Inseln im kapitalistischen Meer?
Nicht alle Formen alternativer Landwirtschaft hinterfragen die Eigentumsordnung
[Repost von Social Innovation Network und AKWeb]
Linksalternative Kreise erproben vermehrt Wege aus der industriellen Landwirtschaft. In Abgrenzung zum konventionellen Biolandbau geht es dabei auch um die Reorganisation sozialer Verhältnisse in der Landwirtschaft.
Solidarische Landwirtschaft, Community-Supported Agriculture oder Community-Made Agriculture, Food-Coops und Gemeinschaftsgärten bezeichnen prominente Konzepte und konkrete Organisationstypen, die unter anderem den Anspruch verfolgen, den Bezug zur Produktion von Lebensmitteln sowie zu deren Verteilung neu zu gestalten.
Community-Supported Agriculture (CSA) meint eine Landwirtschaft, die von einer Gemeinschaft von Konsumierenden unterstützt wird (siehe den Beitrag auf Seite 27). Als Community-Made Agriculture bezeichnen sich manche kollektive Landwirtschaftsprojekte mit Selbstversorgungsfokus. Food-Coops sind meist Initiativen von Konsumierenden, die mit unbezahlten Eigenleistungen eine sozial verträgliche und umweltgerechte Landwirtschaft abseits von und in Opposition zu Supermärkten etablieren wollen.
Gemeinschaftsgärten verfolgen vielfältige Zielsetzungen, die allerdings häufig auch eine Neuordnung des Bezugs zu Lebensmitteln und pflanzenbaulicher Produktion umfassen, zusammen mit einer stärker kollektiven Organisation von gartenbaulicher Tätigkeit. All diese Aktivitäten können als Komponenten einer Perspektive solidarischer Landwirtschaft verstanden werden.
Das Ideal kleinbäuerlicher »Unabhängigkeit«
Die industrielle, von Supermärkten dominierte Landwirtschaft ist integraler Bestandteil des Kapitalismus, auch wenn die landwirtschaftlichen Betriebe selbst nicht unbedingt kapitalistisch, das heißt unter Einsatz von Lohnarbeit, produzieren. Wesentlich aber ist die Produktion auf Grundlage von Privateigentum, was eine Abhängigkeit von Märkten mit sich bringt und eine auf Profit hin orientierte Produktion ermöglicht.
Die Rolle von Privateigentum freilich wird in der linksalternativen Debatte vergleichsweise wenig beleuchtet und ist Gegenstand konträrer Perspektiven. Vielfach beruhen Visionen einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft, die von einem guten Teil der Bewegungen für Ernährungssouveränität propagiert werden, auf einer »kleinen Warenproduktion« auf Basis von Privateigentum an Produktionsmitteln.
So schreiben solche Visionen das Kernelement des Kapitalismus fort. Sie tendieren dann zur Annahme, dass es eine Produktionsweise mit Privateigentum und Markt, aber ohne Profitorientierung und Kapitalismus geben könnte. Damit verbindet sich mitunter auch eine Ablehnung des gesellschaftlichen Charakters der Produktion im Kapitalismus, in gewisser Hinsicht etwa, wenn ein Ideal kleinbäuerlicher »Unabhängigkeit« gegen das »Subventionswesen« in Anschlag gebracht wird.
Solche Komponenten einer Kritik der industriellen Landwirtschaft können verschiedene Bedeutungen transportieren. Eine davon ist eine Kritik staatlicher Herrschaft, eine andere allerdings auch das kleinbürgerliche Ideal eines von gesellschaftlichen Steuerungsmechanismen »unbehelligten« und scheinbar »nur auf der eigenen Hände Arbeit« beruhenden Agierens am Markt.
Initiativen solidarischer Landwirtschaft thematisieren zumindest implizit die Eigentumsfrage in einem etwas weiterreichenden Sinn als die Vorstellung einer kleinbäuerlichen Warenproduktion und eine primär auf das Privateigentum bezogene Interpretation von Ernährungssouveränität. Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: das Eigentum an Produktionsmitteln und das Eigentum an den Konsumgütern, den Lebensmitteln.
Kollektivistische Projekte einer Community-Made Agriculture tendieren dazu, Arbeitsleistung und Ernte zu entkoppeln oder den Zusammenhang zu lockern. Mitunter, freilich keineswegs durchgehend betonen solche Projekte auch den nichtkommerziellen Charakter ihrer Aktivitäten. Damit ist gemeint, dass sie den Verkauf ihrer Produkte ausschließen und Menschen oder Projekte, die nicht zur Arbeit am Feld beigetragen haben oder beitragen können, mit einem gewissen Teil der Ernte versorgen.
Viele Gemeinschaftsgärten verfügen über kollektive Produktionsflächen, die häufig frei nach Maßgabe von Bedürfnissen beerntet werden können. Allerdings dominieren in diesen Initiativen meist individuelle Parzellen. Manche CSA-Gruppen lockern den Zusammenhang zwischen Bezahlung und individueller Bezugsmenge. In solchen Fällen kommt es also zu einer ansatzweisen Veränderung von Eigentumsverhältnissen auf der Ebene des Zugangs zu Lebensmitteln.
Diese Veränderungen bleiben freilich beschränkt – sei es durch den fehlenden kollektiven Willen, wirklich zu einer deutlichen Umverteilung von Kaufkraft zwischen den Konsumierenden zu kommen, sei es, weil der Zugang zu den Projekten sehr selektiv ist, wodurch diese sozial relativ einheitlich sind und Nischencharakter haben.
Kollektivierung von Produktion und Landbesitz
Auch auf der Ebene des Zugangs zu Produktionsmitteln gibt es Ansätze einer praktischen Hinterfragung der kapitalistischen und der kleinbäuerlichen Eigentumsordnung als eines Teils der kapitalistischen Produktionsweise, die frühere Allmenden vielfach privatisiert und den Charakter bäuerlicher Produktion seit dem Feudalismus tiefgreifend verändert hat. Solche Bestrebungen sind in der Regel seltener als Veränderungen auf der Konsumseite.
Food-Coops betreiben Lagerräume kollektiv, diese werden allerdings zumeist angemietet. CSAs kollektivieren manche Aspekte der Produktion, allen voran das Risiko der Ernte. Dies geschieht jedoch auf eingeschränkte und potenziell problematische Weise, weil die Konsumierenden nun einem weiteren Risiko ausgesetzt werden anstelle einer übergreifenden, gesellschaftlichen Regulierung der Produktionsrisiken in Form von Versicherungen.
Selbst wo die formelle Privateigentumsordnung in CSAs aufrechterhalten bleibt, tendieren diese in einigen Fällen allerdings zu einer Aufweichung dieser Ordnung und der damit einhergehenden Trennung von Produzierenden und Konsumierenden. Dies ist vermutlich eher dann der Fall, wenn die Betriebe ohne substanzielle Finanz- und Arbeitsleistungen der Konsumierenden nicht marktfähig wären und daher Macht an die Konsumierenden abgeben müssen und auch teilen wollen.
Initiativen wie die französischen AMAPs (Verbrauchervereinigungen für die Beibehaltung der bäuerlichen Landwirtschaft) und vergleichbare Bestrebungen etwa in Österreich und Deutschland gehen demgegenüber einen Schritt weiter und kollektivieren Landbesitz in Gestalt von Stiftungen oder Vereinen. Hier gilt es allerdings zu fragen, ob sich lediglich ein neuer Privateigentümer (etwa in Form einer Stiftung) etabliert, der Pacht von den Produzierenden verlangt, auch wenn die Pacht geringer sein mag als am Bodenmarkt, und der kaum Mitsprache bei Entscheidungen ermöglicht. Oder ob es sich um substanziell kollektivistische Projekte handelt, welche die Egalität aller Beteiligten in Entscheidungsprozessen anstreben, die die gemeinschaftlich verwalteten Flächen und andere Produktionsmittel betreffen.
Wie an diesen Beispielen zu sehen ist, treffen Versuche einer Veränderung von Eigentumsverhältnissen in der alternativen Landwirtschaft auf mannigfaltige Hindernisse. In demselben Maße, wie solche Versuche kleine Brüche mit der Marktwirtschaft darstellen, werden sie immer auch dadurch limitiert, dass die Lebensreproduktion bisher von eben dieser Wirtschaftsweise abhängig ist.
Andreas Exner lebt in Graz und arbeitet zu den Themen Ökologie, solidarische Ökonomie und Commons.