notwendig, zu Geld zu kommen, um Kaufen zu können, um die Existenz zu sichern. Die Gesellschaft ist nun abhängig von funktionierendem Kauf und Verkauf. Die Produktion richtet sich nun darauf aus, nicht mehr auf die Versorgung. Arbeitskraft wird nun zur Ware, um Geld zu erlangen. Nun gilt G-W-G. Geld wird dann zum Selbstzweck, es wird als Kapital investiert, um sich zu vermehren: G-W-G‘ wie wir es kennen.
„Die Menschen sicherten ihre Existenz wesentlich außerhalb von Kauf und Verkauf (v.a. in der Landwirtschaft).“
Wie soll das in einer Millionenstadt wie dem Rom der Kaiserzeit (um jetzt nur mal das offensichtlichste Gegenbeispiel zu nennen) funktionieren? Aber grundsätzlich ist diese These einfach nicht mit Städten kompatibel. Und Städte gibt es halt einfach schon viel, viel länger als den Kapitalismus. Das kannst Du doch nicht einfach ignorieren?
Ehrlich gesagt wundere ich mich, dass Du in so vielen Bereichen die alten ML-Mythen über Bord geschmissen hast, aber bei diesem historischen Kram ist es dann alles wieder sehr Old School.
Es gab doch nicht nur Städte, sondern der größte Teil der Bevölkerung hat auf dem Land gelebt. – Ich habe keine Lust, so zu diskutieren und abgewertet zu werden.
Sorry, ich wollte niemanden abwerten. Ich bin nur zunehmend frustriert, dass es nicht möglich ist bestimmte Fakten auch als solche zu diskutieren sondern Du dann immer wieder ausweichst.
Aber „große Teile der Bevölkerung haben auf dem Land gelebt“ stimmt halt zwar global aber eben nicht immer und überall. In den Niederlanden haben schon im Spätmittelalter mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Städten gelebt. Und schon seit der frühesten Antike gibt es Städte mit einer Ökonomie, die nicht auf Subsistenz basiert. Und zwar auf der ganzen Welt. Und Geld eben auch schon sehr lange. Und diese Städte sind auch keine gesellschaftliche Ausnahme sondern auch damals schon Zentrum von Kultur, Regierung und Reichtum.
Also entweder gibt es was anderes, was das kapitalistische Geld vom „Vorgeld“ unterscheidet als die von Dir angeführte Subsistenzökonomie, die Geld nur zu einem verzichtbaren Addon macht, oder Deine These stimmt halt so nicht.
Anderes Beispiel, dass einfach nicht zur Geschichte vom „Vorgeld“ passt: In römischen Siedlungen (und zwar Stadt und Land) finden sich in der Kaiserzeit kiloweise Münzen. Das sind nicht weniger als man auch in einer modernen Siedlung finden würde.
Ich glaub ja, dass es einen Unterschied gibt. Irgendwas hat sich da natürlich auch am Geld geändert im Übergang zum Kapitalismus. Nur der kann es halt nicht sein. Und ich wäre ja dran interessiert den richtig rauszuarbeiten.
@Stefan: Du kannst doch nicht ernsthaft Städte in vorkapitalistischen Gesellschaften komplett übersehen bzw. behaupten, dass sie für die Analyse solcher Gesellschaften keine Rolle spielen würden?
Und auch auf dem Land oder anderswo in weitgehend subsistenzbasierten Gesellschaften haut es im Übrigen nicht so ganz hin, dass Geld (lediglich) dazu diente, „solche Güter zu erlangen, die lokal nicht zugänglich waren.“
So weisen die „Bielefelderinnen“ Maria Mies und Veronika Bennholdt-Thomsen, anerkannte Subsistenzexpertinnen, darauf hin, dass es auch in traditionellen Subsistenzgesellschaften immer Märkte gab, auch wenn diese eher eine untergeordnete Rolle spielten. Die Idee, dass es sich um Gesellschaften ohne Märkte und Geld gehandelt hätte, sei eine reine Phantasie (Eine Kuh für Hillary, Frauenoffensive, München 1997, S. 123).
Sie beschreiben, dass Bargeld im dörflichen Alltag kaum eine Rolle spielte – aber nicht, weil gar nicht verrechnet wurde, sondern weil man sich „anschreiben“ ließ. Typischerweise einmal jährlich wurde eine Endabrechnung gemacht und verbleibende Ungleichheiten ausgeglichen — nur dann floss tatsächlich Geld, und oft waren die gegenseitig erbrachten Leistungen schon weitgehend ausgeglichen, so dass kaum noch finanzielle Zahlungen nötig waren. Und wenn eine:r mal gar kein Geld hatte, wurden die offenen Rechnungen „in den Wind geschrieben“, schließlich sollte niemand hungern oder frieren müssen (S. 95).
Also ja: Man war vielleicht nicht streng und wer mal kein Geld hatte, war dadurch nicht gleich in der Existenz bedroht – aber das heißt nicht, dass nicht prinzipiell verrechnet wurde; und wenn sich eine Familie prinzipiell geweigert hätte, Überschüsse zu verkaufen, um die zum Ausgleich nötigen Zahlungen leisten zu können, dann kann man sich fragen, wie lange die dörfliche Solidarität das ausgehalten hätte. Vermutlich kam es nicht oft vor.
Und in Kontrast zur Idee, „ob sich der Tausch fair anfühlte“ wäre „jedes Mal neu anzuschauen, neu auszutarieren, neu auszuhandeln“ gewesen, würde ich gerne nochmal zitieren, was ich unter Verweis auf den Historiker Jacques Le Goff schrieb:
Also auch in solchen Gesellschaften waren Geld und Preise selbstverständlich ein Teil der gesellschaftlichen Verhältnisse. Nur eben auf andere Weise, als wir das heute kennen.
@ Benni: Du schreibst am 16.8.22, dass es ein gemeinsames Grundverständnis gibt:
Das denke ich auch. Meine ernsthafte Frage an dich: Worin besteht denn dieser Unterschied? Bei Stefan habe ich das verstanden:
Damit ist der Unterschied benannt, egal, ob Geldmünzen unter römischen Siedlungen oder unter unseren gefunden werden. Stattdessen versuchst du den benannten Unterschied als x-beliebiges Argument zu deuten:
Sind die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse nicht genau der Kern des Unterschieds? Geht es bei diesem Unterschied eventuell überhaupt nicht um Millionenstädte in der Antike (wobei man sich auch noch gut vorstellen kann, wie sich die Menschen dort aus Gärten ernährt haben [siehe ‚Gartenanbau‘ (horto) im Wikipedia-Stichwort „Wirtschaft im römischen Reich“ oder außerhalb Europas „Tenochtitlan“])?
Wieso soll irgendeine Währung ein gesellschaftliches Verhältnis sein?
Im Zusammenhang mit der abstrakten Arbeit – aber das kannst du gewiss auf die Kategorie Geld beziehen – heißt es:
Stefan drückt das so aus:
Hier wird doch sehr genau der Unterschied zwischen den gesellschaftlichen Verhältnissen benannt, die Geld und Geld unterscheiden. Denn von dem Unterschied gehst du doch auch aus, oder doch nicht? (siehe oben: Konsens). Der Unterschied ist deutlich benannt: „Arbeitskraft wird nun zur Ware“.
Im Mesopotamien der Sumerer, Babylonier und Assyrer gab es über ca. 3000 Jahre (die drei Jahrtausende, die der christlichen Zeitrechnung vorausgehen) kein Geld. Die komplexen Gesellschaften organisierten sich „auf dem Weg der Redistribution, des Einsammelns und Wiederverteilens“ (Bockelmann: 83). Das geht allerdings nur in manifesten und transparenten gesellschaftlichen Verhältnissen mit persönlichen Abhängigkeiten (Postone). Da sehen die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kapitalismus allerdings anders aus. Dort heißt der Vermittler „Geld“. Den willst du doch von dem Geldmünzen-(Vor-)Geld unterscheiden, oder habe ich dich da missverstanden?
Abschließend noch ein Wort zum Traditionsmarxismus („die alten ML-Mythen“) in der Nachfolge der II. Internationale. Dieser Marxismus war immer dabei, wenn es darum ging etwas zu verewigen. Dieses Ontologisieren legst du mit dem Geld, was es doch schon immer gegeben habe, zumindest in den vorkapitalistischen Großstädten, wieder neu auf. Ist das nicht eher Old School?
META: Es geht mir nicht darum, über historische Fakten hinwegzugehen oder sie zu ignorieren (Christians dahingehende Unterstellungen sind einfach nur anstrengend). Doch historische Begebenheiten – jenseits der Frage der empirischen Validität – stehen nicht einfach „für sich“, sondern werden immer durch das je eigene kategoriale Raster „gelesen“, also interpretiert. Ich habe auf der kategorialen Ebene argumentiert, viele Einwände kamen auf der Empirieebene, die ich wiederum kategorial einzuordnen versuchte. Wilfried hat das sehr gut nachgezeichnet, worum es mir ging. Dann kamen neue empirische Einwände, die mir einen WhatAboutIsm-Eindruck vermittelten: Kaum war ein Einwand (in meiner Sicht) erklärt/eingeordnet, kam das nächste „WhatAbout“. So war meine Wahrnehmung. Umgekehrt war Benni frustriert, dass ich in seiner Sicht immer wieder ausweiche. Diese Wahrnehmung kann ich auch nachvollziehen, weil ich bestimmte Fakten nicht als solche diskutierte, weil… – siehe oben. Also ein klassisches Aneinandervorbeireden. Im Grunde wollen wir jedoch das gleiche: „richtig rauszuarbeiten“, was nun Sache ist mit dem Geld, kategorial und empirisch.
@winfried: ich zweifele die aussage, dass man in allen vorkapitalistischen Gesellschaften kein Geld zum Überleben brauchte an. Das ist einfach empirisch überhaupt nicht zu halten. Es geht dabei auch nicht nur um Millionenstädte sondern auch zB um Münzfunde in Mengen, die modernen Gesellschaften in nichts nachstehen. Und einer hocharbeitsteiligen Gesellschaft mit Vermessungsingenieuren und Grundbuchamt und allem Schnick und Schnack. Die Vorstellung im antiken Rom hätten die Leute in Subsistenz aus irgendwelchen Gärten gelebt ist halt komplett an allem vorbei was man weiß. Das Antike Rom war eine der dichtesten besiedelten Städte überhaupt jemals. Dichter als die meisten modernen Städte. Natürlich können diese Menschenmassen sich nicht aus irgendwelchen Gärten ernähren oder von Feldarbeit vor den Toren der Stadt. Das funktioniert logistisch einfach nicht. Und ja, das heisst noch nicht dss es über Geld gelaufen sein muss. Das weiss man dann wieder weil man es halt massenhaft gefunden hat. Jede römische Städte aus der Kaiserzeit ist einfach übersäht mit Münzfunden.
Klar sieht man Empirie immer durch eine kategoriale Brille. Nur umgekehrt kann es halt auch nicht sein, dass sich die Theorie jeglicher Empirie verschließt. Das muss sich halt gegenseitig informieren und nicht gegenseitig ignorieren. Also mal umgekehrt gefragt: Gäbe es denn irgendeinen empirischen Befund nach dem „ihr“ (wer auch immer sich jetzt hier angesprochen fühlen mag) akzeptieren würdet, dass auch vorkapitalistische Gesellschaften schon Geld als gesellschaftliches Verhältnis kannten? Wenn die Antwort hier nämlich Nein ist, dann ist das nicht mehr bloß „kategorial“ sondern dann gehts nur noch um irgendwas anderes. Keine Ahnung was, es wirkt auf mich sehr dogmatisch jedenfalls.
Ich glaube aber inzwischen das eigentliche Problem mit der ganzen Frage liegt ein bisschen woanders. Ich schreibe grad an einem Artikel dazu. Mal gucken, mit etwas Glück wird er sogar irgendwann fertig.
@ Benni: Stefan schrieb oben über das Geld: „Allgemein ist es erst dann, wenn du deine Existenz nicht mehr ohne sichern kannst.“ Du antwortetest gegenüber Winfried: „ich zweifele die aussage, dass man in allen vorkapitalistischen Gesellschaften kein Geld zum Überleben brauchte an.“
Ich möchte dagegen einwenden, dass es möglicherweise auch in der Antike schon Menschen gab, die Geld verdienen mussten, um zu überleben. Im Kapitalismus sind aber fast ausnahmslos alle Mensch gezwungen, Geld zu verdienen, um zu existieren. Niemand konsumiert mehr das, was er selbst produziert, sondern alle produzieren und tauschen Waren, um andere Waren zu erwerben. Man arbeitet, um andere Produkte zu erwerben. Und so wird im Kapitalismus Geld gleich Ware und Ware gleich Ǵeld. Man arbeitet, um Geld zu verdienen. Alle müssen arbeiten, um Geld zu verdienen, nicht nur ein paar wenige römische Händler wie im alten Rom.
Danke euch allen für die sehr interessante Diskussion. Ich habe auch immer wieder Schwierigkeiten zu verstehen, wenn es heißt, Geld, Wert oder Waren würden ein „gesellschaftliches Verhältnis“ darstellen. Besonders der letzte Kommentar von Wilfried hat mir weiter geholfen. Dann bin ich wieder zurückgeswitcht zu dem Ausgangstext von Stefan. Langsam verstehe ich den immer besser.
Ich schrieb gestern, dass ich auch immer wieder Schwierigkeiten haben würde zu verstehen, wenn es heißt, Geld, Wert oder Waren würden ein „gesellschaftliches Verhältnis“ darstellen. Könnten wir nicht auch den Plural benutzen, also sagen, dass Wert (in Form von Geld oder Waren) gesellschaftliche Verhältnisse repräsentiert? Würde dann nicht deutlicher, dass Wert eine Kategorie ist, die sich auf alle gesellschaftlichen Beziehungen bezieht und nicht nur auf eine isoliert zu betrachtende Zweier-Tauschbeziehung?
@christoph: „nicht nur ein paar wenige römische Händler wie im alten Rom.“
Keine Ahnung wo diese Empirieresistenz herkommt. Wie oft soll ich denn noch sagen, dass dieses „nur ein paar wenige Händler“ halt einfach null mit der Realität zu tun hat? Ich meine, guckt halt mal in ein Geschichtsbuch, wenn ihr mir nicht glaubt.
@Benni: Aber es gab noch keine Lohnarbeit, also auch noch keine Arbeitsämter im alten Rom.
Postone schreibt über den besonderen Charakter der Arbeit im Kapitalismus auf S.248f.:
Entfremdete Arbeit konstituiert also eine gesellschaftliche Struktur
abstrakter Herrschaft, doch sollte diese Arbeit nicht notwendig mit
Mühsal, Unterdrückung oder Ausbeutung gleichgesetzt werden. Die
Arbeit eines Leibeigenen, von der ein Teil dem Feudalherrn >gehört<,
ist an und für sich nicht entfremdet: Beherrschung und Ausbeutung
sind dieser Arbeit selbst nicht immanent. Genau aus diesem Grund
beruhte die Ausbeutung unter solchen Bedingungen auf unmittelbarem
Zwang – und mußte es auch. Nicht-entfremdete Arbeit ist in Gesell-
schaften, in denen ein von nicht-arbeitenden Klassen angeeigneter
Überschuß existiert, notwendig mit unmittelbarer gesellschaftlicher
Herrschaft verbunden. Im Gegensatz dazu sind im Kapitalismus Aus
beutung und Herrschaft integrale Momente warenförmiger Arbeit.
Selbst die Arbeit eines unabhängigen Warenproduzenten ist, wenn
auch nicht im gleichen Maß wie die eines Industriearbeiters, entfrem-
det, weil der gesellschaftliche Zwang abstrakt ausgeübt wird. Dies ist
Ergebnis vergegenständlichter gesellschaftlicher Beziehungen, die
durch Arbeit konstituiert werden, wenn diese als gesellschaftlich ver-
mittelnde Tätigkeit fungiert. Die für den Kapitalismus charakteristische
abstrakte Herrschaft und Ausbeutung der Arbeit gründen letztlich nicht
in der Aneignung des Überschusses durch nicht-arbeitende Klassen,
sondern in der Form der Arbeit im Kapitalismus.
@ Christoph / dein Beitrag vom 30.8.2022:
Es gefällt mir, dass du deine Suchbewegungen mitteilst. Deine Schwierigkeiten mit dem Verstehen teile ich. Du schreibst:
Ich verstehe das so: Die Ware ist das Prinzip, das den Kapitalismus strukturiert. Sie ist die vergegenständlichte Form des Verhältnisses der Menschen zueinander (und zur Natur). Die Ware ist ein Produkt UND eine gesellschaftliche Vermittlung. Sie vergegenständlicht konkrete und abstrakte Arbeit. Sie hat einen Gebrauchswert, der ein Wert ist und deshalb Tauschwert besitzt. – Den Text von Postone habe ich unerheblich geändert (240), ob das erlaubt ist?
Gebrauchswert und Wert bilden den Doppelcharakter der Ware. Im Tausch wird der Wert zum Tauschwert. Das Geld ist die allgemeine Ware. Sein Gebrauchswert besteht darin, Tauschwert gegenüber allen Werten zu sein.
Du sprichst die „Zweier-Tauschbeziehung“ an. Damit ist doch jeder Tausch G-W oder W-G gemeint, oder?
Zurück zum Wert: Der Wert hat eine Substanz, die abstrakte Arbeit. [An der Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Bockelmann eine Substanz des Werts negiert.] Arbeit selbst konstituiert eine gesellschaftliche Vermittlung anstelle transparenter gesellschaftlicher Verhältnisse<, schreibt Postone (232). Die transparenten gesellschaftlichen Verhältnisse charakterisieren die vorkapitalistische Gesellschaft. Im Kapitalismus bedarf es der Vermittlung. Arbeit im Kapitalismus stellte sich (s.o.) ebenfalls als Doppelcharakter dar.
Im Kapitalismus sind die gesellschaftlichen Beziehungen, wie wir sahen (G-W, W-G), gegenständlich vermittelt und dadurch äußerlich vermittelt. Für Postone werden sie gegenständlich ausgedrückt UND verschleiert zugleich. (261)
Reichtum im Kapitalismus – die zur Elementarform Ware gehörende Totalität – tritt ebenfalls als Doppelcharakter auf: als stofflicher Reichtum und als Wertreichtum. Die Ware wäre demnach der Moment UND der Reichtum wäre die Totalität. (Siehe eingangs: ‚Die Ware ist das Prinzip, das den Kapitalismus strukturiert.‘ Das meint wohl dasselbe, oder?)
Mit „alle gesellschaftlichen Beziehungen“ meinst du doch gemessen an „Zweier-Tauschbeziehung“ auch (etwas Ähnliches wie??) eine Totalität? Demnach wäre jede „Zweier-Beziehung“ ein Moment. Die beiden von dir benannten Beziehungen („Zweier“ UND „gesellschaftliche“) wird man genau so wenig trennen können wie Ware und Reichtum, denke ich. Ist das falsch? Also würde ich dir vorschlagen, es beides stehen zu lassen.
Fest steht wohl: Der Mensch kann als Einzelwesen nicht leben/überleben/existieren und bedarf immer der Gesellschaft. Das klingt so simpel, dass man es gar nicht mehr ausspricht, da nickt jede*r mit dem Kopf. – Aber was ist das, „Gesellschaft“? Ist das mehr als die verschiedenen beschriebenen gesellschaftlichen Beziehungen? Was fehlt da? Was ist da falsch? „Gesellschaft“ liegt demnach auch auf einer ganz anderen Ebene als Ware, Geld, Wert und Arbeit im Kapitalismus.
Es würde mich freuen, wenn andere unsere Suchbewegungen ergänzen, korrigieren, uns Verweise geben. Vieles steht sicher schon irgendwo im Blog und ich habe es nur noch nicht entdeckt.
@ Benni: Ich nehme deinen Ansatz wieder auf, dass es einen Konsens zu geben scheint und erweitere deinen Konsensvorschlag:
Wie die notwendige Vermittlung stattfand, habe ich nun noch in keinem Geschichtsbuch gelesen. Wurde der Sklave Mucius morgens mit einer Sesterze zum Bäcker geschickt? (15-25% der Bevölkerung, die z.T. 1,3 Mio. ausmachte, waren Sklav:innen). Wenn das Münzgeld der Römer unserem Geld entspricht, so muss es folgenden Kriterien genügen:
– Alles ist zu kaufen.
– Es ist ganz allgemein (=überall) und kontinuierlich zu kaufen, nicht nur auf speziellen Märkten (die noch dazu nur vereinzelt und nicht ständig abgehalten werden).
– Kauf ist der übliche Weg, um an Lebensmittel zu kommen.
Kannst du aus deinen Geschichtsbüchern Hinweise darauf geben, dass dem genau so war. Dann lebten die Römer:innen bereits im Kapitalismus.
Demnach galt: Im antiken Rom „sind Ausbeutung und Herrschaft integrale Momente warenförmiger Arbeit.“ (Christoph charakterisiert so den Kapitalismus, nicht das alte Rom). Es gibt durch die Vergegenständlichung eine entsprechende Entfremdung (Christoph weist darauf hin). Und es gilt vor allem: „Der gesellschaftliche Zwang (wird) abstrakt ausgeübt.“ Christoph weist eingangs bereits darauf hin, dass die Arbeit im antiken Rom noch keine Ware war. Damit entfällt die von Marx konstatierte doppelte Freiheit: Frei sein von den Produktionsmitteln und frei sein, sich ausbeuten zu lassen. Du hast uns so oft auf DIE Geschichtsbücher hingewiesen, dass es an der Stelle wichtig wäre, diese Aspekte zu belegen.
Der Einzige, der an der Stelle so etwas versucht, ist David Graeber (in: Schulden 5000 J.).
Nicht nur Bockelmann sieht Graeber kritisch, weil David Graeber (ich schätze ihn, aber:) selber ontologisiert. So erfährt man, warum sich die römischen Legionäre auf dem Schlachtfeld bei Kalkriese mit Münzgeld abgeschleppt haben und weiß auch: Das ist kein Geld mit dem man alles sofort und kontinuierlich auf allen Märkten kaufen kann. Kauf ist hier auch ganz offensichtlich nicht der übliche Weg, sondern einer Sondersituation geschuldet.
Kleiner Aspekt am Rande: Rom war ja räumlich sehr groß und ausgedehnt. Gleichzeitig lebte die Bevölkerung sehr dicht. Die Möglichkeit wenigstens in Teilen dort Landwirtschaft und Gartenbau zu treiben gab es da wohl schon, auch wenn nicht alle davon lebten, oder? War es nicht auch so, dass Latifundienbesitzer (Oberschicht) auch einen großen Haushalt in der Stadt hatten neben der Landvilla und sich auch in der Stadt Rom (Sklaven wohl z.T. in dreistelliger Zahl) von ihrem draußen liegenden Land (https://de.wikipedia.org/wiki/Campagna_Romana) versorgen ließen? Das reichte möglicherweise immer noch nicht hin und nun kam das frühe vom heutigen unterschiedene Geld ins Spiel, oder? Darüber denke ich noch nach sowie darüber, dass man innerhalb der Oberschicht von Haushalt zu Haushalt Schenkungen vornahm – sowohl in Lebensmitteln als auch in Form von Münzen. Daraus ergibt sich bereits die nächste Frage: Die Geschichtsbücher geben doch sicher etwas her über den Anteil der Oberschicht an der Gesamtbevölkerung, oder? –
Tja, Geschichte und Eigensinn von Negt und Kluge. Enthält oder ist der Titel bereits das empirische Programm?
Mich würden ja schon noch die Antworten von Stefan, Christoph und Wilfried auf die von Benni gestellte Frage interessieren:
Anschließend könnte man dann weiter in Details gehen, aber bevor diese Grundvoraussetzung nicht geklärt ist, macht das glaubich nicht wirklich Sinn.
Wieso reden wir jetzt auf einmal über Lohnarbeit oder Wert oder whatever? Dachte es geht ums Geld? Es gab auch Lohnarbeit schon sehr lange vor dem Kapitalismus aber natürlich nicht in der Weise wie heute. Aber das ist einfach Thema verfehlt gerade.
Und umgekehrt ist nicht mal heute „alles“ zu kaufen. Auch heute sind viele Bereiche politisch reguliert. Natürlich viel weniger als früher. Aber das ändert doch nix dran, dass auch vor dem Kapitalismus in vielen verschiedenen Gesellschaften viele verschiedene Arten von Geld eine Rolle gespielt haben. Und das kapitalistische Geld ist nicht wahrer oder reiner als irgendeine andere Form.
Das Problem mit dieser ganze merkwürdige von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge-Geschichtsschreibung nach der alles immer nur Vorformen des heute sein können oder verkümmerte Übrigbleibsel des Gestern ist doch nichts anderes als eine Negativfolie der ebenso falschen liberalen Erzählung, dass Kapitalismus die Natur des Menschen halt schon immer gewesen ist. Was wir brauchen ist eine Vorstellung davon, wie bunt und wirr Geschichte war und immer noch ist. Insbesondere in unserer jetzigen Zeit, wo der totale Zugriff des Kapitalismus sehr bald einfach Vergangenheit sein wird. Dann ist das eine gefährliche Einschränkung unserer – letzten Endes auch utopischen – Fantasie.
@Christian
Nein, es gibt keinen (theoretisch vorstellbaren) empirischen Befund, nach dem vorkapitalistische Gesellschaften Geld als gesellschaftliches Verhältnis kannten, weil Geld als gesellschaftliches Verhältnis erst im Kapitalismus erscheint. Wenn Historiker beweisen könnten, dass Geld auch im alten Rom schon die allgemeine Ware war, dann wäre die Gesellschaft im alten Rom eine kapitalistische Gesellschaft gewesen.
@Benni
Wir reden von Lohnarbeit und Wert, weil „die Arbeitskraft nur im Kapitalismus zu einer Ware [wird] und die Arbeit nur im Kapitalismus die Form von Lohnarbeit an[nimmt] (MEW 23, 183 f.). Erst hier wird die Warenform des Arbeitsprodukts allgemein (MEW 23, 184, Fn. 42) und Geld zum realen allgemeinen Äquivalent.“ (Postone, S.408ff.,siehe oben).
Wenn du also beweisen willst, dass die Gesellschaft im alten Rom schon kapitalistisch war, müsstest du empirisch nachweisen, dass es in der ganzen Stadt freie Lohnarbeit(er:innen) gegeben hat. Du müsstest nachweisen, dass die Arbeit aller Produzenten in der Stadt als Mittel diente, um sich andere Produkte einzukaufen.
@Wilfried
Du fragst am 31. August am Schluss: „Aber was ist das, „Gesellschaft“? Ist das mehr als die verschiedenen beschriebenen gesellschaftlichen Beziehungen? Was fehlt da? Was ist da falsch? „Gesellschaft“ liegt demnach auch auf einer ganz anderen Ebene als Ware, Geld, Wert und Arbeit im Kapitalismus.“
Ich antworte mal wieder mit Postone: “ Kraft ihres
Doppelcharakters konstituiert die Arbeit als Totalität eine objektive,
quasi-natürliche gesellschaftliche Sphäre, die nicht auf die Summe
unmittelbarer gesellschaftlicher Verhältnisse reduziert werden kann,
sondern die, wie wir sehen werden, der Gesamtheit der Individuen und
Gruppen als ein abstraktes Anderes entgegensteht.“ (S.244) Und: „Arbeit im Kapitalismus läßt eine gesellschaftliche Struktur entstehen, die diese Arbeit wiederum beherrscht.“ (S.247) “die Produzenten sind nicht nur gezwungen, gemäß einer abstrakten Zeitnorm zu produzieren, sie müssen dies auch auf eine historisch angemessene Art und Weise tun: sie sind dazu gezwungen, »mit der Zeit Schritt zu halten«. (S.453) Ich wiederhole mich: Ich sehe da eine gewisse Analogie zu den Kondratieff-Zyklen. Stellt euch vor, wie sehr sich die Gesellschaft wieder verändern wird durch Kernfusion, Quantencomputer, Mobilfunk G5 oder ähnliche „Zukunftstechnologien“. Die ganze Gesellschaft wird wieder heftig umgekrempelt werden, aber eigentlich dienen diese Technologien nur dazu, die Herrschaft des Wertes aufrecht zu erhalten. Wenn Wert die Grundbedingung der Gesellschaft bleibt, dann wird die Herrschaft der Riesenmaschine über den Menschen nur noch feiner und monströser werden.
@ Christoph:
Vielen Dank für deine Hinweise in Postone. Zum Thema Kondratieff-Wellen habe ich noch keine Meinung. Es führt ein wenig von der kategorialen Betrachtung weg, was an sich ja nichts macht. Dass die Wellen jedenfalls auf ewig so weiterverlaufen, ist nicht zu erwarten.
@ Benni:
Darf ich dich an deine Worte erinnern: „Konsens scheint zu sein, dass es einen Unterschied zwischen dem kapitalistischen Geld und allen anderen Geldformen gibt.“ Darauf gehst du gar nicht mehr ein. Das verwirrt mich.
Das Thema ist Stefan Meretz‘ Aufsatz in den Streifzügen „Sortierungen nach dem Wert“. Beim Thema werden die Worte ‚Wert‘ und ‚Arbeit‘ (= Wertsubstanz) sicher fallen. Ich frage mich, wie du daraus zu „Aber das ist einfach Thema verfehlt gerade“ kommst. Ich fühle mich abgewertet..
„Vor dem Kapitalismus (haben) in vielen verschiedenen Gesellschaften viele verschiedene Arten von Geld eine Rolle gespielt. Und das kapitalistische Geld ist nicht wahrer oder reiner als irgendeine andere Form.“ Was soll wahres oder reines Geld sein? Davon hat niemand außer dir gesprochen.
Die Bezeichnung „von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge-Geschichtsschreibung“ empfinde ich als so einen Ausfall gegen andere von deiner Seite. Das erschwert die Beteiligung an der Diskussion statt sie zu erleichtern.
Den Satz „Was wir brauchen ist eine Vorstellung davon, wie bunt und wirr Geschichte war und immer noch ist“ halte ich für wichtig, weil hier mal das WIR auftaucht. Den Satz wird sicher jede Mitdiskutierende unterschreiben.
Mit deiner ‚Negativfolie‘ verdrehst du die Diskussion, denn gerade dein Ontologisieren des Geldes läuft doch auf eine ‚Natur des schon immer Gewesenen‘ hinaus.
@ Christian:
Den empirischen Befund zur Vermittlung hatte ich nachgefragt mit einem vielleicht überspitzten Beispiel. Darauf kam nichts.
@ Wilfried:
Kondratieff zu Folge verläuft die Weltwirtschaft in langen Wellen von etwa 50-60 Jahren. Am Beginn jedes Wirtschaftsaufschwungs steht eine neue, umwälzende Technik. Die erste lange Welle war durch die Erfindung der Dampfmaschine geprägt, die zweite durch Eisenbahn, Schifffahrt und Stahl, die dritte durch Elektrotechnik und Chemie, die vierte durch Erfindungen in der Kunststoffindustrie und Entwicklung von Auto-, Luft- und Raumfahrttechnik, die fünfte seit 1990 ist duch Veränderungen in der Mikroelektronik, Telekommunikation und Biotechnologie gekennzeichnet.
Ich sprach von Analogie zur abstrakten gesellschaftlichen Herrschaft, aber Analogie ist wohl nicht das richtige Wort für das, was ich meine. Kondratieff-Wellen beschreiben den berühmt-berüchtigten „technischen Fortschritt“.
Das ist eine konkrete (positivistische?) Weltbeschreibung. Dabei übersehen wird die abstrakte Tiefenstruktur, die Wertdimension der Arbeit. Arbeit im Kapitalismus verfolgt keine höheren Ziele und Zwecke wie etwa „technische Entwicklung“, Arbeit im Kapitalismus ist Selbstzweck. Weil das so ist, wird menschliche Arbeit selbst zum Gegenstand der Produktion, zum „Rohmaterial“ des Wertbildungsprozesses. Menschen können nicht länger als 12-16 Stunden am Tag arbeiten, also trachtet jeder Produzent danach, die notwendige Arbeitszeit zu verkürzen, was durch eine Erhöhung der allgemeinen Produktivität der Arbeit erreicht wird. Dadurch entstehen die Kondratieff-Wellen in der konkreten Welt der Gebrauchswerte. Doch jedes neue Produktivitätslevel verändert auch wieder den abstrakten Wertstandard -die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit- wird reduziert. Die Zeit wird immer „dichter“, in einer gesellschaftlichen Arbeitsstunde müssen immer mehr und mehr Produkte hergestelllt werden. Das ist eine richtungsgebundene Dynamik und keine einfache Schlangenlinie. Wenn man das Bild der Schlangenlinie beibehalten möchte, müsste man vielleicht die Schlangenlinie immer dicker werden lassen, um die zunehmende Dichte der gesellschaftlichen Arbeitsstunde erkennbar zu machen.
@Christoph:
Aha. Es handelt sich somit für dich nicht um eine Analyse, die immer einen Bezug zur Wirklichkeit haben und somit empirisch überprüfbar und ggf. empirisch widerlegbar sein müsste, sondern schlichtweg um eine Setzung, um ein Axiom. Du definierst das Geld als etwas, das es nur im Kapitalismus geben kann – nur so kannst du dem Risiko der empirischen Widerlegung entgehen. Klar, das kannst du so machen, wenn du willst, aber was hast du davon? Einen Erkenntnisgewinn ganz sicher nicht – du kriegst ja nur hinten als scheinbare Erkenntnis raus, was du vorne als Vorannahme reingesteckt hast.
Und wo kommt das her? Von Marx ganz sicher nicht, denn der wusste durchaus zu differenzieren. So schreibt er genau an der von dir bzw. Postone zitierten Stelle:
Also: Geld, ob das Warenäquivalent, Zirkulations- oder Zahlungsmittel oder als Schatz, gibt es schon lange vor dem Kapitel, der spezifischen Rolle, die Geld im kapitalistischen Produktionsprozess einnimmt. Für letzteres ist die massenhafte Existenz von Lohnarbeitenden Bedingung, für ersteres nicht. Deshalb gab es Geld schon bei „relativ schwach entwickelte[r] Warenzirkulation“, während Kapitel deutlich voraussetzungsreicher ist.
Insofern überrascht es auch nicht, dass Marx schon vorher die Rolle diskutiert, die „Geldform“ und „Geldverhältnisse[]“ in „der antiken Welt“ und im „Mittelalter“ spielten (z.B. MEW 23: 149f., 154). Dass es damals schon Geld gab, stellt er nicht in Frage – natürlich nicht.
Was Marx in der oben zitierten Stelle auch sagt, ist dass die Existenz von Kapital die von freien Arbeitskraftverkäufern, sprich Lohnarbeitenden, voraussetzt. Aber aus „A setzt B voraus“ lässt sich nicht „B setzt A voraus“ ableiten, wie jede:r mit Grundkenntnissen in Logik weiß. Spricht aus „Kein Kapital ohne Lohnarbeit“ lässt sich noch lange nicht „Keine Lohnarbeit ohne Kapital“ ableiten. Auch im Kapitalismus gibt es bekanntlich Lohnarbeitende, die privat, etwa als Haushaltshilfen, eingesetzt werden, und kein Kapital vermehren. Aus der Existenz einer nicht allzu großen Zahl von Lohnarbeitenden, wie es sie im Römischen Reich unbestreitbar gab (als Tagelöhner, Wanderarbeiter u.ä.) lässt sich also nicht die Existenz von Kapital ableiten, und schon gar nicht die Existenz von Kapitalismus.
Denn auch da muss man ja differenzieren: Ganz zu Beginn des Kapitals spricht Marx bekanntlich von „Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht“ (MEW 23: 49 – Hervorhebung hinzugefügt). Er selbst spricht m.W. kaum von „Kapitalismus“, aber ich würde gerade dieses Zitat als gute Definition ansehen: Kapitalistisch sind diejenigen Gesellschaften, in denen die kapitalistische Produktionsweise vorherrscht bzw. dominiert. Dass es vereinzelt auch schon Kapital und kapitalistische Produzent:innen gegeben hat, ist also ohne Weiteres auch für nichtkapitalistische Gesellschaften vorstellbar – nur dominierten sie damals eben noch nicht. (Ob und wo das tatsächlich so war, ist dann eine Frage für die Empirie.)
Natürlich muss das nicht alles so hinhauen, bloß weil Marx es so sieht. Aber Marx hat immerhin den Vorteil, tatsächlich zu argumentieren, und zwar sehr differenziert und ausgearbeitet, statt einfach Postulate aufzustellen.
Also zusammenfassend:
Die Umkehrung gilt aber jeweils nicht.
@Wilfried: Falls das deine empirische Frage war: Ja klar wurden die Sklaven mit Münzen zum Bäcker geschickt, oder denkst du, die Bäcker hätten ihre Brötchen verschenkt? Ne! Das gilt wahrscheinlich nicht für die reichsten Haushalte, in denen selber Brot gebacken wurde, noch für die Armen, die selbst zum Bäcker gehen mussten (sofern sie sich das überhaupt leisten konnten), weil sie keine Sklav:innen hatten. Wohl aber für den Rest.
Es gibt buchstäblich hunderte von Büchern zur römischen Ökonomie. Mach dich mal selber schlau.
@Wilfried: „darauf kam nix“, ich sagte doch ich schreibe an einem Artikel dazu. Kann aber auch sein dass der auch nie fertig wird, wie die meisten meiner Artikel. Die Grundidee ist, dass man an einzelnen kapitalistischen Phänomenen (Geld, Arbeit, Eigentum, …) den Unterschied zum Kapitalismus nicht wird nachweisen können.
„von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge-Geschichtsschreibung“ bezeichne ich es nicht um irgendwen bloß zu stellen, sondern weil ihr euch die Geschichte einfach zusammen definiert. Erst kommt die Geschichtsphilosophie und daraus folgt dann die Geschichte. Das ist halt einfach nicht meine Vorstellung von Wissenschaft. Das läuft dann alles im wesentlichen auf ein Zirkelschluss heraus: Es kann kein Geld vor dem Kapitalismus gegeben haben, weil wir uns das so hin definieren, dass es kein Geld vor dem Kapitalismus gegeben hat.
Bisschen bizarr finde ich hingegen den Vorwurf ich würde Geld „ontologisieren“, wo das genau das ist, was ihr macht mit euren Setzungen.
@christoph: keine ahnung woher du auf die Idee kommst ich würde „beweisen wollen, dass Rom kapitalistisch war“. Hab ich nie, wollte ich nie. Dagegen spricht allerlei. Nur das Geld halt am allerwenigsten. Das war nicht so wahnsinnig unterschiedlich zu frühkapitalistischen Geldformen und teilweise sogar moderner als diese.
@Benni und Christian wg. Rom
Wenn man euch vom alten Rom schwärmen hört, kriegt man wirklich den Eindruck, als hätte es kaum einen Unterschied zum Rom unserer Tage gegeben.
@Christian Benni wg. Definitionen
Christian schrieb an mich: „Du definierst das Geld als etwas, das es nur im Kapitalismus geben kann.“ Und Benni schrieb an uns von einem Zirkelschluss: „Es kann kein Geld vor dem Kapitalismus gegeben haben, weil wir uns das so hin definieren, dass es kein Geld vor dem Kapitalismus gegeben hat.“
Ich bin jetzt unsicher, ob meine Aussage logisch richtig war, aber definieren muss man Begriffe schon, oder? Einerseits hat Christian wohl recht mit seiner Logik: „Ohne Geld keine Lohnarbeit. Ohne Ohne Geld und Lohnarbeit kein Kapital. Ohne Kapital kein Kapitalismus. Die Umkehrung gilt aber jeweils nicht.“ Andererseits habe ich von „Geld als gesellschaftlichem Verhältnis“ gesprochen und Stefan hat oben definiert, was darunter zu verstehten ist. Er schrieb: „Die Summe der Einzeltausche, ob mit oder ohne Tauschmittel, ergaben vor dem Kapitalismus noch lange kein objektives Gesamtverhältnis, sondern blieben von subjektiven Präferenzen und kulturellen Gepflogenheiten bestimmte Einzelhandlungen.“
Und ich möchte nochmal illustrieren, was ich unter „objektivem Gesamtverhältnis“ verstehe. Das beginnt historisch für mich am ehesten etwa vor 300 Jahren in der englischen Stadt Derby. 1721 wurde dort die erste Fabrik gebaut, die so aussah, wie wir große Fabriken heute kennen, auf einer Insel im Fluss Derwent, es war eine Seidenspinnerei. (Quelle: Behemoth – A History of the Factory and The Making of the Modern World – Joshua B. Freeman, 2018) Eine große Fabrik ist etwas ganz anderes als Sklavenarbeit im alten Rom, eine Kooperative oder eine Manufaktur. In einer großen Fabrik ist die Arbeit nicht nur „formell“, sondern „reell“ dem Kapital untergeordnet. In einer großen Fabrik wird menschliche Arbeit selbst Gegenstand der Produktion. Es geht in einer großen Fabrik nicht mehr nur um den „absoluten Mehrwert“, die durch die Verlängerung des Arbeitstages erreicht wird, sondern um „relativen Mehrwert“, der durch Verkürzung der notwendigen Arbeit erzielt wird, was durch eine Erhöhung der allgemeinen Produktivität der Arbeit bewirkt wird. „Die mit der Produktion von rrelativem Mehrwert verbundenen fortwährenden Veränderungen der Produktivität gehen einher mit einer radikalen Transformation der technischen und gesellschaftlichen Bedingungen des Arbeitsprozesses.“ (Postone, S.426) „Die Produktion des relativen Mehrwerts revolutioniert durch und durch die technischen Prozesse der Arbeit und die gesellschaftlichen Gruppierungen.“ (MEW 23, 532f.) „Relativer Mehrwert ist die Form des Mehrwerts, die dem Kapital, wie es von Marx verstanden wird, adäquat ist. Erst mit der Entfaltung dieser Kategorie ist die Warenförmigkeit der gesellschaftlicher Vermittlung vollständig entwickelt.“ (Postone, S. 427)
Noch ein paar Zeilen von Joshua B. Freeman zur historischen Entwicklung: „Das Fabriksystem breitete sich langsam aus. 1765 gab es nur sieben Mühlen, die Organsin (Garn aus Seide) herstellten, obwohl eine bei Manchester bis zum Ende des Jahrhunderts zweitausend Arbeiter hatte, ein gigantisches Unternehmen nach heutigen Maßstäben. (…) In den Vereinigten Staaten beschäftigten die Fabrikationsstätten noch 1850 durchschnittlich weniger als acht Arbeiter. (…) Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Wachstum der Weltwirtschaft in der Zeit zwischen der Geburt Jesu und der ersten Fabrik war praktisch Null. Aber im achtzehnten Jahrhundert begann es, sich zu bewegen und zwischen 1820 und 1913 näherte es sich einem Prozent. In den folgenden Jahren war es höher, mit einem Höchstwert zwischen 1950 und 1970 von fast 3 Prozent.“
Die irre Dynamik des Kapitalismus, sein exponentielles quantitatives Wachstum wie auch die fortwährenden tiefgreifenden qualitativen Veränderungen der Produktionsweise der Gesellschaft insgesamt, gibt es also erst seit 2-300 Jahren.
@christoph: ich schwärme nicht. Rom war eine schreckliche patriarchale Mordmaschine. Die halt eben deswegen so effektiv war, weil sie vergleichsweise modern organisiert war. Und zu den vergleichsweise modernen Institutionen in Rom zählt eben auch das Geld.
Ich weiß nicht genau warum die mir immer seitenweise erzählst wie sich alles im Kapitalismus geändert hat, als müsste ich da überzeugt werden. Das ist mir doch völlig klar. Ich sage nur dass das Geld eben nicht sehr zentral war in diesen Änderungen. Also Geld wird zu kapitalistischem Geld weniger dadurch, dass es sich selbst dramatisch ändert, sondern dadurch, dass es in einen neuen kapitalistischen Kontext kommt, den es aber auch gleichzeitig erst ermöglicht. Und deswegen finde ich halt die Aussage es hätte vor dem Kapitalismus nur „Vorgeld“ gegeben nicht wirklich hilfreich, weil es die eigentlich stattfindenden Entwicklungen eher verdeckt als aufzeigt.
@ Benni: Danke für deinen versöhnlichen Beitrag gestern!
@ Benni
Ich muss doch wieder nachfragen, verzeih mir!
Du schreibst: „Ich sage nur dass das Geld eben nicht sehr zentral war in diesen Änderungen. Also Geld wird zu kapitalistischem Geld weniger dadurch, dass es sich selbst dramatisch ändert, sondern dadurch, dass es in einen neuen kapitalistischen Kontext kommt, den es aber auch gleichzeitig erst ermöglicht.“
Gestern las ich nochmal Ernst Lohoff über „Die allgemeine Ware und ihre Mysterien“ und seinen Trialog mit Hanno Pahl & Jens Schröter über „Geld als Medium oder als (ausgesonderte) Ware?“ Diese Artikel wurden auch ins Englische übersetzt für das Buch „Society After Money“, nur erschien da ersterer mit einer leicht geänderten Überschrift: „The Elephant in the Room: The Money Commodity and Its Mysteries.“ Der Elefant im Raum ist eine sehr interessante Metapher, deren Bedeutung ich heute in der Wikipedia nachschlug: „Der Elefant im Raum (auch: „Elefant im Zimmer“) ist eine ursprünglich russische, heute aber vor allem im englischen Sprachraum verbreitete Metapher (elephant in the room), die seit der Jahrtausendwende auch im deutschen Sprachraum an Popularität gewonnen hat. Der Anglizismus bezeichnet ein offensichtliches Problem, das zwar im Raum steht, aber dennoch von den Anwesenden nicht angesprochen wird. Die Gründe für das Schweigen können vielfältiger Natur sein, beispielsweise die Angst vor persönlichen Nachteilen und Repressionen oder die Furcht, jemanden – womöglich Anwesende – zu verletzen, ein Tabu zu brechen oder allgemein ungeschriebene Regeln zu missachten.
Im Englischen ist die Redensart erst seit 1959 belegt. Sie geht zurück auf Dostojewskis Dämonen (1873), wo auf eine Kurzgeschichte von Iwan Krylow verwiesen wird („Der Wißbegierige“, 1814), eine Schilderung eines Museumsbesuchers, der sich derart auf kleine Exponate fokussiert, dass ihm der taxidermisch präparierte Elefant entgeht. Die Stelle bei Dostojewski lautet: „Belinski hat genau wie der Wißbegierige in der Kryloffschen Fabel den Elefanten im Museum gar nicht bemerkt, da er ja seine ganze Aufmerksamkeit den französischen sozialistischen Käferchen zuwandte“. In dieser ursprünglichen Form entspricht die Redewendung dem deutschen den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen.“
Also, für Ernst Lohoff ist das Geld ein Elefant im Raum und wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Wenn du sagst, dass das „Geld eben nicht sehr zentral war in diesen Änderungen“, übersiehst du da nicht auch den Elefanten? Ich zitiere Ernst Lohoff aus dem Trialog: „»[das Geld] selbst ist das Gemeinwesen und kann kein anderes über ihm stehendes dulden« (Marx 1983 [1857–1858], S. 149) (…) Das Geld als »das reale Gemeinwesen« ist »das gemeinschaftliche Produkt aller« (ebd., S. 152). Indem die Menschen als getrennte PrivatproduzentInnen und WarenbesitzerInnen interagieren, erzeugen sie nicht nur zwangsläufig so etwas wie Geld, sondern auch seine Übermacht. Im Geld treffen die Warensubjekte auf »die glänzende Incarnation ihres eigensten Lebensprinzips« (Marx 1983 [1867], S. 90). (…) Für die Verwandlung des gesellschaftlichen Zusammenhangs in ein universelles Gesellschaftsding prägte Marx den Begriff Geldfetisch. Bei diesem Geldfetisch handelt es sich allerdings nur um die erscheinende Oberfläche und die entwickelte Form einer viel grundlegenderen Verrücktheit: »Das Räthsel des Geldfetischs ist daher nur das sichtbar gewordne, die Augen blendende Räthsel des Waarenfetischs selbst.« (Marx 1983 [1867], S. 59) In der kapitalistischen Produktionsweise überlassen es die Menschen ihren Produkten, ihren sozialen Zusammenhang herzustellen – was diese zu Waren macht. Damit verwandeln sich aber bereits die Erzeugnisse der Menschen aus simplen Gebrauchsgütern in »sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge« (ebd., S. 637). Als Waren kommt den Erzeugnissen der menschlichen Hand ein Doppelcharakter zu. Als sinnliches Ding hat jede besondere Ware einen spezifischen Gebrauchswert. Sie hat aber gleichzeitig die »übersinnliche« (ebd.), genuin gesellschaftliche Dimension, Träger von Wert zu sein. Diesem Doppelcharakter der Ware, gleichzeitig besonderer Gebrauchswert und Repräsentant des Allgemeinen des Werts zu sein, entspringt die »Magie des Geldes« (ebd., S. 59).
Zusammenfassend möchte ich in meinen Worten so: Die Wurzel des Bösen liegt nicht im Geld, sondern in der Warengesellschaft. Doch seit wann können wir historisch von einer Warengesellschaft sprechen?
Neuer Gedanke: Moishe Postone über den Wesenskern des Kapitalismus. (S.53 f.) Ein für Postone hochwichtiges Zitat von Marx lautet: »Der Austausch von lebendiger Arbeit gegen verdinglichte, d. h. das Setzen der gesellschaftlichen Arbeit in der Form des Gegensatzes von Kapital und Lohnarbeit – ist die letzte Entwicklung des Wertverhältnisses und der auf dem Wert beruhenden Produktion.« (MEW 42, 600) Postone ein paar Zeilen weiter: „Wenn sich jedoch in den zitierten Stellen Marx sich bei seiner Behandlung des »Wertverhältnisses« auf den »Austausch« bezieht, so hat er dabei den kapitalistischen Produktionsprozeß selbst im Blick. Der Austausch, auf den er sieh bezieht, ist nicht der der Zirkulation, sondern der der Produktion: »der Austausch von lebendiger Arbeit gegen vergegenständlichte«. Dies impliziert, daß Wert nicht nur als Kategorie der Distribution von Waren verstanden werden sollte, das heißt als Kategorie, die beispielsweise den Automatismus des sich selbst regulierenden Marktes begründen soll, sondern vielmehr als Kategorie der kapitalistischen Produktion selbst.“
Also, ich verstehe das platt gesagt so, dass die gesellschaftlichen Wertverhältnisse erst in der großen Industrie beginnen, wo lebendige Arbeit im großen Stil gegen verdinglichte getauscht wird. Geld und Waren zirkulierten zwar schon viele Jahrhunderte vorher, aber früher war das Geld noch kein Elefant im Raum.
@Christoph: Wenn ich insbesondere deinen letzten Kommentar lese, sind wir uns jetzt also einig, dass es Geld auch schon lange vor dem Kapitalismus gab? Dann können wir diese große Diskussion ja zur allgemeinen Zufriedenheit abschließen 🙂
An der von dir neu aufgemachten, ob man lieber von „Warengesellschaft“ oder von „Kapitalismus“ spricht, werde ich mich jetzt nicht weiter beteiligen, weil das wieder ein völlig anderes Thema ist und von Stefans Text IMHO auch zu weit weg führt. (Wobei ich den Kapitalismus-Begriff schon für deutlich tiefer und analytisch weiterführender halte. „Warengesellschaft“ bleibt halt auf der Oberfläche dessen, was man sieht, wenn man die „ungeheure Warensammlung“ (Marx) entdeckt, aus der der Reichtum unser Gesellschaft zu bestehen scheint. „Kapitalismus“ ist dann das, wobei man rauskommt, wenn man zu verstehen versucht, wo diese Warensammlung herkommt und was alles – im Guten wie im Schlechten – mit ihrer Entstehung zusammenhängt.)
@ Benni: Du schreibst etwas, das ich fast genauso sehe.
Beim Versuch die beiden Arten auseinanderzuhalten, bezeichnest du verständlicherweise das eine/ das heutige Geld als „kapitalistisches Geld“. Das andere Geld sollte man eventuell als „vorkapitalistisch“ bezeichnen, um es auseinanderhalten zu können. Ich mache das so. Wenn daraus verkürzend „Vorgeld“ und „Geld“ wird, so ist Vorgeld von mir nicht herabsetzend gemeint (von anderen sicher auch nicht).
Du sprichst zu Recht „die eigentlich stattfindenden Entwicklungen“ an. Sie sind das Entscheidende, das aufgezeigt und nicht verdeckt werden soll, wie du schreibst. An anderer Stelle hattest du bereits auf Unterschiede hingewiesen:
Auf die Unterscheidung gehe ich im Folgenden näher ein.
@ Christoph: Danke für den Hinweis (13.09.) auf Ernst Lohoffs Beitrag im Trialog bei „Gesellschaft nach dem Geld“ und für das Zitat daraus. Vielleicht kann man damit vorkapitalistisches (darunter römisches) Geld und kapitalistisches Geld unterscheiden. Ich beziehe mich gleichfalls auf: Projektgruppe GndG (2019): Postmonetär denken. Eröffnung eines Dialogs. Wiesbaden: Springer Verlag, S. 151f.
(Den Gesamttext gibt es bei der Gruppe Krisis:
https://www.krisis.org/2018/trialog-geld-als-medium-oder-als-ausgesonderte-ware-krisis-2-2018/)
1. Ernst Lohoff fragt, „was (verleiht dem) Geld den Charakter einer selbstständigen sozialen Macht“. Zur Erinnerung: Nach Postone geht es in vorkapitalistischen Verhältnissen bei der sozialen Macht um persönliche Abhängigkeiten. – Gab es in Rom Geld bereits als diese selbstständige soziale Macht? Oder unterscheiden sich antikes und kapitalistisches Geld in der Frage?
2. Lohoff stellt fest, dass „Geld auf dem Boden der kapitalistischen Produktionsweise für Marx ein gesellschaftliches Absolutum darstellt“. – Das gilt für das vorkapitalistische Geld sicher nicht, oder etwa doch?
3. Marx zufolge sei – so Lohoff – »[das Geld] selbst das Gemeinwesen und kann kein anderes über ihm stehendes dulden« (MEW 42: 149). – Kann man das bereits auf das antike Rom beziehen, weil es dort ja ein vorkapitalistisches Geld gab, oder ist dies der Unterschied?
4. Gilt für das Vorgeld die von Lohoff zitierte Marxsche Feststellung: „Das Geld als »das reale Gemeinwesen« ist »das gemeinschaftliche Produkt aller« (MEW 42: 152)“? – Konstituierte das Geld früher bereits in dieser Weise des Gemeinwesen? Oder war etwas anderes das Produkt aller?
5. Lohoff unterscheidet das moderne Geld deutlich vom antiken: „Indem die Menschen als getrennte PrivatproduzentInnen und WarenbesitzerInnen interagieren, erzeugen sie nicht nur zwangsläufig so etwas wie Geld, sondern auch seine Übermacht. Im Geld treffen die Warensubjekte auf »die glänzende Incarnation ihres eigensten Lebensprinzips« (MEGA II/5: 90).“ – Könnten wir festhalten, dass es das in Rom so nicht gegeben hat? Dann wäre das ein Unterschied.
6. Ernst Lohoff unterscheidet die Rolle des Geldes in den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen: „Im Geld nehmen die sozialen Beziehungen der Menschen eine selbstständige sachliche Gestalt an. Das moderne Warensubjekt kann »seinen Zusammenhang mit der Gesellschaft in der Tasche mit sich« (MEW 42: 90) herumtragen – ein in jeder anderen Gesellschaftsformation unvorstellbares Kunststück.“ – Ist das als Unterscheidung akzeptabel?
7. Des Weiteren schreibt Lohoff: „In der kapitalistischen Produktionsweise überlassen es die Menschen ihren Produkten, ihren sozialen Zusammenhang herzustellen – was diese zu Waren macht. Damit verwandeln sich aber bereits die Erzeugnisse der Menschen aus simplen Gebrauchsgütern in »sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge« (MEW 23: 86). – Das heißt wohl, Produkte stellen heutzutage mittels Geld den sozialen Zusammenhang her. Das taten weder Produkte noch Geld im antiken Rom. Unterscheidet das das damalige und kapitalistische Geld?
Ich werde jetzt ganz verwegen und entschuldige mich bereits im Voraus.
Mein Fazit:
Das kapitalistische Geld unterscheidet sich vom vorkapitalistischen dadurch, dass es ein gesellschaftliches Absolutum darstellt, das als eigenständige soziale Macht selbst das Gemeinwesen bildet, welches gleichzeitig ein Produkt aller ist. Die Menschen heute erzeugen mit dem Geld dessen Übermacht (= Macht über sie). Durch das heutige Geld nehmen die bestehenden sozialen Beziehungen eine sachliche Gestalt an. Es sind die Produkte, die mittels des Geldes den gesellschaftlichen Zusammenhang herstellen. Das war im antiken Rom nicht so, obwohl es dort u.a. auch Geld gab.