Request for Comments: Die Peer-Ökonomie
Der große Text, an dem ich das letzte Dreivierteljahr gearbeitet habe, ist fertig. Es geht um die Frage nach dem Potenzial der peer production – der Art und Weise wie Freie Software und Freie Inhalte produziert werden. Wir wissen, dass diese neue Produktionsweise von großer Bedeutung ist, wenn es um Software und Inhalte geht – Erfolgsgeschichten wie die von GNU/Linux, Apache oder der Wikipedia sprechen hier eine deutliche Sprache. Aber ist diese Produktionsweise nur für Informationsgüter relevant? Oder hat sie das Potenzial für mehr, möglicherweise für eine Umwälzung der gesamten gesellschaftlichen Produktion?
Die Ergebnisse meiner Überlegungen liegen jetzt unter dem Titel „From Exchange to Contributions: Generalizing Peer Production into the Physical World“ vor. Gedacht war das Ganze als längerer Artikel, aber aufgrund der Komplexität des Themas ist schließlich ein kleines Buch draus geworden!
Hier der Ankündigungstext:
A new mode of production has emerged in the areas of software and content production. This mode, which is based on sharing and cooperation, has spawned whole mature operating systems such as GNU/Linux as well as innumerable other free software applications; giant knowledge bases such as the Wikipedia; a large free culture movement; and a new, wholly decentralized medium for spreading, analyzing and discussing news and knowledge, the so-called blogosphere.
So far, this new mode of production—peer production—has been limited to certain niches of production, such as information goods. This book discusses whether this limitation is necessary or whether the potential of peer production extends farther. In other words: Is a society possible in which peer production is the primary mode of production? If so, how could such a society be organized?
Is a society possible where production is driven by demand and not by profit? Where there is no need to sell anything and hence no unemployment? Where competition is more a game than a struggle for survival? Where there is no distinction between people with capital and those without? A society where it would be silly to keep your ideas and knowledge secret instead of sharing them; and where scarcity is no longer a precondition of economic success, but a problem to be worked around?
It is, and this book describes how.
Den kompletten Text des Buches kann man als PDF herunterladen (125 155 Seiten). Eine verkleinerte 2-up Version (je 2 Seiten auf einer, 62 77 Seiten) gibt es auch. Der Text darf gemäß den Bedingungen der Creative Commons NonCommercial-ShareAlike-Lizenz weitergegeben und bearbeitet werden.
Die Taschenbuchausgabe des Textes soll in einigen Tagen erscheinen und wird 9 9,50 Euro kosten – empfehlenswert für alle, die ihre Augen oder ihren Drucker schonen oder mir einfach etwas Gutes tun wollen. 🙂
Aber auch bis dahin freue ich mich schon über Feedback, Kritik und inspirierte Diskussionen. Wenn mein Buch zum Nachdenken darüber führt, dass eine postkapitalistische Ökonomie längst mehr nicht so utopisch ist, wie es vielleicht scheint, dann hat es sein Ziel erreicht.
Wird eine Zeitlang dauern bis ich das Ding verdauen kann, in der Zwischenzeit ein kleiner link zum Thema:
http://blog.p2pfoundation.net/from-the-stadiality-of-capitalism-to-the-stadiality-of-peer-to-peer/2007/09/23
Immerhin sind wir jetzt von der unsäglichen „GPL-Society“ weg 😉
Noch was: vielleicht kannst Du auch beschreiben wie das Buch zu bestellen ist. Hat es eine ISBN Nummer etc.? Wie funktioniert das? Wer liefert aus? Wie lange dauert das? Es gibt noch nicht allzuviele Freie Bücher. Wäre auch gut einbe Klarstellung was Bearbeitungen betrifft. Darf man Bearbeitungen wiederum als Freie Bücher verkaufen oder ist das schon wieder „kommerzieller“ Gebrauch??
Einen ersten Kommentar zum Thema Grundauskommen und Peer-Economy habe ich schon vor einiger Zeit als Christian mir eine Vorabversion geschickt hatte mal hierhin gestellt: http://aymargeddon.de/laboratorium/index.php/Peer-Economy_und_Grundauskommen
@Franz: das Buch ist gerade im Prozess der Drucklegung – sobald man es kaufen kann (im Lauf der nächsten 1 bis max. 2 Wochen, wenn nichts schief geht) sage ich nochmal Bescheid. Es sollte dann über Online-Buchhändler wie Amazon und direkt über die Peerconomy-Website verfügbar sein.
NonCommercial schließt Aktivitäten aus, die primär kommerziellen Zielen dienen (siehe Lizenz). Verkauf zum Selbstkostenpreis von Bearbeitungen sollte also unproblematisch sein, wenn dagegen ein normaler kommerzieller Verlag es drucken will braucht er meine Erlaubnis.
ISBN-Nummer ist 978-3-940736-00-0 – ich habe selbst ein Gewerbe als Verleger angemeldet, um Bücher verlegen und ISBN-Nummern beantragen zu können, da ich das Buch schnell veröffentlichen wollte, ohne auf den langwierigen Reviewing-Prozess bei herkömmlichen Verlagen warten zu wollen. Außerdem wollte ich das Buch auch unter einer freien Lizenz online stellen, womit sich andere Verlage wohl schwer getan hätten. Der Druck erfolgt „on-demand“ über Lightning Source.
Ist auch eine ganz neue Erfahrung für mich, muss mal sehen wie’s läuft. Sobald das Buch verfügbar ist, werde ich auch mal noch genauer darüber schreiben wie das mit dem Verlegen freier Bücher ist.
Jedenfalls bin ich jetzt Verleger und habe auch noch 99 bezahlte ISBN-Nummern übrig, die genutzt werden wollen – wer also interessante Buchprojekte hat, kann mich gerne kontaktieren 🙂
@Christian: Gratulation! Ich halte das beschriebene Konzept für einen bedeutenden Beitrag, der die Diskussion und vielleicht auch Praxis einer Gesellschaft jenseits von Markt und Staat voranbringen kann. — Inhaltlich meckern tue ich ein anderes Mal;-)
Nur das schon jetzt: Als Lizenz ist CC-BY-SA (Copyleft) doch prima, warum NC (non-commercial) als zusätzliche Forderung? Das erschwert die Verbreitung des Textes. Auch der „Verkauf zum Selbstkostenpreis“ verstößt im Übrigen gegen NC und würde eine separate Erlaubnis deinerseits erforderlich machen.
Wenn es dir darum geht, deine Kosten rein zu bekommen, dann glaube ich, brauchst du dir keine Sorgen zu machen: 9 Euro ist ziemlich günstig. Aber cool wäre doch, wenn Heise oder O’Reilly oder Springer oder sonstwer das Buch nachdruckt und verkauft — in tausendfach höherer Auflage, aber unter Beibehalt des Copyleft. Das wäre auch eine Werbung für deine 9-Euro-Ausgabe.
Was wir IMHO brauchen, ist eine deutschsprachige Übersetzung. Auch hier steht NC im Wege. Entweder wir schaffen einen Community-Prozess oder es wird eben jemand bezahlt, der es übersetzt. Am besten können das Verlage. Oder du machst es selbst (das zu organisieren), aber ich weiss nicht, ob das dein Ziel ist.
Ah, ich habe gesehen, dass peerconomy.org jetzt online ist.
@Stefan: Danke 🙂
Was die Lizenz betrifft, sehe ich nicht wieso die die Verbreitung erschweren könnte. Das Buch wird „on-demand“ gedruckt, die Höhe der Auflage richtet sich also nach der Nachfrage – ob Lightning Source druckt oder ein anderer Verlag, spielt dabei gar keine Rolle. Natürlich könnte ein großer Verlag das Buch ggf. besser vermarkten, aber wenn ein professioneller Verlag daran Interesse hat, wird er das mit Sicherheit nicht „einfach so“ tun, sondern nur in Abstimmung mit dem Autor – und einer solchen Abstimmung steht ja nichts entgegen 🙂
Und es geht ja nicht nur um „Kosten reinkriegen“, sondern idealerweise auch um Einnahmen. Ich will mit der „Peer Economy“ nicht reich werden (wenn sie denn kommt, könnte ich mit Reichtum ja eh nichts mehr anfangen 😉 ), aber es ist doch ausgesprochen mühsam, meine Aktivitäten in diesem Bereich mit meiner normalen (schon auf halbtags beschränkten) Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen – aber ohne Geld kann heutzutage auch ich nicht überleben 🙁 . Wenn der Verkauf des Buches mir ermöglichen würde, weniger nebenbei arbeiten zu müssen, wäre das eine gute Sache.
Wie kommen wir zu einer deutschen Übersetzung? Wir können versuchen, einen Verlag zu finden der sich dafür interessiert (da fallen mir schon einige ein, wenn auch eher die kleineren linken als die großen Mainstream-Verlage). Der wird sich dann aber nicht durch die NonCommercial-Klausel abschrecken lassen (die für ihn ja nicht gilt), sondern dadurch dass das Buch (und nach Möglichkeit ja auch die von ihm bezahlte deutsche Übersetzung) frei im Internet zugänglich sein sollen. Klappen könnte es trotzdem, aber in jedem Fall wird es relativ lang dauern, bevor man weiß ob das was wird und v.a. bevor die Übersetzung dann auch da ist.
Alternativ habe ich schon von einigen Leuten gehört, dass sie an einer Übersetzung Interesse hätten und auch bereit wären, selbst dazu beizutragen 🙂 – könnte mir vorstellen, dass das der schnellere und flexiblere Weg ist. Als Koordinationspunkt bietet sich das Peerconomy-Wiki an – werd‘ dort demnächst was dazu schreiben.
hab das mal in unserem NOW projekt gepostet. https://www.xing.com/app/forum?op=showarticles;wsa=966719.8d7a8d;id=5980922
(schätze, ihr könnt das nur lesen wenn ihr xing mitglied seit.)
bin gespannt aufs buch. Mal sehn wann ich dazukomme
lg flo
Hallo Freunde,
die Frage, is a society possible, in which peer-production is the primary mode of production ? If so, how could such a society be organized – möchte ich folgendermaßen beantworten:
Es werden ja heute schon Produkte in peer-produktion hergestellt ! Die großen Firmen sind auf die Ideenvielfalt und die Innovationskraft der Kunden und Peer-Gruppen angewiesen. Die Gefahr droht nicht mehr von den ehemaligen Konkurenz-Konzernen -der Druck kommt von der Basis. Bürokratische, hierarchisch organisierte Firmen werden im globalen Wettbewerb nicht bestehen können. Sie kommen heute schon nicht mehr ohne die Kooperation mit den schnellen, flexiblen, kleinen Einheiten aus. Die Liste der Firmen, die auf ihren Websites sogar Kunden auffordern, sich an der Entwicklung und Produktion zu beteiligen, wird ständig länger.
MfG Horst Bressem
@Horst: Das was Du beschreibst ist etwas anderes (Crowdsourcing: das Auslagern des kreativen Prozesses). Bei Christians Modell geht es explizit um die komplette Fertigung von Gebrauchsgütern. Gibt es dafür neben der Produktion Freier Software auch andere Beispiele ?
Ein Besprechung von mir ist den den »Streifzügen« erschienen, online diskutierbar hier: http://www.opentheory.org/immaterial_world_11/text.phtml