LinuxTag ohne Gesellschaft
Ende dieses Monats findet wieder der jährliche LinuxTag statt, diesmal in Berlin (30. Mai bis 2. Juni, Messegelände unterm Funkturm). Das gesellschaftliche Potential von Freier Software bzw. von Peer-Produktion ist in dem Vortragsprogramm allerdings kein Thema, soweit ich das sehe.
In eine gesellschaftlich relevante (aber nicht gesellschaftskritische) Richtung geht gerade mal ein Vortrag, in dem es um die Überwindung der Digital Divide geht: 90,000 Installations of gnuLinEx in Extremadura:
Extremadura is a region located in the west of Spain with over a million inhabitants and apart from services, farming is the second sector employing workers. Extremadura is also the poorest region of Spain with an unemployment rate of 16%. In 1997 we started working on the Regional Strategy of Information Society of Extremadura (Infodex European Project) and in 1998 the President of Extremadura proposed strategy for the regional development model taking advantage of the possibilities offered by the New Information and Communication Technologies. […] To be able to achieve those purposes we needed adaptability, economy, feasibility, security and universal access of citizens to the tools. That is the reason why we chose a free software based operating system called gnuLinEx.
Und für Projekt-Involvierte und -Interessierte gibt es ein informelles Meeting des Oekonux-Projekts, in dem es um die Zukunft dieses seit längerem eher stagnierenden Projekts gehen soll.
Und das scheint’s auch schon gewesen zu sein. Naja, ansonsten gibt’s noch einen „Ja toll mit Open Source kann man Geld verdienen“-Vortrag. Und einen Vortrag, in dem ein Verleger die Bedeutung der Verleger/Publisher verteidigen will — wohl vor allem mit dem Hintergedanken, dass das mit dem Copyright schon in Ordnung ist.
Tja, rein innerkapitalistisch gesehen ist das ja auch alles richtig, aber mal ein bisschen weiterdenken wär ja auch nicht verkehrt. Aber das wird wohl anderswo stattfinden müssen…
Schade drum. Oder sieht jemand interessante einschlägige Veranstaltungen, die mir entgangen sind?
Das stimmt, ich habe auch nichts weiter in die Richtung gesehen. Vorbei sind die Zeiten, als die Stallmans dieser Welt gesellschaftliche Aspekte in den LinuxTag trugen. Da müssen wir wohl selber mal wieder hin.
Das Oekonux-Treffen ist hingegen im „offiziellen“ Programm, aber nahezu unfindbar: http://www.linuxtag.org/2007/en/conf/events/vortragsliste/details.html?talkid=239
http://www.heise.de/newsticker/meldung/89486/from/rss09
Seitens der Tagunsorganisation ist der Linuxtag 2007 unter die Schirmherrschaft von Bundesinnenminister Wolfgang („Stasi“) Schäuble gestellt worden. Was soll mensch dazu noch sagen?
Das hat mittlerweile auch Slashdot erreicht mit der Meldung eines angeblichen Boycotts von der “ German Linux Community“.
Von einem Boykott-Aufruf weiß ich nichts. Vermutlich eher ein privater Spontanboykott — dass manche, die vielleicht schon am Schwanken waren, jetzt die Lust verloren haben, zum Linuxtag zu kommen, glaube ich gern.
Und die Slashdot-Kommentatoren scheinen nicht kapiert zu haben, dass es bei Protesten und evt. Boykott ja nicht um ein Signal an Schäuble, sondern an die Kongressorganisator/innen geht. Dass letztere dem Linuxtag mit ihrer seltsamen Aktion einen Gefallen getan haben, kann man jedenfalls bezweifeln…
Stefan Merten hat seine Notizen zu dem „Future of Oekonux“-Treffen online gestellt.