UTOPIKON – Wege in eine geldfreiere Gesellschaft
„Wie stellen wir uns eine zukunftsfähige Wirtschaft von morgen vor?“
Die Utopie-Ökonomie-Konferenz UTOPIKON
Wege und Herausforderungen in eine geldfreiere Gesellschaft
Neben dem dritten Mitmachkongress utopival gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal auch die Utopie-Ökonomie-Konferenz UTOPIKON. 300 Menschen werden sich am 05. November 2016 in der Forum Factory in Berlin inspiriert von fünf Keynotes in 20 Workshops und einem anregenden Rahmenprogramm zu der Frage nach einer zukunftsfähigen Wirtschaft austauschen.
Die Referent*innenliste verspricht einen spannenden Tag, denn zugesagt haben bereits Silke Helfrich, Niko Paech, Friederike Habermann, Uwe Lübbermann, Hanna Poddig, Gerrit von Jorck, Christian Siefkes und viele weitere.
‚Ökonomie‘ kommt von ‚Oikos‘ – Hausgemeinschaft, die Teilhabe aller. Die aktuelle wirtschaftliche Situation lässt jedoch nicht teilhaben, sie separiert eher.
„Wie können wir solidarisch wirtschaften? Wie sehen Alternativen für eine zukunftsfähige Ökonomie aus? Wie möchten wir leben? Welche Wege führen zu einer geldfreieren Gesellschaft und welche Herausforderungen stehen dem entgehen?“ Diese Fragen treiben mich als einen der Initiator*innen der Konferenz um.
Die UTOPIKON möchte dabei Alternativen aufzeigen, Inspiration geben und Austausch ermöglichen.
Die Utopie-Ökonomie-Konferenz wird vom Projekt- und Aktionsnetzwerk living utopia verwirklicht. Die Besonderheit daran: Die UTOPIKON wird wie alle Aktivitäten vom Netzwerk nicht nur vegan, ökologisch und solidarisch gestaltet, sondern vor allem auch geldfrei. „Kein Cent fließt direkt. Die UTOPIKON lebt von der Solidarität und dem Tatendrang aller Mitwirkenden“, sagt Mitorganisatorin Pia Damm. Ein Prinzip fern von Leistung und Gegenleistung, das von der Referent*innentätigkeit über das Konferenzzentrum bis hin zum Essen greift. Damit ist die UTOPIKON selbst ein gesellschaftliches Experiment, mit welchem andere Formen des Wirtschaftens – außerhalb von Tausch- und Verwertungslogik – lebendig und erlebbar werden.
Mehr Infos gibt es unter: UTOPIKON.de oder auch livingutopia.org
Liebe freunde,
ich will jetzt nicht zu sehr in die details gehen. Die frage „Wie möchten wir leben?“ ist die grundfrage und schon deshalb ist euer treffen bitter notwendig.
Aber meine frage an Tobias. Warum „geldfreiere Gesellschaft“ und nicht „geldfreie Gesellschaft“? Diese 2 buchstaben veraendern voellig das thema.
Wenn wir ueber unsere ziele sprechen, dann sollten wir da keine kompromisse machen. Nicht schon am anfang sich vor der konsequenz fuerchten. Oder ihr habt dieses ziel nicht? Dann ist auch dieses treffen, wie so viele andere, nutzlos. Treffen koennt ihr euch auch anderweitig.
mit lieben gruessen, willi
St. Elena de Uarien, Venezuela
Lieber Willi,
besten Dank Dir für Dein Kommentar und Deine Frage.
Auch wir streben eine geldfreie Gesellschaft an.
Allerdings ist es aus unserer Sicht ein Prozess, in dem wir zunächst geldfreier werden und daraus neue Perspektiven entwickeln sowie Erfahrungen machen, um dann immer weiter auf diesem Weg zu gehen.
Normalerweise verwenden wir auch gerne die Schreibweise „geldfrei.er“, wenngleich diese das ein oder andere Mal schon verwirrt hat…
Hoffe, dass es mit dieser kurzen Erklärung verständlicher ist.
Alles Liebe aus Mainz,
tobi
Aufgrund unüberbrückbarer Unterschiede im Menschenbild zwischen den Organisator_innen und mir musste ich meine Teilnahme an der Utopikon leider absagen. Zur Begründung dokumentiere ich hier die relevanten Auszüge aus unserem Mailwechsel:
Aus der Antwort von Pia:
Aus meiner Antwort:
Aus der Antwort von Pia:
Aus meiner Antwort:
Ohne diese Debatte hier weiter vertiefen zu wollen, möchte ich noch auf Speziesismus: Kontroversen verweisen. Bei Menschen, die sich explizit als Antispeziesist_innen verstehen und damit den Menschen nur zu einem Tier unter ganz, ganz vielen Tieren erklären, dessen Status sich in keiner Weise von dem der vielen anderen Tierarten unterscheidet, ist für mich die Grenze einer möglichen Zusammenarbeit überschritten.
ein mich nachdenklich machendes Protokoll einer nicht gelungenen Kommunikation – aber ich sehe natürlich ein, dass Kommunikation sehr aufwendig ist, kurzfristig immer aufwendiger als Ab- und Ausgrenzungen.
Eine Kommunikation, die sich aufdrängen würde, wäre hier eine Kommunikation über Gleichberechtigung jenseits davon, ob Tiere mitgemeint sein könnten. Mir scheint offensichtlich, dass hier ganz verschiedene Vorstellungen – unausgesprochen – im Spiel sind. Und ja es ist einfacher, das Gespräch zu beenden, als über die verschiedenen Vorstellungen nachzudenken. Darin sehe ich den Hauptgrund dafür, dass Utopien Utopien bleiben.
Die erste Utopie wäre in diesem Sinne, Menschen die im Dialog bleiben
Interessant, da viele solche Textbausteine wie „Veganismus verstehen wir als Utopie“ usw. einfach überlesen … Die Vorstellung, dass Menschen „in einer zukünftigen Gesellschaft“ dann zu ausschließlich veganer Kost gezwungen werden sollen – oh je!
Da ist es in der Tat besser, wenn solche „Utopien Utopien bleiben“. Und wie Siefkes ja zu Recht schreibt, gibt es Grenzen bei einer möglichen Zusammenarbeit.
@günter: „Veganismus verstehen wir als Utopie“. Das könnte man auch wörtlich übersetzen in „Veganismus verstehen wir als Nicht-Ort“ – und prompt bekommt es eine andere Konnotation. Ich hätte es so interpretiert: „für gut befinden“, „daher darauf hinarbeiten“ und dafür stehen: „je mehr Veganer/innen desto besser“ … und da ist globalisierungs- und klimatechnisch gesehen eine ganze Menge dran.
Also wäre ich, @christiansiefkes für: Bälle flachhalten, hingehen, im Dialog bleiben, wie Rolf schon sagte. Was für ein Commoni(kationi)smus ist das denn, in dem man nicht mal mehr mit Menschen redet, die für geldfreieres Leben und Veganismus streiten?
Ich kann Christians Absage nachvollziehen, wobei ich das mit dem Veganismus auch eher lockerer interpretieren würde (wie Silke), aber beim Anti/Speziezismus ist eine problematische Grenze erreicht. Es geht eben dabei nicht nur um eine „Wertschätzung allen Lebens“ (wie Pia schreibt), was übrigens nur Menschen können, sondern um das Bestreiten einer qualitativen Differenz von Menschen und Tieren: alles nur Lebewesen (was dann auch Pflanzen einschließt). Die inhaltlich-logischen Konsequenzen sind eben nicht bloß „Missverständnisse“ und lassen sich auch nicht mit einem Wollen („anti-rassistisch und pro-feministisch“) überdecken, sondern müssten Gegenstand einer wirklich inhaltlichen Auseinandersetzung sein. Kennt jemand einen Ort, wo so etwas möglich ist (jenseits von Bashing)?
Zitat:
„‚Wertschätzung allen Lebens“ (wie Pia schreibt)“
Eine neuere Untersuchung lässt vermuten, dass Pflanzen die Kaugeräusche
etwa von Raupen deutlich wahrnehmen können. Wenn die Pflanzen die Vibrationen
durch das Nagen der Raupen bemerken, ändert sich ihr Metabolismus.
Sie produzieren chemische Verbindungen, die die Fressattacke abwehren
soll. Mit anderen Worten: Sie haben Angst.Also: Pflanzen spüren auch, wenn ihnen jemand ans – äh – Fell will, wenn sie jemand essen will: http://link.springer.com/article/10.1007/s00442-014-2995-6/fulltext.html
Was die Konferenz angeht:
„außerhalb von Tausch- und Verwertungslogik“ – das klingt zunächst sympathisch. Der benannte Kritikpunkt Anti-Speziezismus und die damit verbundene anti-humanistische Ausrichtung ist mir anhand des hier veröffentlichten Textes zunächst gar nicht bewusst geworden. Danke, dass Christian Siefkes darauf hingewiesen hat.
Gleich gestolpert bin ich allerdings im hiesigen Konferenz-Text über die Formulierung „alle Aktivitäten (…) nur vegan“. Wer in der Selbstdarstellung der Konferenzler*innen genauer nachliest, findet dann neben der anti-speziezistischen Grundlegung („solidarischeres Miteinander …, in welchem allen Lebewesen die gleiche Rechte zu gesprochen werden“) auch die klare Ansage:
„Veganismus verstehen wir als Utopie für eine gewaltlose, hierarchiefreie Gesellschaft von morgen.“
Silke Helfrich spricht dann davon, dass sie hier „interpretiert“. Das erinnert wie die ganze Veganismus-Chose doch sehr an Religion, die in diesem Fall dann halt theologisch „interpretiert“ wird. Bei Helfrich bleibt dann ein „je mehr Veganer/innen desto besser“, das von Menschen vorgetragen wird, die „für (…) Veganismus streiten“.
Okay, Berlin soll zwar als „Welthauptstadt des Veganismus“ gelten, aber glücklicherweise leben wir nicht in der erträumten „Gesellschaft von morgen“. In einer Gesellschaft , in denen Nicht-Veganer*innen, wenn nicht gleich erleuchtete Wahrheitsbesitzer*innen („Menschen, die für Veganismus streiten“) über ihre Ernährung bestimmen, laut Helfrich zumindestens ein resolut-vielstimmiges „Je mehr Veganer/innen desto besser“ entgegengehalten werden soll.
Wer hier an Religion, an Mission, an „christlichen Asketismus“ (Karl Marx) und „innerweltliche Askese“ (Max Weber) denkt und in einer derart utopisch ausgepinselten „Gesellschaft von morgen“ keine Verhältnisse, in denen „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Marx) erkennen mag, dürfte wohl nicht verkehrt liegen.
Interessant dazu auch ein Interview mit dem Ernährungswissenschaftler Uwe Knop.
Erste Frage:
„Herr Knop, Sie subsumieren die derzeit grassierende Ernährungsmanie
erkenntnistheoretisch unter die Kategorie ‚Glauben statt Wissen‘. Ist
die aktuelle Genussphobie beim Essen die Religion von heute?“
Knop kommt dann auch darauf zu sprechen, dass Veganismus, wie weiter oben von Christian Siefkes angeführt, keine „sonderlich verbreitete (…) Praxis“ ist. Knop spricht von „nackten, unabhängigen Zahlen“, die zeigen: „weniger als ein Prozent der Deutschen sind Veganer“. Das stehe aber im Kontrast dazu, dass „der permanente Darstellungstrieb der ‚Besser-Esser‘ zahlreiche sensible Normalesser verunsichert“.
Vollständiges Interview („Permanenter Darstellungstrieb der Besser-Esser“) hier:
http://www.heise.de/tp/artikel/48/48107/1.html
@Nicht-Grünwähler:
Da Du auf meine Zeilen eingehst, möchte ich gern antworten.
„Silke Helfrich spricht dann davon, dass sie hier „interpretiert“. Das
erinnert wie die ganze Veganismus-Chose doch sehr an Religion, die in
diesem Fall dann halt theologisch „interpretiert“ wird.“
Ich verstehe leider nicht, was gemeint ist.
Christian hat eine Interpretation der Zeilen von Pia geliefert und sie der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben (ob mit Pias Zustimmung, das weiß ich nicht.). Und Christian hat seine Schlüsse daraus gezogen (und mir diese auch persönlich per mail mitgeteilt, weil ich auch auf dieser Konferenz sprechen werde).
Ich habe eine andere Interpretation angeboten. Religion? Äh?
Wir interpretieren immer die Aussagen des/der Anderen, das lässt sich gar nicht verhindern. Zu Hause, in der Politik, in der Kirche – wobei ich letztere nur zu touristischen Zwecken betrete.
Also: Wo kommt die Religion plötzlich her? Aus Deiner Erinnerung?
„Bei Helfrich
bleibt dann ein „je mehr Veganer/innen desto besser“, das von Menschen
vorgetragen wird, die „für (…) Veganismus streiten“.“
Zur Erläuterung, vielleicht war das in der Kürze missverständlich:
Ich habe bisher nichts gelesen und gehört von „wir wollen allen den Veganismus aufzwingen“. Mich interessiert, wie diese Idee vom Zwang in Eure Interpretation kommt (erinnert mich an die Verdrehung des Veggiday-Vorschlags von den Grünen). Ich sehe dort Menschen, die ihr Leben und ihre Aktivitäten so organisieren, dass sie selbst dahinterstehen könnten und nicht Menschen, die mich zwingen wollen, das auch zu tun. Dafür stehen und streiten sie auch öffentlich. Was hat das mit „vorschreiben“ zu tun?
Wie Du richtig erläuterst, ist Veganismus derzeit eher marginal. Das ist ganz wichtig, um meinen letzten Satz zu verstehen (das – je mehr, desto besser), denn solche Aussagen mache ich ja bezogen auf den derzeitigen gesellschaftlichen Kontext und Zustand.
Ich denke nicht, dass Menschen und Umwelt mehr leiden würden, wenn mehr Menschen sich für Veganismus entscheiden. That’s all. Das war mit der letzten Zeile gemeint.
Und jetzt kommt der eigentliche Punkt:“Glücklicherweise leben wir nicht in der erträumten „Gesellschaft
von morgen“. In einer Gesellschaft , in denen Nicht-Veganer*innen, wenn
nicht gleich erleuchtete Wahrheitsbesitzer*innen („Menschen, die für
Veganismus streiten“) über ihre Ernährung bestimmen, laut Helfrich
zumindestens ein resolut-vielstimmiges „Je mehr Veganer/innen desto
besser“ entgegengehalten werden soll“
Die Verbindung „Veganer’innen“ = „erleuchtete Wahrheitbesitzer*innen“ stammt von Dir und ich halte sie für gefährlich, allerdings nicht weil ich Veganismus für gefährlich halte, sondern „erleuchteten Wahrheitsbesitz“ – in jeder Form. Ich bin auch immer auf der Hut, wenn ich in Commons-Debatten solche Züge wahrnehme.
„Je mehr Veganer/innen, desto besser“ ist eine Position für die man in einer demokratischen Gesellschaft streiten können muss. Mehr wollte ich nicht ausdrücken (ich habe ja hier nicht vom Speziezismus gesprochen, ich glaube, dass Christian da tatsächlich Zuschreibungen macht, die überzogen sind, aber das ist eine andere Debatte.)
@Silke: Interpretieren muss man, wenn die Autor_innen eines Texts nicht (mehr) erreichbar sind — sind sie das aber, ist es im Zweifelsfall besser, einfach mal nachzufragen (Stichwort „Dialog“). Das habe ich gemacht und die Antwort spricht ja für sich. Problematisch finde ich daran auch weniger die Aussagen zum Veganismus, die so klar nicht sind, als vielmehr den Antispeziesismus, den Pia ja nun ganz explizit zu ihrer Plattform erklärt hat („wir … [sehen] Speziezismus als eine Diskriminierungsform an…, deren Überwindung wir anstreben“, „Kämpfe gegen Rassismus und Speziezismus“). Warum das nicht geht, habe ich glaube ich im „Quallentest“ hinreichend klar formuliert:
Pia hat es vermieden, sich zu diesem „Quallentest“ zu positionieren (und zwar zweimal, da ich später nochmal explizit nachgefragt hatte). Das, fürchte ich, ist in diesem Falle leider Antwort genug 🙁
Wer bereit ist, Menschenleben zugunsten eines Tieres(*) zu opfern oder jedenfalls schulterzuckend mit einem „dazu kann ich nichts sagen, beides gleich schlimm“ danebensteht, von der oder dem ist für die Sache der allgemeinen menschlichen Emanzipation beim besten Willen nichts zu erhoffen.
(*) Wobei zum Tierreich ja nicht nur Säugetiere gehören, sondern etwa auch Insekten, Quallen und Seesterne. Wikipedia erläutert die Definition von Tier wie folgt:
Diese wissenschaftliche Definition verdeutlicht im Grunde schon, wie willkürlich und absurd es ist, nun ausgerechnet „allen menschlichen und nicht-menschlichen Tieren die gleichen Rechte“ zusprechen zu wollen. Warum dann nicht auch den Pflanzen? Pflanzen beziehen, wie die Wikipedia verrät, ihre Stoffwechselenergie aus Sonnenlicht, aber kann das ein Grund sein, sie zu diskriminieren? Warum nicht auch den Pilzen, die ebenfalls explizit ausgeschlossen werden mussten, da sie ansonsten alle wesentlichen Merkmale mit den Tieren (in ihrer Gesamtheit) teilen?
Einen historisch gewachsenen und im Grunde willkürlichen wissenschaftlichen Kategorienbegriff wie „Tier“ zur Grundlage eines ganzen „emanzipatorischen“ Programms zu machen (das selbstverständlich komplett hinter dem Rücken und ohne Beteiligung der Gemeinten verhandelt wird — nur menschliche Tiere haben sich jemals über die Rechte der nicht-menschlichen Tiere Gedanken gemacht), zeigt eigentlich nur, wie traurig es inzwischen um Teile der sog. Linken bestellt ist.
Ich glaube, lieber Christian, ich reagiere schon auf die Begriffe „wissenschaftlich“ und „logisch“ allergisch. Sie sind m.E. ein sicheres Indiz dafür, dass der Eine nicht versucht, sich in die Andere hineinzuversetzen und lebendig zu kommunizieren. Anti-Speziesismus als Programm? (wobei Du da auch den Programmbegriff auflädst): So what? Dann versuche Pia, den Organisatoren und besser noch den Zuhörer*innen auf der Konferenz zu erklären, was daran problematisch ist (aber möglichst nicht in binären Erklärformen, die Dir wichtig zu sein scheinen. Wenn nicht A gilt, dann gilt B. So einfach ist das leider nicht.).
Nur zur Sicherheit: die Formulierung „allen menschlichen und nicht-menschlichen Tieren die gleichen Rechte“ zusprechen zu wollen, halte auch ich für ein Konstrukt, das beim ersten Windstoß in sich zusammenfällt. Aber daran, dass es eine explizite Reaktion auf Deine Nachfrage gab, kannst Du erkennen, dass Du ernst genommen wirst. Ob das umgekehrt auch gilt, vermag ich nicht zu sagen. Aber genau um diese Ebene geht es.
„Veganismus verstehen wir als Utopie für eine gewaltlose, hierarchiefreie Gesellschaft von morgen.“
Das heißt doch klar, dass mit Nicht-Veganern eine gewaltlose, hierarchiefreie Gesellschaft nicht machbar ist.
Das alles scheint mir unausgegoren, es sei denn, man soll von vornherein seinen Verstand dabei ausschalten, was bei mir nun mal gottseidank nicht funktioniert.
Wenn ich Menschen mit Tieren gleichsetze, sind natürlich sofort alle nicht-veganen Tiere derselben Kritik ausgesetzt wie die Menschen: zur gewaltlosen Utopie nicht fähig.
Pflanzen sind Lebewesen mit sehr empfindlichen Nervensystemen und komplexen Reaktionen wie Angst. Nur weil sie sich nicht vom Fleck wegbewegen können, sollen sie in der neuen Hierarchie unterhalb der Tiere stehen und dürfen problemlos gegessen werden? Es gibt auch noch Pflanzen, die Tiere fressen, da wird es kompliziert.
Ich frage mich, was für ein vernichtendes Urteil diese Art von Veganern eigentlich über die Natur haben. Die Natur kennt Fressen und Gefressenwerden über alle Tier- und Pflanzenschranken hinweg, und Tiere fressen oder schädigen auch Menschen, je nach äußeren Bedingungen, zum Teil übertragen sie schlimme Krankheiten. Da muss doch mindestens die halbe Natur also so beurteilt werden, dass „eine gewaltlose, hierarchiefreie Gesellschaft von morgen“ mit ihr gar nicht möglich ist.
Ich ahne aber schon, es wird heißen, dass ich nicht so mit dem Verstand an das Thema rangehen soll. Wenn ich aber stattdessen mit meinem Gefühl rangehe, wird es mir genauso mulmig.
Lieber Christian,
es ist schade, dass Du nicht dabei bist.
Vor allem ist schade, dass wir nicht intensiver in den Austausch kommen.
Aber sicherlich ergibt sich noch die ein oder andere Gelegenheit darüber zu diskutieren.
Aktuell bin ich auf Vortrags- und Vernetzungsreie und kann deswegen nicht so tief drauf eingehen wie es vielleicht sogar notwendig wäre, um vermeintliche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Ich hoffe, dass dieser kurze Beitrag dennoch einiges dazu beitragen
kann, um mehr Klarheit zu schaffen.
Kurz und knapp kann ich mich gut Silke anschließen.
Für uns ist Utopie ein Prozess, Mitmach- und Erfahrungsraum, indem ich außerhalb der gewohnten Konventionen neue Möglichkeiten ausprobieren kann. Aus meiner Sicht ist ein Prozess hin zu einer veganen Gesellschaft aus mehreren Gründen auch durchaus anzustreben, aber niemals als Diktat oder wie auch immer von oben durchzusetzen. Das ist doch eigentlich ganz klar! Es geht uns auf keinen Fall um Missionierung, Indoktrinierung oder was auch immer. Es geht darum Räume zu schaffen und zu gestalten, die einladen Neues auszuprobieren.
Zum Schluss sei noch verwiesen auf einen Artikel über unser Verständnis von Utopie auf dem Blog „Experiment Selbstversorgung“, der in wenigen Worten zu skizzieren versucht, was wir darunter verstehen:
http://experimentselbstversorgung.net/zeit-fuer-veraenderung-utopien-jetzt-leben/
Hoffe, dass das einiges klarer stellen konnte.
Alles Liebe und herzlichste Grüße,
in Vorfreude auf ein konstruktiv kritisches (Reflexions-)Treffen, um in den gemeinsamen Dialog zu kommen,
Tobi
@Tobi: Auch du hast dich wieder vor dem eigentlich kritischen Punkt, nämlich der Antispeziesismus-Frage, gedrückt, das ist schade.
@Silke:
Selbstverständlich nehme ich das ernst! Gerade deshalb halte ich meine Entscheidung, nicht zur Konferenz zu gehen, nach wie vor für die richtige. Du siehst das offensichtlich anders, insofern fände ich es erfreulich, wenn du dann zumindest diesen Part übernimmst:
Ich vermute nämlich, den allermeisten Konferenzteilnehmenden wird absolut nicht klar sein, auf was für fragwürdigen ideologischen Konstrukten das Ganze aufbaut, wie es auch mir fast nicht klar geworden wäre.
Hallo an alle von meiner Seite,
der Transparenz halber, da Christian sowieso meine Mails an ihn hier veröffentlicht hat, meine letzte Antwort an ihn:
Lieber Christian,
ich habe von Deiner Veröffentlichung auf keimform erfahren. Eine
spannende Debatte, die Du angestoßen hast, allerdings hätte ich es
angemessener gefunden, wenn Du mich vorher um meine Zustimmung gefragt
hättest, mich öffentlich zu zitieren.
Du hast geschrieben: „Wenn du dieser Debatte ausweichst, dann kann ich
nur befürchten, dass das Gründe hat“. Dass Du von mir noch keine Antwort
erhalten hast, heißt für Dich also, dass ich der Debatte ausweiche?
Keine sofortige Antwort zu bekommen, bedeutet nicht zwangsläufig ein
Ausweichen; es kann – wie Du sicher weißt – viele andere Gründe geben,
wieso mensch nicht dazu kommt, auf Mails einzugehen.
Die Debatte auf keimform macht nochmal deutlich, dass es in dieser
Diskussion (mittlerweile) um viele verschiedene Themen geht und ich habe
bei Weitem nicht die Kapazität, auf alle einzugehen.
Daher möchte ich unseren Mailwechsel hier offiziell beenden. Vielleicht
können wir irgendwann in einer persönlichen Begegnung zu einem
fruchtbareren Austausch kommen.
Zu der Position, zu der Du ein Statement fordertest: Aus meiner
Perspektive ist es ein rein theoretisches ethisches Dilemmata, das Du
aufmachst und hat keinen direkten Bezug zu (m)einem Lebensalltag. In
welchem Fall wird es denn dazu kommen, dass eine höhere Autorität/
Instanz Dich vor die Wahl stellt: „Ich töte nun Dich oder diese Qualle“.
Das klingt schon sehr nach abstrusem science fiction.
Die Meinungsverschiedenheit scheint mir unter anderem deshalb
unüberwindbar, da Du eine allgemeine Ableitung ziehst aus
„Anti-Speziezismus“ heißt „menschenverachtend“ und „rassistisch“.
Sicherlich stimmt diese Ableitung und kommt das bei einigen sich
anti-speziezistisch positionierenden Menschen vor. Gerade in der rechten
Szene ist „Heimatschutz“ durch „Nipster“ etc. momentan ja leider
ziemlich im Kommen. Daher kann ich teilweise Deine kritische
Auseinandersetzung mit dem Thema verstehen, denn diese Perspektiven sind
nicht hinnehmbar.
In meinem Verständnis ist jedoch eine generelle Ableitung monokausal
gedacht; so verschieden wie Menschen sind, sind auch ihre Perspektiven
auf die Welt. Vielleicht ein Vergleich, der es anschaulicher macht:
Menschen, die eine postmonetäre, geldfreie oder wie auch immer wir es
formulieren möchten Gesellschaft anstreben, werden schnell damit
konfrontiert, dass Kritik an Geld allgemein mit Anti-Semitismus einher
geht. Dass das durch Verschwörungstheorien etc. sehr oft der Fall ist,
heißt jedoch nicht, dass die Denker*innen einer Gesellschaft, die fern
von Verwertungs- und Tauschlogik gedacht wird, per se Anti-Semit*innen sind.
So weit von meiner Seite. Wie gesagt möchte ich unseren Mailwechsel hier
offiziell beenden.
Danke Dir für Dein kritisches Reflektieren.
Ich wünsche Dir eine gute Zeit.
Liebe Grüße,
pia
Kurz und knapp noch zu Deinem Kommentar zu Tobis Reaktion:
Dort versucht er zu erklären, wie Wandel für uns aussieht und geht – aus meiner Perspektive – sehr deutlich darauf ein, dass Veränderung für uns eben NICHT dogmatisch oder ideologisch ablaufen sollte – und nachhaltig wäre ein Aufoktroyieren sowieso nicht.
Daher frage ich mich, ob Du überhaupt versuchst, unsere Perspektive nachzuvollziehen, da Du in Deinem Kommentar nicht davon ablässt unsere Aktivitäten als „ideologische Konstrukte“ darzustellen.
Pia Selina schrieb:
„Zu der Position, zu der Du ein Statement fordertest: Aus meiner
Perspektive ist es ein rein theoretisches ethisches Dilemmata, das Du
aufmachst und hat keinen direkten Bezug zu (m)einem Lebensalltag. In
welchem Fall wird es denn dazu kommen, dass eine höhere Autorität/
Instanz Dich vor die Wahl stellt: ‚Ich töte nun Dich oder diese Qualle‘.
Das klingt schon sehr nach abstrusem science fiction.'“
Vorher Christian Siefkes:
„Wenn in irgendeinem Notfall nur einer gerettet werden kann, entweder ich
(oder eine_r von euch oder sonst irgendjemand) oder aber eine Katze
(oder eine Qualle) möchte ich, dass klar ist, wie die Entscheidung
ausfällt.“
Fragen Sie, Frau Selina, einfach mal bei der örtlichen Feuerwehr nach. Dort wird man Ihnen viele „Stories“ erzählen können, wie aus brennenden Häusern noch ein Mensch, sein Haustier (z. B. Katze) aber leider nicht mehr gerettet werden konnte. Und wie vorher die (selbstvertsändliche) Entscheidung getroffen wurde / werden musste, die Rettungsbemühungen auf den Menschen, nicht aber auf das Tier zu fokussieren. Science fiction ist das nicht, sondern banale Realität. Allerdings werden Ihnen die Feuerwehrleute wohl kaum irgendwelche Quallengeschichten auftischen können. Da, Frau Selina, liegen Sie also nicht daneben …
Silke Helfrich schrieb:
„Ich habe bisher nichts gelesen und gehört von ‚wir wollen allen den
Veganismus aufzwingen‘. Mich interessiert, wie diese Idee vom Zwang in
Eure Interpretation kommt (erinnert mich an die Verdrehung des
Veggiday-Vorschlags von den Grünen). Ich sehe dort Menschen, die ihr
Leben und ihre Aktivitäten so organisieren, dass sie selbst
dahinterstehen könnten und nicht Menschen, die mich zwingen wollen, das
auch zu tun.“
Zunächst zum „Veggieday-Vorschlag von den Grünen“. Die damalige Forderung der grünen Partei war, dass an Donnerstagen in allen Kantinen des Landes keinerlei Speisen, die irgendwelche Fleischprodukte enthalten, angeboten werden dürften. Wer also regelmäßig etwa sein Mittagessen in einer bestimmten Kantine zu sich zu nehmen pflegte und etwa immer an Donnerstagen gerne die in der Kantine angebotene Currywurst gegessen hatte – der hätte das zwangsweise nach einer Umsetzung der Grünen-Forderung nicht mehr tun können. Die Grünen sind dann zwar später wieder zurückgerudert. Für den Satz: „Ob jemand am Donnerstag Fleisch isst oder nicht, ist uns herzlich egal“, der dazu beitragen sollte, das Image als „Verbots-Partei“ abzulegen, gab es aber nur eine knappe Parteitagsmehrheit:
http://www.welt.de/politik/deutschland/article134604516/Der-Veggie-Day-laesst-die-Gruenen-nicht-los.html
Bei den „Utopikon“-Leuten wird sehr schnell deutlich, dass – um ein Beispiel zu nennen – etwa für eine erfahrene Hofkäseproduzentin („bio, alternativ, am Bauch der Natur“ etc), die ihre Fähigkeiten bei der Käseherstellung gerne einbringen würde, bei „living utopia“ kein Platz vorgesehen ist.
Auf
http://www.livingutopia.org/mitwirken/
heißt es unmissverständlich:
„Wie und womit kannst Du Dich einbringen?
Zunächst ist es uns wichtig, dass Du die Idee von living utopia im
Herzen trägst und alle deine Projekte oder Aktionen, die Du im Netzwerk
living utopia verwirklichen möchtest nach den begleitenden Motiven geldfrei, vegan, ökologisch und solidarisch gestaltet sind.“
Inhalt der Utopie ist nach Tobi Rosswog dann auch
„ein Prozess hin zu einer veganen Gesellschaft“.
Kritiken, die am detaillierten Ausmalen von Utopien vielfach geübt worden sind, werden hier überaus nachvollziehbar, denke ich. Nicht nur ich werde da sagen: Count me out!!
Wie Christian Siefkes schrieb:
„Wenn mit der ‚Utopie‘ aber eine Gesellschaft gedacht ist, in der alle
Menschen vegan leben (müssen), dann würde ich das wiederum für
inakzeptabel halten, denn diese Art von Bevormundung ist nicht mein
Ding. Ich respektive das Recht jedes Menschen, sich vegan zu ernähren,
erwarte aber, dass das Recht zum Verzehr von tierischen Produkten bis
hin zu Fleisch ebenso akzeptiert wird. Ich bitte euch deshalb, die beiden Sätze so abzuändern (oder zu löschen), dass klar wird, dass ihr Tiere nicht systematisch den Menschen gleichstellen und den Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten nicht vorschreiben wollt. Solltet ihr dazu nicht bereit sein, müsste ich meine Teilnahme an der Utopikon leider absagen, weil ich keine menschenverachtenden und totalitären Ideologien unterstützen möchte.“
Das trifft es! Ich verstehe zwar nicht, dass Siefkes, was den Veganismus-Zwang angeht, wieder zu relativieren scheint. Dazu hatten andere sich bereits geäußert. Wie auch immer: Die Absage der Teilnahme an einer solchen Konferenz ist absolut verständlich!
PS: In dieser Debatte fiel auch das Stichwort „Veganismus als Religion“ oder etwas in der Art. Dazu noch ein interessanter Link:
http://www.urgeschmack.de/ersatzreligion/
Und jetzt wird’s langsam Zeit zum Grillen im Garten, mit Salaten, Würstchen & Co!
„Es geht darum Räume zu schaffen und zu gestalten, die einladen Neues auszuprobieren.“
Genau solche Formulierungen finde ich absolut nicht beruhigend, ganz im Gegenteil. Solche schillernden Floskeln sind auch von religiösen Gruppen bestens bekannt. Dass das Antispeziesismus-Thema nur „ausprobiert“ werden soll, ist doch verlogen. Entweder man hält das für erstrebenswert oder nicht. Wenn man dazu einlädt, ist man doch wohl davon überzeugt, oder etwa nicht? Und wie soll denn das überhaupt gehen, eine weltanschauliche Theorie „auszuprobieren“? Wenn das vegane Essen gut bekommt, beweist das dann die Richtigkeit der rechtlichen Gleichstellung von Mensch und Tier?
hmmm … das Protokoll eines Missverständnisses ist jetzt viel länger und deutlicher geworden.
Stefan hat geschrieben „… sondern müssten Gegenstand einer wirklich inhaltlichen Auseinandersetzung sein. Kennt jemand einen Ort, wo so etwas möglich ist (jenseits von Bashing)?“
Als Bashing bezeichne ich Auseinandersetzung (Ab- und Ausgrenzung anderer, wie ich es hier lesen (interpretieren!) kann/muss).
Als inhaltliche Auseinandersetzung bezeichne ich, wenn ich mich frage, wie ich selbst die jeweilige Sache sehe und wie ich die Sache ein- und begrenze, und welche Konnotationen ich selbst an die Sache herantrage. Die inhaltliche Auseinandersetzung habe ich mit mir.
Im Dialog teile ich meine Interpretationen zur Sache mit. Im Bashing erkläre ich (wissenschaftlich, rational und logisch), warum andere Menschen Idioten (oder politisch korrekter, Sie-wissen-nicht-was-sie-sagen) sind.
Ich kann nicht mit allen Menschen sprechen und nicht jede Konferenz besuchen. Ich treffe oft eine Wahl, wo ich eine Einladung ablehne – im besten Fall aufgrund einer inhaltlichen Auseinandersetzung,, über die ich dann auch berichten könnte oder bei Bedarf kann. Im vorliegenden Fall frage ich mich, was die Veranstalter der Konferenz wohl meinen könnten, wenn sie von einer Gleichberechtigung aller Lebewesen sprechen. Dabei frage ich mich, wie ich diese Formulierung interpretiere, das heisst je verwenden würde/könnte. Mir wäre bislang gar nie und unter keinen Umständen in den Sinn gekommen, diese „Gleichberechtigung“ mit dem Töten von Menschen und Quallen in Verbindung zu bringen, oder dabei an die Rettung eines Tieres aus einem brennenden Haus zu denken. Jetzt aber sehe ich, dass andere Menschen das offenbar tun – also habe ich Grund, auch darüber nachzudenken. Im Dialog eröffnen sich mir „Denkräume“, aber auch Einsichten, dass ich nicht alles bedenken kann. Ich kann beobachten, welche Denkgrenzen (Begriffe) ich einführe. Hier fällt mir zuerst auf, dass ich keine aussprechbare Ahnung davon habe, was Gleichberechtigung unter allen Lebenwesen heissen könnte, ich weiss nicht mal, inwiefern es eine Gleichberechtigung unter (gleichen, sic) Menschen geben könnte. Wenn ich im Dialog bleiben würde oder an der Konferenz teilnehmen würde, dann eben beispielsweise mit dieser Frage.
Auf Bashing (also darauf über andere zu sprechen) würde ich gerne verzichten, auch wenn mir das oft nicht gelingt.
…und weils ein bisschen abstrakt war: Gleichberechtigung verwende ich für das konstitutive Recht, vor dem Gesetz gleich zu sein wie jeder andere, der demselben Gesetz – etwa der bürgerlich-demokratischen Verfassung einer bestimmten Nation – untergeordnet ist. In unserer Verfassung hat jeder das GLEICHE Recht, anderen Lohnarbeit zu geben und sie mithin um ihren Mehrwert zu bringen. Gleichberechtigung ist eine leere Formel, wenn nicht das jeweils gemeint Recht (Verfassung) mitbezeichnet wird. In der Verfassung unter welcher ich gerade leben muss, sind Tiere explizit Sachen, die wie jede andere Sache geschützt werden muss, wozu es Ausführungen gibt, in welcher „Gleichberechtigung“ nicht vorkommt, wohl weil es semantisch sinnlos wäre. Das gleiche Recht, anderen Lohnarbeit zu geben, wird sehr ausführlich behandelt – aber auch nicht unter Gleichberechtigung. Das Verbot Haschisch oder Kokain zu konsumieren, gilt im Prinzip für alle, was zeigt, dass auch ein Verbot, tierisches oder menschliches Fleisch zu konsumieren – hier und jetzt – durchaus mit einer Gleichberechtigung vereinbar gesehen werden könnte.
@Pia #15:
Da hast du recht, sorry! Allerdings hätte ich, da ich ja schon als Referent auf der Konferenz genannt war, deine Antwort dann zumindest paraphrasieren müssen, um meine Absage zu begründet.
Nicht töten, sondern retten! Das ist, wie Omnivorin schon schrieb ein sehr reales und keinesfalls theoretisches Problem etwa bei Unfällen und Katastrophen. Es gibt in der Notfallmedizin sogar genaue Regeln dazu, wie vorzugehen ist, damit „möglichst viele Personen das Ereignis mit möglichst wenig Schaden“ überstehen. Klar und sogar so selbstverständlich, dass es in dem verlinkten Artikel nicht mal erwähnt wird, ist dabei aber, dass verletzte Menschen immer vorrangig vor verletzten Tieren versorgt werden — um letztere kümmert man sich, wenn überhaupt, nachdem alle verletzten bzw. gefährdeten Menschen versorgt wurden.
Als Antispeziesist_innen müsstet ihr eigentlich dafür eintreten, dass diese Regeln so geändert werden, dass Menschen und Tiere gleichrangig gerettet und versorgt werden — das würde dann aber bei realer Anwendung selbstverständlich manchmal mehr tote Menschen und dafür mehr gerettete Tiere bedeuten! Deshalb ist mir dieser alles andere als akademische Punkt so wichtig, und deshalb bleibe ich dabei, dass ihr — wenn ihr das wirklich so seht — eine falsche und menschenverachtende Position vertretet.
Wenn ihr hingegen für die Beibehaltung der heutigen Regeln — die Menschen privilegieren — seid, finde ich das zwar inhaltlich gut und richtig, sehe aber nicht, mit welchem Recht ihr euch „Antispeziesist_innen“ nennen könnt. (Nun wird Silke vielleicht einwenden, dass man ja nur die Logik über Bord werfen müsse, um auch zwei sich widersprechende Standpunkte gleichzeitig vertreten zu können. Das ist natürlich richtig.)
Auch in anderen Fällen ist eine Abwägung Menschen- vs. Tierleben sehr real, z.B. wenn es darum geht, ob (ggf. tödliche) Tierversuche erlaubt sein sollen, wenn dadurch Schaden von Menschen abgewendet werden kann, etwa beim Testen neuer Medikamente. Heute ist das so und ich halte es für richtig. Antispeziesist_innen müssten für die Unterlassung solcher Tierversuche eintreten, auch wenn das aufgrund fehlender Untersuchungsergebnisse, die Tierversuche hätten liefern können, dann manchmal zu mehr toten oder dauerhaft geschädigten Menschen führen würde.
Ich hatte auf den kniffligen Punkt hingewiesen, dass man aus der Sicht des Antispeziesismus natürlich auch Tiere dazu anhalten müsste, kein Fleisch mehr zu essen und hierarchiefrei zu leben. Mir wurde dazu neulich das Gegenargument gesagt, dass Tiere nicht bewußt entscheiden können wie es Menschen können und deshalb für ihr Verhalten auch nicht kritisiert werden könnten.
Da wird dann also plötzlich, nach all der wortreichen Beschwörung von echter Gleichberechtigung, den Tieren die Fähigkeit zu bewusstem Verhalten abgesprochen, um deren Fleischkonsum, Aggressivität gegen Rivalen und andere Tierarten wieder als akzeptabel darzustellen. Heißt doch: Tiere sind unzurechnungsfähig. Also dann doch ein signifikanter Unterschied zwischen Mensch und Tier!
Das zeigt, dass die Argumente immer so gedreht werden, dass es in die eigene Weltanschauung passt. Es wundert mich daher nicht, dass es dort eine gewisse Aversion gegen logisches Argumentieren gibt, die zum Teil auch sehr offensiv ausgesprochen wird.