Ferienuni: Verallgemeinerte Handlungsfähigkeit
Auf der Ferienuni Kritische Psychologie 2016 versuchen Denis Neumüller und ich die begrifflichen Grundlagen der Kritischen Psychologie ein Stück weiter zu treiben. Im Workshop Erweiterung oder Verallgemeinerung der Handlungsfähigkeit? geht es um den Widerspruch von emanzipatorischem Handeln und der gleichzeitigen Reproduktion der Bedingungen, die diesem Handeln entgegenstehen.
In der Kritischen Psychologie nimmt dieser Widerspruch auf individueller Ebene als restriktive vs. verallgemeinerte Handlungsfähigkeit einen zentralen Platz ein. Während die restriktive Handlungsfähigkeit als Handeln unter Akzeptanz der gegebenen Bedingungen umfassend ausgearbeitet wurde, wird der Gegenbegriff der verallgemeinerten Handlungsfähigkeit eher vage als „Richtungsbestimmung“ gefasst. Entscheidendes Merkmal sei die Überschreitung der Beschränkungen durch inkrementelle Erweiterung der Verfügung über die Handlungsbedingungen in Richtung einer freien Gesellschaft. Daraus ergeben sich zahlreiche Fragen: Reicht die Erweiterung der Bedingungsverfügung als Kriterium aus? Was ist mit solchen Erweiterungen, die auf Kosten von anderen gehen? Ist die Erweiterung auf Kosten von anderen ein personales oder ein strukturelles Problem? Wie lässt sich bestimmen, ob eine erweiterte Verfügung in Richtung einer freien Gesellschaft weist?
Ich bin mir nicht sicher, ob euer Ansatz zielführend ist. Holzkamp hat stets betont, dass die Begriffe der restriktiven bzw. verallgemeinerten Handlungsfähigkeit dazu dienen meine je individuelle Situation zu analysieren. Also bspw. zu erkennen wo mir im Kapitalismus nahegelegt wird auf meinen kurzfristigen Vorteil zu achten und mir dabei langfristig selber zu schaden. Die Konkretisierung dieser eher allgemeineren Bestimmung kann nur in einer Analyse von konkreten Lebenszusammenhängen unter unseren gesellschaftlichen Bedingungen erfolgen. (Banales Beispiel: Kann ich jeden Tag günstiges Fleisch essen oder bin ich mit dieser Handlung mit verantwortlich an Massentierhaltung und den damit verbundenen Folgen)
Wie sich die Handlungsfähigkeit im konkreten Fall darstellt ist auch eine Frage der aktualempirischen Forschung.
Auf der Ferienuni-Seite schreibt ihr: „Unserer Auffassung nach führt kein Weg an der Gewinnung eines Begriffs einer freien Gesellschaft vorbei, aus dem ein inhaltlich bestimmter Begriff der verallgemeinerten Handlungsfähigkeit seine Qualität gewönne.“
Ich weiß nicht, ob dies auf der kategorialen Ebene der Handlungsfähigkeit ohne normative Setzungen im Sinne von „Du musst dies tun oder das lassen“ möglich ist. Nebenbei bemerkt würde dies früher oder später zu vielfältigen Konflikten im subjektwissenschaftlichen Rahmen führen.
Kein Widerspruch zur Aufgabe der Kategorien: Analyse statt Typologisierung. Auf der Ebene setzen wir nicht an.
Wir wollen zeigen, dass die Kategorie der verallgemeinerten Handlungsfähigkeit widersprüchlich gefasst ist und sich diese Widersprüchlichkeit auch in sekundären Zitaten (solche die sich auf die Hf-Kategorie beziehen) zeigen lässt. Unsere Auflösung kommt ohne normative Setzung aus, allerdings wird sie zu Kontroversen führen. Nun ja, das bleibt nicht aus, wenn die einen was verbessern wollen und die anderen meinen, das sei schon alles ganz ok, wie es war. Schaun wir mal.