Commons statt Kapital
[Artikel erschienen in Agora42 – Das philosophische Wirtschaftsmagazin, Ausgabe 4/2021]
Klimaschutz und Kapitalismus sind unvereinbar. Aber wie kann eine Lebens- und Produktionsweise jenseits der Geldlogik und der Verhaltensweisen, die sie uns nahelegt, aussehen? Mein Vorschlag: Commons. Die Mittel, die wir zum Leben und Produzieren brauchen, als Gemeinsame, also als Commons zu behandeln, kann bei der geteilten Wohnung als WG beginnen, über freie Software zu solidarischer Landwirtschaft führen und noch weit darüber hinausgehen.
Commoning ist der Umgang mit dem Gemeinsamen, und ein Gemeinsames, ein Commons, ist das, was wir dazu machen. Potenziell also alles. Nichts ist per se ein Commons, sondern wird es erst, wenn Menschen sich die Mittel, um die es geht, aneignen, sie herstellen und pflegen. Mittel sind dabei nicht nur Nahrungsmittel, sondern schließen ebenso Wissen, Kultur und Care ein. Eben alles. Commoning, der selbstorganisierte Prozess, steht dabei im Zentrum. Bestimmen Commoning und Commons die ganze Gesellschaft, dann haben wir Commonismus. Wem der Ismus Unbehagen bereitet, nenne es anders, Commons-Gesellschaft oder wie es beliebt. Es ist nicht wichtig, wie es heißt, wichtig ist, was es in sich hat.
Geld spricht
Es ist gut, das Ziel zu kennen, dann wird auch eine Richtung klarer. Und es ist gut, die Knackpunkte des zu Überwindenden zu benennen, um an den richtigen Stellen anzupacken. Ulrike Herrmann schreibt in agora42 1/2021: „Der Rückbau des Kapitalismus muss geordnet vonstatten gehen.“ Gut wär‘s schon, aber wie? Aus meiner Sicht muss der zentrale Treiber abgestellt werden: das Geld und seine selbstzweckhafte Vermehrung. Geld an sich ist sinnlos, doch wir alle trachten danach. Das müssen wir. Es ist ein Fetisch, der hinter unserem Rücken operiert, sagt Marx, doch keiner, den wir so einfach loswerden. Kennen und erkennen könnten wir ihn schon.
Geld ist naheliegend und nahelegend. Naheliegend ist es, weil wir es heute brauchen, um existieren zu können. Nahelegend, weil es zu uns spricht und bestimmte Verhaltensweisen sinnvoll erscheinen lässt: „Kauf dir was!“ oder: „Vermehre mich!“ Das erste, der Konsum, erzeugt CO2 ‒ um nur diesen Aspekt zu nennen. Das zweite, die Investition, erzeugt Produktion für den Konsum, also CO2 in der Potenz. „Wer mehr Geld hat, verbraucht meist mehr Energie und Ressourcen“, weiß das Umweltbundesamt. Deswegen haben reiche Grün-Wähler*innen einen größeren CO2-Fußabdruck als arme Rechts-Wähler*innen. Und umso erfolgreicher eine Investition, desto verheerender die Klimabilanz ‒ im Durchschnitt. Da hilft auch alles Gerede um Effizienz nichts: Der Bumerang- oder Reboundeffekt frisst alle Einsparungen wieder auf. Weil Effizienz Geld freisetzt, das wieder ausgegeben wird etc. pp.
Und das Verrückteste: Der Kampf gegen den Klimawandel muss „finanziert“ werden. Der Staat muss also auf klimadestruktives Wachstum – und es gibt nur solches – setzen, damit er mit Steuereinnahmen jene Folgen bekämpfen kann, also mit dem Geld, das den Schaden erst angerichtet hat. Sprechen wir es aus: Mit Markt, Staat und Geld ist keine Zukunft zu machen.
Sprung in die Zukunft
Nun zu Erfreulicherem, den Commons. Commons schaffen andere Nahelegungen. Trennen uns Geld und Markt, so verbinden uns Commons und Commoning. Gibt es keine Möglichkeit, uns mit Existenzbedrohung oder direkter Gewalt zu etwas zu zwingen, so bleibt nur die Kooperation. Nicht, dass es die nicht auch im Kapitalismus gäbe, dort hat sie jedoch die Funktion, andere noch besser übertrumpfen zu können. Legen uns Geld und Markt eine Handlungsweise der Exklusion nahe, so Commons und Commoning eine der Inklusion. Ich kann meine Bedürfnisse nur befriedigen, indem ich die anderen einbeziehe, ihre Bedürfnisse einschließe und mit ihnen auf Augenhöhe kooperiere ‒ und vice versa.
Dies mag noch nachvollziehbar ‒ weil auch heute im Kleinen erlebbar ‒ sein, wie soll jedoch das große Ganze funktionieren? Wenn wir uns kennen, lässt sich im kleinen Kreis vieles regeln. Doch wie sehen die transpersonalen Beziehungen aus, also jene anonymen Verbindungen, auf die wir in arbeitsteiligen Gesellschaften angewiesen sind? Wie funktionieren die commonistischen Lieferketten, wenn die regelnde Zahlung nicht mehr stattfindet? Zwei Konzepte helfen uns, das zu denken.
Netzwerk und Stigmergie
So wie innerhalb eines Commons die Augenhöhe die Kommunikation bestimmt, so auch in der Verbindung zwischen den Commons. Verbinden sich Commons mit Kooperationspartner*innen, so entsteht ein strukturiertes Netzwerk. Es kennt weder ein Oben und Unten, noch ist es gleichförmig aufgebaut. Es enthält Strukturen mit Knoten, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. Hier seien nur die Meta-Commons erwähnt. Meta-Commons erfüllen Metaaufgaben der Planung und Infrastruktur, sodass sich die anderen Commons auf ihre Kerntätigkeiten konzentrieren können. Statt Zentralplanung gibt es eine verteilte Planung im Netzwerk. Statt eines single point of failure (Geldsystem!) entsteht eine robuste Informations- und Kommunikationsstruktur der Stigmergie.
Stigmergie meint Zeichen (stigma), die Aktivitäten (ergon) anleiten. Die gibt es unmittelbar und mittelbar. Unmittelbar wirken sie, wenn die Sache selbst die Zeichen sendet. Zum Beispiel wenn der Toaster den Konstrukteur*innen mitteilt, wie er gebaut werden will, damit er Toastierungsbedürfnisse erfüllen kann. Also die Sinnhaftigkeit der Sache. Die ist bei der Pflege kranker Menschen anders gelagert, doch es gibt sie immer. Es geht dabei ja um nichts anderes als um unsere Bedürfnisse. Mittelbar wirken Zeichen, die den Prozess rund um die Sache beschreiben und ihn planbar, koordinierbar und steuerbar machen. Sie sorgen für die Verbindung zu anderen Prozessen und anderen Sachen, sie schaffen die übergreifenden Produktionsnetzwerke. Diese Metaebene der Vermittlung ist die Aufgabe der Meta-Commons. Die verwendeten Zeichen sind dabei so vielfältig wie die Bedürfnisse, die sie kommunizieren. Von einfachem Text bis zu komplexen virtuellen Imaginationen reichen die Möglichkeiten. Das Wichtigste von allem: Wir sind es, die kommunizieren – explizit, transparent und motiviert durch unsere Bedürfnisse. Um Bedürfnisse auszudrücken, zu kommunizieren und zu koordinieren braucht es die Vielfalt und Vielschichtigkeit der medialen Vermittlung.
Ganz anders im Kapitalismus. Dort nimmt das Geld die Rolle der Vermittlung wahr. Die Geldlogik operiert jedoch nicht nur hinter unserem Rücken, sondern das Geld ist auch maximal dumm, es kennt nur Quanta, nur größer/kleiner. In dieser radikalen Reduktion wird oft eine wichtige Qualität gesehen, denn sie mache alles vergleichbar. Doch es ist die radikale Reduktion auf maximale Dummheiten, etwa solche, die die Klimakatastrophe nach sich ziehen. Dem Geld ist das Klima egal, denn es kann keine Bedürfnisse kommunizieren, nur höheren oder niedrigeren Preis. Geld toastet keine Brötchen und pflegt keine Kranken, dennoch ist es der wichtigste Maßstab für die Ökonomie.
Die Klugheit unserer Bedürfnisse
An die Stelle der Dummheit des Geldes können wir die Klugheit unserer Bedürfnisse setzen. Einmal die Geschicke in die eigenen Hände genommen, wissen wir, was für uns gut ist. Die Vielfalt der Bedürfnisse braucht komplexe Informationen. Big Data und Bandbreite stehen zur Verfügung. Eine verteilte planning in kind, zu deutsch: Naturalplanung, besser: Sachplanung, ist möglich. Und es ist nicht so, dass der Kapitalismus Sachplanung nicht kennen würde. Wenn ein Toaster gebaut wird, müssen eine Menge „Sachen“ geplant werden. Doch entschieden wird nicht diesem Zweck entsprechend, sondern in der Produktion geht es darum, was mehr Geld abwirft, und beim Konsum danach, was im Zweifel billiger ist.
Warum dann nicht gleich zentral planen, wenn die Rechenpower doch da ist? Weil es nicht allein ums Planen geht, sondern auch ums Entscheiden. Auch wenn die Zentral- eine Sachplanung wäre (was im Realsozialismus nicht der Fall war), so müssten die Entscheidungen von „oben“ nach „unten“ durchgestellt werden. Große Distanz zwischen Entscheidung und Umsetzung erzeugt jedoch Renitenz und Inflexibilität. Planung, Entscheidung und Umsetzung müssen nahe beieinander liegen. Dann sind sie auch für mich naheliegend und erzeugen Motivation und Flexibilität.
Wie läuft die Verteilung? Die produzierten Mittel kommen zu den Menschen, weil sie ohnehin schon da sind (etwa bei der Pflege) oder weil sie abgeholt werden. Nicht viel anders als heute, nur ohne zu bezahlen. Abholen statt einkaufen. Größere Güter jenseits des alltäglichen Verbrauchs gehen nur zeitweise in meinen Besitz über ‒ brauche ich sie nicht mehr, wandern sie weiter. Produktionsmittel werden nicht abgeholt, sondern von den Produzierenden vergeben. Schließlich geht es hier um Kooperation und Sinn. Die Produzierenden entscheiden, worin ihr Produkt einfließt, was sinnvoll ist und welche Bedürfnisse mit welcher Priorität erfüllt werden. Wichtig sind die Beziehungen im Netzwerk. „Vitamin B“ ist hoch erwünscht, ohne Kooperation läuft nichts. Gemeinsam wird klar, was wo gebraucht wird. Warum sollte so etwas nur nach Hochwasserkatastrophen klappen?
Räume anderer Selbstverständlichkeiten
Das bisher Beschriebene ist der ideale Alltagsfall. Doch es gibt immer auch Abweichungen, Veränderungen und Neues. Das erzeugt Konflikte. Die oben beschriebene Inklusionslogik bewährt sich in Konflikten. Werde ich zurückstehen, wenn klar wird, dass nicht alles machbar ist, wenigstens nicht sofort? Oder – denken wir an die Klimakatastrophe – immer weniger machbar wird? Commonismus holt eines ans Licht: Wir sind voneinander abhängig, und es gibt nun kaum noch Machtmittel, um mich auf Kosten anderer durchzusetzen. Es bleibt nur die einbeziehende Kooperation.
Schwer vorstellbar? Erneut hilft ein Blick auf das Verhalten der Menschen in Katastrophensituationen: Solidarität ist hier selbstverständlich. Commonismus ist nichts anderes als die Nahelegungsstruktur für „Räume anderer Selbstverständlichkeiten“, wie es die feministische Ökonomin Friederike Habermann so treffend ausdrückt.
Das Gute am Commons-Ansatz ist, dass wir bereits heute damit beginnen können. Wir können heute schon „Räume anderer Selbstverständlichkeiten“ schaffen, die von Kooperation auf Augenhöhe, Inklusionslogik und Solidarität geprägt sind. Wir finden diese Räume in sozialen Bewegungen und Commons-Projekten, in der Care-Revolution und der Freien Software wie in der Solidarischen Landwirtschaft. Dass wir dabei immer noch mit Geld umgehen müssen, ist ein hinzunehmendes Übel. Wir können seine destruktive Wirkung aus unseren Beziehungen jedoch heraushalten, indem wir tauschlogikfreie Räume schaffen. Das ist überall möglich. Denn ein Commons ist dort, wo wir die Mittel, derer wir bedürfen, als gemeinsame behandeln, also zu einem Commons machen.
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Stefan Meretz ist Ingenieur, Informatiker und Konfliktmoderator. Er arbeitet im wissenschaftlichen Verbundprojekt „Die Gesellschaft nach dem Geld“, hat das Commons-Institut mitgegründet und unterstützt mit einer Kollegin Aktivist*innen psychosozial mit dem „Aktivischen Sofa“. Letzte Publikation (mit Simon Sutterlütti): Kapitalismus aufheben. Eine Einladung, über Utopie und Transformation neu nachzudenken (VSA, 2018).
Vom Autor empfohlen:
SACH-/FACHBUCH
Gabriele Winker: Solidarische Care-Ökonomie. Revolutionäre Realpolitik für Care und Klima (transcript, 2021)
ROMAN
Ursula K. Le Guin: Freie Geister. Eine zwiespältige Utopie (Fischer Tor, 2017)
FILM
Capernaum – Stadt der Hoffnung von Nadine Labaki (2018)
Hi Stefan,
wie immer ein super Artikel zum Thema Commons! Was mich interessiert:
Siehst du in dem Gesellschaftsprojekt „Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien“ in Rojava eigentlich Parallelen zum Commonismus (zumindest im Ansatz)? Man hört und sieht leider recht wenig zu dem Thema.
Und im Allgemeinen:
Ist der Commonismus-Ansatz eher Top-Down oder nach Buttom-Up zu verwirklichen? Ich frage mich, wie man die Funktionseliten überzeugen will, auf ihre Machtpositionen innerhalb des kapitalistischen Systems zu verzichten?! Zumal progressive Bewegungen ja immer den Nachteil haben, dass sie von „unten“ gestartet werden und die Eliten häufig mit Gewalt ihre Interessen gegen die progressiven Bewegungen durchzusetzen versuchen.
Zumal ich aufgrund der Globalsierung und extremen Arbeitsteilung und -diversifizerung ein weiteres Problem sehe:
Mal angenommen, einzelne Regionen würden sich aus dem kaptialistischen Verwertungsbetrieb herauslösen (idelaerweise ein städtisches Gebiet, in dem schon einiges an Infrastruktur vorhanden ist). Wie sollten sie dann trotzdem Rohstoffe & Güter aus „noch“-kapitalistischen Weltregionen erhalten? Ohne Geld keine Kaufkraft. Ich habe die Befürchtung, dass die Umstellung (sollte sie gelingen) mit großen Wohlstandsverlusten für die Regionen einhergehen würde, die initial auf eine Commons-Gesellschaft umstellen würden. Wobei ich jetzt nochmal den Bogen zu Rojava mache:
Kann man die These aufstellen, dass Rojava diesen Weg (im Ansatz) zu gehen versucht? Und kann man daraus ableiten, dass diese Herangehensweise ein der Gründe ist, warum Rojava seit Jahren Opfer von imperialer Kriegspoltik ist (neben „dem Kurden-Problem“, dass sich die Türkei herbeihalluziniert um ihre Genozid-Politik gegen die Kurden zu begründen).
Gruß,
Lutz
„Der Kampf gegen den Klimawandel muss „finanziert“ werden. “
ja? Warum kann man (als Staat) nicht einfach nach und nach die Emissionen verbieten? Das was „finanziert“ werden muss ist die Transformation damit dabei nicht zu viel Schaden entsteht. Das gilt aber unabhängig davon ob die Akteure Staaten oder Commons sind.
@Lutz: Commonismus geht nur gesamtgesellschaftlich, Rojava wie andere Alternativen oder Commonsprojekte müssen sich mit einem strukturell feindlichen Umfeld auseinandersetzen. Bei Rojava kommt die Kriegssituation hinzu. Die Frage wäre also, ob und was die verschiedenen Projekte zu einer gesellschaftlichen Transformation beitragen (können), die in Richtung Commonismus geht. Ich weiß von Rojava zu wenig, weiß nicht, inwieweit sie z.B. marktkritisch sind und inwieweit staatskritisch (das IMHO noch am ehesten), in welcher Weise sich Aspekte des Commoning sich dort herausbilden (das vermute ich). Nach meinem Eindruck ist es ein vielfältiges Paket von Gründen, warum die Rojava und andere Gebiete so angegriffen werden, geostrategische Gründe, religiöse Gründe etc. und sicher auch, dass sich dort keine wie auch immer gestaltete Alternative entwickeln soll.
Die Probleme, die eine Insel bekommt, wenn sie sich teilweise aus der globalen Verwertungslogik herauslöst, hast du sehr gut beschrieben. Deswegen halte ich eine Transformation, in der sich ausdehnende Commonsräume oder sich vernetzende Inseln alleine irgendwann den Kapitalismus ersetzen, für nicht wahrscheinlich. Dennoch sind Vernetzung, Ausdehnung und die Verbindung von sozialen Bewegungen mit commonistischer Reproduktion die logisch nächsten Schritte, die dann in einer Krisensituation eine neue und größere Bedeutung bekommen können. Wenn in einer Krise Geld nicht mehr zählt (weil es nicht mehr zahlt), dann bekommt Commoning als soziale Resilienz eine u.U. sogar überlebenswichtige Funktion (etwa wenn ich an den laufenden Klimaökokollaps denke). Damit verlieren dann auch alte Eliten ihre Funktion. – So mal grob meine Gedanken dazu. Ich kann mir vorstellen, dass dir dazu viele „abers“ einfallen – geht mir ja selbst so 🙂
@Benni: Wenn der Staat Emissionen verbieten würde, würde er Produktion einschränken, müsste auf Steuereinnahmen verzichten, die er anderweitig ersetzen müsste – ergo: Der Staat muss auch Verbote finanzieren können. Aus dem Ding kommt er nicht raus. Dass gilt in der Tat auch, wenn es die Commons machen wollten in der alten Logik, deswegen müssen sie aus meiner Sicht notwendig aus der „Finanzierungslogik“ – also der Ursache der Katastrophe – aussteigen. Langfristig. Sonst ändert sich ja nix.
@stefan: Genau. Finanziert wird eben nicht der „Kampf gegen den Klimawandel“ sondern die Transformation und zwar egal ob das Commons oder der Staat machen. Der Unterschied zwischen Staat und Commons ist dabei nicht, dass der eine auf Geld angewiesen wäre und die anderen nicht (weil beide Möglichkeiten haben auch ohne Geld zu agieren, das ist das gemeinsame gegenüber den Marktakteuren, die ohne Geld komplett hilflos sind) sondern dass der Staat Herrschaft ausübt.
Du schreibst selbst: „Wie läuft die Verteilung? Die produzierten Mittel kommen zu den Menschen, weil sie ohnehin schon da sind“. Genauso könnte es passieren. Nichts darf sich am täglichen Leben ändern, nur das Geld verschwindet. Dies könnte man erreichen mit einem globalen Referendum zur weltweiten bedingungslosen Tilgung aller Schulden, denn genau dies wäre das Resultat der Abschaffung des Geldes. Wer sollte dagegen sein? Dieses Referendum könnte innerhalb von Monaten verwirklicht werden. Gleichzeitig motiviert uns die Politik, die Verteilung nicht zu gefährden. Einen Black-Friday gibt es nur, wenn etwas zeitlich begrenzt zu haben ist. Wir sind vernünftig und solidarisch, das beweisen wir gerade bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Aber wir werden unser Verhalten schlagartig im positiven Sinne ändern. Wir werden zeigen, dass wir diese Chance zur Bewältigung der globalen Krise nutzen. Was veranlasst Filmemacher beim Drehen eines Films über die Abwehr einer globalen Bedrohung dazu, daran zu glauben, dass alle Menschen zusammenhalten können? Diese Gewissheit schlummert in Jedem von uns. Es wäre ein gemeinsamer Kampf gegen die herrschende menschenfeindliche Wirtschaftsordnung. Die Abschaffung des Geldes ist ein Eingriff von Außen, gegen den sich der Markt nicht wehren kann.
Lieber Eberhard,
du schreibst, nichts dürfe sich am täglichen Leben ändern, nur das Geld müsse verschwinden. Ich meine im Gegenteil, dass das tägliche Leben sich von Grund auf verändern müsste und dass das Geld nur scheinbar die Ursache für unsere Sorgen ist. Extremes Beispiel: Saudi Arabien. Dort gibt es viel Öl und Sand. Zweifellos wäre es für das Klima besser, wenn gar kein Öl mehr gefördert würde. Eine Artikelserie in der englischen Zeitschrift The Guardian zum Klimawandel lief immer unter der Überschrift „Keep it in the ground“. Also, die Saudis müssten ihr Leben doch extrem verändern in Zukunft, oder nicht? Doch, wer gibt ihnen zu essen und alle anderen Lebensmittel, wenn sie kein Öl mehr fördern würden? Beispiel Deutschland: Die deutsche Wirtschaft ist stark im Maschinen- und Autobau, auch in der petro-chemischen Industrie. Wer aber würde für die deutschen Autobauern sorgen, wenn sie keine Autos mehr herstellen würden? Ein anderer Klimakiller wird auch in Deutschland produziert, Tierfleisch. Müssten für die Rettung des Klimas und für die Sicherheit unserer Gesundheit nicht alle Massen-Tierfabriken in Deutschland (und anderswo) geschlossen werden? Doch wer gibt den Metzgern zu essen dann? Beispiel Überraschungsei: Müssten nicht alle Fabriken, die für die große Firma Ferrero sinnlose Wegwerf-Plastikspielzeuge produzieren, geschlossen werden? Wozu brauchen wir überhaupt Millionen Tafeln Kinderschokolade?
Mein Vorschlag: Die Nationalstaaten von heute geben ihre Souveränität ab. Dafür erhalten globale Konferenzen gesetzgebende Gewalt. Auf einer Weltklimakonferenz wird bestimmt, wieviel Erdöl noch gefördert wird und wie es sinnvoll auf Länder bzw. Fabriken verteilt werden kann. Auf einer Weltsicherheitskonferenz wird beraten, wie die Transformation der globalen Wirtschaftsweise ablaufen kann, ohne das Chaos, Krieg und Krisen ausbrechen. Die Soldaten aller Länder bewachen gemeinsam die Atomraketen und andere Schrecknisse, bis sie vernichtet werden. Auf einer Welternährungskonferenz wird beraten, wie man Nahrungsmittelsicherheit für alle erreichen kann. ———- Viele Jahre danach werden Menschen überall auf der Welt 80-90 % ihrer Lebensmittel in kleinen Fabriken regional und individuell herstellen, keine 50.000 Frachtschiffe werden mehr nötig sein werden, um wie heute Teilprodukte zu den großen Fabriken zusammenzubringen.————– Kinderschokolade wird nicht mehr aus der Fabrik kommen, auch Kakao wird nicht überall auf der Welt wie heute verfügbar sein. Aber vielleicht findet ein begeisterter Farmer in Deutschland 2050 heraus, wie auch im globalen Norden Kakaopflanzen gedeihen können. Und dann macht sich jeder seine Kinderschokolade selbst, wenn er mag.