Wie es den Kapitalismus zum Commonismus treibt
[Dieser Artikel ist in der heutigen Ausgabe des Neuen Deutschlands unter dem (vom der Redaktion veränderten) Titel „Vorwärts zum Commonismus“ erschienen.]
Stellen wir uns eine Welt vor, in der Produktion und Reproduktion bedürfnisorientiert zum Wohle aller stattfinden, organisiert von Menschen, die sich niemandem unterordnen müssen und sich freiwillig in die erforderlichen Tätigkeiten teilen. Ich nenne eine solche Gesellschaft Commonismus, weil ich glaube, dass darin die Commons, die Gemeingüter, eine wichtige Rolle spielen werden.
Man mag einwenden, dass eine solche Gesellschaft unmöglich ist, weil es sie noch nicht gab und weil sie der Natur des Menschen widerspricht. Doch daraus, dass es etwas noch nicht gab, kann man nicht schließen, dass es unmöglich ist; und Argumente zur „Natur des Menschen“ übersehen, dass die Menschen nicht nur die Gesellschaft machen, sondern umgekehrt auch durch die Gesellschaft beeinflusst und geprägt werden. Ändern sich die Strukturen, ändert sich auch das Verhalten der Menschen.
Der Commonismus bliebe allerdings eine abstrakte Idee, wenn er nicht das Zeug hätte, aus der heutigen Gesellschaft, dem Kapitalismus, heraus zu entstehen. Karl Marx sagte dazu, dass „die materiellen Existenzbedingungen“ neuer Produktionsverhältnisse „im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet“ werden müssen.
Eine commonistische Gesellschaft hat meiner Ansicht nach zwei wesentliche Voraussetzungen, deren Entwicklung durch die kapitalistische Logik zum Teil begünstigt wird, während ihre vollständige Umsetzung im Widerspruch zum Kapitalismus steht: (1) Menschliche Arbeit verschwindet aus dem Produktionsprozess, sie wird durch Automatisierung und Selbstentfaltung ersetzt. (2) Der Zugang zu Ressourcen und Produktionsmitteln steht allen gleichermaßen offen.
Wie diese Voraussetzungen die Produktionsprozesse verändern, wird bislang im Bereich der digitalen Produktion von Software und anderen Informationsgütern am deutlichsten sichtbar. Die Freie-Software- und Freie-Kultur-Bewegung hat diesen Kernbereich der modernen Produktion so grundsätzlich umgewandelt, dass bestimmte Märkte deutlich geschrumpft oder gar komplett verschwunden sind. Dies betrifft etwa Internetsoftware, Software für Programmierer/innen und Enzyklopädien. In diesen Bereichen haben sich frei verwendbare Programme wie Apache, Firefox, WordPress, frei nutzbare Programmiersprachen wie Python, Entwicklungsumgebungen wie Eclipse sowie die freie Internet-Enzyklopädie Wikipedia durchgesetzt. Konkurrenzangebote, die gemäß der üblichen kapitalistischen Logik nur käuflich erwerbbar sind, haben nahezu keine Chance mehr. Indem sie Märkte zum Verschwinden bringt, weist diese Bewegung über den Kapitalismus hinaus. Zugleich basiert sie aber auf Voraussetzungen, die im Kapitalismus entstehen und der kapitalistischen Logik zufolge entstehen müssen.
Ein Paradox des Kapitalismus ist, dass die menschliche Arbeit einerseits seine Grundlage ist, andererseits aber ein Kostenfaktor, den jedes Unternehmen möglichst stark reduziert. Arbeit ist Quelle des Mehrwerts und damit des Profits, doch zugleich kann jedes Unternehmen seinen Profit zumindest temporär dadurch erhöhen, dass es Arbeit einspart und so gegenüber seinen Konkurrenten einen Kostenvorteil erzielt. Arbeit in Billiglohnländer auszulagern, ist eine Möglichkeit zur Kostensenkung, doch noch besser ist es aus unternehmerischer Sicht, sie durch Maschineneinsatz oder durch von den Kund/innen freiwillig und unentgeltlich übernommene Tätigkeiten zu ersetzen.
Bis vor einigen Jahrzehnten ging der Einsatz von Maschinen und menschlicher Arbeit meist Hand in Hand, etwa bei der Fließbandarbeit. Doch mit zunehmender Automatisierung wird die menschliche Arbeit bei Routinetätigkeiten immer entbehrlicher. Übrig bleiben Arbeiten, die sich kaum automatisieren lassen, weil sie Kreativität, Intuition oder Einfühlungsvermögen erfordern. Deshalb ist in Bezug auf den modernen Kapitalismus oft von „Dienstleistungs-“ oder „Informationsgesellschaft“ die Rede, weil die meisten nicht automatisierbaren Tätigkeiten in diese Bereiche fallen.
Zudem werden Aufgaben an die Kund/innen selbst delegiert, was weitere Arbeitskräfte einspart. Dank Selbstbedienung brauchen Supermärkte weniger Verkäufer/innen; beim Online-Shopping und Online-Banking werden die Verkäufer bzw. Schalterangestellten ganz überflüssig; Ikea überlässt den Kund/innen das Zusammenbauen ihrer Möbel und spart so Personal und Transportkosten.
Doch diese Entwicklungen verändern zugleich den Charakter des Tuns. Als Angestellter arbeite ich, um Geld zu verdienen. Wenn ich jedoch meine eigenen Möbel zusammenbaue oder im Internet nach für mich geeigneten Produkten suche, dann interessiert mich das Ergebnis meines Tuns. Und durch die zunehmende Automatisierung werden langweilige Routinetätigkeiten, die man nur gegen (Schmerzens-)Geld erledigt, zunehmend durch kreativere und daher auch inhaltlich interessantere Tätigkeiten ersetzt.
Für letztere ist eine Bezahlung zwar (sofern man noch Geld braucht) ein netter Pluspunkt, aber – wie sich in den letzten Jahrzehnten zur Überraschung vieler Ökonom/innen gezeigt hat – keineswegs eine notwendige Bedingung. Seit das Internet es immer mehr Menschen ermöglicht, andere mit ähnlichen Interessen auch über größere Entfernungen hinweg zu finden, sind viele Projekte entstanden, in denen Menschen gemeinsam an Dingen arbeiten, die ihnen wichtig sind. Dazu gehören Freie Software, Freie Inhalte wie die Wikipedia und Open-Hardware-Projekte, in denen die Beteiligten gemeinsam materielle Dinge entwerfen und die Baupläne mit der ganzen Welt teilen. Beim Freifunk-Projekt, das freie Funknetzwerke aufbaut, und bei Gemeinschaftsgärten, wo Menschen gemeinsam städtische Freiflächen in offene Gärten umgestalten, steht dagegen die Zusammenarbeit vor Ort im Mittelpunkt. All diese Projekte haben zwei Grundlagen: zum einen die freiwillige, bedürfnisorientierte Zusammenarbeit der Beteiligten; zum anderen die Gemeingüter – Software, Wissen, Netzwerke oder Orte –, die sie nutzen, pflegen oder hervorbringen.
Manchen der Beteiligten geht es dabei ums Geldverdienen oder die Verbesserung ihrer Berufschancen, aber viele engagieren sich aus anderen Gründen: weil sie selbst an dem entstehenden Werk Interesse haben; weil sie dabei Aufgaben übernehmen können, die ihnen Spaß machen; oder weil sie den anderen etwas zurückgeben möchten (ohne dazu verpflichtet zu sein). Arbeit zum Zweck des Geldverdienens wird so ersetzt durch Tätigkeiten, die man gerne um ihrer selbst willen, aufgrund ihres Ergebnisses oder den anderen Beteiligten zuliebe übernimmt: Selbstentfaltung.
Möglich ist das nur, weil die Beteiligten Zugang zu den benötigten Produktionsmitteln – wie Computern und Internetzugang – haben. Das mag als Begrenzung dieser freien, commonistischen Produktionsweise erscheinen, da die Konzentration der meisten Produktionsmittel in den Händen weniger für den Kapitalismus charakteristisch ist. Gemeinschaftlich produzieren kann man Software und Wissen, wo nur kleine, schon weit verbreitete Produktionsmittel nötig sind, aber wie steht es um Dinge, die riesige Fabriken erfordern?
Glücklicherweise treibt auch hier die Produktivkraftentwicklung den Kapitalismus in eine Richtung, die seine eigene Überwindung erleichtert. Ähnlich wie die heutigen Personalcomputer Nachfolger der Millionen kostenden und Räume füllenden Großrechner des letzten Jahrhunderts sind, werden auch andere Produktionstechniken immer günstiger und für Einzelne oder kleine Gruppen erschwinglicher. Kostengünstige, aber flexible computergesteuerte (CNC) Maschinen ersetzen in der industriellen Produktion zunehmend schwerfällige Großanlagen. Gleichzeitig hat sich rund um diese Maschinen eine Bewegung von Hobbyisten gebildet – die sogenannte „Maker“-Szene –, die sie nicht zum Geldverdienen benutzen, sondern um bedürfnisorientiert zu produzieren, zu experimentieren und Spaß zu haben.
In diesem Kontext sind auch erste Open-Hardware-Projekte entstanden, die selbst solche Produktionsmaschinen entwerfen und ihr Wissen als Gemeingut teilen. Damit werden die Grundlagen für eine bedürfnisorientierte, auf Gemeingütern basierende Produktionsweise gelegt. Die Rückeroberung der Produktionsmittel hat begonnen.
Deine ganze Bedingungs-Spekulation ist verkehrt.
Kommunismus (oder Commonismus) gibt’s dann, wenn die Menschen ihn wollen, weil sie den Kapitalismus und inwiefern er sie schädigt begriffen haben.
Das hätte auch schon vor 50 Jahren oder weiß ich wann passieren können.
Was soll den Kommunismus denn hindern, wenn die Menschen kollektiv beschließen, den Eigentümern die Produktionsmittel wegzunehmen? Klar, dann haben sie den Staat gegen sich, aber das ist dann eine Machtfrage und keine Frage von irgendwelchen Bedingungen der Produktivkraftentwicklung oder sowas.
Umgekehrt: Solange die Menschen Kommunismus nicht wollen, helfen die besten Bedingungen nichts. Deshalb ist es so bescheuert, ständig über Bedingungen und Möglichkeiten des Kommunismus zu quatschen, statt mal ein bisschen die Menschen zu agitieren um dazu beizutragen, dass sie das überhaupt wollen.
@hm: Die Determinismus/Volontarismus-Debatte hatten wir hier schon öfter. Mein Fazit: Es geht nicht um entweder/oder, sondern es ist komplizierter. Kommunismus ist immer möglich, aber es gibt historische Umbruchphasen in denen er leichter möglich ist. Außerdem hat jede Zeit ihre spezifischen Handlungen, die den Kommunismus fördern um diese zu identifizieren sind solche „Bedingungs-Spekulationen“ nötig.
Ich finde allerdings auch, dass dieser Artikel eine deterministische Schlagseite hat. Das wird insbesondere durch die Überschriften (egal welche Version) verstärkt. Aber man könnte ihm auch umgekehrt volontaristische Illusionen vorwerfen, wenn der Eindruck erweckt wird, es müssten halt alle jetzt mal schön commons based Peer Production _wollen_, dann würde alles gut.
Was allerdings nun wirklich keine gute Idee ist, einfach davon auszugehen, man müsste die Leute nur zum Kommunismus „agitieren“. Ich bin ja kein Prediger.
Schon Christians Überschrift scheint mir Wunschdenken pur: Als wenn ausgerechnet Wikipedia (wohlmöglich „zugespitzt“ durch Wikileaks!) u.ä. den Kapitalismus zu irgendwas, und auch noch kommunistischem, ach nein, dazu ja nicht mehr, der hat ja tot zu sein, zum „Commonismus“ „drängen“ würden.
Warum eigentlich muß denn gelten, „Der Commonismus bliebe allerdings eine abstrakte Idee, wenn er nicht das Zeug hätte, aus der heutigen Gesellschaft, dem Kapitalismus, heraus zu entstehen.“ Wenn damit nur gemeint sein sollte, daß natürlich die Opposition gegen das bisherige System aus selbigem herauswachsen muß, weil schließlich niemand anderes als die Menge der Lohnabhängigen (früher hat man das „Proletariat“ genannt), dieses System wegfegen können, jedenfalls, wenn hinterher „ihre“ Gesellschaft entstehen soll, dann wär das ja keine sonderlioch dolle Erkenntnis. Wenn aber damit gemeint sein soll, daß das „Neue“ schon als „Keim“ ganz klein im „Alten“ anfangen könnte, dann halte ich das für eine falsche Vorstellung, die die Geschichte der Arbeiterbewegung zwar gerade anfänglich begleitet und geprägt hat, aber buchstäblich zu nichts geführt hat. Jedenfalls nicht hinaus aus dem Kapitalismus. Dazu wird auch zukünftig eine ganz altmodische Revolution vonnöten sein und nicht eine Ausweitung von Open-Hardware-Projekten.
@Benni:
Mir ging’s tatsächlich darum, die Seite der Produktivkraftentwicklung mal mehr zu beleuchten. In meinen bisherigen Texten hatte ich mich ja eher mit der Frage beschäftigt, wie sich eine commonistische (oder kommunistische) Gesellschaft organisieren kann, relativ unabhängig von der Produktivkraftentwicklung. Aber auch wenn ich deine These „Kommunismus ist immer möglich“ nicht kategorisch verneinen würde, scheint sie mir doch fragwürdig – jedenfalls bevor nicht jemand plausibel gemacht hat, warum es ihn dann, wo er doch immer möglich war, bisher nicht gab. Deshalb wollte ich in diesem Text jetzt mal gezielt die andere, von mir bisher eher vernachlässigte Seite beleuchten, nämlich inwiefern der Kapitalismus die Grundlagen dafür legt, dass Commonismus/Kommunismus (auf hohem Niveau, also nicht sowas wie „Urkommunismus“) überhaupt erst möglich wird.
Deterministisch ist das allerdings nicht, solange man nicht „der Kapitalismus schafft Voraussetzungen, die seine eigene Überwindung erleichtern“ mit „der Kapitalismus schafft sich selber ab“ verwechselt.
@Neoprene:
Wie kommst du denn darauf, dass Wikipedia (von Wikileaks ganz zu schweigen) den Kapitalismus irgendwohin drängen würde? Das hat doch mit dem Text gar nichts zu tun – da geht’s um die Entwicklungen, die sich aus der kapitalistischen Produktivkraftsteigerung ergeben. Dass der Kapitalismus die Wikipedia ermöglicht hat, wirst du ja vermutlich auch nicht bestreiten?
Christian, sollte ich deinen Satz „Wie diese Voraussetzungen die Produktionsprozesse verändern, wird bislang im Bereich der digitalen Produktion von Software und anderen Informationsgütern am deutlichsten sichtbar. Die Freie-Software- und Freie-Kultur-Bewegung hat diesen Kernbereich der modernen Produktion so grundsätzlich umgewandelt“ wirklich so fehlinterpretiert haben? Wikipedia hast ja du selber als „die“ Erfolgsstory für dein Gegenmodell angeführt.
Und das alles, was es heutzutage gibt, von Stöckelschuhen bis hin zu keimform.de „vom Kapitalismus ermöglicht“ wurde, ist doch nicht der Rede wert, das ist einfach unbestreitbar. Dir geht es doch um den Beweis, daß gilt, „Die Rückeroberung der Produktionsmittel hat begonnen.“ Und da halte ich dagegen, nein da hat gar nichts begonnen und kann so auch gar nichts draus werden.
@neoprene: Dass Du anderer Meinung als Christian bist, hab ich verstanden. Dein Argument dafür konnte ich aber bisher noch nicht finden.
Ich versteh‘ immer noch nicht, was man davon hat, Bedingungen und Möglichkeiten des Kommunismus zu diskutieren.
Was hat man davon, wenn die Bedingungen gut sind? Hat man damit ein Argument für Kommunismus? Nein, denn bloß weil etwas gut möglich ist, ist es noch nicht wünschenswert.
Und wenn die Bedingungen ungünstig sind? Soll das dann ein Argument dafür sein, zu warten und sich noch ein paar Jahrzehnte länger vom Kapitalismus ausnutzen, verschleißen, ausbeuten, umbringen zu lassen? Hoffentlich nicht.
@Benni
„Kommunismus ist immer möglich, aber es gibt historische Umbruchphasen in denen er leichter möglich ist.“
Mag sein, aber wie gesagt, ich versteh‘ nicht, was das spekulieren darüber soll.
„Was allerdings nun wirklich keine gute Idee ist, einfach davon auszugehen, man müsste die Leute nur zum Kommunismus “agitieren”. Ich bin ja kein Prediger.“
Warum denn nicht?
Es ist ja nicht so, dass das ein moralisches Predigen wie in der Kirche ist, wo man den Leuten irgeneinen schädlichen Scheiß schmackhaft machen will.
Sondern man erklärt den Leuten den Kapitalismus und damit gleichzeitig die (kap.) Notwendigkeit der ganzen Scheiße.
Man braucht auch gar keinen Kommunismus auszumalen. Es reicht doch völlig wenn die Leute wissen was hier im Kap. mit ihnen systematisch veranstaltet wird und ihnen angetan wird. Dann sollen sie doch selbst überlegen, wie sie das ändern wollen (das ist dann übrigens auch überhaupt keine große Frage mehr).
Bei der Veranstaltung gestern hat jemand (natürlich erst mal nur ganz theoretisch) wenigstens keimformmäßig kleine Brötchen backen wollen. Selbst bei sowas Einfachem stößt aber jeder gutwillig eine Alternative (Bäckerei in diesem Fall) aufbauen Wollende ganz schnell an die Grenzen des buchstäblich herrschenden System des Eigentumsrechts in dieser Gesellschaft: Schon an das Getreide kommt man ja doch nur ran, wenn man über Ackerboden verfügen kann. Und der ist schon seit wirklich geraumer Zeit nirgendwo mehr Allmende, auf die jeder zugreifen könnte.
Nochmal meine These von oben: „“Die Rückeroberung der Produktionsmittel hat begonnen” ist eine falsche Generalisierung von Tendenzen, die manchmal sowas möglich erscheinen lassen, aber, darauf wurde ja auch schon häufiger hingewiesen, schon jetzt wacker benutzt werden um im neoliberalen Sinne die Leute noch mehr einzuspannen für das Gewinnemachen also noch nicht mal tendentiell in irgendeine „richtige“ Richtung weisen.
Das „weiche“ geistige Eigentum ist an einigen Ecken in der Tat angekratzt worden, die Musikindustrie klagt darüber seit Jahren (und verklagt selbst hierzulande jeden den sie noch drankriegen kann), sowie man es aber mit Eigentum an Grund und Boden, Fabriken und Maschinen, Patenten usw. zu tun hat, werden die neuen Keime vom System genauso nieder gehalten werden, wie das ein schon dastehender Baum mit den in seinem Schatten heranwachsenden Keimlingen tut. Wenn da was Neues wachsen soll, müssen wohl die alten Bäume gefällt werden. Wenn man die dafür notwendige Revolution nicht machen will, weil man denkt, daß es die nicht bräuchte, oder daß einem das eine Nummer zu groß ist, dann kriegt man meinetwegen eine freie Blogsoftware aber garantiert nicht vernünftige Wohnungen für alle, um nur ein zentrales Bedürfnis anzusprechen.
@hm:
Naja, wenn du solche Diskussionen für irrelevant hältst, dann beteilige dich halt nicht an ihnen.
Wenn das dann eh keine große Frage mehr ist, spricht ja auch wenig dagegen, darüber zu reden. Andererseits stößt radikale Kapitalismuskritik bei vielen Leuten ja nicht deshalb auf taube Ohren, weil sie das System für unproblematisch halten, sondern eher deshalb, weil sie glauben, dass die Alternativen (sofern es überhaupt welche gibt) zwangsläufig noch schlimmer sein müssten. Wie die Gruppe [paeris] schreibt:
Zu Christian
„auch wenn ich deine These „Kommunismus ist immer möglich“ nicht kategorisch verneinen würde, scheint sie mir doch fragwürdig – jedenfalls bevor nicht jemand plausibel gemacht hat, warum es ihn dann, wo er doch immer möglich war, bisher nicht gab.“
Ich bin mir selber nicht wirklich sicher, ob ich die These „„Kommunismus ist immer möglich“ gewesen, ablehnen soll, schon deshalb, weil ich mir gar nicht mehr sicher bin, ob es wirklich nie in der Geschichte der Menschheit klassenlose Gesellschaften gegeben hat. Aber bei diesem Argument geht es doch eh nicht um die Zeit seit Catal Hüjuk sondern immer nur um die Gegenwart. Denn nur hier können wir Jetzigen doch überhaupt noch was drehen. Wenn überhaupt, wenden da regelmäßig die Freunde des Kapitalismus im Gewande der Steigerer der Produktivkräfte ein, denn die lassen es ja nach denen immer noch nicht zu. Beweis ist dann immer der Zirkel, daß es sonst ja schon anders gekommen sein müßte.
Letztlich scheint mir das dann doch nur wieder das alte Argument zu sein, daß die Verhältnisse, so wie sie sind, schon die „Richtigen“ sind, weil sie eben die herrschenden sind. Die Sieger der Geschichte sind dann nicht nur einfach die Gewinner, sondern zudem auch noch im historischen Recht (im wörtlich juristischen Sinne sind es ja unbestreitbar eh).
„Naja, wenn du solche Diskussionen für irrelevant hältst, dann beteilige dich halt nicht an ihnen.“
Ich halte die nicht für irrelevant, sondern für einen FEHLER, wenn man Kommunismus will. Ich meine, in Deinem eigenen Interesse nach Kommunismus solltest Du diese Diskussion lassen und stattdessen anfangen, den Kapitalismus ordentlich zu kritisieren und die Kritik zu verbreiten.
„Andererseits stößt radikale Kapitalismuskritik bei vielen Leuten ja nicht deshalb auf taube Ohren, weil sie das System für unproblematisch halten, sondern eher deshalb, weil sie glauben, dass die Alternativen (sofern es überhaupt welche gibt) zwangsläufig noch schlimmer sein müssten.“
Für unproblematisch halten sie es natürlich nicht (für unproblematisch hält man ja heutzutage gar nichts mehr, kritisch zu sein ist voll in). Das hat aber überhaupt nichts damit zu tun, dass man einen Begriff und eine begründete Kritik am Kap. hätte. Das haben 99% der leute NICHT (auch wenn sie Kap. irgendwie für problematisch halten).
Meinst Du im Ernst, es gibt jemanden, der sagt: Ja, ich bin das Menschenmaterial von Staat und Kapital, ja, ich werde ausgebeutet und verschlissen, ja, der objektive Sinn meines Lebens ist es, den Reichtum der Reichen und die Macht der Herrschaft über mir zu vermehren. Dafür lasse ich mir alles gefallen, was Staat und Kapital mir zumuten. Und ja, genau das alles ist das beste, was mir passieren kann, also will ich das auch.
So jemanden gibt es doch nicht.
Wenn man meint, Kap. sei das beste was einem passieren kann (auch wenn problematisch und so), dann deshalb, weil man dem Irrtum aufsitzt, Kap. sei irgendwie FÜR einen da und nicht umgekehrt, man selbst ganz und gar für den Kap. und seine gegen einen selbst gerichteten Zwecke. Die ganzen Härten erklären sie sich dann als zwar unschöne, aber leider nötige Härten.
Und solange die Leute mit diesem Irrtum rumlaufen und mit diesem „Realismus“ (die Härten müssen leider Gottes sein), kannst Du ihnen ausmalen, was Du willst. Da bist Du immer der Spinner und Traumtänzer.
Also: Was her und verbreitet werden muss, ist Kapitalismuskritik. Da hatte Marx ganz recht. Es war KEIN Versäumnis, dass er den Kommunismus NICHT ausgemalt hat.
@Christian Siefke
Ich sehe hier einige Ansätze, die sich auch mit meinen Überlegungen überschneiden. Gerade der technische Fortschritt, der maßgeblich das bestimmen wird, was wir mit Kommunismus meinen, wird von vielen nicht gesehen bzw. unterschätzt.
Aber nicht nur die Technik selbst, sondern auch vermeintlich technische Wissenschaften wie die Kybernetik werden unterschätzt, wenn es darum geht ein Gesellschaftsmodell zu entwickeln. Ich würde hier die Broschüre mit dem provokanten Titel „Sozialismus gab es nie“ von Dipl.-Ing. Lion Wagner wärmstens empfehlen, welche mit Hilfe der Kybernetik beweist, dass es zB mehr braucht, um den Sozialismus aufzubauen, als nur Gemeineigentum & Planwirtschaft.
Nachdem ich dp anderswo (bei umwerfend im Thread über die dümmsten Gesetze des „Marxismus-Leninismus“ http://umwerfend.blogsport.de/2011/01/24/stichwort-produktivkraft-und-produktionsverhaeltnis-die-duemmsten-gesetze-des-marxismus-leninismus/) als“ oberlehrerhaften/jungstudihaften unerschütterliche Überheblichkeit“ charakterisiert habe, kann ich nun hinzufügen, daß er wohl wirklich ein alter Freund der Denke der SED (und natürlich auch der DKP oder KPÖ) sein muß, oder eine 100%ige Nachfolgerkopie: Daß in der DDR-„Wissenschaft“ die Kybernetik fröhliche Urstände gefeiert hat, liegt ja nun wahrlich schon ewige Jahrzehnte zurück. Das dort solche technizistische wet dreams so hoch gehängt wurden, das Regeln als das Mantra des Sozialismus angesehen wurde, ohne daß auch nur irgendeine Frage von Belang von den Menschen wirklich diskutiert und ausgekämpft werden konnte, spricht nicht gerade für diese Sorte von „Kommunisten“. Aber wo dp recht hat, hat er recht: “ dass es zB mehr braucht, um den Sozialismus aufzubauen, als nur Gemeineigentum & Planwirtschaft“, will ich wirklich nicht bestreiten.
„Menschliche Arbeit verschwindet aus dem Produktionsprozess, sie wird durch Automatisierung und Selbstentfaltung ersetzt.“
Warum soll das eigentlich eine Voraussetzung für Kommunismus sein?
Das heißt ja umgekehrt: Solange Menschen überhaupt arbeiten müssen um Gebrauchsgüter herzustellen, ist es okay, dass das nicht zum Zweck der allgemeinen Bedürfnisbefriedigung passiert (Kommunismus), sondern zum Zweck der Vermehrung privaten Geldreichtums.
Solange überhaupt gearbeitet werden muss ist es okay, wenn ausgebeutet und verschlissen wird, oder was?
@hm: Aber selbstverständlich ist der Kapitalismus für die Menschen da und das wissen die auch. Er hält sie (bzw. die meisten von ihnen) am Leben, so wie sie ihn am Leben halten.
Und zum anderen Thema: Wichtiger als die Frage wann der Kommunismus leicht und wann er schwer umzusetzen ist, ist die Frage wann ich was tun muss um das zu befördern und das ist eben in unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten etwas anderes. Das ist das wichtige an der Bedingungssuche. Ob man dann dazu kommt, dass die Bedingungen immer (mal wieder) da sind und nur andere sind oder ob sie nur jetzt da sind, ist tatsächlich zweitrangig.
„Aber selbstverständlich ist der Kapitalismus für die Menschen da …“
Nein, das ist schlicht falsch.
Sie sind Mittel des Kapitalismus und seiner Zwecke (und nicht umgekehrt). Ihr ganzes (Über-)leben passiert nur insoweit, wie es nützlich für diesen ist. Wenn sie unnütz sind wird ihre Versorgung auf ein Minimum zurückgestuft (Hartz 4) oder ganz eingestellt und sie verhungern oder erfrieren (weltweit massenhaft zu besichtigen).
Es stimmt einfach nicht, dass es im Kapitalismus irgendwie um Versorgung der Menschen ginge.
„Wichtiger … ist die Frage wann ich was tun muss um das zu befördern und das ist eben in unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten etwas anderes.“
Nö, das ist seit Jahrzehnten dasselbe:
1. Die Menschen müssen überhaupt erstmal eine richtige Kritik am Kap. haben und Kommunismus wollen. Nochmal: Was soll denn der Sinn der Übung sein, heutige Produktivkräfte im Hinblick auf den Kommunismus zu beurteilen, wenn kein Schwein heutzutage Kommunismus will? Das ist doch lächerlich.
2. Gesetzt, der Wille ist da, dann muss man den Produktionsmitteleigentümern die Produktionsmittel wegnehmen und ihren Einsatz entsprechend den vorhandenen Bedürfnissen planen und die Arbeit entsprechend verteilen.
@hm: Wenn „man“ muss, gruselts mich schon. Ich hoffe diesem Kommunismus nie wieder zu begegnen, bei dem „man“ muss. Im übrigen ist mir kein historisches System bekannt, dass alleine durch den Willen der Menschen in die Welt kam, wüsste nicht, wieso jetzt ausgerechnet der Kommunismus den Anfang machen sollte.
„Wenn “man” muss, gruselts mich schon.“
Ach komm‘, das ist doch jetzt billig. Du weißt doch, wie ich das meine: Wir streiten uns hier doch darum, was sinnvoll wäre, zu tun. In diesem Sinne ist mein „man muss“ gemeint. Und nicht in dem Sinne, dass ich irgendwen zu irgendwas zwingen will.
„Im übrigen ist mir kein historisches System bekannt, dass alleine durch den Willen der Menschen in die Welt kam, wüsste nicht, wieso jetzt ausgerechnet der Kommunismus den Anfang machen sollte.“
Jetzt argumentierst Du wie Anti-Kommunisten: Hat’s ja noch nie gegeben, also kann’s das auch nicht geben.
Komm‘ mal wieder zurück auf die inhaltliche Schiene.
Wieder zurück zur inhaltlichen Schiene:
Christian fängt seinen ND-Artikel gleich in schönster utopistischer Manier an (soll jetzt nicht gleich abwertend gelesen werden):
„Stellen wir uns eine Welt vor, in der Produktion und Reproduktion bedürfnisorientiert zum Wohle aller stattfinden, organisiert von Menschen, die sich niemandem unterordnen müssen und sich freiwillig in die erforderlichen Tätigkeiten teilen.“
Diese Welt kann ich mir auch vorstellen und strebe sie darüber hinaus sogar an, aber ich stimme da doch hm zu, daß das der zweite Schritt vor dem ersten ist, daß sowas nur dann wirklich Sinn macht, wenn es auf einer begründeten Kritik des bestehenden kapitalistischen Systems der Warenproduktion, des Eigentums und der Staatsgewalt aufsetzt.
Selbst der zweiten These von Christian:
„Der Commonismus bliebe allerdings eine abstrakte Idee, wenn er nicht das Zeug hätte, aus der heutigen Gesellschaft, dem Kapitalismus, heraus zu entstehen.“
will ich grundlegend gar nicht widersprechen (auch wenn ich altmodisch immer noch von Kommunismus rede), was ich aber falsch finde, und dann natürlich auch schon bei Marx, ist die Verkürzung / Konkretisierung „dass „die materiellen Existenzbedingungen“ neuer Produktionsverhältnisse „im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet“ werden müssen“. Das braucht Christian aber, denn er bebildert dies mit den Behauptungen
„(1) Menschliche Arbeit verschwindet aus dem Produktionsprozess, sie wird durch Automatisierung und Selbstentfaltung ersetzt. (2) Der Zugang zu Ressourcen und Produktionsmitteln steht allen gleichermaßen offen.“ als Tendenzen, die, wenn auch nicht vollständig im Kapitalismus zu ihrem Endpunkt kommend, dennoch „schon“ festzustellen seien.
(1) ist nun wirklich nicht zu bestreiten, daß sieht ja nun jeder, insbesondere jeder Hartz-IVler. In einer Stellungnahme zum BGE hat der GegenStandpunkt dazu (in Auseinanderetzung mit Götz Werner, dem wohl bekanntesten Verfechter des Konzepts) geschrieben:
„“Grandios gelungen“ ist der Wirtschaft „in den letzten 50 Jahren“ die Verbilligung der bezahlten Arbeit durch die Entlassung der Leute, die wegen der Erhöhung der Produktivität für den Profit nicht mehr benötigt werden, und damit die Streichung ihres Einkommens. Genau so werden die feinen Gebrauchsgüter immer massenhafter und immer billiger hergestellt – und die, die sie produzieren, immer ärmer, weil sie „von Arbeit befreit“ wurden, wie Götz Werner dies umzudeuten beliebt. Die in Arbeit verbliebenen Leute unterliegen derweil derselben Kalkulation: Aus jeder bezahlten Arbeitsstunde holt ihr Arbeitgeber durch Einsatz produktiverer Maschinen mehr Produkt aus ihnen heraus, durch Intensivierung wird die Arbeit immer mehr verdichtet und durch Verlängerung der Arbeitszeit das für die Kapitalseite so lohnende Verhältnis ausgedehnt. Hier schiebt sich nichts mit „Befreiung“ von Arbeit, obwohl doch die nützlichen Güter so flugs hergestellt werden können: Weil diese Güter ausschließlich für den Gewinn hergestellt werden, der mit ihnen erzielt werden soll, kommt im Kapitalismus aus einer Produktivitätssteigerung niemals heraus, dass die notwendige Arbeit für alle kürzer und leichter wird und das Leben angenehmer. Wenn es in der Ökonomie wirklich auf die Versorgung der Menschen mit nützlichen Gütern und möglichst bequeme Arbeits- und Lebensbedingungen ankäme, dann wäre der Kapitalismus die dümmste Tour, dies zu verwirklichen.“
Was ich aber für, vielleicht berufsbedingtes Wunschdenken von Christian halte, ist seine Tendenz (2): Es kann meiner Einschätzung nach nicht im Geringsten davon die Rede sein, daß in den letzten Jahrzehnten „Der Zugang zu Ressourcen und Produktionsmitteln … allen [immer mehr] … offen“ stünde. Der hier immer wieder, so auch von Christian angeführte „Bereich der digitalen Produktion von Software und anderen Informationsgütern“ ist für mich eine Ausnahme, und kein Beleg einer Regel. Es fällt ja schon mal auf, daß die „Beweise“ sich auf wenige bekannte Beispiele beschränken. Nur dort gilt „Konkurrenzangebote, die gemäß der üblichen kapitalistischen Logik nur käuflich erwerbbar sind, haben nahezu keine Chance mehr.“ Denn auch weiterhin werden ja Unsummen mit kommerzieller Softwareproduktion verdient. Microsoft oder Adobe sitzen weiterhin Fest im Sattel ihrer Profite, daran hat weder Linux groß was geändert oder Gimp. Der Kampf um Datenbanksoftwareanbieter oder genauer Firmensoftwareanbieter geht auch nicht gerade in die Richtung, die Christian behauptet:
„Indem sie Märkte zum Verschwinden bringt, weist diese Bewegung über den Kapitalismus hinaus.“
Ein kleinerer Kritikpunkt zur Behandlung der menschlichen Arbeit:
Ob es für ein Unternehmen besser ist, die Produktivität der angewandten Arbeit durch Maschineneinsatz zu steigern, oder durch pure Abpressung von Mehrarbeit, sei es durch Verlängerung der Gesamtarbeitszeit oder durch Lohnsenkung, das kann man nicht grundsätzlich beantworten. Christian verweist ja selber auf die Verlagerungen in Billiglohnländer, wo häufig mit mit viel unproduktiverer Technologie viel profitabler produziert werden kann, weil die Menschen einfach nichts bezahlt bekommen.
Seine faktische Behauptung „Bis vor einigen Jahrzehnten ging der Einsatz von Maschinen und menschlicher Arbeit meist Hand in Hand, etwa bei der Fließbandarbeit“ scheint mir zumindest ungenau zu sein:
Schon immer wurde von kapitalistischen Firmen nur dann in neue oder mehr Maschinen investiert, wenn das bezahlte Lohnarbeit eingespart hat, wenn die vorabkalkulation das nicht hätte erwarten lassen, wäre das Zeugs ja gar nicht erst angeschafft worden. Damals wie heute ging das Maschinenkaufen natürlich grundsätzlich immer „Hand in Hand“ mit der Beschäftigung von Menschen, die vollautomatische Fabrik gibt es ja selbst heute noch nicht (auch wenn man das immer wieder lesen kann), nur die organische Zusammensetzung des Kapitals ist im Laufe der Zeit immer mehr gestiegen und hat mittlerweile z.B. bei Chips-Fabriken rund 1 Million € pro Arbeitsplatz erreicht. Solange die Gesamtproduktion schneller stieg als die Produktivität der Arbeit, ist die Arbeiterklasse gewachsen, vor allem in den letzten Jahrzehnten, wo das in vielen Staaten nicht mehr gilt, ist die Massenarbeitslosigkeit angestiegen.
Christian „braucht“ aber den Wegfall der „menschlichen Arbeit bei Routinetätigkeiten“, weil er damit begründen will „diese Entwicklungen verändern zugleich den Charakter des Tuns“. Er behauptet nämlich, „durch die zunehmende Automatisierung werden langweilige Routinetätigkeiten, die man nur gegen (Schmerzens-)Geld erledigt, zunehmend durch kreativere und daher auch inhaltlich interessantere Tätigkeiten ersetzt.“ Und das halte ich für völlig daneben. Ja, in einem modernen Stahlwerk stehen nicht mehr so viele Arbeiter um die heiße Hölle herum wie auf einem Bild von Menzel, statt dessen sitzen Prozeßkontrolleure vor ihren Dutzenden von Monitoren. Anstrengende, nervenverzehrende Arbeit ist das auch, nur eben anders, un häufig keine Bohne „kreativer“ als früher die Hand- oder Maschinenarbeit.
Es wundert mich nicht, daß Christian hier so argumentiert, daß das total anschlußfähig ist an die nicht sonderlich kommunistisch durchsetzte BGE-Szene. Daß Bezahlung fürderhin nur noch „ein netter Pluspunkt“ sein werde, kann man da auch lesen, daß Lohnzahlung „keineswegs eine notwendige Bedingung“ sind, wie jeder Ein-Euro-Jobber jetzt auch schon. Und schon ist Christian bei der geradezu schon um die kapitalistische Ecke liegenden Idylle:
„Arbeit zum Zweck des Geldverdienens wird so ersetzt durch Tätigkeiten, die man gerne um ihrer selbst willen, aufgrund ihres Ergebnisses oder den anderen Beteiligten zuliebe übernimmt: Selbstentfaltung.“
Schon wärs, es beißt sich nur daran, daß die Bedingung
„Möglich ist das nur, weil die Beteiligten Zugang zu den benötigten Produktionsmitteln – wie Computern und Internetzugang – haben.“
eben nur für ein enges Segment von nützlichen Sachen materieller und immaterieller Art gilt, denn es gibt ja selbst Christian zu, daß,
„die Konzentration der meisten Produktionsmittel in den Händen weniger für den Kapitalismus charakteristisch ist.“
Um seine Perspektive der Keimform des Neuen schon im Alten zu retten, stellt Christian deshalb die These auf:
„Glücklicherweise treibt auch hier die Produktivkraftentwicklung den Kapitalismus in eine Richtung, die seine eigene Überwindung erleichtert. Ähnlich wie die heutigen Personalcomputer Nachfolger der Millionen kostenden und Räume füllenden Großrechner des letzten Jahrhunderts sind, werden auch andere Produktionstechniken immer günstiger und für Einzelne oder kleine Gruppen erschwinglicher.“
Pech aber auch, daß das faktisch leider gar nicht gilt: Ja, ein PC kann heute für ein paar Hundert Euros in jedem Laden gekauft werden, mein Atom-PC ist nur noch so groß wie ein Taschenbuch und reicht für fast alles, was ich überhaupt mit einem Computer machen will. Damit der aber so klein sein kann, mußten Intel und AMD Chipfabriken hinstellen, die so ungefähr das Gigantischste sind, was es bisher gegeben hat, wer da nicht wenigstens 5 Milliarden Dollar verbraten kann, hat doch gar keine Chance mehr gegen den Rest der auch deshalb sehr klein gewordenen Welt. Ähnlich sieht das bei anderen Konsumgüterwerken aus: Ein moderner Fernseher braucht eine Fabrik, die auch so ungefähr 5 Mrd. kostet und mehrere Fußballfelder abdeckt, E10 kommt aus Raffinerien, die schon von Weitem eindrucksvoll sind, usw. Nein, zu denken, man könnte sich seine neue Waschmaschine mit einem 3D-Drucker zuhause selber machen, halte ich für abwegig (und aus Effizienzgründen übrigens auch unerwünscht, es wäreein Rückfall hinter die Integration der erreichten Arbeitsteilung (so problematisch die andererseits im Kapitalismus ist, denn es geht da ja nie um vernünftige Arbeitsteilung zur Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Produktivität der Arbeit, sondern immer nur um dieSteigerung der Einzefirmengewinne), wenn zukünftig jeder wieder zum supermodern ausgestattenen Handwerker vorkapitalistischer Zeiten werden soll,).
Nicht „Damit werden die Grundlagen für eine bedürfnisorientierte, auf Gemeingütern basierende Produktionsweise gelegt.“ Sondern damit, daß die Menschen insgesamt das Eigentum an den Produktionsmittlen abschaffen wollen, weil das nur für eine Wirtschaft taugt, die aus Geld mehr Geld machen soll. Die Rückeroberung der Produktionsmittel hat erst dann begonnen, wenn hinreichend viele Menschen das eingesehen haben. Und dann braucht es immer noch eine Revolution, um die Produktinsmittel wirklich zu erobern, aber das wäre dann schon die nächste Diskussion.
„(1) ist nun wirklich nicht zu bestreiten, daß sieht ja nun jeder, insbesondere jeder Hartz-IVler.“
Natürlich ist nicht zu bestreiten, dass immer mehr automatisiert wird und insofern heutzutage ein viel größerer Reichtum pro Arbeitsstunde erzeugt wird, als vorgestern.
Christian tut aber so, als sei das eine Voraussetzung für Kommunismus. Und das finde ich total verkehrt. Das hieße nämlich wirklich: Solange die Produktivkräfte noch nicht soweit sind, ist Ausbeutung vernünftig.
Ich glaube eigentlich nicht, daß Christian die Automatisierung, bzw. die noch nicht hinreichende Entwicklung der Produktivkräfte als Argument für eine Zufriedenheit oder wenigstens Akzeptanz der herrschenden kapitalistischen Verhältnisse nehmen würde.
Mir scheint das eher das angestrengte Suchen nach Licht am Ende des Tunnels des Imperialismus zu sein. Das Hoffen darauf, daß einem als isolierter Kritiker der Verhältnisse, der er mir zu sein scheint, wenigstens irgendeine „objektive“ Tendenz zu Hilfe kommen möge, wenn er mit seinen beschränkten Propagandamitteln schon diese Welt nicht aus den Angeln heben kann.
@Neoprene: mir scheint, du verwechselst „Die Rückeroberung der Produktionsmittel hat begonnen“ mit „Die Rückeroberung der Produktionsmittel ist abgeschlossen“; gleichzeitig ignorierst du, dass freie/commonsbasierte Produktion ja nicht nur dann möglich ist, wenn schon alle Ressourcen und Produktionsmittel frei/als Commons zur Verfügung stehen. Wikipedia, Hackerspaces u.ä. decken ihre Unkosten über Spenden. Das ist in vielen Fällen möglich, wo noch bestimmte Ausgaben anfallen, bspw. für die Miete/den Kauf von Land, Servern, Räumen. Klar ist das dann noch keine ganz „reine“ commonistische Produktion, aber dieses Alles-oder-nichts-Denken von dir und anderen scheint mir doch recht phantasielos zu sein.
Aber eins hast du richtig erkannt: daran, dass ich mit meinen beschränkten Propagandamitteln die Welt aus den Angeln heben kann, glaube ich definitiv nicht 🙂
@hm: Auf das [paeris]-Argument bist du leider nicht eingegangen. Was gerade deshalb sehr erstaunlich ist, weil du Kommunismus für eine reine Frage des Willens zu halten scheinst – und dann gewinnen doch alle Fragen über die Auffassung von Kommunismus (was sich Leute darunter vorstellen, warum sie ihn wollen, warum sie skeptisch sind, warum sie Angst davor haben) eine immense Wichtigkeit. Dass du einerseits alles zur Willensfrage deklarierst, andererseits dich den Kommunismusvorstellungen und -bildern der Menschen gegenüber so gleichgültig zeigst, ist merkwürdig.
Und dann wundert mich es ja doch immer wieder, dass ausgerechnet die materialistische Tradition Marx’ so viele rein idealistische Denke (der Kommunismus als reine Willensfrage) hervorgebracht hat…
Christian, wenn du jetzt noch mal nachlegst mit deinem
„mir scheint, du verwechselst „Die Rückeroberung der Produktionsmittel hat begonnen“ mit „Die Rückeroberung der Produktionsmittel ist abgeschlossen“; gleichzeitig ignorierst du, dass freie/commonsbasierte Produktion ja nicht nur dann möglich ist, wenn schon alle Ressourcen und Produktionsmittel frei/als Commons zur Verfügung stehen.“
dann klingt das schon verdammt nach dem klassischen reformistischen Schritt-für-Schritt-ins-Arbeiterparadies (nun gut, bei der alten SPD sollte es zu einer Reichstagsmehrheit führen, aber das war ja für die fast schon dasselbe). Nur, daß du jetzt keine revolutionäre Partei aufbauen willst, offensichtlich keine Anstrengungen unternimmst, auf einer Liste der Linkspartei MdB zu werden oder so, sondern offensichtlich wirklich meinst, daß man der kapitalistischen Ökonomie scheibchenweise die Produktionsmittel und Arbeiter unterm fetten Arsch wegziehen können wird und deshalb die Eigentumsfrage, also die Frage nach der Staatsmacht und seinem Recht überhaupt nicht adressierst. Als wenn es nur darum ginge, für ein paar alternative Server einen kleinen Hinterzimmerplatz in einer Versicherungsbude oder einem Maklerbüro zu finden/mieten. Das alles lebt von deiner rosaroten Softwareentwicklerbrille. Eine commonistische / kommunistische Busproduktion kriegst du so genausowenig hin wie wirklich sozialen Wohnungsbau. Für sowas, tut mir leid, muß man erst mal die Staatsmacht in die Hand kriegen. Und dazu braucht es eben ein bißchen mehr als commonistische und kommunistische Blogs. Das scheint mir wahrlich nicht sonderlich idealistisch zu sein. Und manche Sachen mögen wirklich kontinuierlich sein, manche Sachen aber, und die Staatsmacht ist so eine Frage, sind wirklich „Alles-oder-nichts“-Sachen. Da steht eben eine Revolution zwischen den Jetzt und dem Neuen. Es wäre mir auch lieber, wenn es anders ginge, so ein Fan von den Mühen, um das mal harmlos zu beschreiben, was das wahrscheinlich auch zukünftig bedeuten wird, bin ich nun auch nicht.
Zum [paeris]-Argument: Na wenn jemand eh‘ schon weiß, dass aus Kap-Kritik entweder Stalin oder nichts (Träumerei) folgt, warum soll der Dir mit Deinen „Träumereien“ denn mehr Beachtung schenken als einem Kapitalismuskritiker?
Wer sich entschlossen hat, nichts anderes zu wollen als Kap. und sich als „Argument“, sich mit Einwänden nicht befassen zu müssen, Kap-Kritik = Stalin zurechtgelegt hat, an den kommst Du mit Deinen Alternativmodellen auch nicht ran.
Wenn man nun aber eine wie auch immer geartete Abneigung gegen den Kap. verspürt und etwas anderes will, in dem das, was einen im Kap. stört (Elend, Ausbeutung, Krieg usw.) nicht mehr vorkommt, dann MUSS man doch (im Sinne von: anders geht’s doch nicht) mal herausfinden, woher die ganzen Dinge, die man weg haben will, denn nun genau kommen. Worin sie begründet sind. Wie will man denn sonst wissen, was man ändern muss?
Und wenn man weiß, worin die Übel begründet sind, dann weiß man doch damit auch, wie man sie beseitigen kann. Das ist doch dann kein Rätsel mehr.
Die Frage, ob Kommunismus überhaupt geht, hat sich mit einer korrekten Kap.-Analyse erledigt.
Ich hab‘ auch einen Lesetip: http://www.gegenstandpunkt.com/gs/04/1/lb-plan.htm
„Und dann wundert mich es ja doch immer wieder, dass ausgerechnet die materialistische Tradition Marx’ so viele rein idealistische Denke (der Kommunismus als reine Willensfrage) hervorgebracht hat…“
Statt Dich einfach nur zu wundern, sag‘ doch mal ein Argument, warum ich mit meiner Auffassung falsch liege. (Und bitte nicht: Marx hat aber was anderes gesagt. Argumente statt Autoritäten bitte.)
Warum soll denn Kommunismus KEINE Willensfrage sein?
Mir hingegen behagt es überhaupt nicht, als abhängige Variable irgendwelcher historischen Prozesse angesprochen zu werden. Ich will Kommunismus nicht deshalb, weil die Zeit dafür reif ist oder so (da wird man ja schon wieder als Untertan angehauen, diesmal nicht einer menschlichen Herrschaft, sondern eines historischen Prozesses; nein danke!!!), sondern weil ich es nicht leiden kann, dass Elend und Ausbeutung herrscht.
Neoprene:
Die Staatsmacht brauchen wir nicht, weil die Verwaltung der Gesellschaft in die Hände ihrer Mitglieder gelegt werden soll. Ich will nicht bestreiten, dass auch die Diktatur des Proletariats ein gangbarer Weg ist. Die Strategie, sich über Commons die Kontrolle über Produktionsmittel zu verschaffen, ist aber nicht – zumal aufgrund deiner falschen oder fehlenden Grundannahmen – zu unterschätzen. Warum soll eine kommunistische Busproduktion nicht gehen? Klar geht das. Commons sind nicht bloß die kleinen Projekte, die drei Leute als Hobby betreiben. Natürlich müssen das Projekt und seine Unterprojekte im Kapitalismus bestehen, sie müssen durch Spenden finanziert sein und Güter kaufen und verkaufen. Doch die Prinzipien der Gemeingüter können, v.a. nach innen, aufrechterhalten werden. Wissen z.B. würde danach frei weitergegeben.
Auch die Selbstversorgung einer Gemeinschaft oder verbündeter Gemeinschaften mit bestimmten Gütern ist nicht unrealistisch. Dafür gibt es genügend historische Beispiele. Ist erst die Versorgung mit Lebensmitteln eingerichtet, können andere Bereiche folgen.
Die Staatsmacht, nämlich die Gewalt, die den Kapitalismus organisiert und verteidigt, mußt du (und hinreichend viele andere) erst mal wegräumen, damit du überhaupt anfangen kannst, „die Verwaltung der Gesellschaft in die Hände ihrer Mitglieder“ zu legen. Dann brauchst du weiterhin so was Ähnliches, um dir die Bestrebungen der Anhänger des gerade erst gestürzten Kapitalismus vom Leibe zu halten. Das wird in hoffentlich geringem Maße im „Innern“ des befreiten Gebietes nötig sein, jedenfalls für eine Weile, und vor Allem wird es nötig sein, um die verbleibenden imperialistischen Staaten von einer Rückeroberung bzw. einer Organisierung einer Konterrevolution abzuhalten. Wenn dann tatsächlich die wichtigen Zentren geknackt sind und damit auch den verbliebenen Staaten der Schneid abgekauft wurde, sich dem Kommunismus entgegenzusetzen, dann sollte man die Diktatur des Proletariats zurückfahren. Alles andere erscheint mir kein „gangbarer Weg“ zu sein.
Was sind denn meine „falschen oder fehlenden Grundannahmen“?
Für mich klingt das recht vollmundig, wenn du zur Frage von commonistischer Großprodukteproduktion so locker postulierst, „Klar geht das“. Das ist doch, wie selbst du wissen wirst, den meisten, selbst wohlmeinenden, noch ein Rätsel. Vor allem, weil ja selbst von dir zugestanden wird, „Natürlich müssen das Projekt und seine Unterprojekte im Kapitalismus bestehen, sie müssen durch Spenden finanziert sein und Güter kaufen und verkaufen“. Und du glaubst ernsthaft, daß man auch nur die vielleicht 500 Mio, die ein effektiverer moderner Motor für deinen Bus kosten würde, per Spenden zusammenkommt? Daß ausgerechnet dein Busprojekt den Zuschlag für den Nahverkehr im Ruhrgebiet erhält? Und dies, weil es nach kapitalistischen Kriterien das vergleichsweise billigere Angebot ist?
Bei der Produktion handfester Sachen, geht es nicht, jedenfalls in diesem Zusammenhang, um Wissen, sondern um Produktionsmittel, Fabriken, Rohstoffe, Kapital, Patente, Rechte. Ich habe nicht umsonst den Wohnungbau angeführt als einen Bereich, der noch nie von Alternativen in mehr als ein paar Musterbauten in „Selbstversorgung“ organisiert werden konnte. Es ist lächerlich, daß sich Lohnabhängige hinreichend Geld zusammensparen (ohne Kredite der Banken, denn sonst wird es nur eine weitere Neue Heimat), um damit Wohnsilos a la sozialer Wohnungsbau durch menschengerechte großzügige Wohnanlagen ersetzen zu können, wohlmöglich auch noch in vernünftigen Innenstadtlagen, wo aus was für Gründen auch immer, immer noch die meisten Leute wohnen wollen.
Selbst die „Versorgung mit Lebensmitteln“ im engeren Sinne wird man nur flächendeckend nach der Abschaffung des Privateigentums an Grund und Boden und der Abschaffung von Kartoffeln als Waren, also der gesamten Warenproduktion zur Geldvermehrung vernünftig organisieren können. Solange werden wir alle leider teuer in „Basic-Bio-Läden“ einkaufen müssen, wenn dafür das Geld überhaupt reicht.