Unvermittelt netzwerken

Die AG /unvermittelt der Neuen Geselllschaft für Bildende Kunst (NGBK) Berlin organisierte gestern am Freitag, 18.4.2008, eine Veranstaltung mit dem Titel »Von der Kunst Netzwerke für sich arbeiten zu lassen« (vgl. auch hier). Neben zwei weiteren Referentinnen, die über »Internationale Gärten« und »Ladyfest« berichteten, war auch ich eingeladen, um etwas zum Thema »Netzwerken« beizusteuern. Eine Vertreterin der Genossenschaft »Weiberwirtschaft« und drei Jungs des »Netzwerks Grundeinkommen« waren ebenfalls zu Gast. Apropos Jungs: Ohne die drei hätte die Männerquote wohl deutlich unter 20% gelegen — ist »Netzwerken« ein »Frauenthema«? Komisch…

Leben in zwei Welten

Leben in zwei Welten (Klicken zum Vergrößern)

Für meinen Beitrag hatte ich zwei Plakate vorbereitet, eines zur »Peer-Produktion« mit den drei von Christian entwickelten Kriterien, und eines mit dem Titel »Leben in zwei Welten« (siehe oben). Nach den drei vorbereiteten 10-Minütern von uns geladenen Referent_innen, drehte sich die Diskussion zunächst um die Frage, was denn ein Netzwerk überhaupt sei und was nicht (Familie? Dorfgemeinschaft?). Bald jedoch zog das provokative Zwei-Welten-Plakat die Aufmerksamkeit auf sich, und die Diskussion wandte sich dem Thema der »Arbeit« zu. Neben Zustimmung zum Rot-Grün-Schema, das ich als Pole eines Kontinuums, in dem wir uns bewegen (müssen und können), verstanden wissen will, gab es auch deutliche Kritik: Dualismus, religiöses Gut-Böse-Denken, Schwarz-Weiss (Rot-Grün?) Malerei u.a.m.

Neben interessanten Erfahungsberichten etwa aus der Praxis einer Beraterin, die erlebt hat, wie sich Arbeiter an den Lohn als Bestätigung ihres Tuns klammern, gab es auch für mich befremdliche Beiträge. Etwa die Aussage, letztlich brauche frau den Zwang der Not, weil sonst der Antrieb zum Tun (sprich: arbeiten) fehle — weswegen der Diskutantin auch die Ablehnung des Arbeitszwangs beim »Netzwerk Grundeinkommen« komisch aufstoße. Ähnliche Beiträge der Rechtfertigung und der Identifikation mit der je eigenen (u.U. gar nicht so rosigen) Lage gab es einige, etwa, dass frau es schon hinbekomme, »Selbstverwertung« und »Selbstentfaltung« zu vereinbaren.

Die Stimmung wurde etwas nachdenklicher, als sich ein Diskutant dunkel an Marx erinnerte, der von »theologischen Mucken« sprach (gemeint ist der Warenfetisch) und feststellte, dass auch Arbeit ein Fetisch sein kann. Bingo! Ich habe auf den Crowding-out-Effekt verwiesen, der verdeutlicht, dass die destruktive Wirkung der Geldlogik nicht bloß Einbildung sei. Widerspruch kam auch zu meiner Behauptung, dass der »rote Bereich« (die Wertlogik) den »grünen Bereich« zerstören kann, sobald der »grüne Bereich« zum Geldmachen genutzt werden soll. Stattdessen müsse die Perspektive sein, den »grünen Bereich« auszudehnen, um uns sukzessive von der Wert- und Geldlogik unabhängig zu machen. Bis dahin sei die Frage nicht, sich für die »rote Seite« oder die »grüne Seite« zu entscheiden, sondern es gelte, sich zu dem Spannungsverhältnis der beiden Pole bewusst zu verhalten.

Ein Ökonom vom »Netzwerk Grundeinkommen« fand die »Ökonomie« auf der roten Seiten falsch platziert, schließlich sei »Ökonomie« doch was Neutrales. Das käme doch von »Oikos«, dem griechischen »Haus«, das bewirtschaftet werde. Ein anderer Beitrag wies jedoch darauf hin, dass eben jenes »Oikos« nicht ohne Sklavenarbeit funktioniert habe, und das gäbe doch zu denken. Meine zweite Provokation, die »Selbstverwirklichung« auch auf die »rote Seite« zu packen, wurde hingegen erst nach dem Ende von einer der Veranstalterinnen angesprochen. Damit wollte ich verdeutlichen, dass »Entfaltung« auch eine bloß isolierte Form kennt, die die Anderen keineswegs als Voraussetzung für die eigene Entfaltung ansieht, sondern bloß danach trachtet, die eigenen Bedingungen (genug Zeit und Geld) heranzuschaffen. Das ist nämlich im Kern das, was oft mit »Selbstverwirklichung« gemeint ist.

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