Eske Bockelmann: Das Geld

Früchte des Zorns“ – Anfang der 30er Jahre von John Steinbeck geschrieben –, das sind die von den Farmern in der Großen Depression nach 1929 gepflückten Früchte Kaliforniens, die vernichtet werden, da sie keinen Markt finden, weil sie zu teuer sind und sich nicht in Geld verwandeln lassen. Diese Farmer haben einen entbehrungsreichen Treck vom armen mittleren Westen ins reiche Kalifornien hinter sich, um nun zu sehen, wie hier die üppige Obsternte verbrannt, der Reichtum vernichtet wird. „Wo der Zorn reift, sind auch seine Früchte nicht gefeit vor dem passenden Petroleum und gibt es hochgerüstete Wächter stärker als die, die solche Früchte ernten wollten. Das Leid, das Verbrechen, die Katastrophe, sie dauern an. Diese Welt, diese schöne Welt – nur ohne Geld kann sie überleben“ (354), schreibt Bockelmann.

Sein Thema ist der Weg von der Gesellschaft vor dem Geld in die Gesellschaft mit kapitalistischer Produktionsweise. „The Great Transformation“ heißt das bei Karl Polanyi. Auf Polanyi bezieht sich Bockelmann so sehr wie auf LeGoff („Geld im Mittelalter“ und anderes) und weitere Historiker der Annales-Schule, aber auch auf Marcel Mauss‘ Studie „Die Gabe“.

Im Takt des Geldes“ bleibt das Hauptwerk von Bockelmann. Auch in diesem neuen Text weist Bockelmann auf den kompletten Bruch hin, der Anfang des 17. Jahrhunderts stattfindet und sofort völlig dem Vergessen anheimfällt, so dass die Menschen sehr schnell an das Davor keine Erinnerung mehr haben. Nach Bockelmann gibt es seitdem „das Geld“. Vorher habe es viele Zahlungsmittel gegeben, u.a. die Kauri-Muscheln in Dahome. Sie dienen dort dem Kauf von Lebensmitteln. „Trotzdem sind sie kein Geld. Im Vergleich dazu, wie es sich mit Geld verhalten müsste, hat es mit dem Kaufen hier wenigstens drei Besonderheiten“ (102):

  • Alles ist zu kaufen.
  • Es ist ganz allgemein (=überall) und kontinuierlich zu kaufen, nicht nur auf speziellen Märkten (die noch dazu nur vereinzelt und nicht ständig abgehalten werden).
  • Kauf ist der übliche Weg, um an Lebensmittel zu kommen.

Monetäre Werttheorie (im Gegensatz zur prämonetären) heißt: Zuerst ist das Geld da (Kauf & Verkauf, s.o.), dann folgt erst der Wert. Dieser hat keine Substanz. Mit diesen Feststellungen kollabieren nacheinander Marx‘ Wert- und Arbeitswerttheorie. Eigentlich reicht es, mit dem 4. Kapitel im Band I des Kapital zu beginnen. Das propagiert Ulrike Herrmann (taz-Wirtschaftskorrespondentin) seit Jahren – ohne mich bislang überzeugt zu haben. Die monetäre Werttheorie – Bockelmann selber benutzt den Begriff nicht und ordnet sich selber vermutlich dort auch gar nicht ein – ist mit der Neuen Marx-Lektüre und dem Namen Michael Heinrich eng verbunden. Im Gegensatz zur prämonetären Werttheorie oder zur Wertkritik gilt der Neuen Marx-Lektüre die einzelne Arbeit nicht als Substanz des Werts und damit nicht als wertschöpfend. Deren gesellschaftlicher Charakter wird aber sowohl von Heinrich als auch von Bockelmann betont. Auch wenn ich vieles nicht teile, so halte ich Bockelmanns Buch doch für wichtig. Man sollte es lesen, um zusehen, wie sich die Logik des Geldes in Zwang äußert – siehe Untertitel: „Was es ist, das uns beherrscht“.

Folgende Links sind vielleicht von Interesse:

www.mdr.de/kultur/empfehlungen/eske-bockelmann-das-geld-100.html

www.mdr.de/wissen/faszination-technik/philosophie-geld-corona-100.html

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