Silke Meyer: Reclaim Linux!
[Repost, Textquelle: sul serio #12 NETZWELTEN, Lizenz: CC by-nc-nd; Bildquelle: „No, this is not“ by LadyPain, Lizenz: CC by-nc-sa]
Seit über 20 Jahren arbeiten Menschen an einer Alternative im hart umkämpften Softwaremarkt: Linux. Hinter Linux steht kein Konzern, sondern eine Community: Sie entwickelt freie Software, damit es welche gibt, Software, die sich dadurch auszeichnet, dass sie mit Quellcode veröffentlicht wird, weiterverteilt werden darf, dass sie also transparent, kostenlos und legal kopierbar ist. Aber Linux entsteht in einem männlich geprägten und teilweise sexistischen Umfeld. Dies verhindert seine erfolgreiche Durchsetzung.
Software für alle?
Ein zentrales Anliegen der LinuxerInnen und der gesamten Open Source-Bewegung ist es, das Wissen darüber, wie Software gemacht wird, offen zu teilen. Die Computerprogramme für Informationsverarbeitung und Kommunikation werden als öffentliche Güter angesehen. Mit Linux sind also demokratische und emanzipatorische Ansprüche verbunden. Aber warum setzt sich dieses Betriebssystem nicht besser durch? Müsste es nicht durch diese Ansprüche bestechen und gerade für all diejenigen attraktiv sein, die keine Mittel haben für Lizenzen aufzukommen und die dezidiert Wert darauf legen, Linux als alternatives Projekt zu unterstützen?
Dass Linux nur von verhältnismäßig Wenigen genutzt wird, kann vielleicht damit erklärt werden, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung der Linux-Community sich widersprechen. Die Community versteht sich selbst als offen: JedeR könne an den Projekten mitarbeiten, denn von der Programmierung über die benutzerfreundliche Gestaltung bis hin zur Übersetzung in diverse Sprachen gebe es genug zu tun. Und wer sich engagiere und funktionierende Vorschläge mache, ernte dafür Anerkennung. Die Transparenz dieser Software erlaube darüber hinaus allen AutodidaktInnen den Einstieg ins Programmieren. Partizipation und Empowerment werden intern demnach groß geschrieben. Dieses Image kontrastiert aber mit der verbreiteten Außenansicht, Linux sei nur etwas für Spezialist(Inn)en.
Offen oder freakig – auf jeden Fall männlich
Den ersten eingehenden Blick werfen NutzerInnen wohl dann auf die Community, wenn sie Hilfe in Linux-Mailinglisten oder Foren suchen, die das Internet in großer Fülle und Aktualität bietet. Zwei Dinge werden bald klar: Die Erklärungen helfen Laien nicht. Und: Dumme Fragen sind nicht erlaubt. Der Ton ist rau, so dass selbst Menschen mit Vorwissen ihrer Frage vorausschicken: “Sorry, ich bin noch neu hier.” Zu Recht, denn ein arroganter Umgang miteinander ist verbreitet. Einen Teil der Community bilden Menschen, die sehr viel Zeit und Energie in die Lösung technischer Fragen stecken (können). Dies geht teilweise so weit, dass die Suche nach technischen Lösungen zum Selbstzweck wird. Wer hier nach dem vorgeblich politischen Anliegen der Open Source-Bewegung sucht, findet kaum mehr als das ewige Microsoft-Bashing und damit die Pflege eines gemeinsamen Feindbildes („Wenn Word dazu geeignet wäre, richtige Texte zu schreiben, würde es ja ‚Page‘ heißen.“). Andererseits gibt es auch diejenigen, die wirklich bereit sind, ihr Wissen offen zu teilen, nicht nur in der Theorie oder in hochkarätigen Online-Fachbeiträgen, sondern indem sie EinsteigerInnen beibringen, wie Linux funktioniert.
Was vom Technikfetischisten bis zum geduldigen Lehrer dominant ist: Die Community ist männlich. Der Männeranteil liegt bei geschätzten 95 Prozent. „Männlich” meint in diesem Kontext nicht nur das biologische Geschlecht der LinuxerInnen, sondern darüber hinaus ein diffuses, implizites Zusammenspiel unterschiedlicher Ebenen sozial konstruierter Männlichkeit. Daraus ergeben sich die Fragen: Welche Bedeutung hat die Verknüpfung von Technik und Geschlecht für das Selbstverständnis der Linux-Community? Kann die Technik selbst “vergeschlechtlicht” werden und wie funktioniert das?
Geschlecht entsteht im Detail
Zwei Ebenen sind besonders von Bedeutung: erstens die Sprache und zweitens der Umgang miteinander und mit Technik. Die Sprache im Linux-Umfeld ist nicht nur in auffälliger Weise von technischem Vokabular durchzogen, das in neuen Kontexten wieder auftaucht (“backup-Stift” für “Ersatzkuli”), sondern es fallen auch sexistische Sprüche. Entweder erinnern sie frau daran, dass sie eine Frau ist (und eventuell die einzige anwesende) oder sie verknüpfen Technik und (männlichen) Sex miteinander (“Wow, bei dem Rechner krieg ich einen hoch!”). Dabei wird Technik zuweilen auch mit Sex gleichgesetzt. Ein “witziges” T-Shirt heißt beispielsweise “Linux is sexy” und beschreibt Geschlechtsverkehr in Befehlen: “unzip; touch; mount; fsck; more; umount; make clean; sleep” – Sex als mechanischer und vorprogrammierter Ablauf, ein “file system check” bei der Sexmaschine?
Auch der Umgang mit Technik ist speziell. Ein eingeschaltetes Notebook scheint jedeR dabei zu haben. Bei den LinuxerInnen selbst finden textbasierte Tools (also ohne graphische Oberfläche, Schaltflächen etc.) breite Verwendung, doch das trauen sie nicht allen zu: “Nenn‘ ihr irgendein graphisches Programm, das ist doch, was sie wissen will.” Liegt es am Frausein oder bekommen alle Neulinge die Tastatur weggezogen? Besonders wichtig ist der Style des eigenen Rechners: Hunderte selbst gemachte Hintergrundbilder und Themes stehen zum Download bereit, was auf ein nicht-pragmatisches Verhältnis zu Technik hindeutet. Viele davon kolportieren auch direkt eine unglaubliche Technikliebe oder – in kleinerer Anzahl – ein Bild von Frauen als nackten Körpern. Hat das der konkrete Tischnachbar vor sich, was will frau da noch fragen…? Linux steht damit nicht nur für die Emanzipation von Kommerzialisierung und Software-Lizenzen, sondern Linux erscheint auch als vergeschlechtlichter Wirkungszusammenhang, der Technik besetzt. Linux steht für Innovation und Offenheit, entsteht aber gleichzeitig in konservativen und ausschließenden Zusammenhängen.
Linux einfordern!
Um das eigentlich positive Konzept freier Software für all diejenigen, denen es wichtig ist, nicht aufzugeben, kann es nur heißen: Linux einfordern! Hineingehen in die Community und daran erinnern, dass technische Lösungen nur toll sind, wenn sie Menschen auch nützen und ihnen gezeigt werden. So wichtig technische Lösungen sind – Technik als Selbstzweck zu betreiben entfaltet wenig emanzipatorische Dynamik, auch nicht bei den Beteiligten. Das partizipatorische und emanzipatorische Potenzial des Open Source-Konzeptes kann nur zum Tragen kommen, wenn die Grundidee, Wissen frei zu teilen, ohne Ansehen der Interessierten verwirklicht wird.
Silke Meyer ist linux-affine Politologin und promoviert über den Umgang mit Technik in der Linux-Community.
Dazu gibt’s auch ein How-to, das den gutwilligen männlichen Teilen der Community nahezubringen versucht, wie sie sich im Umgang mit Frauen nicht danebenbenehmen: HOWTO Encourage Women in Linux.
Ähnliche Problem scheinen mir auch bei der Wikipedia zu bestehen, wo der Männeranteil ja auch sehr hoch ist (>80%?) und wo, wie mir scheint, oft ein rauer und aggressiver Umgangston herrscht, der für Frauen und auch für Männer, die weniger dominant und auseinandersetzungs-süchtig sind, nicht gerade ermutigend ist. Bei der Wikipedia, die die größte einheitliche Sammlung von Weltwissen ist und dabei natürlich auch immer ein gewissen Weltbild transportiert, scheint mir das besonders problematisch,
da dieses Weltbild (trotz der Bemühungen um Neutralität, die in der Regel durchaus vorhanden sein dürften) durch die männlich/aggressive Selektierung der Teilnehmenden und Beiträge natürlich geprägt und verzerrt wird.
Das besagte HOWTO ist von 2002 — hat sich seit dem nichts verändert? Ich lese aus dem Text von Silke zwei Kernthesen, mal etwas zugespitzt formuliert: (1) Die Durchsetzung von Linux hängt von der Beseitigung des Sexismus ab; (2) Die männlichen Nerds bringen den Sexismus mit und finden in der Technik ein passendes Feld zum Ausleben.
(1) wird meiner Beobachtung nach durchaus wahrgenommen, denn es geht hier nicht nur um Sexismus, sondern generell um Mechanismen der Ausgrenzung — etwa von Nicht-Nerds. Darauf wird durchaus reagiert. Ubuntu etwa richtet sich betont an alle Menschen, ubuntuusers.de will eine freundliche Community sein (»Fragen ist menschlich«) und Sexismus wird nicht geduldet (Admins greifen durchaus ein). Die generelle stärkere Orientierung am Normaluser, der gar nicht erst in eine Community geht, sondern einfach ein funktionierendes und leicht zu benutzendes System haben will, scheint mir auch in diese Richtung zu gehen. Ein weiteres Indiz sind die Anstrengungen, Linux auch für Menschen mit Behinderungen leicht zugänglich zu machen. — Ich würde also sagen, dass die Durchsetzung von Linux (auf dem Desktop, darum geht’s hier ja nur) davon abhängt, dass die Bedürfnisse der Menschen befriedigt werden, und zwar in einer Weise, die niemanden ausgrenzt. Das ist ja auch genau das Potenzial von Freier Software.
(2) Mich interessiert sehr, wie das »diffuse, implizite Zusammenspiel unterschiedlicher Ebenen sozial konstruierter Männlichkeit« funktioniert und welche Rolle die Technik dabei spielt. Fernanda Weiden meinte auf der WOS4 lapidar, dass in der IT tätigen Frauen ihre Zeit einfach zu schade ist, sich auch noch in ihrer Freizeit mit Technik und Programmieren zu beschäftigen. Deswegen sei der Frauenanteil in der proprietären Software deutlich höher (obgleich immer noch klein: in D-Land rund 20% mit sinkender Tendenz) als in der Freien Software. Ob das das Differenz erklärt? In der Oekonux-Debatte konnte die Frage seinerzeit auch nicht geklärt werden (Oekonux ist derzeit offline, deswegen kein Link). — Mal sehn, was Silke in ihrer Promotion rausfindet. Eine einfache Antwort wird es wohl nicht geben.
Als Stichwort zum weitersuchen (einer Erklärung) schlage ich das das stichwort: strikte Produktorientierung vor.
Die freie software bewegung ist ja 1. nicht nur (noch) auf virtuelle Produkte beschränkt, und 2. ernährt (meistens) nicht ihre Produzenten. Vielmehr bleibt sie 3. gnadenlos produktorientiert- also mit dem bürgerlichen Leistungsprinzip behaftet. Für Leute, die nur mitspielen, irgendwie dabeisein wollen, nichts vorzeigbares beitragen können, ist dort kein Platz. Der „homo oeconomicus“ im klassischen Sinne ist zwar überwunden- aber doch nicht die Leistundsmentalität… oder?
Um Stefans ersten Punkt zuzuspitzen: ich glaube dass die Faszination an Linux und Co eine sehr sehr spezielle Gruppe nur umfängt, in der eben vor allem Männer vertreten sind. Das betrifft vor allem die ungemeine Freude daran, die „blackbox“ des Computers zu öffnen und daran herumzuschrauben. Das ist insofern ein Problem, als es einen wichtigen Teil der Freiheiten freier Software betrifft, nämlich die sich im monetär nicht vermittelten Basteln zu verwirklichen.
@Uli und Thomas: Ihr habt jetzt zwei Stichworte geliefert, die ich mal so formulieren möchte: »Leistungsmentalität« und »Bastelfreude«. Beides ist doch aber als solches kein Problem, oder?
Erst im Zusammenspiel mit Mechanismen der Ausgrenzung werden sie zum Problem. Wie kommt es zu diesen Mechanismen der Ausgrenzung, wodurch werden sie gespeist, warum ist sie u.a. geschlechtlich aufgeladen? Warum haben Leute, die »nichts vorzeigbares beitragen können« (also: Nur-User) »keinen Platz«? Ist dem so? Darauf habe ich keine tiefergehenden Antworten, eben nur das, was ich oben schon schrieb. — Andere Ideen?
..und warum spielen eigentlich auch hier bei Keimform nur wieder Männer mit? Was sind die Ausschlußmechanismen, die bei Keimform wirken?
@StefanMz: Ja, weder Leistungs- noch Bastelfreude sind als solches ein Problem. Aber in meinem Universum gibt es ohnehin keine ‚Probleme als solches‘ sondern nur Probleme in einem konkreten Verwendungszusammenhang – besonders wenns um Macht geht. Ich glaube also nicht, dass es gutes, nichtausschließendes Linux/Keimform-Projekt/… ‚als solches‘ gibt und Kontexte, die ausschließend von außen herantreten. Stattdessen ist das Fehlen von Frauen ein (wichtiger) Charakterzug von Linux/Keimform-Projekt/…, es kennzeichnet diese Phänomene, die ohne den Ausschluss etwas Anderes wären.
Daraus folgt ein anderer Ansatz gegen den Ausschluss, den ich bei meinen KollegInnen, die hier in Trondheim zu „Frauen in IT-Berufen“ forschen, kennengelernt habe: Wenn etwas (auch hier auf Keimform) zum überwiegenden Teil ohne Frauen stattfindet so ist das schon allein ausschließend – egal was es ist. Daher ist das öffentliche Klagen über das Fehlen von Frauen auch direkt kontraproduktiv, es reproduziert den Ausschluss! Stattdessen empfehlen meine KollegInnen Heterogenität herauszustellen (wo sie existiert – und sie existiert so gut wie immer). Das heisst konkret darauf herumzureiten, dass es einen Haufen Männer gibt, die mit Linux & Co nichts anfangen können, dass es Frauen gibt, denen das viel Spass macht usw. Ist sicher auch kein Patentrezept, aber immerhin eine Alternative.
Also ich finde ihr macht hier einfach zuviel Wind um die Mädels. Männer und Frauen sind eben unterschiedlich. Ich hab meine Freundin auch mal mitgenommen zum LUG-Treffen, aber es hat sie gelangweilt! Wenn mal wirklich ne Frau kommt, soll sie ja, hab ich nix dagegen. (Also ich hab gern, wenn Frauen ::kommen::!!!) Aber die meisten Frauen haben eben andere Interessen. Und für uns Männer ist es auch schön, mal ohne Frauen nur unter Kumpels zusammenabzuhängen. Dann kann man auch mal so richtig über die Weiber ablästern. Ja! Und das machen die Frauen wenn die sich ohne Männer treffen nämlich genauso! Was die dann so über uns Männer klatschen. Da gehts richtig „intim“ zu und werden die Bett-Qualitäten der Ehegatten und Lover voll diskutiert. Sollen sie ja auch. Aber Frauen jetzt zu zwingen, dass die sich für Technik begeistern, ist echt daneben. Gibt doch Ubuntu. Hab ich meiner Freundin auch eingerichtet, Klicki-Bunti. Ist doch ganz okay, wenn wir Männer auch mal unter unseren Technik-Kumpels sein wollen. Wir gehen ja auch immer zurück zu unseren Liebsten. Die verwöhnen uns nämlich mehr wie der schnellste Rechner!
Als wäre er bestellt worden, illustrert »Linux-Fan« anschaulich, wie Sexismus in der Linux-Community aussehen kann. Das _ist_ abstoßend. Zu dieser LUG würde ich nicht gehen, und außerdem verträgt mein Rechner keine Kotze. So blöd wie der Beitrag ist, könnte es sich allerdings auch um einen Fake handeln. Sehr witzisch.
@mischka#6: Ich habe keine Antwort, was *die* Ausschlussmechanismen bei keimform.de sind. Ich habe verschiedene Leute, Frauen und Männer, eingeladen, mal was für keimform.de zu schreiben, weil ich ihre Gedanken hier gut aufgehoben fände. Wenn ich das richtig zusammenfasse, dann waren es drei Gründe, warum es selten dazu kam: Unvertrautheit mit der Blogtechnik, ein Blogbeitrag sei nicht das richtige Format (eher zu kurz) und Skepsis, sich selbst prominent zu platzieren. — Soviel btw zur Heterogenität.
@Thomas#7: Zustimmung, Leistungsorientierung und Bastelfreunde gibt’s »als solche« nicht, sondern immer nur konkret in bestimmten Zusammenhängen. Über das konkrete Ganze lässt sich aber als Ganzes schlecht reden, weswegen wir wohl immer wieder dazu tendieren, Einzelnes aus dem Zusammenhang zu reissen. Ich finde das auch dann nicht falsch, wenn klar bleibt, dass es den Zusammenhang gibt und das betrachtete Einzelne nur im Zusammenhang das ist, was es ist.
Womit ich Schwierigkeiten habe, ist die Empfehlung über Probleme nicht zu reden:
Das kommt mir blöd vor. Oder geht’s dir nur um den Modus des »Klagens« oder den der »Öffentlichkeit«?
Weder noch. „Probleme“ existieren m.E. nicht ausserhalb ihrer Thematisierung (egal wie klagend oder wie öffentlich das stattfindet). Das gilt zumindest auf der verallgemeinernden Ebene auf der wir sie hier verhandeln (wenn wir über die Frauen reden und die Männer). Daher ist die jeweilige Einrahmung des „Problems“ (was gehört dazu, was nicht) auch immer schon ein Teil des Problems. Das heißt im Soziologen-Jargon die Performanz der Aussage „Hier gibt es keine Frauen“. Übersetzt: Die Aussage tut auch was, sie beschreibt nicht nur.
Aber von mir aus kann der Satz, der dir blöd vorkommt gerne auch abgeschwächt werden zu: „Daher kann das öffentliche Klagen über das Fehlen von Frauen auch kontraproduktiv sein.“
Mir geht’s nicht um Abschwächung o. dgl., sondern um die Handlungsoptionen. Wenn ein Problem nicht beredbar ist, dann kannst du auch schlecht über Handlungsmöglichkeiten reden. Das finde ich blöd daran. Welche Veränderungsmöglichkeiten bleiben dann?
Stefan, weder durchs Bereden allein noch durchs Nicht-Bereden allein wird man mehr Frauen dazu bringen, sich mehr mit gewissen Tätigkeiten und Leuten zu beschäftigen. Wenn es einen Frauenmangel in der Freien Software gibt und wenn uns das als Problem vorkommt, dann ist das bloße Konstatieren des Mangels keine gute Strategie das zu ändern. Dass das nach hinten losgehen kann, da sind wir sicher einig.
Aber ich vermute weitergehend, dass ein Denken, das Freie Software auf der einen Seite und gleichsam von aussen herantretende Ausschlussmechanismen auf der anderen Seite analytisch voneinander trennt (dein Kommentar #5 – denn nur was getrennt ist kann zusammenspielen), auch nicht weiterhilft. Für mich käme es stattdessen darauf an, die produktive Rolle der Ausschlüsse für Freie Software zu verstehen – also die Kritik wirklich an sich herankommen zu lassen. Ich vermute nämlich, dass die Dominanz eines gewissen Männertypus die mit Freier Software verbundenen konkreten Strukturen und Utopien mit-produziert hat. Deshalb haben sie oft so etwas Ingenieurmässiges, Asketisches, Lebensfernes, Ausgeklügeltes, Autoritäres und Abstraktes. All das ist nicht immer ein Problem, im Gegenteil, es kann Großes schaffen, aber es schließt Menschen, die alldem nichts abgewinnen können tendenziell aus.
Hi! Wow, da ist ja nicht nur mein Artikel, sondern auch ein Haufen Anregungen, für die ich mich bedanken möchte!
Nun gebe ich auch noch meinen Senf dazu.
Ich bin gerade dabei, auf die PRAXIS in verschiedenen Gruppen oder auf Events zu schauen, um zu sehen, wie die Differenzierung INNERHALB der Szene funktioniert. Und da habe ich großen Diskussionsbedarf!
Da diese Erhebungen in vollem Gange sind, gibt es noch keine systematische Auswertung. Ich würde aber mal die Hypothese in den Raum schmeißen: „Die“ Linux-Community (whoever this is) ist auf einem ganz schönen Kontrolltrip. Web of Trust, Keysigning, Zertifikate regeln Zutritte zum „vertrauenswürdigen“ Teil der Community. Dazu ist aber eine Authentifizierung vonnöten, zu der auf „amtliche“ Dokumente zurückgegriffen wird, also auf die Dokumente des Staates, dessen „Sicherheitspolitik“ so stark kritisiert wird. Gegen genau diese Politik sind die Verschlüsselungstools ja auch einsetzbar, sie sind bloß ohne staatsbürgerliches Beweisstück nicht vertrauenswürdig. Mich beschäftigt die Frage schon, wieso Leute, denen Datenschutz erklärtermaßen sehr wichtig ist, gleichzeitig ihre Bekanntschaftsnetze auf Keyservern veröffentlichen. Und bei Nachfrage ist das einzige Problem daran Spam…
Gab es darüber schon Diskussionen unter Euch? Habt Ihr dazu Ideen?
[Ich habe den Beitrag gelöscht. Eine Deppen-Illustration (vgl. #8) reicht. Geh‘ woanders spielen. –StefanMz]
@Thomas#12: Die »produktive Rolle der Ausschlüsse in der Freien Software« zu überlegen, kann ein sinnvoller Ansatz sein. Allerdings stößt mich dein Versuch, dem über Typisierungen nahe zu kommen, eher zurück. Die Frage ist doch nicht, was das für »Typen« sind, die dort exkludierende Strukturen produzieren, sondern worin die subjektive Funktionalität besteht, sich so und nicht anders zu verhalten, obwohl die Einzelnen — das unterstelle ich jetzt mal — ganz normale Leute sind. Ich lese zum Beispiel immer mit großem Interesse die Interviews mit (K)Ubuntu-Entwicklern (IIRC bisher bis auf eine Ausnahme stets Männer). Dort finde ich nicht mehr »Ingenieurmässiges, Asketisches, Lebensfernes, Ausgeklügeltes, Autoritäres und Abstraktes« als anderswo auch, eher weniger.
Btw: Wir bereden das Thema schon ein Weile hier, ist doch nicht verkehrt, oder? Mir geht’s generell nicht darum, irgendwen zu irgendwas zu bringen — eine anti-erzieherische Grundhaltung von mir.
@Silke: Prima, dass du deinen Artikel gefunden hast 😉
Das mit dem »Kontrolltrip« kann ich nicht nachvollziehen, was aber nix heißen muss. Generell ist »Vertrauen« eines der Schlüsselelemente jeder Community. Diese versucht sich auch gegen Missbrauch und Destruktion zu schützen und greift (manchmal? oft? zunehmend?) auch zu formalen Verfahren. Mir ist nicht klar geworden, wo das nach deiner Meinung umkippt. Ich sehe erstmal noch kein Problem darin, bei einer Keysigning-Party seinen Ausweis zu zeigen. — Übersehe ich da was?
Wenn du die Gelegenheit hast, dann würde ich versuchen herauszubekommen, wie denn die »normalen« Vertrauensstrukturen konstituiert werden und welches Ausschlusspotenzial diese haben. Um dann ggf. herauszubekommen, inwieweit formale Mechanismen nur das fixieren, was ohnehin schon geschieht. Nur eine Idee.
Deine Trennung in ‚wie normal (oder unnormal) die Leute sind‘ und ihr ‚Verhalten‘ leuchtet mir nicht ein. Da liegt m.E. der Hase im Pfeffer, die Frage ist eben gerade was du und v.a. andere innerhalb der Projekte für „ganz normal“ halten. Und das schließt, so meine Vermutung, andere Leute mit anderen Normalitätsvorstellungen eben aus. Die Frage der Ausschlüsse ernst zu nehmen würde voraussetzen, eine Außenwahrnehmung – gerade wenn sie negativ ist – ernst zu nehmen (nicht notwendigwerweise zu übernehmen) und daraus zu lernen. Was man daraus lernt ist offen.
Übrigens ziehst du dich auch in der Antwort an Silke auf irgendeine „Normalität“ (wenn auch in Tüttelchen) zurück.
Thomas, »Normalität« führte ich an, um dem Deutungsansatz der personalen Typisierung zu widersprechen. Darauf wollte ich doch gerade raus: Ausgrenzung muss sich aus dem erklären können, was für »ganz normal« gehalten wird.
Ich glaube nicht, Stefan, wir verstehn uns. Mag uns jemand helfen? Wenn nicht, dann lassen wirs vielleicht erstmal dabei beruhen, ich kanns nämlich nicht besser sagen als bisher.
@Silke: Ja, ich sehe auch das mit dem Kontrolltrip. Der sieht mir allerdings mehr technokratisch aus als politisch: Die klassisch antistaatliche Konsequenz, die du vermisst, ist oft nicht im Horizont dieser Gruppe. Eine gewagte Hypothese dazu wäre dass Staat an sich nicht das Problem Freier Software ist, da sie zu einem nicht unerheblichen Teil nicht schlecht innerhalb staatlicher Institutionen (Unis, Schulen, EU-Förderung) lebt. Auch direkte Repression (Polizeigewalt u.ä.), eine prägende Erfahrung innerhalb „neuer sozialer Bewegungen“ (anti-AKW u.ä.) erleben diese Leute in ihrer Praxis wohl kaum. Ihr Widerstand ist ja auch eher introvertiert und daher weitgehend unsichtbar.
Ich versuche mal zu fassen was dieses „normal“ ist. Das Problem liegt zu einem guten Teil in der bürgerlichen Subjektivität selbst begründet. Nehmen wir uns doch mal die Sozialisation bzw. die soziale Wahrnehmung von Mann/Frau vor. Gehen wir auch mal davon aus, dass beide mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf die bürgerliche Ideologie hereinfallen und soziale Zuschreibungen akzeptieren. So folgt m.E. daraus eine größere Wahrscheinlichkeit Männer in sowohl in technologischen Zusammenhängen als auch in sozialen Bewegungen vorzufinden. Der Habitus und die restriktiven Handlungsmöglichkeiten von Frauen in ihrer sozialen Funktion in der bürgerlichen Gesellschaft ermutigen sie nicht, die Diskussion zu suchen, aggressiv zu streiten und sich mit technischen Problemen zu beschäftigen. Gleichzeitig bewirkt der gleiche soziale Mechanismus, dass Communities, die zum Großteil aus Männern bestehen, eben solche Interaktionsmuster ausbilden, die sie für Männer attraktiver und für Frauen unattraktiver werden lassen. Auf diesen Kontext übertragen heißt das, elitäres Getue und ein Diskurs der sich auch an Selbstdarstellungs- und Abgrenzungsbedürfnissen mänlich-weißer Subjekte orientiert und strukturiert hat. Vielleicht wäre es eine gute Strategie, diese Formatierungen immer wieder im Detail und im Ganzen anzugreifen und zu kritisieren. Dabei könnte man auch gezielt nach Leuten zu suchen, die sich abgestoßen gefühlt haben und ihre Erfahrungen sowie Kritik in die Community zurücktragen.
Ich selbst bin für völlige Gleichberechtigung von Frauen und Männern, wie sie ja auch unser Grundgesetz vorschreibt! Voll daneben finde ich aber, wenn hier Kommentare einfach gelöscht werden!! So geschehen bei dem, der hier unter dem Namen Frauenversteher geschrieben hat. Auch wenn einem ein Kommentar nicht passt, Löschen ist Zensur!! Die Linux-Community ist zu recht stolz auf ihre Vielfältigkeit und wir sollten es aushalten, mit unterschiedlichen Auffassungen umzugehen!!
@Linux-User: Sexismus ist keine Meinung und Kommentare löschen keine Zensur.
Also für alle die Probleme haben sich zurecht zu finden in der Linux welt kann ich nur http://www.ubuntuusers.de empfehlen.
Im Artikel könnte man den Eindruck bekommen das dieser rauhe und arogante Ton nur bei Linuxusern zu finden ist. Ich finde es aber wichtig anzumerken das das eigentlich in allen Internetforen die ich kenne so ist.
Ob daran die Anonymität des Internets oder die fehlende Sozialkompetenz der vielen Keyboard jockeys schuld ist kann ich nicht sicher sagen, aber mit Linux an sich hat’s wenig zu tun.