Communen in der Genossenschaftsgesellschaft

(Voriger Artikel: Die Genossenschaftsgesellschaft)

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In jeder Gesellschaft werden Kosten (z.B. die zu erledigenden Tätigkeiten) und Nutzen (z.B. die hergestellten Güter) auf irgendeine Weise aufgeteilt. Die Prinzipien, nach denen das passiert, sind eins der Merkmale, anhand derer sich verschiedene Gesellschaften unterscheiden lassen. Genossenschaften sorgen intern für eine Aufteilung, die normalerweise deutlich fairer und egalitärer sein dürfte als alles, was wir im Kapitalismus sehen, weil alle ihre Mitglieder gleichberechtigt sind und gleiche Mitentscheidungsrechte haben. Allerdings gilt das nur dann, wenn alle Genoss*innen (Mitglieder der Genossenschaft) sich auch außerhalb der Genossenschaft in einer ähnlichen Situation wiederfinden würden.

Ist eine Kooperative für einige Mitglieder essenziell, für andere hingegen mehr oder weniger entbehrlich, dann würde der formalen demokratischen Gleichheit der Genoss*innen eine sachliche Ungleichheit gegenüberstehen, die ein klares Erpressungspotenzial bietet. Die auf die Kooperative Angewiesenen könnten gezwungen sein, sich auf für sie äußerst ungünstige Bedingungen einzulassen, solange die Alternativen – sie scheiden aus der Genossenschaft aus oder diese löst sich auf – für sie noch schlimmer wären. Wenn andere hingegen wissen, dass sie bei Bedarf zu einer anderen Kooperative wechseln können, könnten sie für sich deutliche Vorteile heraushandeln, die ihnen die anderen Genoss*innen – die sich nicht in dieser komfortablen Position befinden – wahrscheinlich einräumen müssten.

Anforderungen an freie Kooperationsverhältnisse

Christoph Spehr hat deshalb festgestellt, dass ein Kooperationszusammenhang nur dann frei ist, wenn es allen Beteiligten nicht nur frei steht, den Zusammenhang zu verlassen (das ist bei Genossenschaften grundsätzlich immer der Fall), sondern sie dies auch „zu einem vergleichbaren und vertretbaren Preis tun können.“ Nur wenn es „für die einen nicht wesentlich schlimmer [ist], die Kooperation zu verlassen oder sie scheitern zu lassen, als für die anderen“, ist diese Bedingung erfüllt (Spehr 2003, 44) – und nur dann dürfte die formale demokratische Gleichheit zu Regelungen führen, die von allen Beteiligten als egalitär und fair empfunden werden.

Dass die Zusammenarbeit innerhalb einer Genossenschaft zufriedenstellend funktioniert, setzt somit Bedingungen außerhalb der Genossenschaft voraus, die diese selbst prinzipiell nicht herstellen kann. Eine Produktivgenossenschaft (PG) kann logischerweise nicht dafür sorgen, dass alle ihre Ex-Mitglieder eine andere PG finden, die sie zu fairen und vergleichbaren Bedingungen aufnimmt; für andere Arten von Kooperativen (z.B. Wohnungsgenossenschaften) gilt dasselbe.

Auch sonst können einzelne Kooperativen wenig Einfluss auf die Situation außerhalb der Kooperative nehmen. Finden Menschen, die neu in eine bestimmte Region ziehen oder junge Erwachsene, die zuvor nicht gearbeitet haben, eine PG, die bereit ist sie aufzunehmen? Und was ist mit Menschen, die nirgendwo mitarbeiten können, etwa weil sie zu jung, zu alt oder zu krank sind? Zwar könnten PGs gewisse Sozialleistungen für Genoss*innen, die erkranken oder ein bestimmtes Alter überschreiten finanzieren, und ebenso für die heranwachsenden Kinder von Genoss*innen. Allerdings sind solchen einzelgenossenschaftlichen Sozialleistungen enge Grenzen gesetzt dadurch, dass Genossenschaften am Markt agieren und dass Kund*innen – sofern sie nicht bemerkenswert idealistisch sind – PGs mit geringeren Sozialleistungen bevorzugen dürften, weil das für sie niedrigere Preise bedeutet.

Umfassende Sozialleistungen und die Herstellung ähnlicher äußerer Rahmenbedingungen – die es allen ermöglichen, bei Bedarf „zu einem vergleichbaren und vertretbaren Preis“ aus Kooperativen auszuscheiden – können daher nicht von den Kooperativen selbst herstellt werden. Und auch nicht von freiwilligen Zusammenschlüssen von Kooperativen (Kooperativen höher Ordnung), da für diese dasselbe gilt wie für einzelne PGs – da sie am Markt agieren, wäre es für Kund*innen immer günstiger, zu außerhalb von solchen freiwilligen Zusammenschlüssen hergestellten Produkten zu greifen.

Communen (wie einst in Paris)

Um selbst zu freien Kooperationszusammenhängen zu werden, brauchen Genossenschaften deshalb eine andere Instanz, die sie selbst nicht herstellen können. Eine Instanz, die alle in einer bestimmten Gegend lebenden Menschen vertritt und Regeln durchsetzen kann, der für alle dort lebenden Menschen und für alle dort aktiven Organisationen (Genossenschaften etc.) gelten, so dass sich ihnen einzelne Individuen und Organisationen nicht einfach nach eigenem Gutdünken entziehen können. Ich werden diese Instanzen Communen nennen, nach dem Vorbild der Pariser Kommune (franz. Commune de Paris), die für die Debatte um postkapitalistische Möglichkeiten wichtige Erfahrungen und Inspirationen geliefert hat.

Communen sind nicht mit den heutigen Gemeinden oder Kommunen zu verwechseln (deshalb das C am Anfang) – zum einen sind sie keinem Staat untergeordnet, zum anderen dürften sie deutlich größer sein. Gemeinden in Deutschland haben im Schnitt etwa 1700 Einwohner*innen; Communen könnten hingegen durchaus eine Größe von fünf Millionen Bewohnern erreichen (die Pariser Kommune hatte zwei Millionen) und auch eine kleine Commune sollte vermutlich mindestens 50.000 Einwohner*innen haben, um ihren (gleich zu diskutierenden) Aufgaben gerecht werden zu können. (Schaut man nach heutigen politischen Einheiten vergleichbarer Größenordnung, entsprechen den Communen in Deutschland eher die Landkreise sowie kreisfreien Städten, in Österreich die Länder.) Erst recht nicht sind sie mit Kommunen als Lebensgemeinschaften (engl. intentional communities) wie Niederkaufungen und Twin Oaks zu verwechseln – in der Logik der Genossenschaftsgesellschaft sind solche intentionalen Gemeinschaften eher eine Spielart der Wohnungsgenossenschaft mit besonders engem Zusammenleben und gemeinsamer Ökonomie.

Ebenso wenig sind Communen Staaten im heutigen Sinne. Zwar sind sie wie Staaten für ein bestimmtes Gebiet (Territorium) und alle dort lebenden Menschen zuständig. Im Gegensatz zu Staaten haben sie jedoch kein Recht, zu entscheiden, wer in ihr Gebiet ziehen oder aus ihm wegziehen darf. Darin ähneln sie wiederum heutigen Gemeinden oder Bundesländern/Gliedstaaten, denen dieses Recht ebenfalls fehlt. Da sie jedoch auch kein untergeordneter Teil von Staaten sind, die Zuzugsmöglichkeiten kontrollieren und begrenzen dürfen, gilt in einer in Form von Communen strukturierten Genossenschaftsgesellschaft weltweite Freizügigkeit für alle Menschen – jede Person kann in jede Commune ihrer Wahl ziehen, ohne dass die Commune ihr das verwehren könnte.

Ebenso wie Genossenschaften sind Communen intern demokratisch strukturiert. Wer im Gebiet einer Commune lebt (egal ob von Geburt an oder als Zugezogene*r), ist Communemitglied und alle die Commune betreffenden Fragen werden von den Communemitgliedern demokratisch beschlossen. Wiederum im Gegensatz zu Staaten gibt es also keinen Unterschied zwischen Staatsbürger*innen und denjenigen, die lediglich ein befristetes oder unbefristetes Aufenthaltsrecht haben.

Aufgaben von Communen

Wie schon gesagt, müssen Communen diejenigen Aufgaben lösen, die einzelne Genossenschaften sowie freiwillige Zusammenschlüsse von Genossenschaften nicht lösen können. Dazu gehören Strukturen, die sicherstellen, dass alle zu einem vergleichbaren Preis aus Kooperativen ausscheiden können statt von anderen Genoss*innen erpressbar zu sein; dazu gehört auch die Bereitstellung umfassender Sozialleistungen gemäß den Entscheidungen und Wünschen der Communemitglieder.

Da auch in der Genossenschaftsgesellschaft vieles geldvermittelt erfolgen dürfte, müssen Communen zunächst sicherstellen, dass dieser Vermittlungsmodus keines ihrer Mitglieder vor essenzielle Nöte stellt. Sie müssen also die finanzielle Teilhabe aller ihrer Mitglieder sichern. In der Genossenschaftsgesellschaft dürfte es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten geben, an Geld zu kommen: durch die Mitarbeit in Produktivgenossenschaften, d.h. durch Arbeit, und durch Umverteilung innerhalb von Communen.

Communen entscheiden zunächst demokratisch, welche ihrer Mitglieder als arbeitsfähig gelten und welche von vornherein freigestellt sind. In manchen Fällen ist eine Freistellung offensichtlich zwingend – Babys und Schwerkranke etwa können klarerweise nicht arbeitet. In anderen Fällen handelt es sich um Ermessensfragen, die demokratisch entschieden werden, ohne dass es eine offensichtlich richtige Antwort gibt – ab wann sollen junge Leute mitarbeiten? Aber wann Ältere ihren Lebensabend arbeitsfrei genießen können? Unter welchen Umständen sind Menschen so krank oder behindert, dass keinerlei Mitarbeit von ihnen erwartet wird? Solche Fragen können nur im demokratischen Diskurs der Communemitglieder entscheiden werden.

Eventuell kann eine Freistellung auch nach Selbsteinschätzung durch die Betroffenen selber vorgenommen werden – dann entscheidet jede Person eigenständig, ob sie freigestellt wird oder nicht. Ob eine solche ultraliberale Regelung funktioniert, müsste in der Commune allerdings erprobt werden – sollten sich zu viele Leute ohne guten Grund freistellen, könnte das schnell dazu führen, dass der Rest (der zum Ausgleich entsprechend mehr arbeiten müsste) die Regelung wieder kippt.

Ersatzgehälter und Recht auf Mitarbeit

Wer freigestellt ist, erhält von einer Commune ein Ersatzgehalt, das zum Beispiel 80 Prozent des Netto-Durchschnittsgehalts aller in Vollzeit arbeitenden Communemitglieder betragen könnte – die genaue Höhe wird wiederum demokratisch festgelegt. Auch wer alternativ arbeitet – etwas für andere konkret oder potenziell Nützliches tut, ohne eine bezahlte Stelle in einer Kooperative zu haben – erhält ein Ersatzgehalt in derselben Höhe. Das könnte etwa für Eltern oder andere Bezugspersonen kleiner Kinder gelten, Betreuer*innen von Pflegebedürftigen und Menschen, die eine Ausbildung machen oder studieren. Detailregelungen werden auch hier wieder von den Communemitgliedern demokratisch festgelegt.

Wer keinen Anspruch auf ein Ersatzgehalt hat, hat ein Recht auf eine bezahlte Stelle in einer Kooperative („Recht auf Mitarbeit“), deren Nettogehalt mindestens dem Ersatzgehalt entspricht und deren Konditionen (Arbeitszeit, Urlaubsanspruch u.ä.) mindestens dem mittleren Wert (Median) aller innerhalb der Commune vorhandenen Stellen entsprechen. Zur Verwirklichung dieses Rechts betreibt die Commune ein Arbeitsbüro, das Kooperativen und potenzielle Mitarbeiter*innen zusammenbringt. Solange die Commune einer Person keine passende Stelle anbieten kann, zahlt sie ihr ein Ersatzgehalt in der üblichen Höhe; liegt die Bezahlung der vermittelten Stelle unter dem Ersatzgehalt, erstattet sie die Differenz.

Dass die Commune schlecht bezahlte Stellen auf diese Weise quasi subventionieren muss, könnten Genossenschaften zur Senkung ihrer Produktionskosten ausnutzen – sie könnten manchen (oder allen) ihrer Genoss*innen bewusst niedrigere Gehälter auszahlen im Wissen, dass die Commune diese auf mindestens das Niveau des Ersatzgehalts aufstocken muss. Um das zu verhindern, können Communen einen Mindestlohn festlegen, dessen Höhe bei durchschnittlichen Arbeitskonditionen mindestens dem Ersatzgehalt entspricht, so dass Gehälter, die die Commune aufstocken müsste, gar nicht zulässig sind.

Wer weniger arbeiten will als in der Commune üblich, kann das tun. Das communale Arbeitsbüro vermittelt auch Teilzeitstellen – möchte eine etwa halb arbeiten (50 Prozent), muss die Commune ihr eine passende Teilzeitstelle vermitteln bzw., sofern sie das nicht kann, ihr den entsprechenden Anteil des Ersatzgehalts auszahlen. Lediglich Wünsche nach unpraktisch niedrigen Teilzeitstellen (etwa weniger als 20 Prozent), die die Arbeitsorganisation zu schwierig machen würden, müssen nicht erfüllt werden.

Öffentliche Güter und Steuern

Neben Ersatzgehältern und den Kosten des Arbeitsbüros, das Arbeitssuchende und Genossenschaften zusammenbringt, finanzieren Communen auch bestimmte Infrastruktureinrichtungen und Güter, die sie allen Bewohner*innen kostenlos zur Verfügung stellen („öffentliche Güter“). Welche das sind, wird wiederum demokratisch entschieden. Naheliegend wären etwa Gesundheitswesen und Pflegedienste, Kinder- und Altenbetreuung, Bildung und Ausbildung, Feuerwehr und andere Notdienste, Straßen, Parks und Bibliotheken, Telefonnetz und Internet. Denkbar ist statt einer kompletten Finanzierung durch die Commune (so dass die Nutzer*innen gar nichts mehr zahlen) auch eine Subventionierung (wobei die restlichen Kosten durch die Nutzer*innen gezahlt werden), etwas bei Theatern und anderen Kulturangeboten oder bei Schwimmbädern. Oder die Commune stellt Infrastrukturen bereit, legt die Kosten für deren Benutzung aber komplett oder anteilig gemäß der Nutzungsintensität auf die Nutzer*innen um – etwa bei Wasserversorgung und Abwasser, Müllentsorgung, Stromversorgung und Fernwärmesystem, Post- und Paketdiensten.

Die meisten öffentlichen Güter wird die Commune wohl nicht selbst produzieren, sondern stattdessen verschiedene Produktivgenossenschaften damit beauftragen und dafür bezahlen. Kommt eine PG ihren vertraglich vereinbarten Leistungen nicht zur Zufriedenheit der Commune nach, kann diese den entsprechenden Vertrag kündigen und stattdessen andere PGs beauftragen.

Ersatzgehälter und öffentliche Güter müssen von der Commune bezahlt werden. Zum Teil kann das über Pachterträge und der Verkauf von Ressourcen geschehen, wie noch zu diskutieren sein wird. Sofern dies nicht ausreicht (wovon auszugehen ist), müssen die weiteren anfallenden Kosten aus Steuereinnahmen finanziert werden. Die Commune muss also Steuern erheben, wobei wiederum demokratisch entschieden wird, welche Steuerarten in welcher Höhe erhoben werden. Typische Steuerarten dürften, ähnlich wie heute, etwa Mehrwertsteuer, Lohn- bzw. Einkommensteuer sowie Erbschaft- und Vermögensteuer sein.

Sinnvoll dürfte insbesondere eine stark progressiv ansteigende Einkommensteuer auf alle persönlichen Einnahmen jede*r Bewohner*in sein, wobei in der Genossenschaftsgesellschaft Löhne (Gehälter) den mit Abstand größten Teil aller Einnahmen ausmachen dürften. Stark progressiv heißt dabei, dass der Steuersatz immer größer wird, je mehr eine Person verdient – steigen die persönlichen Einnahmen über den gesellschaftlichen Durchschnitt, verbleibt ein immer kleinerer Teil bei der Person, während ein immer größerer Teil an die Commune abfließt und zur Finanzierung von Ersatzgehältern und öffentlichen Gütern genutzt wird. Einnahmen oberhalb einer bestimmten Grenze (z.B. des Doppelten oder Dreifachen der Durchschnittseinnahmen) könnte die Commune auch komplett als Steuern abführen – das wäre dann eine effektive Obergrenze für private Einnahmen, die niemand überschreiten kann. Ersatzgehälter selbst sind steuerfrei – sonst würde sich die Commune ja nur mit einer Hand einen Teil dessen zurückholen, was sie mit der anderen auszahlt.

Eine stark progressive Einkommensbesteuerung macht insbesondere dann Sinn, wenn ein Teil der Arbeitsfähigen dem Rest die Stellen (und damit Arbeitseinnahmen) wegnimmt. Theoretisch denkbar ist etwa, dass die in der Commune anfallenden Arbeiten für 20 Wochenstunden pro arbeitsfähiger (d.h. nicht freigestellter) Person ausreichen würden. Arbeitet nun aber ein Drittel der Arbeitsfähigen 40 Wochenstunden und ein weiteres Drittel die dem Durchschnitt entsprechenden 20 Wochenstunden, bleibt für das letzte Drittel keine Arbeit mehr übrig – entsprechend viele Ersatzgehälter muss die Commune zahlen, was ihre Ausgaben in die Höhe treibt. Durch eine stark progressive Besteuerung holt sie sich diese Kosten von denen zurück, die sie verursachen, indem sie „zu viel“ arbeiten und damit nicht genügend Arbeitsstellen für andere hinterlassen.

In der Praxis könnte die Commune durch ihre Steuerpolitik dazu beitragen, dass eine solch ungleiche Verteilung erst gar nicht auftritt, da sich „zu viel“ arbeiten dann finanziell kaum noch lohnt und die meisten Menschen auch ein beträchtliches Maß an Freizeit schätzen dürften. In Konsequenz dürften dann auch (fast) alle Arbeitsfähigen eine passende Stelle vermittelt bekommen (ggf. Teilzeit, wenn sie das möchten), so dass die Commune nur wenige Ersatzgehälter an nicht freigestellte Personen bezahlen muss. Da die Steuerpolitik (und die Verteilung von Stellen über das Arbeitsbüro) dazu führt, dass die anfallenden Arbeiten unter allen Arbeitswilligen aufgeteilt werden, dürfte die communal übliche „Vollzeit“ deutlich kürzer sein als die heute üblichen 40 Stunden – eventuell die 20 Stunden aus dem Beispiel, vielleicht auch mehr oder weniger, aber vermutlich kaum über 30 Stunden.

Communen als freie Kooperationszusammenhänge

Ich hatte festgestellt, dass es Communen braucht, weil Genossenschaften und deren Zusammenschlüsse alleine nicht in der Lage sind, freie und faire Kooperationsverhältnisse zu garantieren. Communen können dies, indem sie sicherstellen, dass niemand existenziell auf einzelne Genossenschaften angewiesen ist und dadurch erpressbar ist. Aber können Communen selbst als freie Kooperationszusammenhänge im Sinne Christoph Spehrs gelten, oder braucht es an einer Stelle Unfreiheit, um ansonsten freiheitliche Bedingungen durchzusetzen?

Insbesondere Rechtslibertären („Anarchokapitalist*innen“) könnte es sauer aufstoßen, dass Communen Steuern erheben, die alle Communemitglieder gemäß den demokratisch beschlossenen Regelungen zahlen müssen. Den von Spehr geprägten Grundsätzen freier Kooperation widersprechen Steuern und andere allgemein verbindliche Regelungen jedoch nicht, sofern sie demokratisch beschlossen wurden und im demokratischen Prozess auch jederzeit wieder auf den Prüfstand gestellt und ggf. verändert werden können (Spehr 2003, 44).

Des Weiteren müssen Mitglieder zu „einem vergleichbaren und vertretbaren Preis“ aus der Commune ausscheiden können, sofern sie dies wollen, so dass sie von dieser nicht erpressbar sind. Wenn, wie oben beschrieben, weltweite Freizügigkeit zwischen den unterschiedlichen Communen gilt – jeder Mensch kann in eine Commune der eigenen Wahl ziehen und wird damit Mitglied dieser Commune mit allen Rechten und Pflichten – ist auch diese Bedingung erfüllt. Wegziehen ist natürlich nur ein letztes Mittel, aber im Notfall stünde den Menschen dieses Mittel dann ohne Wenn und Aber zur Verfügung – anders als heute, wo zahlreiche Menschen gern in einen anderen Staat ziehen würden, ohne aber eine legale Möglichkeit zu finden, das zu tun. (Und wenn doch, werden sie nur zu Einwohner*innen zweiter oder dritter Klasse, jedoch nicht sofort zu gleichberechtigten Staatsbürger*innen.)

(Fortsetzung: Eigentumsrechte in der Genossenschaftsgesellschaft)

Literatur

Spehr, Christoph. 2003. Gleicher als andere. Eine Grundlegung der freien Kooperation. Berlin: Karl Dietz. https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Publ-Texte/texte9.pdf.

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