Radio-Tipp: Vom Konsumenten zum Prosumenten
Das Radio-Feature »Ihre Meinung ist uns wichtig! Wenn aus Konsumenten Prosumenten werden« von Barbara Eisenmann wird am 14.10.2012 bei NDR-Info (11:05 Uhr) und am 19.10.2012 im DLF (20:10 Uhr) ausgestrahlt. Die Ankündigung klingt interessant:
Das Überleben in den Märkten der Zukunft hänge maßgeblich vom Kunden ab, heißt es in Unternehmenskreisen. Dabei ist nicht seine Kaufkraft allein gemeint, vielmehr sein Wissen, seine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten.
Schwarmintelligenz steht hoch im Kurs. Betriebswirte sehen im Kunden bereits einen kostenfreien Koproduzenten, und schwärmen von „interaktiven Wertschöpfungsprozessen“. Arbeitssoziologen sehen vor allem den unbezahlten Mitarbeiter und neue Formen der Ausbeutung.
Marxistisch geschulten Gesellschaftskritikern schwebt bei all dem die „freie Assoziation der Produzenten“ vor. Sie haben Kooperationen im Blick, die in einer digitalen Welt unter Umständen auch ohne Kapitalismus verwirklicht werden können.
Und wir Kunden hängen derweil, unfreiwillig profitmaximierend, in Warteschleifen fest, wenn wir nicht gerade im Netz Arbeitsplätze in Reisebüros vernichten oder an der Verschlankung der Finanzämter arbeiten.
Disclaimer: In Vorbereitung des Features wurde ich interviewt. Das Ergebnis kenne ich aber nicht. Mal sehn.
[Update]
Kommentar
Wow, grandios, unbedingt anhören! Ich bin zwar einigermaßen voreingenommen, weil ich einer der Interviewten war, dennoch: Ich fand den Zusammenschnitt aus den verschiedenen Interviews plus den eingesprochenen Teilen plus den ironisch wirkenden Musikschnipseln aus vergangenen Zeiten sehr gelungen.
Das Thema ist ziemlich komplex. Flapsig gesagt geht es um die Frage, wie alles zur Arbeit wird und keiner merkt’s, und wie man die Leute dazu bekommt, freiwillig alles zur Arbeit zu machen, und wie Innovationsberater und Motivationspsychologen dafür die entsprechenden Konzepte entwickeln (und sie wissen genau, was der Crowding-out-Effekt ist). Das hat mich phasenweise an den Film »Work Hard – Play Hard« erinnert, den ich auf der Ferienuni Kritische Psychologie sah. Doch während der Film nur die Oberfläche abbildete (auch schon eindrucksvoll), hat das Radio-Feature aktiv Zusammenhänge aufgezeigt und Konsequenzen untersucht.
Auch für mich im Einzelnen lehrreich, wie Open Innovation als strategisches Mittel für Unternehmen aufbereitet und angewendet wird. Und ein paar neue Redeweisen habe ich kennengelernt: »klebriger Kunde«, »Verarbeitlichung des Alltags«, »fuzzy frontend«, »Lead-User«. Am Ende ein Ausblick: Es ginge auch anders, die Potenzen entwickeln sich, jenseits der Warenform, auch im Bereich der materiellen Güter.
Eine Perle im Radio, Gratulation an Barbara Eisenmann!
Update: Siehe meinen Kommentar im Artikel!
Am klarsten fand ich bei 21’30 wie der Sprecher sich korrigiert.
„Kunden werden dazu genutzt – ehm, oder nein – Kunden wird die Möglichkeit gegeben auf Basis von bestimmten Freiheitsgraden und unter Zuhilfenahme von hochstandardisierten Bausteinen ihr eigenes Produkt zu designen“.
Ich frage mich immer ernsthaft, wie Menschen sowas täglich tun können und ihren „Erfolg“ dann daran messen, wieviele Menschen sie (aus-) „genutzt“ haben. Aber ganz im Ernst: Ich halte es für eine extrem wichtige Aufgabe, die Diskussion über Open Innovation in der Szene zu politisieren. Für mich bedrückendstes Beispiel dieses Jahr: Die Open Innovation Vorträge auf der Re:Publica 2012! http://re-publica.de/12/tag/open-innovation/ Die Referenten dort (ich habe nur zwei ausgehalten) redeten ganz ähnlich wie der Herr Bartel von Hyve in dem Feature (siehe Zitat oben). Und ich weiß nicht, ob die Organisatoren das überhaupt als Problem wahrnehmen.
„Vom Märchen des Win-Win im Kapitalismus“ hätte man das wunderbare Feature auch nennen können. Hoffentlich ist es möglichst lange online.
@ ah, und danke für Deine wie immer großartige Klarheit.
Solche Radio-Features sind nur in oeffentlich-rechtlichen Radioanstalten moeglich, die mit ausreichend Personal ausgestattet sind. Privatsender wuerden sich nie den Luxus solcher Featureproduktionen erlauben. In deren Logik kostet das ja auch zu viel. Ein Beispiel dafuer, wie notwendig ein starker oeffentlich-rechtlicher Sektor ist und dass die staatliche Daseinsfuersorge gegen den Privatisierungswahn gestaerkt werden muss.
Stimmt nicht so ganz, auch Privatsender machen Features, aber der Temdenz nach ist es richtig. Gleichwohl dürfen wir nicht übersehen, dass _solche_ inhaltlich ausgezeichneten Exemplare eines Features auch im öffentlich-rechtlichen Sektor sehr selten sind. Der Grund liegt IMHO u.a. am starken Staatseinfluss auf die Besetzungen und damit die Programmgestaltung. Der DLF hat nicht ohne Grund den Ruf eines »Staatssenders«.