Eigentum und Besitz und Commons

Liebe Leena, neben der unbedingten Würdigung deines Versuchs, in der Enquête-Kommission digitale Gesellschaft die Dogmatik des »geistigen Eigentums« etwas aufzubrechen, möchte ich mit diesem Text auf eine Dimension hinweisen, die bei dir (und wohl auch in der Kommission) überhaupt nicht vorkommt: Die Unterscheidung von Eigentum und Besitz. Du setzt das beides ins eins und willst gleichzeitig zu einer begrifflichen Klärung beitragen. Das wird nicht funktionieren. Ohne eine Unterscheidung von Eigentum und Besitz wird es nicht gehen.

Hier nun also auch »unverblümt« vor dem Waschgang in der »Kompromissmaschine« (schönes Wort!) mein Versuch, die inhaltliche Qualität dieser notwendigen Unterscheidung von Eigentum und Besitz zu verdeutlichen — samt folgenden Konsequenzen für die Debatte ums »geistige Eigentum«.

Die Unterscheidung von Eigentum und Besitz ist keine Erfindung von mir, sondern sie hat eine lange Tradition, die bis ins Römische Reich zurückreicht (wie fast alle rechtlichen Kodifizierungen). Auch im BGB taucht sie noch auf (Besitz: §§ 854ff, Eigentum: §§903ff). In meinen Worten ist »Besitz« ein Begriff zur Fassung eines konkreten Nutzungsverhältnisses eines Menschen in Bezug auf eine Sache und andere Nutzer_innen. »Eigentum« hingegen ist ein abstraktes Rechtsverhältnis einer Person (nicht notwendig ein lebendiger Mensch) in Bezug auf andere Personen und eine Sache. Eigentum definiert rechtlich die Exklusion Dritter von der Verfügung über eine Sache.

»Konkrete Nutzung« und »abstraktes Rechtsverhältnis« markieren hier also den Unterschied. Ich verwende gerne folgendes Beispiel, um den Unterschied zu veranschaulichen: Als Eigentümer einer Wohnung muss ich nie einen Fuß in dieselbe gesetzt haben, dennoch kann ich über die Wohnung verfügen, weil Dritte von der Verfügung a priori ausgeschlossen sind. Diesen Ausschluss hebe ich vertraglich gegenüber einem Mieter auf, der die Wohnung fortan besitzt, also tatsächlich bewohnt. Der Eigentümer verfügt über die Wohnung rechtlich, der Mieter besitzt sie tatsächlich.

Die Konsequenzen dieser Differenzierung sind weitreichend. Ich will sie kurz diskutieren, auch in Bezug auf deinen Text.

Wer behauptet, es gäbe keinen Unterschied zwischen dem Eigentum an stofflichen und nichtstofflichen Gütern, liegt völlig richtig. Es gibt keinen, weil Eigentum ausschließlich eine abstrakte Rechtsbestimmung ist, die andere von der (rechtlich legitimen) Verfügung über die Sache ausschließt. Der Einwand, nichtstoffliche »nichtrivale« Güter, etwa Wissen, könne man doch aber nahezu aufwandslos kopieren, während »rivale« Güter sich verbrauchen und immer wieder hergestellt werden müssten, geht fehlt, weil er gar nicht die Dimension »Eigentum«, sondern die Dimension »Besitz«, also die konkrete Nutzung adressiert.

Das subjektive Empfinden »das gehört mir« (wie in der Geschichte mit deiner Freundin illustriert) hat zunächst nichts mit dem »geistigen Eigentum« zu tun. Es geht hier bestenfalls um »geistigen Besitz«, wenn man den Kampfbegriff umschreiben wollte. Denn das ist »geistiges Eigentum« tatsächlich: ein Kampfbegriff der (ganz unverblümt gesagt) Urheberrechtsextremisten. Durch die bewusste oder unbewusste Vermischung der Dimensionen »Eigentum« und »Besitz« wird suggeriert, es gehe um einen »Diebstahl« u. dgl. Das ist Propaganda und Ideologie im Kampf ums Geld.

Die Unterscheidung von Eigentum und Besitz hat auch Konsequenzen für die Sicht auf die Frage des »Teilens« (sharing). Teilen, das sollte deutlich geworden sein, bezieht sich auf die Dimension des konkreten Besitzens, etwa wenn deine Freundin ihren Roman nicht teilen möchte, weil ihr die Charaktere ans Herz gewachsen sind. Genauso möchtest du etwa deinen Tisch nicht teilen, weil du ihn auf absehbare Zeit brauchst (interessant, dass du beim Tisch vom »besitzen« redest und sonst immer vom Eigentum!).

Das Umgekehrte ist aber genauso denk- und machbar: Du teilst deine Geschichte, dein Wissen usw. mit anderen, und du teilst deinen Tisch mit anderen, in dem du ihn weitergibst. Der Unterschied ist »nur«, dass das Teilen des Wissens tatsächlich parallel für beliebig viele Leute geht, während das Teilen stofflicher Güter eine Serialität der Benutzung oder echte »Aufteilung« erfordert. Was man aber nicht sagen kann, ist: nichtstoffliche Güter sind teilbar und stoffliche Güter nicht. Die Teilbarkeit stofflicher Güter erlebt derzeit gerade einen Boom, Bücher über die sich ausbreitende »sharing economy« sind erschienen.

Das alles hat nicht viel mit dem Eigentum zu tun. Teilen geht auch auf Grundlage unterschiedlicher Eigentumsformen. Die Commons zeigen das ganz deutlich, Elinor Ostrom hat dafür einen Nobelpreis bekommen. Und auf einer endlichen Erde bleibt uns letztlich nichts anderes übrig, als über ein sinnvolles Teilen von Ressourcen nachzudenken.

Was heißt das nun für die Urheberrechtsdebatte? Aus meiner Sicht muss man sich ehrlich klar machen, dass Eigentum immer mit dem Ausschluss anderer zu tun hat. Da dieser Ausschluss allein rechtlich (sanktioniert via Staat) läuft, gibt es keinen Unterschied bezüglich der Beschaffenheit des Gutes. Jene, die also eine Besonderheit nichtstofflicher Güter reklamieren, können dies nicht über die Dimension Eigentum tun, sondern nur über die Dimension Besitz. Doch wie die kurze Diskussion des Teilens zeigt, liegen auch hier keine Welten zwischen nichtstofflichen und stofflichen Gütern.

Die Frage ist allein, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Das steht eigentlich hinter dem Streit, und das sollte man ehrlich sagen: Wollen wir eine Gesellschaft, die auf Ausschluss jeweils Dritter basiert, oder wollen wir eine Gesellschaft, die die maximale Inklusion möglichst aller anstrebt. Im zweiten Fall muss man allerdings das Eigentum insgesamt in Frage stellen (und nicht nur das »geistige«) und über neue Formen des Besitzes nachdenken. Das ist es jedoch, was »piratige« bis »linke« Ansätze noch nicht mal ansatzweise gedanklich hinbekommen. Der Commons-Ansatz bietet hier neue Anknüpfungspunkte.

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