COM’ON: Commons und Linke
Bei der COM’ON-Tagung am 10.12.2011 fand ein World Café mit fünf Tischen statt, die sich in zwei Runden mit jeweils einer Frage befassten. Nachfolgend das Protokoll vom Tisch mit der Frage »Was können Linke von den Commons, was können Commoner von Linken lernen?« (Moderation: Benni Bärmann, Protokoll: Markus Euskirchen):
Unsere eigenen, praktischen Zugänge zu den Commons: Stadtimkerei und OS Hardware, Gemeinschaftsgärten, Freiräume, Besetzungen, CSA, Wikipedia, Bibliothek, Internetseite, Nicht-kommerzielles: Schule, Radio, Theoriearbeit („Sozialismus“), Bücher der Stiftung könnten Commons sein, Freie Schule.
Angesichts mindestens zweier sehr schwammiger Begriffe in der Fragestellung steht die Definitionsfrage im Raum. Wir übergehen sie explizit, um uns nicht darin zu verfangen. Vielleicht sind weder Commons noch Linke so ganz einfach zu definieren.
Dennoch kommt die Frage auf: Warum wird da überhaupt ein Unterschied gemacht? „Für uns gehörte das immer zusammen, war ein: Links sein und sowas wie Commons machen.“ Eine Antwort lautete: Die Commons lassen sich auch sehr gut verkürzen und aufgrund ihrer Nachhaltigkeitsorientierung zu einem Innovationsmotor und einer Ressource für den post-neoliberalen Öko-Kapitalismus machen. Die „Lernfrage“ ziele auch auf eine Rückbindung der Commons an eine Linke mit System- und Machtveränderungsperspektive.
Die Diskussion lief dann in mehreren Kreisbewegungen eher entlang an Akteuren (unterschiedlichen Commonern, unterschiedlichen organisatorischen Akteuren: Partei, Gewerkschaft, Genossenschaft, „Selbsthilfe“-organisationen der Arbeiterbewegung). Commoning ist nicht per se links, linkes Commoning ist aber einer starke Tradition. Immer wenn linke Bewegungen stark waren, sind die Commons stark und umgekehrt. Das Verhältnis ist historisch geprägt durch die Erfahrung der Enteignung der Arbeiter_innen-Selbstorganisation durch die Institutionen des Sozialstaats Ende des 19. Jahrhunderts. Und durch die neoliberale Ideologie und die Welle der Privatisierung/Liberalisierung, die mit ihr seit etwa 30 Jahren einhergeht.
Ein Seitenstrang der Diskussion ging von dem Gedanken aus, dass der Kapitalismus ja dazu zwinge, „Arbeit“ zu sparen, sich daher auch mit Blick auf die Commonsproduktion die Effizienzfrage stelle. Zu lernen sei es, strukturelle Bedingungen herauszuarbeiten, z.B. entlang der Eigentumsfrage: Wem gehört was (im klassischen privateigentümlichen Sinne), um dann über die Frage des Cui bono? (Zu wessen Gunsten?) auf Möglichkeiten des Commonings zu kommen.
Gegen Ende rächte sich ein wenig die Tatsache, am Anfang die Begriffsklärungen unterlassen zu haben. Entlang eigener Erfahrungen und daraus resultierender Zuschreibungen wurden einige Phänomene im Bezug auf ihren Charakter als Commons oder Commoning-taugliche Güter kontrovers diskutiert: Für einige stellten real-existierende Wohnungs(bau)genossenschaften konkretes Commoning dar, andere verwiesen auf die Machtlosigkeit bzw. die Zugangshürden im Zusammenhang mit genossenschaftlichen Modellen, die ja durchaus auch autoritär verfasst sein können. Ähnlich der Streit um Schulen: Für die einen stellt die öffentliche Schule schon ein Commons dar, die anderen sehen nur in Ausnahmefällen wir selbstorganisierten Freien Schulen Anhaltspunkte für echtes Commoning. Ein Kriterium, auf das wir uns einigen können: Open Access ist keine Bedingung für Commoning. Ein weiterer Punkt: Auch wenn Begriffsklärungsdiskussionen manchmal den Vorstoß auf die eigentlichen Fragen zu bremsen scheinen, erweist sie sich dennoch als wichtig und laufen produktiver, wenn sie intentional zu Stande kommen.
Im Hinblick auf die Fragestellung am Tisch kam es zu einer interessanten Zuspitzung: Die Partei Die Linke (PDL) kann von den Commonern etwas lernen über die Sensibilität für Ein- und Ausschlussfragen und die Bedeutung des „sich selber Kümmerns“ und „gemeinsam Verantwortung Übernehmens“. Die Commoner können sich – zumindest bei theoriegeleiteten Linken – etwas von der Sensibilität für die markt- und staatsförmigen Voraussetzungen ihrer „Commons-Biotope“ abschauen. Die Kapitalismus- und Staatskritik der Linken kann helfen, den Commons ihre transformatorische Kraft zu bewahren bzw. wieder zurückzugeben.
post-neoliberalen Öko-Kapitalismus
http://www.akweb.de/ak_s/ak499/20.htm
…Die Commons lassen sich auch sehr gut verkürzen und aufgrund ihrer Nachhaltigkeitsorientierung zu einem Innovationsmotor und einer Ressource für den post-neoliberalen Öko-Kapitalismus machen …
Das währe im wahrsten Sinne kontraproduktiv.
Der Kapitalismus soll sogar Geld durch Commons verlieren.
Das Beispiel der freien Schulen erwirtschaftet keine Gewinne.
Die freie Ressource Bildung gehört ausschließlich den Schülern,
es muss schon dort ein Gegenentwurf zum Kapitalismus gelernt
werden.
Hat wer Tipps, wie man sein gröbsten Bildungslücken in der Sache am Besten schließen könnte?
„Eigentumsfrage“ war meinerseits allerdings nicht in einem formal-rechtlichen Sinne gemeint, sondern im Sinne einer wirklichen Verallgemeinerung sozialer Macht, genauer: der Möglichkeit, (umwelt-) bewusst mit entscheiden zu können, mit welchen Mitteln und gegebenenfalls zu welchen sozialen bzw. ökologischen Kosten Arbeitsersparnis erreicht werden soll.
Der Erkenntnis folgend, dass Arbeitsersparnis eine wesentliche Quelle von Reichtum bzw. Freiheit ist – die aber bekanntlich auch ihre zerstörerischen Potenziale haben, die kapitalistisch zunehmend weniger in den Griff zu bekommen sind.
Gruß hh
Das kapiere ich nicht. Nachhaltigkeitsorientierung ist das exakte Gegenteil von Neoliberalismus. Und die Kräfteverhältnisse sind halt so, dass ohne Ausnahme alle guten Ansätze zwangsläufig auch Innovationspotenzial für Öko-Kapitalistische Perspektiven bedeuten. Glücklicherweise! Denn ohne Vorankommen ökokapitalistischer Versuche, die ins Ungeheuerliche gesteigerte Produktivkraft privateigentümlicher Plusmacherei zu bändigen, dürften es kaum etwas werden mit dem weltgemeinschaftlichen Miteinander.
Gruß hh