Utopiekritik, Utopistik und die Probleme des „Modells Zukunftswerkstatt“
[Voriger Teil: Produktivkräfte, Destruktivkräfte und materialistische Geschichtsauffassung]
Im Gegensatz zur materialistischen geht die typische utopische Perspektive nicht von gesellschaftlichen Veränderungen aus, die sich (mutmaßlich) vollziehen müssen, sondern von einer ganz anderen Gesellschaft – einer Ziel- oder Idealgesellschaft, die es herzustellen gilt. Ihre Verfechter:innen gehen oft davon aus, dass die bessere Gesellschaft zuerst gedanklich vorgestellt werden muss, bevor sie realisiert werden kann. So schreibt P.M. (Hans Widmer), der Autor von bolo’bolo, einer der bekanntesten und erfolgreichsten Utopien der letzten Jahrzehnte: „Warum haben wir eigentlich immer noch Kapitalismus? Weil wir uns nichts anderes vorstellen können. Weil wir uns nicht auf einen Vorschlag einigen können [wie] wir unsere Verhältnisse vernünftig gestalten können“ (P.M. 2020, 24)
Auch Simon und Stefan gehen davon aus, dass die bessere Gesellschaft zunächst als utopischer Entwurf in die Welt kommen muss, um den Menschen ein Ziel zu geben, auf das sie sich zubewegen können: „Es ist unmöglich, sich bewusst auf ein Ziel zuzubewegen, das unbestimmt ist“, schreiben sie (Sutterlütti und Meretz 2018, 16). Und: „Ohne utopisches Denken gibt es kein Ziel gesellschaftlicher Transformation, und ohne Ziel wird der Weg in eine freie Gesellschaft fragwürdig – denn wohin sollte er gehen?“ (ebd., 116). Ohne Utopie kein Ziel, und ohne Ziel kein Weg.
Die Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft stellen zunächst fest, dass utopisches Denken seit der schweren Wirtschaftskrise 2008 eine Renaissance erfahren hat: „Entwürfe einer postkapitalistischen Gesellschaft entstehen seither zuhauf und schaffen es mit etwas Glück sogar auf die Bestsellerlisten“ (Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft 2018, Punkt 1). Sie halten fest, dass niemand „entschlossen gegen das Bestehende aufbegehrt, ohne wenigstens eine vage Ahnung davon zu haben, was an seine Stelle treten könnte“ und schließen daraus, dass „eine Verständigung über die Grundzüge der klassenlosen Gesellschaft allemal sinnvoll“ sei – die Einführung in ihre dann selbst entwickelte Utopie (ebd.).
Anders als Simon und Stefan distanziert sich Friederike Habermann zunächst von der „Utopie“, die sie an dieser Stelle offensichtlich im Sinne des ‚real Unmöglichen‘ auffasst, und stellt stattdessen ein Prinzip – die „Tauschlogikfreiheit“ – in den Mittelpunkt ihres eigenen Gesellschaftsentwurfs. Demzufolge sei „Tauschlogikfreiheit keine Utopie, sondern Grundlage […] für ein gutes Leben, das alle umfasst“ (Habermann 2018, 13). Andererseits bezieht sie sich wiederholt positiv auf die Projekte „MOVE Utopia“ sowie „Living Utopia“ (z.B. ebd., 19, 142 f., 158), was zumindest auf ein ambivalentes Verhältnis zum Utopiebegriff hinweist. Auch die Freundinnen und Freunde distanzieren sich an einer Stelle von einer „im schlechten Sinne utopisch[en]“, d.h. unmöglichen Idee (Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft 2018, Punkt 7). Und Simon und Stefan distanzieren sich vom „romantische[n] Utopismus“, der nach Belieben „Wunschphantasien“ entwirft (Sutterlütti und Meretz 2018, 100).
Die Grundprinzipien der von ihnen entworfenen „Möglichkeitsutopie“ – „Freiwilligkeit und kollektive Verfügung“ (ebd. 102, 160) – ähneln zusammengenommen dann auch dem von Friederike postulierten Prinzip der „Tauschlogikfreiheit“. Die heutigen Utopist:innen sind jedenfalls nicht naiv, sie sind sich der Ambivalenz utopischer Entwürfe bewusst und versuchen, offensichtliche Fallstricke zu vermeiden.
Aber reicht das? Immanuel Wallerstein stellt dem Entwurf von Utopien die „Utopistik“ entgegen. Darunter versteht er „eine ernsthafte Einschätzung historischer Alternativen“ mit dem Ziel, „eine alternative, glaubhaft bessere und historisch mögliche (aber alles andere als sichere) Zukunft“ zu finden und zu fördern (Wallerstein 1998, 2). Er unterscheidet sich also von der materialistischen Perspektive in ihrer klassischen Ausprägung, die davon ausging, dass eine bestimmte (in der Regel als wünschenswert angesehene) Zukunft quasi zwingend kommend müsse. Er unterscheidet sich aber auch typischen „Utopismus“ – wenn man den Entwurf und das Propagieren von Utopien so nennen will – darin, dass er von „vorne“ – angefangen im Hier und Jetzt – an die mögliche Geschichte der Zukunft herangeht statt von „hinten“ – dem anvisierten utopischen Ziel.
Wie weit reicht das Modell Zukunftswerkstatt?
Nun werden die Utopist:innen wahrscheinlich einwenden, dass auch sie „vorne“ anfangen, nämlich mit einer Analyse und Kritik des Bestehenden. Dass stimmt, doch folgen Utopien in aller Regel einer Herangehensweise, die man als „Prinzip Zukunftswerkstatt“ bezeichnen kann, nach dem um 1980 in einer Gruppe von Zukunftsforscher:innen um Robert Jungk entwickelten Konzept der „Zukunftswerkstatt“. Zukunftswerkstätten bestehen aus drei Phasen: Zuerst kommt die „Beschwerde/Kritik“ – die Analyse dessen, was heute schief läuft. Dann kommt die „Phantasie/Utopie“, die Formulierung dessen, das man sich stattdessen wünscht. Zuletzt folgt die Phase der „Verwirklichung/Praxis“, in der gefragt wird, was von dem Gewünschten auf welche Weise realisiert werden kann.
Fast alle mir bekannten Utopien folgen letztlich diesem Drei-Phasen-Modell, auch wenn sie in aller Regel nicht explizit auf das Zukunftswerkstatt-Konzept verweisen – und nicht selten auch schon vor diesem entstanden sind. Die einzelnen Phasen können dabei unterschiedlich stark ausgeprägt sein – die Kritik des Bestehenden (Phase 1) kann sich etwa auf ein paar Seiten beschränken oder auch ganz wegfallen, wenn die Autor:innen einer Utopie davon ausgehen, dass sie sich mit ihren Leser:innen schon darüber einig sind, was schiefläuft.
Auch die Phase 3 wird oft sehr stiefmütterlich behandelt – in utopischen Büchern, die sich als „Sachbücher“ (nicht als Romane/Science-Fiction) verstehe, folgt sie typischerweise im letzten Kapitel oder Abschnitt – so etwa Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft (2018), Habermann (2018), Sutterlütti und Meretz (2018) sowie mein eigenes Buch: Siefkes (2008) – oder gar nur auf den letzten paar Seiten – etwa Albert (2004, 301–02). Wenn es hoch kommt, wird ungefähr das letzte Viertel eines Buchs der Frage nach der Realisierung gewidmet (I.L.A. Kollektiv 2019, 77–100; P.M. 2020, 53–71) – aber auch hier kommt die Realisierung erst, nachdem die Utopie schon vollentwickelt da ist. Dass die Phase 3 nicht nur ganz hinten kommt, sondern in der Regel auch recht kurz ausfällt, hat meiner Einschätzung nach einen einfachen Grund: Es ist hier, wo das ganze schöne utopische Modell in sich zusammenfällt. Um das nicht allzu klar aussprechen zu müssen, haben die Macher:innen von Utopien (mich selbst eingeschlossen) die – vermutlich eher unbewusste – Tendenz, über das leidige Thema recht schnell hinweg zu huschen.
Wallerstein nennt als ein Problem von Utopien, „dass sie mir [Wallerstein] wie vielen anderen als Träume von einem Himmel erscheinen, der niemals auf der Erde existieren könnte“ (Wallerstein 1998, 1). Ob dem so ist, kommt zweifellos auf die spezifische Utopie an, und klarerweise würden dies alle Utopist:innen in Hinblick auf ihre jeweils eigene Utopie rigoros bestreiten. Aber zweifellos beschreiben alle Utopien hypothetische Szenarien. Sie beschrieben ein „Was wäre wenn“-Szenario, und kein solches Szenario kann der Komplexität der echten Welt gerecht werden. Niemand hätte sich die ganzen Institutionen, Arrangements und Gepflogenheiten der kapitalistischen Welt vorab vorstellen können. Sie entstanden aus gesellschaftlichen Antworten auf reale Probleme und Herausforderungen, oder weil hinreichend große Gruppen von Menschen sie für wünschenswert hielten und hinreichend einflussreich waren, um sie durchzusetzen. Niemand konnte den Kapitalismus als Utopie (oder auch Dystopie) gedanklich vorwegnehmen und in seinen wesentlichen Zügen beschreiben, bevor es ihn gab.
Und was für den Kapitalismus gilt, gilt meines Wissens genauso (korrigiert mich in den Kommentaren, wenn ich falsch liege!) für alle anderen Gesellschaftsformen, die es jemals gab: Sie haben sich real entwickelt, ohne vorab theoretisch vorhergesagt worden zu sein. Gesellschaften entwickeln sich in einem Prozess des Trial-and-Errors und des Aushandelns zwischen verschiedenen Gruppen, die jeweils versuchen, ihre Interessen und Vorstellungen um- und durchzusetzen, ohne das jemals ganz zu schaffen, dessen Ergebnisse sich nicht theoretisch antizipieren lassen.
Zumindest dann nicht, wenn man nicht explizit versucht, den Prozess selbst in die Analyse mit aufzunehmen. Das aber erfordert es zwingend, sich vom „Modell Zukunftswerkstatt“ abzuwenden und dessen zwei letzte Phasen stattdessen in umgekehrter Reihenfolge anzugehen: erst den gesellschaftlichen Veränderungs- und Transformationsprozess zu betrachten und daraus dessen mögliches Ergebnis, eine bessere künftige Gesellschaft abzuleiten. Das ist es, wofür Wallerstein unter dem Begriff der „Utopistik“ plädiert: mit der „ernsthafte[n] Einschätzung historischer Alternativen“ in der Gegenwart anzufangen und zu sehen, was darauf folgt, statt mit dem Wunschbild der Utopie.
[Fortsetzung: Konkrete Utopien und utopische Potenzialitäten]
Literatur
Albert, Michael (2004). Parecon. Life After Capitalism. London: Verso. Deutsche Ausgabe: Parecon. Leben nach dem Kapitalismus. Trotzdem, Grafenau 2006.
Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft (2018). „Umrisse der Weltcommune.“ Kosmoprolet, 21. März 2018, https://kosmoprolet.org/de/umrisse-der-weltcommune.
Habermann, Friederike (2018). Ausgetauscht! Warum gutes Leben für alle tauschlogikfrei sein muss. Roßdorf bei Darmstadt: Ulrike Helmer Verlag.
I.L.A. Kollektiv (2019). Das Gute Leben für Alle. Wege in die solidarische Lebensweise. München: Oekom. https://dasgutelebenfueralle.de/.
P.M. (2020). Warum haben wir eigentlich immer noch Kapitalismus? Und andere Fragen. Berlin: Hirnkost.
Siefkes, Christian (2008). Beitragen statt tauschen. Materielle Produktion nach dem Modell Freier Software. Neu-Ulm: AG SPAK Bücher. http://peerconomy.org/wiki/Deutsch#Das_Buch.
Sutterlütti, Simon und Stefan Meretz (2018). Kapitalismus aufheben. Eine Einladung, über Utopie und Transformation neu nachzudenken. Hamburg: VSA.
Wallerstein, Immanuel (1998): Utopistik. Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts. 2. Aufl. Wien: Promedia, 2008.
Vielleicht können wir uns ja einfach alle darauf einigen, dass das Nachdenken über Transformation das Nachdenken über Utopie genauso braucht wie umgekehrt? Ich glaube nicht dass es da eins von beiden braucht was man zuerst oder gründlicher machen sollte. Man muss einfach beides gleichzeitig machen.
Eine Utopie ganz ohne Transformationsvorstellungen tendiert zur Träumerei, aber sowohl Friederike als auch Stefan und Simon gehen ja von den Erfahrungen in den Commons aus. Ich würde inzwischen hinzufügen: Ok, dadurch konnten wir lernen, das Commons alleine als Trafo-Vorstellung zu dünn ist.
Aber umgekehrt tendiert eine reine Transformationsvorstellung ohne jede Utopie zu Technokratie und reiner „Real“politik (die ja meistens angesichts des Zustands der Welt dann eher zu einer Irrealpolitik verkommt).
@Benni: Also mit „beides gleichzeitig“ kann ich durchaus leben. Wobei eine echte Gleichzeitigkeit halt auch bedeuten muss, dass die Trafoperspektive reale Auswirkungen auf die „utopischen“ Ziele hat und haben kann. Also dass die Gleichzeitigkeit nicht nur eine Mogelpackung in der Darstellung ist.
Was die „reine Transformationsvorstellung ohne jede Utopie“ betrifft, geht es da wohl um die Frage nach dem Ziel. Anders als Stefan und Simon würde ich nicht davon ausgehen, dass das Ziel eine vollentwickelte Utopie sein muss, aber es muss natürlich eins geben. Was ich da als vielversprechende Alternativen zum „Utopismus“ sehe, darauf werde ich in den nächsten Teilen noch näher eingehen.
Auf jeden Fall geht es mir, wie im letzten Teil schon gesagt, darum, „über den Kapitalismus hinauszudenken“. Ein Ziel, das einfach nur auf Transformation oder Reform innerhalb des Kapitalismus hinausläuft, greift aus meiner Sicht klarerweise zu kurz – weil dieser nicht in der Lage ist, die vielfachen Probleme, die sich der Menschheit heute stellen, auf eine nachhaltige und faire Weise zu lösen.
Ich denke, statt „der einen“ Utopie sollte es verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen „virtuellen“ Zielgesellschaften geben. Das Festlegen auf eine, noch dazu vielleicht ziemlich ideale Vorstellung ist zu unflexibel, aber natürlich haben viele von Aktiven auch Visionen, die wir uns gegenseitig auch mitteilen sollten, bevor es akut wird. Ich frage mich übrigens seit einiger Zeit: Welche positiven Zukunftsvorstellungen haben eigentlich jene, die heutzutage global aktiv sind und für…. kämpfen? Wissen wir das? Sehen wir da eventuell auch nur die, auf deren Konzepte wir auch fixiert sind?
Danke für den Auftakt zu dieser neuen Reihe, bin sehr auf die weiteren gespannt. Ich würde allerdings Benni darin zustimmen, dass das Nachdenken über Transformation das Nachdenken über Utopie genauso braucht wie umgekehrt. Und ich würde noch ergänzen: Auch die Kritik am Bestehenden gehört dazu und diese drei Elemente befruchten sich alle gegenseitig und gehen ineinander über. In der Kritik ist im besten Falle der Ansatz von Transformation und Utopie schon enthalten, nämlich wenn Widersprüche und Antagonismen innerhalb des Bestehenden im Fokus der Kritik stehen (bei Holloway in „Kapitalismus aufbrechen“ z.B. konkrete Tätigkeit vs abstrakte Arbeit).
Ansonsten bin ich sehr gespannt, was du, Christian, unter Ziel der Transformation verstehst und wie du das von Utopie abgrenzt. Tauschlogikfreiheit bzw. Aufhebung von Eigentum und Arbeitszwang durch kollektive Verfügung und Freiwilligkeit sind ja auch erstmal nur Ziele. Eine detailliertere Ausführung der Funktionsweisen einer Gesellschaft, die diesen Zielen entspricht, also eine commonistische Utopie, halte ich insofern für sinnvoll, als dass ich damit argumentieren kann, dass sich diese Ziele prinzipiell auch gesamtgesellschaftlich umsetzen lassen. Wie diese Umsetzung dann konkret aussieht, ist vom Transformationsprozess und von historischen Bedingungen abhängig.
@Annette: Ich glaube ich selber würde schon eine bestimmte Zielvorstellung vertreten, von der ich überzeugt bin. Aber real stehen natürlich immer verschiedene Szenarien nebeneinander, einfach weil andere Menschen zu anderen Ergebnissen und Zielvorstellungen kommen. Und im besten Fall befruchten sich diese gegenseitig in einem Diskurs über unsere Ziele und Utopien, der in kämpferischen sozialen Bewegungen geführt wird.
Diesen utopischen Diskurs halte ich doch für sehr wichtig und würde da Christians Einwand widersprechen, dass bisherige Gesellschaftsformen nicht vorab theoretisch entwickelt wurden. Denn ich hoffe doch wenigstens, dass der Übergang aus dem Kapitalismus heraus ein viel bewussterer wird als es der Übergang in ihn (oder in andere bisherige Gesellschaftsformen) hinein war. Schließlich geht es doch darum, als Menschheit unsere Geschichte selbst zu machen und irgendwer hat mal den Kommunismus so schön als „Ende der Vorgeschichte der Menschheit“ bezeichnet…
@Jojo: Ich spreche mich auch nicht gegen das „Nachdenken über Utopie“ aus, außer eben es erfolgt in abstrakter Weise weitgehend losgelöst vom „Nachdenken über Transformation“. Dass beides zusammen und auch die „Kritik am Bestehenden“ wichtig sind, sehe ich genauso.
Auf das „Ziel der Transformation“ werde ich in den folgenden Teilen noch eingehen. Ich stimme Simon und Stefan durchaus zu, dass es „utopisches Denken“ braucht, allerdings nicht darin, dass dieses unbedingt in der Ausformulierung eines utopischen Gesellschaftsentwurfs oder in der Formulierung von wohlklingenden, aber abstrakten Zielen wie „Tauschlogikfreiheit“ oder „Aufhebung von Eigentum und Arbeitszwang“ münden muss bzw. kann.
Die Idee, dass die Menschheit diesmal erstmals ganz bewusst und durchdacht ihre Geschichte macht, ist zwar ein schöne, aber ich bezweifle das inzwischen. Wahrscheinlich können wir froh sein, wenn wir zur Abmilderung der im Kapitalismus ausgelösten katastrophischen Veränderungen gerade noch so halbwegs die Kurve kriegen. Das wird wie frühere gesellschaftliche Veränderungen sehr viel Trial and Error erfordern; dass in dieser Situation ein vorab erstellter und dann abzuarbeitender „Masterplan“ möglich und hilfreich sein könnte, scheint mir eher zweifelhaft.
Was nicht heißt, dass mensch nicht vorab die Konsequenzen der angestrebten Veränderungen durchdenken sollte – das ist vielmehr wichtiger denn je!
Transformation und Utopie
Ich schließe mich Benni voll an, der ja geschrieben hat: :“Vielleicht können wir uns ja einfach alle darauf einigen, dass das Nachdenken über Transformation das Nachdenken über Utopie genauso braucht wie umgekehrt? Ich glaube nicht dass es da eins von beiden braucht was man zuerst oder gründlicher machen sollte. Man muss einfach beides gleichzeitig machen.“
Ich weiß auch garnicht wie mensch über Transformation reden oder schreiben soll, wenn es nicht ein Ziel oder wenigstens eine Ahnung von wo der Weg hingehen soll bzw. in was die alte Gesellschaft transformiert werden soll. Umgekehrt kann ich mir allerdings eine Utopie ohne Transformation vorstellen. Das macht zwar auch Spaß, wenn der Eine oder die Andere ins Mitschwärmen und Träumen kommt, aber die meisten Menschen reagieren doch mit „Idealist, Spinner, schön wär`s, aber nicht mit diesen Menschen hier“. – Wenn wir auch diese Menschen erreichen wollen – m.E. eine Notwendigkeit für eine Gesellschaftsveränderung – müssen wir unsere Utopien nicht nur genau auspinseln, sondern auch darin konkrete Schritte der Realisierung so einweben, dass möglichst viele Menschen Lust, Kraft und Mut kriegen daran mitzuwirken. Ich für meinen Teil habe das schon mal versucht in Utopia ist machbar. (@Christian Das Verhältnis von Utopie zu Realisierung ist bei mir auch nur 95:20 Seiten) Trotzdem finde ich meinen 20 Jahresplan der Realisierung der Utopie einer Würdigung wert. Zumal ich behaupten würde, dass in „meiner“ Utopie und der Realisierung, Elemente des Hier und Jetzt zu finden sind. Und wem der Untertitel „20 Jahresplan für eine globalisierte Welt von Wohlstand, Frieden, sozialer Gerchtigkeit und individuellem Glück für alle“ von vorneherein abschreckt, dem/der möchte ich sagen, dass ich schon aus meiner Kindheit die Volksweisheit kenne: Erstens kommt es anders, zweitens als man (muss heute ja „mensch heißen) denkt. Außerdem bin ich ja Berliner….(Stichwort Flughafen).
Von daher: Verriss ist okay, solidarische Kritik ist besser, aber bitte keine Ignoranz.
@Lucki: Mit den Inhalten einzelner Utopien beschäftige ich mich in meiner Serie nicht; das wäre auch eine endlose Aufgabe. Noch habe ich irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit; die genannten Beispiele für utopische Entwürfe werden nur beispielhaft genannt. Was das typische Schema betrifft – das von mir kritisierte „Modell Zukunftswerkstatt“ – hast du ja selbst schon bemerkt, dass deine Utopie da offensichtlich perfekt reinpasst.
Zu den Zielen der Transformation werde ich im nächsten Teil (in den nächsten Teilen) mehr schreiben.