Manifest »Gemeingüter stärken. Jetzt!«
Das folgende Manifest ist Ergebnis eines anderthalbjährigen Prozesses, in dem sich Dutzende von Beteiligten aus Politik, Gewerkschaften, Wissenschaft, der Freien-Kultur- und -Software-Bewegung, der Umweltbewegung, der Wirtschaft sowie Kunst und Kultur mit den Gemeingütern und ihrer Bedeutung für die Menschheit auseinandergesetzt haben. Es ist im Rahmen des Interdisziplinären Politischen Salon »Zeit für Allmende« entstanden, der an der Heinrich-Böll-Stiftung angesiedelt war.
Auch das im Frühjahr verabschiedete »Manifest zur Wiedergewinnung der Gemeingüter« des Weltsozialforum macht sich für die Gemeingüter stark. Das Potsdamer Gemeingütermanifest geht darüber hinaus, indem es detaillierter und meiner Meinung nach sehr prägnant herausarbeitet
- warum Gemeingüter gerade in Krisenzeiten einerseits besonders wichtig und andererseits besonders bedroht sind,
- wie vielfältig die gemeingüterorientierten Communities und Bewegungen sind – und wie viel sie doch gemeinsam haben,
- was Gemeingüter ausmacht und wie eine gemeingütergerechte Gesellschaft aussehen könnte.
An dem Text haben mehrere Dutzend Menschen mitgewirkt (siehe die Unterzeichnerliste), teils in einem intensiven zweitätigen Diskussions- und Arbeitssalon in Potsdam und teils per E-Mail. Ein besonderer Dank gebührt aber Silke Helfrich vom Commonsblog, die nicht nur den Politischen Salon initiiert hat, sondern auch die Koordination des gesamten Prozesses und die Schlussredaktion des Texts übernommen hat. Ohne Silke hätte es dieses Manifest nie gegeben.
Es folgt der komplette Text des Manifests, das im Commonsblog auch als schön layoutetes 4-seitiges PDF verfügbar ist (Dank an Stefan Meretz für die HTML-Konvertierung!).
GEMEINGÜTER STÄRKEN. JETZT!
„Gemeingüter sind Räume, in denen wir frei sind.” Yochai Benkler
Wie die Krise das Netz unserer Gemeingüter sichtbar macht
Die Explosion von Wissen, Technologie und Produktivität ermöglichte in den vergangenen zweihundert Jahren eine nie gesehene Mehrung privaten Reichtums. Dies hat unsere Lebensqualität in vielerlei Hinsicht verbessert. Doch zugleich haben wir zugelassen, dass die Quellen versiegen und der gesellschaftliche Reichtum schwindet. Das führen uns die vielfach miteinander verbundenen Krisen vor Augen. Die Krise der Finanzen, der Wirtschaft, der Ernährung, der Energie und der ökologischen Lebensgrundlagen. Sie schärfen das Bewusstsein für die Existenz und die Bedeutung der Gemeingüter. Natürliche Gemeingüter sind notwendig für unser Überleben, soziale Gemeingüter sichern den Zusammenhalt und kulturelle Gemeingüter sind Bedingung für unsere individuelle Entfaltung. Es ist an der Zeit, unseren Enthusiasmus und unsere Kreativität, unsere Mittel und Talente auf die Mehrung des gemeinschaftlichen Reichtums zu konzentrieren. Wir müssen die Strukturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit Blick auf dieses Ziel verändern.
Mehr gesellschaftlicher Wohlstand statt mehr Bruttoinlandsprodukt! Wenn die Wachstumskurve knickt und das Bruttoinlandsprodukt sinkt, erscheint uns dies bedrohlich. Doch die Erscheinung trügt. Das Bruttoinlandsprodukt bildet lediglich Produktionszahlen und Geldflüsse ab, egal ob diese mit der Herstellung von Dingen verbunden sind, die wir zum Leben brauchen oder mit der Zerstörung derselben. Gesellschaftlicher Wohlstand wird dadurch nicht erfasst. Eine Minderung des Bruttoinlandsprodukts ist nicht unbedingt mit einer Minderung des wirklichen Reichtums einer Gesellschaft verbunden. Dies zu erkennen, weitet den Blick.
Gemeingüter bieten Wege aus der Krise, aber sie haben keine systematische Anwaltschaft. Es gibt in unserer Sprache nicht einmal einen machtvollen Begriff für sie. Diese Wortmeldung ist unser Beitrag, den Gemeingütern eine Stimme zu geben.
Was Gemeingüter ausmacht und warum sie wesentlich sind
Gemeingüter (Commons, Allmende) sind vielfältig. Sie sind Grundbestand und Voraussetzung unseres gemeinschaftlichen Reichtums. Dazu gehören Wissen und Wasser, Saatgut und Software, Kulturtechniken und die Atmosphäre. Gemeingüter sind unabdingbar, doch sie sind kein Ding, denn sie sind mit uns in vielfältiger Art und Weise verbunden. Sie bilden das Netz einer freien Gesellschaft.
Gemeingüter gehören keinem Einzelnen, aber auch nicht niemandem. Sie werden in unterschiedlichen Gemeinschaften, von der Familie bis zur Weltgesellschaft, geschaffen, erhalten, gepflegt und immer wieder neu definiert. Wenn dies nicht geschieht, verkümmern sie. Mit ihnen schwindet unsere Lebenssicherung. Gemeingüter sind Bedingung dafür, dass Menschen leben und sich entfalten können. Die Vielfalt der Gemeingüter bedeutet Zukunft.
Gemeingüter sind Grundlage jeden Wirtschaftens. Sie müssen deshalb auch Ergebnis unseres Tuns sein. Wir müssen Gemeingüter ständig reproduzieren, denn wir verwenden überliefertes Wissen und verfügbare Rohstoffe zur Herstellung von Konsumgütern, für Kultur und Bildung. Unser Sozialwesen bettet den Wirtschaftsprozess in das gesellschaftliche Zusammenleben ein. Raubbau an den Ressourcen, Scheitern von Bildung, fehlende Kreativität oder dauerhaft gefährdete soziale Bindungen beeinträchtigen das Gesamte. Ohne vitale Gemeingüter, ist keine Produktion möglich. Unternehmen können ohne Gemeingüter kein Geld verdienen.
Gemeingüter werden oft verdrängt – erst aus dem Leben selbst, dann aus unserem Bewusstsein. Ein Grund für diese Erosion ist das Beanspruchen eines grenzenlosen Verfügungsrechts Einzelner über die Dinge. Doch wo faire Nutzungsrechte von Wasser und Saatgut im ökonomischen Kalkül oder durch staatliche Willkür beschnitten werden, wo Raubbau unser natürliches Erbe zerstört, wo Bresche um Bresche in öffentliche Räume geschlagen wird, wo Patentierung von Software Kreativität und Wirtschaft beschränkt, wo verlässliche Netze fehlen, da nehmen Abhängigkeit und Unsicherheit zu.
Es gibt etwas Neues. Eine gesellschaftliche Bewegung!
Es ist eine Bewegung, die Aufhebenswertes erinnert. Eine Bewegung, die würdevolles Leben erkämpft und Neues schafft. Eine Bewegung, die den Horizont dessen zeichnet, was in einer Kultur der Gemeingüter möglich ist.
Gemeingüter werden wiederentdeckt und verteidigt. Menschen in aller Welt wehren sich gegen die Risse im Netz, das sie trägt: Gegen Staudamm- und Bergbauprojekte, die Leben und Land zerstören. Gegen ein Wirtschaften, das dem Klimawandel Vorschub leistet. Gegen das Zwängen von Bildungsund Gesundheitseinrichtungen in profitorientiertes Denken. Gegen die Manipulation unseres Erbguts und die überzogene Einschränkung unseres Zugangs zu Wissen und Kultur. Die Menschen beanspruchen das, was ihnen zusteht: sei es als Bürgerinitiative für die Rückgewinnung der kommunalen Wasserversorgung, als indigene Gemeinschaft im Amazonasbecken oder als weltumspannende Bewegung für Klimagerechtigkeit und ein freies Internet.
Gemeingüter werden neu geschaffen und aufgebaut. Unzählige Menschen schaffen Neues für alle und beziehungsreiche Orte für sich. Sie investieren Energie in interkulturelle Gärten, betreiben nachhaltigen und ökologischen Landbau oder entwerfen intergenerationelle Wohn- und Arbeitsprojekte. Sie erstellen freie Software und freies Wissen, schaffen freie Filme, Musik und Bilder. So entsteht ein für alle verfügbarer Schatz an freier Kultur. Gepflegt und erweitert von vielen, unverzichtbar wie die Wikipedia. Wissenschaftler und Aktivistinnen, Bürger und Politikerinnen entwickeln neue Ideen für eine robuste Sphäre der Gemeingüter – überall.
Gemeingüter werden gepflegt und kultiviert. Menschen unterhalten Nachbarschaftseinrichtungen in ihrem Stadtteil, betreuen Spielplätze, gründen Bürgerstiftungen, überliefern und erweitern Kulturen, Geschichten und Erinnerungen. Sie engagieren sich für das Gemeinwohl und nehmen den Staat in die Pflicht. Dafür bekommen sie etwas zurück, denn in einer Kultur der Gemeingüter leben, heißt geben und nehmen. Das begründet Rechte und Pflichten zugleich. Der Einsatz für unseren gemeinschaftlichen Reichtum wird getragen von der Erkenntnis, dass die gegenwärtige Form des Wirtschaftens unsere Lebensgrundlagen gefährdet. Dieser Einsatz entspricht dem Wunsch nach Kreativität und Inspiration, nach Selbstentfaltung in sozialen Beziehungen, nach Achtsamkeit und gegenseitiger Anerkennung. Es geht um Einfaches: Um das Bedürfnis voneinander zu lernen und die Dinge vortrefflich um ihrer selbst Willen zu gestalten.
Gemeingüter inspirieren und verbinden. Sie zu berücksichtigen erfordert einen grundsätzlich anderen Ansatz im Erkennen und Handeln. Gemeingüter beruhen auf Gemeinschaften, die sich kümmern, eigene Regeln setzen, ihre Fertigkeiten und Wertvorstellungen ausbilden. In diesen immer neuen, durchaus konfliktreichen Prozessen entsteht Einbindung in das jeweils Größere. In einer Kultur der Gemeingüter ist Einschluss wichtiger als Ausschluss, Zusammenarbeit wichtiger als Konkurrenz, Autonomie wichtiger als Kontrolle. Aus der Absage an Monopolisierung von Informationen, Reichtum und Macht entsteht Vielfalt immer wieder neu. Natur erscheint nicht als allseits verfügbares Eigentum, sondern als gemeinsame Lebensgrundlage.
In einer Kultur der Gemeingüter leben meint: Gegenseitige Verantwortung anstatt Herrschaftsethik, Fairness und Gerechtigkeit anstatt einseitige Nutzenoptimierung, wechselseitige Abstimmung anstatt Alleingang.
Es geht um die großen Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit. Niemand darf den Gemeingütern mehr entnehmen, als er an sie zurück gibt. Das gilt für Marktteilnehmer wie für den Staat. Wer die Gemeingüter füllt, anstatt nur aus ihnen zu schöpfen, verdient Prestige und gesellschaftliche Anerkennung. Das Handeln der Wirtschaft, des Staates und des einzelnen Menschen den Gemeingütern zu verpflichten, muss zur Grundlage wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Erfolgs werden.
Weder Niemandsland noch schrankenloses Eigentum
Für Gemeingüter ist nicht allein die Rechtsform des Eigentums entscheidend. Entscheidend ist, ob und wie gemeinschaftsorientierte Nutzungsrechte an Gemeingütern durchgesetzt und gesichert werden. „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ (Art 14 Abs. 2 GG). Diese im Grundgesetz verankerte Einschränkung benennt die Grenzen der Verfügbarkeit des Einzelnen an unserem gemeinschaftlichen Reichtum. Denn jede individuelle Nutzung beinhaltet auch die Nutzung dessen, was uns gemeinsam zugehörig ist. Mit meinem Mobiltelefon funke ich durch das elektromagnetische Spektrum. Mein Auto belastet unsere Luft. Ein markanter Einfall kennzeichnet mein Werk, doch ich schöpfe es auch aus dem öffentlichen Wissensfundus. Die Nutzungsrechte der Allgemeinheit sind Stoppschilder für individuelle Nutzungsrechte.
Exklusive, andere ausschließende private Eigentumsrechte an Gemeingütern kann es daher nicht geben. Egal, ob die entsprechenden Dinge materieller oder immaterieller Natur sind; ob sie der natürlichen, kulturellen oder sozialen Sphäre zugehören. Um Übernutzung und Unternutzung – die dramatische Plünderung der Fischbestände oder das Verwaisen von Werken – zu vermeiden, ist jegliche Eigentumsform mehr denn je an zwei Bedingungen zu messen:
- Zum einen muss bei jeder Nutzung gewährleistet sein, dass Gemeingüter nicht in ihrem Bestand zerstört oder verbraucht werden.
- Zum anderen muss gewährleistet sein, dass niemand, der anspruchsberechtigt oder auf die jeweiligen Gemeingüter angewiesen ist, von Zugang und Nutzung ausgeschlossen wird.
Zugang und Nutzung sind deshalb so zu gestalten, dass Gemeingüter bewahrt und gepflegt, sowie weiterentwickelt werden können. Dies sind die Prinzipien der gerechten Teilhabe und der Nachhaltigkeit.
Was öffentlich war oder öffentlich finanziert ist, muss öffentlich zugänglich bleiben. Nur so kann etwa die vom Gemeinwesen getragene Forschung allen dienen. Es gibt keinen überzeugenden Grund, Verleger oder Pharmakonzerne mit exzessiven und exklusiven Verwertungsrechten an öffentlichen Forschungsergebnissen auszustatten. Dennoch geschieht es. Das Ergebnis: der Allgemeinheit nahezu unzugängliche wissenschaftliche Zeitschriften und überteuerte Preise für lebenswichtige Medikamente. Die Alternativen entstehen aus der Bewegung für Gemeingüter. Das belegen zahlreiche Projekte für gerechtere Lizenz- und Anreizmodelle in Wissenschaft und Kultur.
Die Besinnung auf Gemeingüter zwingt zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung des herrschenden Eigentumsbegriffs. Die verwertungsorientierte Verfügung über Gemeingüter hat gravierende Nachteile für die Mehrheit der heute und morgen lebenden Menschen. Das zeigen der Klimawandel und der erschöpfende Verbrauch natürlicher Ressourcen ebenso wie die Finanzwirtschaft, deren Profitstreben sich verselbständigt hat. Unsere Lebensqualität wird aber auch dadurch eingeschränkt, dass Wissen exzessiv kommerzialisiert und künstlich verknappt wird. So erstarren unsere Kulturgüter zur Ware und Werbung besetzt den öffentlichen Raum.
Gemeingüter sind Grundlage des Lebens im doppelten Sinne. Ohne natürliche Gemeingüter kein Überleben. Ohne kulturelle Gemeingüter kein Mensch-Sein. Alle sind von den hier aufgeworfenen Fragen unmittelbar berührt. Die Unternehmen brauchen Gemeingüter, um in Zukunft noch Geld zu verdienen. Wir alle brauchen sie zum (Über-)Leben. Das ist eine wesentliche Erkenntnis, sie begründet, warum bei Gemeingütern die Nutzungsrechte der Allgemeinheit immer höher zu bewerten sind als die Nutzungsrechte privater Unternehmen. Hier hat der Staat eine Schutzpflicht, aus der er nicht entlassen werden darf. Doch dies bedeutet nicht, dass der Staat immer der beste Treuhänder für die Interessen der betroffenen Menschen ist. Die Herausforderung besteht darin, ergänzende Institutionen und Organisationsformen sowie innovative Zugangs- und Nutzungsregeln für Gemeingüter durchzusetzen – nicht nur, aber auch jenseits von Markt oder Staat: „Zum Wohle der Allgemeinheit“.
Für eine Gesellschaft, in der Gemeingüter gedeihen
So verschieden die Gemeingüter und die Menschen, so verschieden die Organisationsformen der Nutzergemeinschaften. Sie begegnen uns überall: selbstorganisiert und vielgesichtig. Als Vereine, private Agenturen, Netzwerke, Kooperativen, Genossenschaften und treuhänderische Organisationen. Als überschaubare Hofgemeinschaft oder internationale Freie Software Bewegung. Ihre Regeln und ihre Ethik erwachsen aus den Bedürfnissen und den Organisationsprozessen der jeweils Betroffenen. Wer einem Gemeingut direkt verbunden ist, sollte an der Aushandlung und Umsetzung dieser Regeln beteiligt werden.
Vertretungen der Gemeingüter haben nicht ein Zentrum, sondern viele Zentren. Wir brauchen sie lokal, regional und global. Konflikte können in übersichtlichen Gemeinschaften und Gemeingütersystemen direkt geklärt werden. Doch für globale Gemeingüter können sie eine fast unlösbare Herausforderung darstellen, denn wo kommt die „Weltgemeinschaft“ wirklich zusammen? Wie soll sie sich auf die nachhaltige Nutzung ihrer gemeinschaftlichen Ressourcen einigen? Je komplexer das System, umso notwendiger ein institutioneller, transparenter Rahmen für den sorgsamen Umgang mit Gemeingütern. Wo der Staat dies leistet und Gemeingüter schützt, wird staatliches Handeln von der Gesellschaft getragen werden.
Gemeingüter brauchen mehr als nur Regeln. Wir müssen uns bewusst machen, dass Regeln die Kunst ihrer sachgerechten Anwendung voraussetzen. Gemeingüter werden getragen von einem spezifischen Ethos sowie vom Willen zum Erwerb und zur Weitergabe unzähliger Fertigkeiten. Diese besondere Kundigkeit braucht einen angemessenen Platz in unserer Gesellschaft. Eine Kultur der Gemeingüter beinhaltet deshalb die öffentliche Wertschätzung und die aktive finanzielle und institutionelle Förderung jener Ansätze und Projekte, die Wissen und Werte für eine lebendige Gemeingütersphäre vermitteln.
Konflikte sind Teil der Vielfalt und ständigen Reproduktion der Gemeingüter. Ergänzend zu rechtsstaatlichen Verfahren setzt Konfliktschlichtung hier institutionelle Neuerungen voraus; Zukunftsräte und Mediationsstellen, interdisziplinäre Netzwerke und Treuhänder. Sie alle entstehen nach Bedürfnis- und Konfliktlage immer wieder neu. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in erster Linie eines leisten müssen: den Gemeingütern eine starke Stimme verleihen!
Sich der Gemeingüter besinnen heißt: unsere Lebensbedingungen bewusst zu machen und auf allen Ebenen zu erforschen, wieviel Produktivität und Reichtum wir aus den Gemeingütern schöpfen. Es erfordert ein grundständiges Nachdenken über die Verfasstheit der Gesellschaft. Es heißt, in Freiheit und selbstbestimmt unseren gemeinschaftlichen Reichtum nutzen, teilen und mehren. Das ist viel Arbeit, doch zugleich eine große Bereicherung.
Unsere Gesellschaft braucht eine große Debatte und eine allgegenwärtige Bewegung für Gemeingüter. Jetzt!
Dr. Frank Augsten (Bündnis 90/Die Grünen, Landessprecher Thüringen), Petra Buhr (Wissenallmende-Report.de), Dr. Hans-Joachim Döring (Beauftragter der EKM für Entwicklung und Umwelt), Prof. Dr. Ulrich Duchrow (Theologie, Universität Heidelberg), Fritjof Finkbeiner (Global Marshall Plan Initiative), Lili Fuhr (Heinrich-Böll-Stiftung), Andrea Goetzke (newthinking communications), Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald (Schweisfurth-Stiftung), Jörg Haas (Klimaschutzexperte), Benedikt Härlin (Zukunftsstiftung Landwirtschaft), Hermann Graf Hatzfeldt, Silke Helfrich (Bildungsreferentin, Publizistin), Kathrin Henneberger (Grüne Jugend), Gregor Kaiser (Sozialwissenschaftler, Forstwirt), Dr. Wolfgang Kessler (Chefredakteur Publik Forum), Prof. Dr. Rainer Kuhlen (Informationswissenschaft, Universität Konstanz), Julio Lambing (e-5 European Business Council for Sustainable Energy), Berthold Lange (Freiburger Kantstiftung), Prof. Dr. Bernd Lutterbeck (Technische Universität Berlin), Annette Mühlberg (Netzwerk Neue Medien, nnm), Rainer Rehak (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie), Prof. Dr. Wolfgang Sachs (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie), Jill Scherneck (Heinrich-Böll-Stiftung), Christoph Schlee (Netzwerk Grundeinkommen), Dr. Christian Siefkes (Softwareentwickler, Autor), Malte Spitz (Mitglied des Bundesvorstandes Bündnis 90/Die Grünen), Prof. Dr. Ulrich Steinvorth (Philosoph, Universität Bilkent), Dr. Antje Tönnis (GLS Treuhand), Barbara Unmüssig (Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung)
Das Thesenpapier entstand in kollektiver Autorenschaft im Rahmen des Interdisziplinären Politischen Salons der Heinrich-Böll-Stiftung »Zeit für Allmende« 2008/2009.
Dieses Werk wird unter den Bedingungen der »Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen Deutschland« Lizenz (abgekürzt »CC-BY-SA«) in der Version 3.0 veröffentlicht. Die Vervielfältigung, Verlinkung und schöpferische Fortentwicklung dieses Dokuments ist ausdrücklich erwünscht.
Kontakt: Silke Helfrich, E-Mail: Silke.Helfrich gmx.de
Hab’s endlich gelesen und finde es sehr gelungen. Kaum ein Punkt, an dem man grundsätzlich rummeckern müsste – natürlich wird gelegentlich brav mit dem Wohl der Unternehmen argumentiert, aber warum auch nicht, die brauchen ja tatsächlich auch Gemeingüter. (Auch wenn sie andererseits von Kommodifizierungen profitieren und das der Hauptgrund dafür ist, warum diese betrieben werden. Das steht natürlich nicht drin.)
Der Verweis auf die Sozialbindung des Eigentums im GG verwischt ein bisschen, dass es eben Eigentum ist – und diese Erwähnung in den letzten 60 Jahren grade dazu getaugt hat, das Eigentum als verfassungsrechtlich garantiert zu behaupten. Inhaltlich hat man daraus höchstens mal die progressiven Steuersätze abgeleitet – aber ohne die hätte der starke Staat vermutlich eh zu wenig Geld, weshalb es sie auch nach Jahrzehnten Neoliberalismus noch gibt …
Diese kleinen Schwächen sind aber kaum störend, weil man merkt, dass es als politisches Positionspapier auch Konsensergebnis ist (und man dementsprechend auch ein bisschen zwischen den Zeilen liest). Für einen solchen Konsens, der über den das übliche kapitalismuskritische Milieu weit hinausreicht, scheint mir das Ergebnis sehr erfreulich zu sein.
@Martin: Ja, explizit kapitalismuskritisch ist das Manifest natürlich nicht, das hätte den Vorstellungen der meisten Unterzeichnenden auch nicht entsprochen. Tatsächlich fand ich es interessant, in wie vielen Punkten man mit Leuten aus ganz anderen politischen Spektren (da waren ja durchaus auch Liberale und Konservative dabei) einen recht weitgehenden Konsens erzielen konnte. Das Thema Gemeingüter scheint doch bemerkenswert anschlussfähig zu sein.
Was einzelne Begriffe und Argumentationsmuster betrifft, wird man sich natürlich nie so ganz einig werden, z.B. streite ich mich mit Silke auch über den Begriff „Gerechtigkeit“, der auch von den Piraten kritisiert wird.
Aber das ist auch gut so, sonst wär das Leben ja langweilig 🙂