Schlagwort: kritische psychologie

Ferienuni Kritische Psychologie

Vom 24. bis 28. August findet an der FU Berlin die 7. Ferienuniversität Kritische Psychologie statt. Warum ist das eine Meldung wert? Weil die Kritische Psychologie die weithin klügste Theorie zum gesellschaftlichen Individuum bereitstellt. Sie nennt sich selbst auch Subjektwissenschaft und streitet strikt für den Standpunkt des jeweils individuellen Menschen. Sie ist also keine »Wissenschaft über Menschen« vom Außenstandpunkt, sondern »Wissenschaft für Menschen« vom Individual-Standpunkt. Oder mit anderen Worten: Sie ist eine Peer-Psychologie. Nicht zuletzt die »Keimform-These« und der Begriff der »Selbstentfaltung« sind Umsetzungen aus der Kritischen Psychologie.

Eine Übersicht über das volle Programm an fünf Thementagen gibt es unter ferienuni.de/programm-alle-tage/.

Kritische Psychologie

Die Kritische Psychologie ist unverzichtbar, wenn es um einen Begriff vom gesellschaftlichen Menschen geht. Das ist die Kernaussage der aktuellen Kolumne »Immaterial World« in den Wiener »Streifzügen« mit dem Schwerpunktthema »Freundschaft«.

Einen qualifizierten Begriff vom gesellschaftlichen Menschen benötigen wir vor allem in den neuen Debatten um die Commons. Immer wieder taucht dort nämlich die Frage auf, warum denn Menschen erfolgreich ihr Commoning, die soziale Praxis rund um die Commons, hinbekommen. Elinor Ostrom hat das zwar empirisch nachgewiesen, aber gleichzeitig nicht mit dem homo oeconomicus der klassischen Wirtschaftstheorie gebrochen. Hier liefert die Kritische Psychologie Antworten, die für eine emanzipatorische Praxis hilfreich sein können.

P.S. Vom 24. bis 28. August 2010 findet an der FU Berlin die 7. Ferienuniversität Kritische Psychologie statt.

Klaus Holzkamp

Klaus Holzkamp…wäre heute 80 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass gibt es heute in der »jungen Welt« eine Würdigung von Morus Markard, einer der letzten institutionell abgesicherten Kritischen Psychologen.

Ich persönlich hatte das intellektuelle Vergnügen, Klaus Holzkamp als Zweitgutachter für eine Diplomarbeit (über Neuronale Netze zusammen mit einer Kollegin) im Fach Informatik zu haben. Er war stets ungeheuer interessiert daran, wie die Debatten in der Informatik laufen, gab es doch seinerzeit erhebliche Überschneidungen von informatischem Kognitivismus und der dominanten kognitiven Psychologie.

Eine zentrale Inspirationsquelle war und ist für mich Holzkamps Hauptwerk »Grundlegung der Psychologie«, ein Buch, in dem ich immer wieder etwas Neues entdecken kann — je nach dem, was gerade meine Fragen an die Welt sind. In der frühen Oekonux-Zeit war es die methodische Verallgemeinerung aus der Untersuchung der Psycho-Phylogenese, also der Herausbildung des Psychischen in der Evolution, die ich — unter Protest von manchem Insider — auf die Geschichte übertrug. Dieses dann von mir so genannte »Fünfschrittmodell« enthält den Begriff der »Keimform« und ist damit eine Quelle des »Keimform-Denkens«, aber keinesfalls die einzige.

Kritische Psychologie an der FU Berlin vor dem Aus

Morus Markard ist der letzte Professor, der an der Freien Universität (FU) Berlin Lehrveranstaltungen zur Kritischen Psychologie anbietet — und auch das nur per Lehrauftrag, der jedes Semester neu vergeben werden muss. Damit sollte nun nach dem Willen der FU Schluss sein. Begründung: Die FU müsse sich auf die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge vorbereiten. Durch eine Protestaktion konnten die Studierenden dafür sorgen, dass Markard den Lehrauftrag noch mal bekam.

Doch die Studierenden machen sich keine Illusionen. Nora Kiefer schreibt in der jungen Welt:

Den Erfolg der Proteste an der FU Berlin und die Bewilligung von Markards Lehrauftrag als einen Sieg zu bezeichnen, wäre weit gefehlt. Aber die Studierenden haben ein kleines Zeichen gesetzt, daß sich Betroffene wehren können, daß es noch Alternativen gibt und daß sie genutzt werden können.

Keimformdenken braucht die Kritische Psychologie. Man muss nicht völlig mit ihr übereinstimmen, aber die theoretischen Grundlegungen zur Handlungsfähigkeit und Selbstentfaltung sind unverzichtbar.

Die kritische Potenz kann sich jedoch nur unzureichend entfalten, wenn Kritische Psychologie nur als akademische Lehre und Forschung verstanden wird, die auf ein normales Berufsleben vorbereiten soll. Spätestens jetzt ist klar, dass die Kritische Psychologie nur außerhalb der Universitäten überleben kann. Dafür müsste jedoch auch aus der Universität heraus etwas getan werden.

Sein und Haben — Thesen zur Warenkritik

Die Zukunftswerkstatt Jena hat eine Broschüre zur Kritik der Warengesellschaft online gebracht. Die Autorinnen und Autoren zeigen in einem methodisch und historisch sehr grundlegendem Aufriss, dass die Menschheit an eine Grenze der Reproduktion ihrer Gattung gelangt ist und sich bei einem „weiter so“ in ihrer Existenz selbst gefährdet. Als Ursache wird die Verselbstständigung der Warenproduktion gegenüber den Bedürfnissen der Menschen angesehen.

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