Wie sich Commons entfalten können
Elinor Ostrom hat vor über 20 Jahren acht Commons-Prinzipien formuliert. Eine Arbeitsgruppe auf der ersten Commons-Sommerschule hat sich entschlossen, sie neu zu formulieren. Hier ist das Ergebnis. Unten folgt ein Kommentar von mir.
[english]
Acht Orientierungspunkte für das Commoning
Elinor Ostrom und andere haben Designprinzipien für die gemeinschaftliche Nutzung von Ressourcen formuliert. Sie sind die Essenz unzähliger Feldstudien. Sie wurden aus einer wissenschaftlichen Perspektive verfasst und bleiben für die Commons-Bewegung von großer Bedeutung.
Unsere Perspektive ist die der aktiven Commoners, der Menschen, die Commons machen. Uns geht es weniger um Institutionen, sondern um Räume der Gemeinschaftlichkeit und Kooperation, die wir uns schaffen. An den Ressourcen interessiert uns weniger ihre Beschaffenheit, sondern wie wir sie erhalten und nutzen können. Wir beziehen uns folglich sowohl auf materielle wie nicht-materielle Ressourcen, auf traditionelle wie neue Commons.
Ostroms Designprinzipien sind für uns ein Muster für die Entwicklung der folgenden Orientierungspunkte. Wir hoffen, dass sie Anregungen für Commoners sind, die eigene Praxis zu reflektieren.
Commons existieren nicht in einer heilen Welt, sondern in einer commons-unfreundlichen Umgebung. Es ist daher wichtig, dass Commoners sich bewusst sind, welchen Schatz sie in den Händen halten, um ihn bewahren und entfalten zu können.
1. Als Commoner ist mir klar, um welche Ressourcen ich mich kümmere und mit wem ich das tue. Commons-Ressourcen sind das, was wir gemeinsam herstellen, was der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wurde oder was wir als Gaben der Natur erhalten.
2. Wir nutzen die Commons-Ressourcen, die wir schöpfen, pflegen und erhalten. Wir verwenden die Mittel (Zeit, Raum, Technik und Menge der Ressource), die jeweils verfügbar sind. Als Commoner habe ich das Gefühl, dass mein Beitrag und mein Nutzen in einem fairen Verhältnis stehen.
3. Wir treffen und verändern unsere eigenen Vereinbarungen. Jeder Commoner kann sich daran beteiligen. Unsere Vereinbarungen dienen dazu, jene Commons-Ressourcen zu schöpfen, zu pflegen und zu erhalten, die wir brauchen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen.
4. Wir achten selbst darauf oder beauftragen jemanden, dem wir vertrauen, dass die Vereinbarungen eingehalten werden. Wir überprüfen, ob die Vereinbarungen ihren Zweck erfüllen.
5. Wir verabreden, wie wir mit Missachtung von Vereinbarungen umgehen. Wir entscheiden, ob und welche Sanktionen erforderlich sind, je nach dem, in welchem Kontext und Ausmaß die Vereinbarung missachtet wurde.
6. Jeder Commoner kann einen leicht zugänglichen Raum für die Lösung von Konflikten in Anspruch nehmen. Wir wollen Konflikte unter uns möglichst auf direkte Art schlichten.
7. Wir regeln unsere eigenen Angelegenheiten selbst, und externe Autoritäten respektieren das.
8. Wir wissen, dass jedes Commons Teil eines größeren Ganzen ist. Deswegen sind verschiedene Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen nötig, die ihre Verantwortung und ihre Aktivitäten für die Pflege und Erhaltung koordinieren und gut miteinander kooperieren.
* * *
Kommentar
Die Neuformulierung war überfällig. In der Einleitung der neuen acht Punkte wurde einiges bereits genannt, ich will die Gründe hier noch einmal herausheben und verdeutlichen.
1. Perspektive: Ostroms Perspektive war die der Forscherin, die auf ihren Gegenstand guckt. Bei den Commons geht es jedoch nicht vorwiegend um zu untersuchende Objekte — etwa nur die Ressourcen –, sondern vor allem um die handelnden Subjekte, die mit Ressourcen umgehen. Für die Commons-Forschung entsteht damit ein ähnliches Problem, das auch die Psychologie hat: Beim Forschungsgegenstand geht es wesentlich um unsereinen, um »mich«, sofern ich mich als Commoner verstehe. Die neuen Orientierungspunkte sind aus der Perspektive der aktiven Commoner formuliert.
2. Zweck: Daraus ergibt sich auch der neue Zweck. Die Orientierungspunkte dienen nicht dazu, Commons zu klassifizieren — sie etwa von Nicht-Commons abzuheben –, sondern dazu, dass Commoners ihre eigene Praxis reflektieren können. Implizit steckte dies auch schon in den Ostrom’schen Prinzipien drin, und großzügig wie wir sind, haben wir sie hier bei keimform.de auch als Prinzipien der Bildung von Communities interpretiert. Mit dem Perpsektivenwechsel wird der neue Zweck jedoch erst richtig deutlich: Es geht darum, dass wir lernen Commons zu machen, denn das fällt uns nicht in den Schoß. Mit dem Commoning ist der Zweck jetzt bereit in der (Unter-) Überschrift benannt.
3. Ressourcen: In den ursprünglichen Punkten ging es vorwiegend um traditionelle Allmende-Ressourcen, verstanden als »Gaben der Natur«. Zwar waren die letzten Fassungen der acht Ostrom-Punkte neutral formuliert, um auch neuere Ressourcen-Quellen einbeziehen zu können, aber die Herkunft aus der Untersuchung natürlicher Ressourcen lugte an vielen Ecken noch durch. Das ist auch ganz klar, schließlich hat sich Ostrom mit Bewässerungssystemen und nicht mit Freier Software befasst.
Jetzt sind drei Ressourcen-Quellen benannt: »das, was wir gemeinsam herstellen, was der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wurde oder was wir als Gaben der Natur erhalten«. Es geht also nicht mehr allein darum, etwas Vorhandenes zu bewahren, sondern auch Neues zu schöpfen. Genau genommen ist das der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte (wie etwa HTML und HTTP durch Tim Berners-Lee) Teil des gemeinsam Hergestellten (nur wurde es eben nicht privat angeeignet). In einer Zeit der Dominanz von Exklusion (etwa durch Patentierung), ist es gleichwohl sinnvoll, solche expliziten Inklusionen herauszuheben.
4. Abgrenzung: Commons existieren in einer feindlichen Umwelt. Aus diesem Grund ist die Abgrenzung und die Stabilisierung von Commons immer noch ein wichtiges Motiv in den Orientierungspunkten. Sie sind aber grundsätzlich nicht commonseigen. Das wird oft übersehen. Für viele Commoners sind Commons bloß eine Ergänzung zu Markt und Staat. Sie verbinden mit Commons nicht, Markt und Staat als strukturell commonsfeindliche Institutionen einmal loszuwerden, sondern wollen Commons nur im commonsunfreundlichen Umfeld behaupten. Das ist auch völlig ok, ist aber nicht meine Perspektive. Ich denke, dass nur auf dem Wege der Verallgemeinerung Commons überhaupt eine langfristige Perspektive haben. Im Kapitalismus können sie nicht friedlich koexistieren, sondern dienen nur als Futter für neue Möglichkeiten der Verwertung.
5. Institutionen: Ostroms Forschung war theoretisch in der Neuen Institutionenökonomik verankert. Folglich ging es ihr immer wieder darum, wie die Institutionen aussehen müssen, um Commons zu erhalten. Märkte, Staat (Politik) und Recht sind danach »Institutionen«, und die Frage ist, wie sie zu gestalten sind. Der institutionenfixierte Ansatz behandelt Institutionen gleichsam als »natürliche« Institute moderner Gesellschaften. Grundlage ist der modernisierte Homo oeconomicus, dessen nutzenmaximierende Transaktionen institutionenvermittelt ablaufen (eine wichtige Kritik einzelner Elemente leistete Sabine Nuss in Copyriot & Copyright). Dieser Ansatz wird Commons nicht gerecht und ist zu überwinden. Kurz gesagt geht es nicht um Nutzenmaximierung für den Einzelnen, sondern um Bedürfnisbefriedigung für alle. Dass dabei Institutionen eine Rolle spielen können, ist nicht die Frage, nur müssen es selbst geschaffene und kontrollierte Commons-Institutionen sein (angedeutet in Punkt 8).
6. Entwicklung: Die neuen acht Punkte sind ein Zwischenschritt. Sie sind kein End-, sondern Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung. Sie fixieren kein unverrückbares IST, sondern eröffnen Möglichkeiten eines fortschreitenden WERDENs. So könnte ich mir vorstellen, dass das allgemeine Zuverfügungstellen von Geschaffenem dann keiner besonderen Erwähnung mehr bedarf, wenn es die Regel geworden ist. Genauso muss der Respekt durch externe Autoritären (Punkt 7) dann nicht mehr eingefordert werden, wenn es keine Autoritäten mehr gibt, die Commons noch zersetzen könnten. Denn darum geht’s: Commons zu entwickeln, um sie gesellschaftlich zu verallgemeinern. IMHO.
Nunja, „es geht…“ ist so eine Formulierung, mit der gern Allgemeingültigkeit und Alternativlosigkeit der eigenen Perspektive suggeriert wird. Ostroms Forschung ist ja keine naturwisssenschaftliche. Sie bezieht sich natürlich auf bestimmte Verhaltensmotive und -bedingungen handelnder Subjekte. Es ist ja nichts dagegen zu sagen, wenn Menschen, die sich als Commoner verstehen, ein Selbstverständnis formulieren. Ich bezweifel aber, dass das automatisch mehr Wahrheit beanspruchen kann.
Gerade als jemand, dessen Perspektive explizit auch eine Verallgemeinerung von Commons ist (unter ideellem Einschluss künftiger Generationen), der also möchte, dass das ökohumanistische Commoning zur allgemeinen Basis des (weltweiten) Umgangs mit den Ressourcen der Welt wird (einschließlich des menschlichen Herstellungs- und Zweckbestimmungsvermögens und mit Blick auch auf die Vielfalt ihrer sonstigen Bedeutungen, denn „Ressource“ zu sein, ist nicht immer ein Glück) sehe ich „Staat & Markt“ (sprich die gesellschaftliche (Re-)Produktion auf Basis privateigentümlicher Aneignung vermittels privater Prododuktionsmittelbesitzer) nicht unisono als Feindesland.
Ich sehe sie als sich entwickelnde Felder der gesellschaftlichen Organisation, die bestimmten Kräfteverhältnissen, historischen Möglichkeiten (zum Guten und Schlechten) usw. unterliegen auf die es im Interesse einer sozial bzw. ökologisch nachhaltigen Entwicklung Einfluss zu nehmen gilt. Auch im Hinblick auf die notwendige Etablierung und Ausdehnung (bzw. Weiterentwicklung) von Inseln in gemeinschaftlicher Verantwortung organisierter Re-)Produktion und Aneignung gesellschaftlicher Existenz- und Bereicherungsmittel.
Zumindest aus dem verlinkten WIKIPEDIA-Artikel geht nicht hervor, was da dogmatisch als „natürlich“ unterstellt ist. Es ist z.B. auch von informeller Institutionlisierung die Rede. Wie sich bestimmte Motive, Interessen, Möglichkeiten institutionalisieren, sind doch wesentliche Fragen, wenn es gilt, im Hinblick auf Mittel, Wege und Ziele sozialer Emanzipation zu einigermaßen verlässliche Erkenntnissen zu kommen.
Und wieso „modernisierter Homo Ökonomikus“?
Na, ich weiß nicht, ob derlei Dogmen weiter helfen. Inwieweit Commons-Institutionen tatsächlich auch selbst (mit) geschaffen wurden, ist sicher von gewisser Bedeutung, aber als ein MUSS kommt mir’s dann doch etwas weltfrend vor.
Und diese Schlaraffenlandperspektive der grenzenlosen Bedürfnisbefriedigung erinnert mich an den rechtsliberalistischen Anti-Institutionalismus wie er ewa der US-Amerikanischen Teapartybewegung eigen ist, zu deren Hauptfeinden Institutionen wie die UNO oder die Bundes-Umweltbehörde gehören. (Und wenn ich mir manche Statements aus dem Commons-Lager zur Green Economy, zum Green New Deal usw. anschaue, mache ich da auch tatsächlich Berührungspunkte aus.)
Gruß hh
@hh: Die Kritik, dass bestimmte Institutionen als »natürlich« betrachtet werden, kommt von mir, die kannst du von Wikipedia nicht erwarten.
»Modernisierter homo oeconomicus« eben deswegen, weil sie das schlichte Modell »institutionell« variabilisiert — das steht aber bei Wikipedia.
Dass ich keinen abstrakten Anti-Institutionalismus vertrete, sollte dir aufgefallen sein. Allerdings fordere ich eine Zwecksetzung durch die Beteiligten selbst — deswegen MUSS. Dass du mich hier als »weltfremd« kritisierst, kommt mir, nun ja, »weltfremd« vor angesichts des entfremdeten und entfremdenden Charakters der realexistierenden »Institutionen«. Stattdessen hättest du kritisieren können, dass eine Zwecksetzung durch die Beteiligten keine vernünftigen Ergebnisse garantiert etc. Ts, alles muss man selber machen … 😉
Das sind sie ja nicht in allen Bereichen: Der Kapitalismus braucht ja auch immer „das andere“, beispielsweise die reproduktiven Tätigkeiten, Gesundheitsvorsorge, Kunst, Wissenschaft, Erholung usw. Wenn die commonistisch organisiert werden, hätten Markt und Staat gar nix dagegen. Zumal dies jetzt weitgehend über Steuergelder (also Abzüge von Profiten sowie Einkommen) finanziert wird.
Bis zu einem gewissen Grad schon: Beispielsweise könnten Parkflächen, Baudenkmäler oder Naturschutzgebiete, die früher von Stadt oder Staat finanziert wurden, angesichts knapper Kassen „commonisiert“ werden. Das würde auch den Unternehmen zustatten kommen (Standort-Attraktivität usw.).
Siehst du die Gefahr, dass eine Commons-Bewegung, die nicht „aufs Ganze geht“, am Ende zum Lückenbüßer für den Kapitalismus wird? Solange es Markt und einen (zunehmend verschlankten) Staat weiterhin gibt, finde ich es nicht sinnvoll, diesen Aufgaben abzunehmen, die vorher steuerfinanziert waren.
Vielen Dank für den Artikel, den ich hier nochmals veröffentlicht habe: Acht Orientierungspunkte für eine Transformation unserer Ökonomie hin zu Commons – über das Commoning
@ StefanMz
Ok, ich sehe es ein. Klar, wie sollten vernünftige Perspektiven diesem ganzen Warensinn nicht fremd sein! Schließlich sind die fremden Regeln des Weltfremdenverkehrs das Verkehrte. 🙂
(In mir macht sich gerade Hendrix Crosstown Traffic breit. Der scheint dem wohl irgendwie zuzustimmen. Gibt es auf YT derzeit nicht im Original aber immerhin diesen außergewöhnlichen Traffic-Jam 🙂 Entschudigt bitte diese Ablenkung, Wir haben schließlich nichts zu verlieren als unsere freien Assoziationsketten)
Aber ich meinte nicht nur die fehlende Garantie guter Ergebnisse. Das ist ja eh klar. Gemeinsamkeit (bzw. Commoning. wir könnten das meinetwegen auch Kommunismus nennen) garantiert natürlich nichts, wird aber nicht umsonst immer mehr als notwendige Bedingung einer nachhaltigen Entwicklung (an-)erkannt oder zumindest erahnt. Wenn meist auch erst (optimistisch gesehen“erst“) in seiner Keimform als PARTIZIPATION. Die gilt immerhin – mitten im kapitalistischen Warensinn – als ein unverzichtbares Konstruktionselement einer nachhaltigen Entwicklung der vom menschlichen Tun und Lassen abhängigen Existenz- und Bereicherungsmittel. Irren wird immer menschlich sein und Verhältnise unmenschlich, die keine vernünftige (also von tendenziell allen akzeptierbare) Fehlerkontrolle und Korrektur zulassen.Darum ging es mir aber jetzt nicht.
Allgemein sehe ich ja auch die Möglichkeit eines / einer Jeden, an der Zweckbestimmung beteiligt zu sein, als den zentralen Indikator jedweden sozialen Fortschritts. Beteiligung unter Einbeziehung derer, die die Voraussetzungen und wahrscheinlichen (Neben-)Wirkungen zu (er-)tragen haben – werden. (Weshalb mich z.B. das Entwicklungspotenzial von Nachhaltgkeitsstrategien interessiert.) Aber die Kunst ist ja grad die genaue Bestimmung dessen, was das von den beteiligten Personen und Institution jeweils verlangt.
Ostrom hat nicht ohne Zufall so klar die Klarheit der jeweils definierten Grenzen und Abstufungen gemeinsamer Verantwortung für die Zwecke (Mittel, Voraussetzungen und Nebenwirkungen) des Schaffens als erste Erfolgsbedingungen des Commoning hervorgehoben.Wunschdenken und gegebene Möglichkeiten (oder gegebenenfalls entwickelbare Möglichkeiten) werden immer wieder im Widerspruch zueinander geraten.
Man wird es zum Beispiel immer auch mit einem Anteil Regelwerk zu tun haben, das Errungenschaften sichert und DESHALB nicht von allen und jeden jederzeit in Frage gestellt werden dürfen (zur Todesstrafe als Mittel des Commoning, wie es bei den vorkolonialen Fischerei-Gemeinschaften Haitis üblich war, wollen wir jawohl nicht zurück)
@MS
Wir sind uns vermutlich alle einig, dass es eine wesentliche Frage ist, wie damit umgegangen werden soll, wenn Commons auf die Rolle einer scheinbar kostenlos (weil vom privateigentümlich bornierten Selbst nicht zu ertragenen Kosten) zu ergatternde Naturressource festgelegt werden. Was in einer Welt naturgemäß geschieht, wo man für gewöhnlich privateigentümlich für den Verkauf produziert und man dann das so – unter Absehen von Vielem – zur Ware Gewordenen auch entsprechend privateigentümlich aneignet. Nach seinen privateigentümlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten – auch der eigenen Wahrnehmung.
Meiner Meinung nach ist es aber genau deshalb falsch, die (Entwicklung der) Warenwelt unisono als Feindesland zu betrachten, weil sich auch innerhalb des Warensinns Dispositive des Commonig entwickeln. Etwa mittels Ökosteuern und wie sich das in Richtung eines am Ende weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements weiterentwickeln ließe. Außerdem dürften Commonsinseln noch eine ganze Weile davon mit abhängig sein, in wieweit es gelingt, deren Integrität und Entwicklungspotenziale im Rahmen und mit Mitteln des (noch) Bestehenden (also z.B. politisch, rechtlich usw.) abzusichern oder unter Umständen gar zu ermöglichen.
@Martin:
Die Gefahr besteht auf jeden Fall, aber trotzdem finde ich es richtig, Commons überall dort zu machen, wo es möglich ist.
Ich finde es nicht sinnvoll, den Staat aus der Verantwortung zu entlassen, aber wo er sich faktisch rausgezogen hat, Commons aufzubauen aber schon. Sonst würde es auf abstrakte Forderungen rauslaufen wie »Kein Commoning, solange es den Staat gibt«. Oder beim Markt etwa: »Kein Community-Gardening, solange es bei Aldi billiges Gemüse gibt«.
Es ist ein Übergangsprozess, in dem tatsächlich Markt- wie auch Staatsfunktionen zu ersetzen sind. Dass das beiden (Markt und Staat) auch nützt, ist Bestandteil der Übergangsdialektik. Entscheidend finde ich, dass die Commons, die etwas ersetzen, nicht nach der alten Logik des Ersetzten funktionieren. Also beim Staat etwa: Selbstorganisation statt parternalistische Versorgung etc.
@HH: Die Warenwelt ist unisono als Feindesland zu betrachten, ganz einfach, weil sie nach einer anderen Logik als Commons funktionieren. Trotzdem müssen Commons in ihr klarkommen und sich gegen die Tendenz zu Kooptierung bewusst zur Wehr setzen. Dort, wo das nicht klar ist, gehen Commons früher oder später in die alte Logik über. Du magst es »Dogma« nennen, ich nenne es Erkenntnis.
Sicher entstehen im Warenirrsinn auch »Dispositive des Commoning«, nur sind sie darin nicht entfaltbar. Selbstentfaltung ist unvereinbar mit Selbstverwertung, Selbstorganisation ist unvereinbar mit Vermarktung. Aber immer können Ansätze in diese Richtungen funktionalisiert werden, und das findet ja auch massenhaft statt. Der Neoliberalismus die die perfekte Ideologie dafür.
Ist zu betrachten? Klingt wie eine in Leideform gehüllte Anweisung. Nimm es mir bitte nicht krumm, wenn ich deine Sicht der Dinge trotzdem nicht annehme und ihr auch keine allgemeingültige Wahrheit zugestehe. Sie ist mir zu staatisch. Ich vermisse dieDialektik. In einer solchen Sicht scheint es keine Entwicklung zugeben oder eine, die immer nur in eine Richtung geht.
…… oh, sorry, hab in nem anderen Fenster auf „Speichern“ klicken wollen und nun ist das hier längst vor Vollendung abgeschickt. Fortsetzung folgt also (ein wenig argumentieren wollte ich natürlich schon) 🙂
Gruß hh
Ist zu betrachten? Klingt wie eine in Leideform gehüllte Anweisung. Nimm es mir bitte nicht krumm, wenn ich deine Sicht der Dinge trotzdem nicht annehme und ihr auch keine allgemeingültige Wahrheit zugestehe. Sie ist mir zu staatisch. Wo bleibt die Dialektik? In einer solchen Sicht scheint es keine Entwicklung zu geben oder eine, die immer nur in eine falsche Richtung geht.
Auch und gerade in der kapitalistischen Ära folgt die Entwicklung des Handelns und des dem entsprechenden Denkens und Wollens nicht nur EINER „Logik“, das heißt, nicht nur einer Entwicklungsbedingung.
Das Dogma versperrt ein Erkenntnisinteresse, das zu entwickeln und fruchtbar zu machen ich für eine notwendige Bedingung halte, um Kapitalismus Geschichte werden zu lassen. Es sperrt das Erkenntnisinteresse in eine kurzschlüssige weil bornierte Legitimierungs- bzw. Delegegitimierungslogik ein.
Na, dann braucht man sich über die Entwicklung von Spielräumen (oder deren Vernichtung) ja keine Gedanken mehr zu machen. Wunderbar! Wir sind uns gewiss darin einig, dass die kapitalistische Ära schnellst möglich überwunden gehört. (Ich halte die nächsten Jahrzehnte für entscheidend.) Die (Re-)Produktion und Aneignung der begehrten Existenz- und Bereichrungsmittel muss ganz allgemein (und weltweit) auf Grundlage von Übereinkommen organisiert werden, die den Grundsätzen nachhaltiger Entwicklung verflichtet sind: weltweil sollen alle gut leben können ohne dass dies die Grundlagen eines guten Lebens aller zerstört.
Das setzt eine Revolutionierung (nämlich eine entsprechende, bewusste Neubestimmung) der gesamten Behauptungs- bzw. Rechtfertigungsbeziehungen voraus, was im Übrigen heißt, dass Bedürfnisse GEMEINSAM hinterfragt und dem angepasst werden können, was deren Erfüllung (wem) kosten darf. Auf kapitalistische Überproduktion aufbauende neue Commonsinseln (die damit im Übrigen sowieso nicht außerhalb der „Kapitallogik“stehen) dürften dabei eine wesentliche Rolle spielen. Sollen sie aber mehr als eine alternative Spielwiese oder Billigmacher werden, müssen sich eben auch die Kräfteverhltnisse INNERHALB der privatwirtschaftlich-staatlichen Formation des weltgesellschaftluchen Füreinanders ändern.
Genau, und deshalb darf dem Neoliberalismus das Feld nicht kampflos überlassen werden.
Gruß hh
@HH: Das »ist zu betrachten« war deine Formulierung, die ich einfach negiert wiederholt habe. Woran du leidest, müsstest du also dich selbst fragen.
Ja, ein Dogma versperrt Erkenntnis, aber eine Erkenntnis nicht inhaltlich zu behandeln, sondern als Dogma zu bezeichnen, beendet die Diskussion. Wer zuerst »Dogma!« ruft hat gewonnen.
Über vieles sind wir uns sicherlich einig, nur nicht über die Frage der Transformationsstrategie. Es spricht nichts gegen eine Veränderung der »Kräfteverhältnisse INNERHALB der privatwirtschaftlich-staatlichen Formation«, nur ist darüber keine Transformation hin zu einer neuen Produktionsweise zu erreichen. Eine neue Produktionsweise kommt nur als neue Produktionsweise in die Welt.
Eine inhaltliche Erörterung des Problems sieht wohl auch anders aus. Ich gehe nicht von nur einen und einzig richtigen Strategie aus, blicke eher in Richtung eines möglichen Zusammenspiels verschiedener Ansätze (z.B. eher marxistischer oder eher anarchistischer Art).
Sowohl in Bezug auf tratitionelle, neue oder noch zu schaffender Commonsansätze oder -inseln als auch im Hinblick auf so etwas wie ein Projekt Menschheit (d.h. im Hinblick auf die Etablierung einer Weltgesellschaft, die auf Basis eines Systems weltgemeinschaftlicher Abkommen funktioniert), ist die Entwicklung der Kräfteverhältnisse INNERHALB von Staat und Gesellschaft von höchster Bedeutung. Es muss z.B. von größtem Interesse sein, die Möglichkeiten von Anfeindungen gegenüber Commons-Ansätzen (oder auch Traditionen) zu begrenzen.
@Stefan und HHH: So vergnügt ich eure Streitereien verfolge – auf Ostroms Linie seid ihr schon längst nicht mehr. Das ist wahrscheinlich auch nicht euer Anliegen, aber trotzdem täte es dem Diskussionsprozess vielleicht ganz gut darauf hinzuweisen. Stefans Welt, in der Commoning allgemeines Prinzip wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handels ist, kann man natürlich nur als normative Wunschvorstellung betrachten. Denn mit der wissenschaftlichen Arbeit Ostroms und ihrem Mantra, dass es eben um die Vielfalt an institutionellen Problemlösungen geht, hat diese Vision nichts mehr zu tun.Lieber Stefan, nimm es mir bitte nicht übel, aber ich spitze es jetzt mal zu: Das folgt dem selben Schema wie der Neoliberalismus – es benutzt wissenschaftliche Modelle (hier: Neue Institutionenökonomie, dort Neoklassik), greift sich ein Regelungsprinzip aus dem Theorienfundus (hier: Commoning, dort marktlicher Austausch) und erklärt es zum allein seeligmachenden Prinzip der gesellschaflichen Organisation. Ungeachtet der Modellhaftigkeit, ungedenk der Vorbedingungen und Verflechtungen der Prinzipien.Ich habe nichts gegen diesen politischen Ansatz, in vielem würde ich ihn sogar teilen. Aber eben nur als EINEN Ansatz, der neben sich noch andere zulässt.
@Daniel C. Was Stefan Mz Positionen berifft, teile ich deine Sicht. In meine Richtung liegst du wohl auch nicht so ganz verkehrt. Teilweise. Siehe mein Eingeständnis auf mehr (Öko-)Kommunismus wagen 😉 Ostroms acht Bedingungen für ein erfolgreiches Commons-Management, sind sehr klar, und sie sind wissenschaftlich fundiert.
Sie bieten m.E. auch genug Orientierungspunkte in der Sache und – im nach hinein betrachtet – sehe ich auch keine Notwendigkeit, daraus irgendwelche eigenen acht Orientierungspunkte der Commons-Bewegung zu machen. Ob ich auf Ostroms Linie bin oder nicht, ist mir aber tatschlich Schnuppe. Meine Perspektive ist eine andere.
Mich beschäftigt die Frage, wie Kapitalismus Geschichte werden kann. Es gibt in meinen Augen gute Gründe für den Wunsch, den von Marx konstatierten Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter des kapitalistischen Füreinanderproduzierens und der Tragik der privateigentümlichen Aneignung (mit entprechend borniertem Bereicherungsperspektiven und Verantwortungsbereichen unter Einschluss dazu passender Gedanken, Gefühls- und Bedürfnisslagen) in Richtung auch eines globalen Miteinanders aufzulösen, das auf Basis eines am Ende weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements funktioniert.
Wie sich ein solches Wunschdenken in eine griffige,d.h. logisch nachvollziehbare, bestreitbare und praktisch relevante Theorie sozialer Emanzipation einfügen ließe ist eine interessante Frage. Sie darf natürlich nicht vom Wunschdenken seiner Konstrukteure geleitet sein. Muss die gesellschaftliche Notwendigkeit und die unterschiedlichen Möglichkeiten natrülich auch wirklich ergründen und ergebnisoffen erörtern.
Hallo Daniel C., vielleicht kannst du ja meinen Alternativen Thesen mehr abgewinnen. Sie sind zwar etwas mit heißer Nadel gestrickt, aber für einen Kommentar bei keimform.de mag es reichen.
Sehr schön zu lesen und als Konzept sicher tauglicher als „meine“ Idee der „jeder tut was er kann und nimmt was er braucht“ Gesellschaft.Mein streben geht in diese Richtung allerdings erst seit kurzem. Ich hatte dieses Jahr erst ein Gefühl des erwachens aus einem Tiefschlaf nach der Erkenntniss wie unsere Finanzwirtschaft funktioniert und das Geld als extrinsische Motivation, wenn es überhaupt mal sinnvoll war, ausgedient hat.Die intrinsische Motivation die es ermöglicht sich selber zu gestalten muss ich gerade Lernen – bisher dachte ich immer geh Arbeiten verdien dein Geld und du tust alles was du kannst. ————-
Durch G+ bin ich den Misständen der Gesellschaft jetzt schon überdrüssig und suche nach gangbaren Wegen und Möglichkeiten mich einzubringen. Ich habe in einem Anflug von Größenwahn versucht die Telekom von einem Gemeinschaftskonzept der Zusammenarbeit zu überzeugen – natürlich auf Granit gebissen und erstmal Krankgeschrieben Diagnose Manisch ;)————-
Ich denke tatsächlich das die Menschheit eine Metamorphose oder einen Paradigmenwechsel braucht um aus dieser Misere heraus zu common ;)Wie eine Raupe zum Schmetterling wird finde ich ein sehr schönes Bild zu dem was ich denke…erst entstehen einzelne „Schmetterlingszellen“ die dann Cluster bilden und dann schwup ist keine Raupe mehr da.Besser kann ich den Wandel nicht beschreiben.————-
Ich gründe einen Verein bin dadurch im System kann aber gemeinnützig Arbeiten. Danke für die Arbeit joern
@ h-ggThese 2 habe ich komplett nicht verstanden.
?????????
@hhh: In Kants Diktum heißt das „Die Materie der Erkenntnis kann nicht gedichtet werden“. Ich folge da Renate Wahsner (Z 77, S. 138 ff.)
Das macht es für mich noch rätselhafter. Wie schafft es „die Widersprüchlichkeit“ (???) Zielstellungen abzubilden? Und was hat das mit Erkenntnismaterie (???) dichten (???) zu tun? Oder mit den Commons?
Selbst die gesamten Zielstellungen anthropogenen Handelns in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit bilden nur einen Teil der komplexen realweltlichen Zusammenhänge ab und wir können einen solchen Horizont – aus prinzipiellen epistemologischen Erwägungen – auch nicht überschreiten.
So verständlicher? Der Rest bezieht sich auf eine klare philosophische Debatte, die ich hier weder darstellen kann noch möchte noch werde.
Ich versuche es.
Die Summe aller menschlichen Zielstellungen bilden also etwas ab, aber nicht alle Zusammenhänge des menschlichen Lebens. (Was selbst dann auf der Hand liegt, wenn man unterstellt, dass mit Abbild nicht ein tatsächlich wahrnehbares Abbild gemeint ist, sondern eine idealtytische Setzung. Zielstellungen unterliegen unterschiedlichen Motiven, Hindernissen, Behauptungs- bzw. Rechtfertigungsbedingungen usw., die oft im Dunkeln liegen, und mit wissenschaftlichen Methoden auch nicht in Gänze ergründet werden können. Was allerdings auch nicht erforderlich ist)
Die Summe aller menschlichen Lebensäußerungen zu erfassen ist unmöglich, ein vorgestelltes „Abbild“ läge hinter dem Wahrnehmungshorizont, und könnte auch mit wissenschaftlichen / erkenntnistheoretischen Methoden nicht als Gesamtheit erfasst werden.
Richtig?
Die Bedeutung der zweiten These für die Debatte hätte ich dennoch nicht verstanden. Ist damit gemeint, dass die Behauptung, das Ganze sei falsch und kein richtiges Leben im falschen möglich, nicht beurteilt werden kann?
Dass bei jedem Commoning das GEMEINSAME der (bewussten) Zweckbestimmung immer „nur“ relativ ist?
@hhh: Meine differente zur hier gepflegten epistemologische Herangehensweise, die in jener These zum Ausdruck kommt, sagt einfach, dass „Commons“ in Anschauung des Objekts im Kantschen Sinne nur als Konkreta, also letztlich in ihrer spezifischen historischen Genese sinnvoll gefasst werden können. Ich denke, das macht auch Elinor Ostrom, nicht aber die Autoren der hier vorgeschlagenen „Aktualisierung“ der Thesen.
Ob ein abstrakter Commonsbegriff wie hier diskutiert, als Gedankenübung ohne solchen historisch-spezifischen Bezug hilfreich ist, bezweifle ich. Er machte für mich überhaupt nur Sinn, wenn er versuchen würde, die Erfahrungen praktischen Commonings aus erster Hand zu verbalisieren. Wie weit hier Stories über Stories über Stories über solche praktischen Erfahrungen hilfreich sind, mag ich nicht beurteilen. Muss ich auch nicht.
Damit aber Schluss, denn es interessiert hier ja sowieso nicht, sondern regt ein paar Leute nur unnötig auf.
Ok, ich kann den von der These 2 ausgehenden Bogen zwar nicht nachvollziehen, aber diese Aussage verstehe ich und ich stimme ihr auch zu.
@hhh: Das ist allerdings interessant, wenn du auf offensichtlich anderer epistemologischer Basis zu denselben epistemischen Konsequenzen kommst. Wir haben hier in Leipzig ja einen Thread, wo wir über eine adäquate Fundierung einer Philosophie der Praxis debattieren.