Nur Denken oder Essen?
Zwei Menschen können wohl den selben Gedanken denken, aber nicht dasselbe Stück Brot essen
Dieses Zitat von Thomas Hobbes (aus: Leviathan – mit dem er den „Kampf aller gegen alle“ begründet, siehe auch das Bild rechts, zum Vergrößern klicken) wird einem immer wieder entgegen gehalten, wenn man von dem Modell der Freien Software als „Keimform“ einer nachkapitalistischen, nicht geldlogischen Gesellschaft spricht. Der kategoriale Unterschied zwischen virtuellen Gütern und körperlichen, sinnlich erfahrbaren wird zum Dauer-Gegenargument: Was in der Welt der Bits und Bytes möglich sei, verschließe sich in Welt der handfesten Güter von selbst und dauerhaft!
Leider leisten Systematiken im Stil einer „Warenkunde“ – wie die von Ernst Lohoff und Stefan Meretz – diesem eh schon allzu felsenfesten Glauben Vorschub: Die Einteilung von Gütern/Waren z.B. in „rivale“ und „nichtrivale“ (entsprechend der Unterscheidung, ob ihr Konsum jemand anderem etwas wegnimmt oder nicht – siehe obiges Zitat) legt geradezu eine ontologische Sichtweise nahe: In einer entsprechend starren Güter/Waren-Systematik eignen sich nur die virtuellen zur freien Nutzung – alle anderen bleiben ewig knapp und können bestenfalls (solidarisch) „geteilt“ werden. Eine ähnlich missverständliche Einteilung suggeriert Stefans neues Schema zu „commons“. Hier macht er – vom „Gut“ ausgehend – wieder so ein festes Schema, das ebenfalls wieder eine (quasi natürliche) Begründung für das übliche Gegenargument liefert. Statt solcher Systematiken (so verdienstvoll, ausgeklügelt und anschaulich sie auch sein mögen) sollten wir lieber versuchen, die übliche Argumentationskette aufzulösen. Z.B.:
Zwei Menschen können sowohl denselben Gedanken denken als auch in derselben Straßenbahn sitzen!
Das typische Beispiel der Nahrungsaufnahme, Verdauung oder Einverleibung ist nämlich ein gar nicht so häufiger Sonderfall. Viele andere Konsumgüter und Tätigkeiten lassen sich mehr oder weniger einfach und verlustfrei „gemeinsam“ oder abwechselnd o.ä. nutzen. Und wenn man etwa den Spass einer gemeinsamen Autofahrt oder Nutzung derselben Decke zum Drunterkriechen nimmt, ist das nicht nur keine Einschränkung des Nutzens oder ein solidarisches Teilen, sondern ein Erlebnis von besonderer (zusätzlicher) Qualität – also keine Halbierung oder Aufteilung des Nutzens sondern eine Vervielfältigung bzw. Variation!
Deshalb sollten wir besser von den konkreten Bedürfnissen der Menschen ausgehen. Nur von ihnen aus lässt sich sinnvoll von „Knappheit“ oder „Reichtum“ sprechen. Den gesellschaftlichen Charakter von „Knappheit“ oder „Reichtum“ heraus zu stellen, könnte helfen, den Unterschied zwischen z.B. „rivalen“ und „nicht-rivalen“, zwischen virtuellen und handfesten Gütern/Waren zu relativieren und damit die Vorstellung einer Verallgemeinerbarkeit des Modells „Freie Software“ zu erleichtern.
Und umgekehrt: Auch bei den virtuellen Gütern/Waren kommt ja häufig das Gegenargument: Auch wenn das Kopieren selber (verlust-)frei sei, benötige der konkrete Vorgang doch noch einen gewissen Aufwand an Zeit (Arbeit) und materielle Ressourcen (Technische Geräte, Räume usw.) – wobei meistens an die ungünstige Situation der „Entwicklungsländer“ erinnert wird. Außerdem braucht jede Information konkrete Datenträger, die ebenfalls wieder hergestellt, bedient, gewartet usw. werden müssen. Wir ziehen uns immer aus der Klemme, indem wir „prinzipiell“ und „an und für sich“ hinzufügen: Prinzipiell und „an und für sich“ seien virtuelle Inhalte frei kopierbar und verfügbar. Besser wäre, die kategoriale Unterscheidung der Güter/Waren-Arten aufzugeben bzw. in den Hintergrund zu stellen.
Wir sollten nicht die Sonderrolle betonen, dass die virtuellen Güter prinzipiell frei sind, also die an bestimmten (eben virtuellen) Gütern klebende Eigenschaft „frei“ in den Vordergrund stellen (die die anderen dann nicht haben), sondern den jeweiligen konkreten Aufwand bzw. Umgang mit ihnen genauer analysieren. Freie Software zu produzieren und zu nutzen, ist nicht einfach nur frei, sondern macht Spass. Es tut gut, macht z.B. das schöne Gefühl, mit der jeweiligen Software-Community – mit Gesellschaft überhaupt – verbunden zu sein. Es fehlt der Ärger über Nutzungseinschränkungen mitsamt den üblichen Drohungen bei proprietärer Software. Eine ganze Welt von Anwendungen steht frei zur Verfügung, die Produzenten bekommen leicht Kontakt untereinander usw.
„Arbeit“ im Zusammenhang mit virtuellen Gütern macht Spass, ist also gar nicht „Arbeit“, sondern befriedigende Betätigung, Steigerung von Lebensqualität statt Energie-Verlust, sie bringt Anerkennung, das Gefühl professioneller Qualifikation usw. (was auch leider zur Sucht führen kann). Diese Betätigung ist kein Opfer, kein Arbeitsleid („pain of work“), wie die liberale Klassik ihrem Wirtschaftsmodell zugrunde gelegt hatte, ist nichts, was zeitlich gemessen, äquivalent getauscht, also „entlohnt“ werden muss. Hier entfallen die Kriterien, die unserem System zugrunde liegen, die Übersetzung von Qualität in Quantität, von völlig unterschiedlichen Inhalten in ein vergleichbares, berechenbares Wert-Schema. Deshalb ist das Modell der Freien Software so interessant: nicht wegen der besonderen Güter-Eigenschaft „frei“, sondern weil hier in besonders „reiner“ Form die Entstehung einer neuen gesellschaftliche Logik zu beobachten ist. Bei genauerem Hinsehen lassen sich ähnliche Beispiele (allerdings viel weniger offensichtlich) fast überall finden, eine „Gütersystematik“ erschwert solche Beobachtungen eher.
Könnte der starke Bezug auf die („objektiven“) Gütereigenschaften vielleicht mehr oder weniger bewusst aus Resten von Geschichtsteleologie stammen – die neue Technologie könnte quasi automatisch zum qualitativen Sprung aus dem Kapitalismus hinaus führen? Aber auch mit dieser Hoffnung (einer aus der Mitte des alten Systems entstehenden „Revolution“ als „List der Vernunft“) lohnt ein Blick auf alle Bereiche der Gesellschaft: An vielen Stellen gibt es systemimmanente Entwicklungen, die dabei sind, den alten liberalen Arbeitsbegriff zu korrigieren (neben dem Gegentrend von Arbeitsverdichtung, Zwangsflexibilisierung usw.): Auch unter dem Aspekt der betriebswirtschaftlichen Verwertung der Ware ‚Arbeitskraft‘ zeigt sich immer deutlicher, dass die intrinsische Motivation der indirekten Motivation (der Geldlogik) überlegen ist. Überall dort und in dem Maße, in dem immer mehr personenabhängige Leistungen wie Kreativität, Kooperationsfähigkeit, emotionale und soziale Kompetenz usw. verlangt werden, dürfte sich „Arbeit“ auch ein Stück weiter in Richtung persönlicher Befriedigung, Spass, Anerkennung usw. verschieben, bzw. den entsprechenden Anspruch nähren. Diese Verschiebung stößt natürlich an die systemische Grenze der betriebswirtschaftlichen Verwertung, könnte aber eine Eigendynamik entwickeln, die diese Grenze nicht mehr akzeptiert.
Also ich bin meistens schon froh, dass ich meine Decke allein nutzen kann. Will nicht, dass da jemand mit runterkriecht. Ausnahmen bestätigen die Regel!
Ist das ernst gemeint bei dem Totalstress in der heutigen „Arbeitswelt“, Anstieg von Depressionen, Burnout, psychischen Krankheiten usw. und wo die Leute die Zumutungen immer mehr verinnerlichen, sich selbst immer mehr kontrollieren, all das. Und dann soll irgendwo mehr Befriedigung sein (angedrehter und aufgedrückter „Spaß“, ja) ?
@ulifrank: IMHO kann es schon sinnvoll sein, auf solche Kategorien wie „rival“ und „nichtrival“ einzugehen, gerade um klar zu machen, dass sie nicht mit der Unterscheidung „materiell“ vs. „immateriell“ zusammenfallen. Dein Beispiel passt da ja ganz gut: Straßenbahnen sind eben nichtrival, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad. Das sieht übrigens auch die herkömmliche Wirtschaftswissenschaft so, z.B. schreibt die Wikipedia:
Bei der Straßenbahn kann dabei (anders als bei der Autobahn) sogar ein Netzwerkeffekt auftreten, d.h. das Gegenteil von Rivalität. Wenn mehr Leute auf einer Strecke fahren, erhöhen die Verkehrsbetriebe vielleicht die Frequenz, und dann ist die verstärkte Nutzung durch andere sogar vorteilhaft für alle. Bleiben Frequenz und Wagengröße dagegen unverändert, ist die verstärkte Nutzung durch andere von Nachteil, weil man sich nun in überfüllte Wagen quetschen muss.
Daran lässt sich schön zeigen, dass es eine Frage der gesellschaftlichen Organisation ist, ob die Nutzung durch andere für mich Vor- oder Nachteile bringt, dass so etwas wie Rivalität versus Netzwerkeffekt also nicht „naturgegeben“ ist.
Hallo Ulifrank,
vielen Dank für Deinen Beitrag, der mir an vielen Stellen aus dem Herzen spricht. Das Beispiel des Skeptikers mit der Decke, finde ich, unterstreicht Dein Rütteln an der Zweckmäßigkeit der Unterteilung in rival, knapp etc. sehr schön: Eine Decke oder ein Bett kann ein knappes und rivales Gut sein aber unter Umständen hätte man doch, dass man sich diese beiden Güter mit jemandem teilen kann. Das ist schon fast Kollektivgutpoesie 😉
Zur Arbeitsmotivation fällt mir die Hacker-Ethik von Himanen ein, deren Auseinandersetzung mit Arbeit vor dem Hintergrund von Open Soure ich sehr interessant finde. Ich sehe dort und auch in Deiner Argumentation nur die Gefahr, dass man beginnt, das bisher geltende Deutungsmuster der protestantischen Arbeitsamkeit mit Hilfe des aus der Psychologie kommenden Begriffes der intrinsischen Motivation zu einer Frage der Gesundheit zu machen. Damit wäre m.E. niemandem geholfen. Schon heute wird die intrinsische Motivation in der „Arbeitswelt“ als Druckmittel genutzt: Wer sich nicht selbst zum Arbeiten motivieren kann, ist entweder faul, krank oder arbeitsscheu.
Ich würde es interessant finden, nicht nur den Gedanken der Güter als knappe Dinger und deren Unterteilung in rival/nicht-rival zu „vergessen“, sondern den Gedanken der Arbeit auch gleich mit über Bord zu kippen.
Auch die persönliche Empfindung als Vor- oder Nachteil ist m.E. nicht naturgegeben. Die Frage, ob etwas als angenehm oder unangenehm empfunden wird, ist m.E. nicht nur eine Frage der gesellschaftlichen Organisation, sondern wird auch von der gesellschaftlichen und individuellen Wahrnehmung und Bewertung beeinflusst.
An sich ein guter Denkansatz, insbesondere das Aufgreifen der verschiedenen Begriffe. Allerdings: ist der Begriff der „intrinsischen Motivation“ m.E. nicht mehr angebracht. Ich habe damit selbst mal gearbeitet, als ich eben die Motivationen von Open Source und Netlabel-Personen vergleichen wollte.
Mittlerweile würde ich aber nicht mehr ausschließlich damit umgehen, sondern vor allem mit dem Begriff oder dem Konzept der „Subjektivierung“. Das greift auch das angesprochene Problem der „Krankheit“ bzw. des „Eigenverschuldens (faul, unfähig, etc.)“ auf. Der Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Formation hat es geschafft gewisse Muster der Verantwortung in die arbeitende Bevölkerung zu transportieren:
Wenn ich bspw. Interesse am Programmieren habe, also eine intrinsische Motivation, und einen Job finde, in dem ich das ausleben kann, ist es nunmal schwer abzugrenzen, inwieweit bringe ich mich und meine Arbeitskraft (materiell/immateriell ist dann ja auch noch eine Frage) in die Produktivität meines/r Arbeitgeber/innen ein. Die Frage zielt insbesondere auf die Frage der Ausbeutung ab. Hinzu kommen andere Effekte, die mich als arbeitende Person mit Emotionen, Kognitionen, etc. in den Arbeitsprozess einbinden. Das verspricht gerne den Luxus der Kreativität, des Auslebens der eigenen Persönlichkeit, weil Interessenlage, aber birgt ungemeine Risiken.
Allerdings sollten diese Ansätze weiterverfolgt bzw. weitergedacht werden. Am besten natürlich mit einer Einbindung der von mir sehr heruntergebrochenen Kritik 😉
„Intrinsische Motivation“ scheint mir einer jener Begriffe zu sein, die etwas auf die Logik der Arbeit bringen, was ihr eigentlich nicht entspricht. Im Kapitalismus spielt es keine Rolle, ob eine Arbeit gern getan wird, es zählt nur das Ergebnis, das Produkt, das zur Ware wird. Daher besteht ständig das Problem, wie man die Menschen zum Arbeiten bekommt. Dafür hat die Psychologie den Begriff „Motivation“ eingeführt. Zwang und Anreize sind nun „extrinsische Motivation“, Lust, Interesse, das Gefühl des Gebraucht-Werdens oder die Erkenntnis der Nützlichkeit „intrinsische Motivation“. In Wirklichkeit sind das aber ganz verschiedene Dinge.
Der (sowieso reichlich schwammige) Begriff „intrinische Motivation“ würde dann daraus resultieren, dass man eine komplexe Wirklichkeit entsprechend kapitalistischer Bedürfnisse einteilt, also ein ideologischer Begriff. Liege ich damit richtig, sollten wir den Begriff aufgeben und durch genauere Differenzierungen („Spaß an etwas haben“, „etwas tun, weil man es für wichtig hält“, „etwas aus Neugier tun“, „etwas als Herausforderung für sich auffassen und deshalb tun“ usw.) ersetzen.
Aus meiner Sicht wird die »Verallgemeinerbarkeit des Modells „Freie Software“« nicht leichter, wenn wir »den Unterschied zwischen z.B. „rivalen“ und „nicht-rivalen“, zwischen virtuellen und handfesten Gütern/Waren … relativieren«. Mit diesem Versuch bestärkst du das, was du eigentlich nicht willst: Du redest von den Dingen und nicht von den sozialen Beziehungen. Die Verallgemeinerbarkeit liegt nicht auf der Seite der Dinge — die sind nun mal unterschiedlich (z.B. rival in der Nutzung oder nicht) –, sondern verallgemeinerbar kann nur die soziale Form der Produktion sein.
Ich bin völlig einverstanden den »gesellschaftlichen Charakter von „Knappheit“ oder „Reichtum“ heraus zu stellen«, weil damit die Frage nach der Art und Weise der Produktion unserer Lebensbedingungen gestellt wird — und die halte ich für die entscheidende Frage. Dann kommt man schnell drauf, dass »Knappheit« keine Dingeigenschaft ist, sondern der sozialen Form der Ware geschuldet ist: Waren müssen knapp sein und müssen folglich als knappe Güter hergestellt werden. Und könnte genauso schnell drauf kommen, dass »Geld« eine ganz bestimmte bornierte Form von »Reichtum« ist, während der Rest der produzierten Lebensbedingungen als Reichtum gar nicht mehr in den Blick gerät. Damit könnte dann auch klar werden, dass »Produktion« lange nicht nur das ist, was Geld bringt, sondern jede Tätigkeit, die unsere Lebensvoraussetzungen im umfassenden Sinne schafft und pflegt. Das weisst du ja alles.
Die »Nicht/Rivalität« eines Gutes hingegen bekommen wir nicht weg relativiert. Das bringt aus meiner Sicht nichts. Stattdessen könnten wir deutlich machen, dass es darauf ankommt, wie wir gesellschaftlich mit der Tatsache umgehen, dass sich stoffliche Güter physisch verbrauchen und diese folglich immer wieder hergestellt werden müssen. Und wir wissen ja auch, dass viele der nicht-stofflichen Güter eine stoffliche Infrastruktur voraussetzen, die ebenso hergestellt und gepflegt werden will. Auch »Rivalität« ist insofern eine soziale Frage, aber nicht aufgrund einer Umdefinition, sondern wegen der Frage des sozialen Umgangs damit. Den einen konkreten Apfel kann nur eine Person essen, aber klarerdings könnten für alle Menschen auf der Welt genug Äpfel da sein. Das ist eine soziale Frage, keine der Apfeleigenschaft.
Ganz und gar einverstanden bin ich damit, die »Arbeit« als entwürdigende und entfremdete Zwangsform menschlicher Energieverausgabung zurückzuweisen und stattdessen die »befriedigende Betätigung« (wer’s braucht, kann die dann von mir aus auch »Arbeit« nennen — ich nenne es Selbstentfaltung) in den Mittelpunkt zu rücken.
Ja, stimmt, ich bin ein Systematiker, und Schaubilder sind immer vereinfachend. Sie können nur illustrieren, erklären aber die Sache nicht aus sich heraus. Manche können sie auch in den falschen Hals bekommen. Nun ja, kann ich nicht ändern. Mir helfen Systematiken, komplexe Sachverhalte zu erfassen und gerade in der Begrenztheit solcher Vereinfachungen etwas zu lernen. Allein der Widerspruch, der dann oft kommt, ist sehr hilfreich. Schon allein dafür würde ich es immer wieder so machen. Spricht ja nichts dagegen, dass es andere anders machen. Zum Beispiel so wie du, Uli: Danke dafür!
„Dinge — die sind nun mal unterschiedlich (z.B. rival in der Nutzung oder nicht) –“
das ist halt aus meiner Sicht genau Ulis Punkt, dass das eigentlich fast nie so ist. Ich würde mal sagen bei 99% der Dinge die uns umgeben ist es nicht von vorne herein festgelegt, ob sie rival in der Nutzung sind oder nicht. Selbst einen Apfel kann man teilen. Ganz zu schweigen von Wohnungen, Straßenbahnen oder Telefonleitungen.
Eben: teilen.
Danke für die Kommentare –
Und Benni für die Verdeutlichung meines „Punktes“: Tatsächlich halte ich es für ungeschickt, die liberale Fundamentalideologie zu füttern, dass mesnchliche Bedürfnisse „von der Sache her“ unendlich seien und damit Rivalität das normale Schicksal sämtlicher nicht virtueller Produkte. Ob sich menschliche Bedürfnisse in die Quere kommen oder nicht, muss sich aber nicht an den Produkten/Waren selber entscheiden, sondern eben an den jeweiligen individuellen (?) Bedürfnissen der Menschen. Wenn „Skeptiker“ zB. seine Decke alleine benutzen möchte ist das ein vollständig gültiges Argument. Aber das gilt eben nicht (automatisch) für alle. Eine andere will vielleicht garkeine Decke, wieder andere möchten mehrere. Gleichzeitg gibt es genug Menschen, die Spaß daran haben, Decken herzustellen (wie die Hängematten in Twin Oaks) und schon entfällt jeglicher Verteilungskampf.
Wenn die liberale Ideologie von der Unbegrenztheit der menschlichen Bedürfnisse ausgeht, entsteht ja leicht die typische Argunentationskette, die Alternativen zum Kapitalismus absurd erscheinen lassen: Bei unendlichen Bedürfnissen müsste die Wirtschaft unendlich viele Produkte/Waren bereitstellen. Aber das ist ja gar nicht nötig. Es müssen nur soviele vorhanden sein, dass alle individuellen Bedürfnisse befriedigt werden können. Das ist ein wesentlich anderes Problem. Ein dänischer Freund aus Bornholm erzählte mir, dass jeder dänische Bürger einen gesetzlichen Anspruch auf jeden VHS-Kurs im Lande hat. So könne er kostenlos den Kurs seiner Wahl zB. in Kopenhagen besuchen, wenn der in Bornholm nicht angeboten würde. Ich fragte ihn, ob das nicht sehr teuer wäre für den dänichen Staat. Er meinte, dass diese freie Wahl gar nicht häufíg genutzt würde. Es reiche den Bürgern, wenn sie wüssten, dass die Möglichkeit überhaupt als Garantie bestehe. Was ich möchte: die Phantasie vom traditionellen Denken zu lösen: Die Alternative zur („natürlichen“) Rivalität der Produkte/Waren sei die unendliche Produktion derselben. Am all-inclusive-Modell kann man das heute schon beobachten: Nach Auskunft eines Hoteldirektors in Mallorca wird zwar geringfügig mehr konsumiert – aber die Kalkulation unterscheidet sich mengenmäßig nicht wesentlich von der traditionellen Regulierung über Geld. Spätestens nach 2 1/2 Tagen gewöhnten sich nahezu alle Gäste daran, sich an ihren individuellen Bedürfnissen zu orientieren·
Und, Stefan, zum Teilen eines Apfels. Ich mag den Begriff „teilen“ nicht, weil er tatsächlich „reduzierte Bedürfnisbefriedigung“ suggeriert. Wenn alle Menschen gerade jetzt unbedingt einen Apfel haben wollen, ist teilen sicherlich Einschränkung. Aber bei diesen Wünschen kommt es ja völlig auf die Alternativen an. Unter dem Regime der Geldlogik können sich die individuellen Wünsche gar nicht frei entfalten, weil alle Gegenstände des Begehrens als Waren auf die Wertstruktur bezogen werden. Jenseits dieser dürfte eine viel höhere Kultur, Vielfalt und Phantasie entstehen.
An Ulis Beschreibung vom All-inclusive-Hotel würde ich gerne nochmal anknüpfen: Ich stelle mir vor, dass- ähnlich wie die Gäste eines solchen All-inclusive-Hotels nach ein paar Tagen lernen, sich beim Konsum an ihren persönlichen Bedürfnissen zu orientieren, – Menschen auch lernen können, bei der Produktion ihren persönlichen Bedürfnissen zu folgen.
Nur dauert das i.d.R. länger als 2 Tage, mitunter ein ganzes Leben und m.E. wird ein solches Entwicklungsmoratorium momentan, wenn überhaupt, eigentlich nur der Jugend zugestanden. Jugendliche dürfen sich noch ausprobieren und auch mal ein Studium oder eine Ausbildung abbrechen oder noch ein Freiwilliges Soziales Jahr machen.
Mmm… ein „All-Inclusive-Hotel für Arbeit“ wäre toll: Ähnlich wie man im „All-inclusive-Hotel für Übernachtungen“ davon ausgeht, dass sich alle Gäste nach einer gewissen Zeit an ihren persönlichen Konsumbedürfnissen orientieren, geht man im „All-Inclusive-Hotel für Arbeit“ davon aus, dass sich alle Gäste/Mitglieder/GenossInnen (?) nach einer gewissen Zeit an ihren persönlichen Produktionsbedürfnissen orientieren. Man würde dort akzeptieren, dass alle Arbeiten irgendwie, irgendwann und von irgendwem erledigt werden und bis diese Arbeiten erledigt sind, arrangiert man sich einfach damit, dass gewisse Sachen eben nicht funktionieren. Oder man verzichtet von vornherein komplett auf bestimmte Produkte und Leistungen, weil eben niemand Lust, Zeit und Fähigkeiten hat, diese zu produzieren oder die anderen damit zu stressen, dass sie jetzt unbedingt die Klos putzen oder Speicherchips herstellen müssen.
Mm….klingt wie eine Mischung aus Epikurs Garten, Hippiekommune und DDR.
Sind wir uns also »eigentlich« einig — bis auf die Verwendung des Wortes »rival«?
Ja, das sag ich doch. Das in-die-Quere-kommen ist eine soziale Frage, keine des Gutes. Ist das stoffliche Gut rival in der Nutzung, so können wir es vermehren, teilen, gemeinsam nutzen, uns zusammen drängen, abwechselnd nutzen, ausbauen etc. Die Rivalität determiniert nicht die soziale Lösung — und umgekehrt.
Das ist es jedoch, was die liberale Ideologie behauptet: Waren seien grundsätzlich knapp, und deswegen müssten sie »wirtschaftlich« hergestellt werden (und obendrein seien auch noch die Bedürfnisse unendlich) — eine zirkuläre Argumentation, denn als Waren müssen Güter tatsächlich knapp sein. Deswegen habe ich auch immer darauf hingewiesen, dass Knappheit keine Gütereigenschaft ist, sondern eine soziale Form, in der Güter produziert werden.
IMHO ist das jedoch nicht auf den Begriff der Rivalität ausdehnbar, denn Rivalität ist — wenn man es nicht umdefiniert — eine Nutzungseigenschaft des Gutes, die situationsabhängig (vgl. Christian oben) in unterschiedlichem Maße (also nicht binär) zum Tragen kommt (daher manchmal auch die Rede von Rivalitätsgraden).
Das stimmt, widerspricht aber dem Begriff der Rivalität nicht, denn (Nicht-)Rivalität fasst ja gerade den (Nicht-)Rivalitätsfall. Eine nicht überfüllte Straßenbahn ist in der Nutzung nicht rival, klar. Eine überfüllte aber schon. Will nur ein Menschen den einen Apfel essen, ist die Nutzung nicht-rival. Sobald zwei das wollen, aber schon. Wissen bekommt dieses Problem nie, eine Nutzung ist immer nicht-rival.
Fazit: Ich habe noch immer nicht verstanden, warum es besser sein soll, den Begriff der Rivalität zu »relativieren«, anstatt die Behauptung einer Determination der sozialen Form der Produktion durch die Guteigenschaft zu kritisieren.
„Wissen bekommt dieses Problem nie, eine Nutzung ist immer nicht-rival.“
Auch das stimmt so in dieser Allgemeinheit nicht. Dein geheimer PGP-Schlüssel ist pures Wissen und ziemlich rival. Und das ist ja nur ein Extrembeispiel. Es gibt jede Menge Arten von Wissen, die nur dadurch interessant sind, dass sie andere _nicht_ haben. Genauso wie es jede Menge Arten von Wissen gibt, die erst dadurch interessant werden, dass andere es haben. Aber das hast Du sonst ja auch nirgends behauptet, auch nicht in Deinem Schema, oder?
@benni: Das wäre aber ein sehr weiter Wissensbegriff: Wissen = Information. Dann kann man sich den Begriff Wissen aber sparen. Normalerweise wird unter „Wissen“ eine nicht-triviale (d.h. relevante) gerechtfertigte Information über die Welt verstanden. Der PGP-Schlüssel ist aber keine Information über die Welt.
Dass Wissen unterschiedlich interessant für unterschiedliche Nutzer ist, je nachdem wozu sie es brauchen, ist klar. Z.B. ist ein Wissen, mit dem du jemand erpressen willst, nur dann interessant für dich, wenn es die meisten anderen (die Öffentlichkeit) noch nicht haben. Auch im militärischen Bereich bringt es oft mehr, etwas zu wissen, wenn der Gegner es nicht weiß. Das Wissen selbst ist aber dasselbe.
Man könnte in solchen Fällen von einer „rivalen Nutzung“ eines eigentlich nicht-rivalen Guts, nämlich Wissen, sprechen. Solche Nutzungsweisen gibt es immer; Verkauf ist das beste Beispiel. Man kann unter denselben Bedingungen Wissen verkaufen wie jemand mit Wissen erpressen, nämlich wenn das betreffende Wissen knapp gehalten wird.
@benni#14: IMHO verwechselst du hier Rivalität und Exklusion. Wenn du nicht künstlich vom Wissen ausgeschlossen bist, dann ist Wissen in der Nutzung immer nicht-rival.
Du schreibst, Stefan:
„…Rivalität ist – wenn man es nicht umdefiniert – eine Nutzungseigenschaft des Gutes, die situationsabhängig (vgl. Christian oben) in unterschiedlichem Maße (also nicht binär) zum Tragen kommt (daher manchmal auch die Rede von Rivalitätsgraden).“
Das verstehe ich leider nicht. Wenn Rivalität eine („eingebaute“) Eigenschaft eines Gutes ist, dann muß dieser Zusammenhang (der Eigenschaft mit dem Gegenstand) doch irgendwie eindeutig definiert sein.
Schreibe ich einem Möbelstück die Eigenschaft „Sitzmöbel“ zu, dann muss ich es persönlich natürlich nicht zum Sitzen nutzen, sondern kann auch Kopfstand darauf machen, es ins Museum stellen (wo es tendenziell für jeden zugänglich ist) oder irgend etwas. Ist das gemeint? Dann ist also in einen Apfel tatsächlich die Nutzungseigenschaft: „kann nur von einem Menschen gegessen werden“ eingebaut. Oder anders formuliert: der natürliche (?)/adäquate (?) Zweck besteht darin, „dass der Konsum dieses Gutes den Konsum durch einen anderen Konsumenten be- oder verhindert.“ (wikipedia). In jedes Gut sind also bestimmte Nutzungszwecke eingebaut, die aber von den Menschen „umdefiniert“ werden können? Ist der Gebrauchswert damit gemeint? Kann der von vorn herein definiert, also eingebaut werden? Gibt es dann sowas wie den gesellschaftlichen Norm-Gebrauchswert, der aber (beliebig?) „umdefiniert“ werden kann? Was bedeutet dann diese Umdefinition für den gesellschaftlichen Norm-Gebrauchswert?
Ursprünglich bezogen sich meine Bedenken gegenüber einer „starren“ Gütersystematik auf die Frage der Vermittelbarkeit. Ich hielt intuitiv deinen Ansatz, vom „Gut“ auszugehen, für missverständlicher als vom gesellschaftlichen Nutzen bzw. Umgang. Inzwischen scheint mir dieser Ansatz auch inhaltlich problematisch. Ich sehe den grundsätzlichen Unterschied zur Kategorie „Kappheit“ nicht. Zweifellos wird in der herrschenden VWL auch „von der Sache her“ knappen Gütern gesprochen – wie das berühmte Haus mit Meeresblick (positionelle Güter) – und Knappheit als sachliche Eigenschaft (fast) aller Güter hochstilisiert (im Gegensatz zu den „freien) – und wir wissen ja, dass diese Ideologie eine fundamentale Bedeutung für unser System hat. Und zweifellos scheint das unter den gegenwärtigen Verhältnissen auch so zu sein. Mit der Rivalität dürfte es sich aber ähnlich verhalten (und darauf zielten meine Einwände ab – und eine sachlich begründbare weit reichende Güter-Rivalität passt ja wunderbar zum System). Schon Deine relativierenden Bezeichnungen „Rivalitätsgrad“ (die entsprechende Matrix bei wikipedia benutzt zwar den Ausdruck „Rivalitätsgrad“, unterscheidet aber nur zwischen 0 und 1) und „situationsbedingt“ deuten darauf hin: Bei näherem Hinsehen verliert „Rivalität“ genau wie „Knappheit“ an Prägnanz und sachlich begründeter Gültigkeit.
@Uli:
Nein, es ist keine Dingeigenschaft per se, sondern eine Nutzungseigenschaft des Guts. Die Frage ist: Was passiert mit dem Gut und dem Nutzenden, wenn es benutzt wird? Schränkt es die Nutzung für andere ein oder nicht? Daher kann ein und dasselbe Gut mal rival und mal nicht-rival in der Nutzung sein.
Wenn du den Apfel für dich alleine hast, ist die Nutzung nicht-rival (ok, das ist trivial). Wenn du mit wenigen Leuten in der Bahn sitzt, ist die Nutzung nicht-rival. Aber fahr mal am Freitag nachmittag von Wuppertal nach Berlin, dann erfährst du, was Rivalität bedeutet (die Platzkarte ist dann das marktwirtschaftliche Regulationsinstrument).
Auch Rivalität ist also ein Verhältnisbegriff, keine bloße Dingeigenschaft. Aber die Dingeigenschaft »Beschaffenheit« wirkt entscheidend darauf aus, ob sich ein Gut in der Nutzung rival oder nicht-rival verhält, ggf. in unterschiedlichen Situationen (leere/volle Straße/Bahn etc.).
Für mich ist entscheidend: Nicht-stoffliche Güter verhalten sich immer nicht-rival in der Nutzung (manchmal sogar anti-rival). Bei stofflichen Gütern kommt es drauf an. Bei Rivalität sind dann soziale Lösungen gefragt, die hier unter kapitalistischen Bedingungen schwieriger zu erreichen sind als bei nicht-stofflichen Gütern (dort geht es eigentlich nur darum, die Exklusion zu überwinden). Ich finde, das sollten wir nicht weg zu reden versuchen.
Knappheit ist schon deswegen eine andere Kategorie, weil es hier um die Produktion geht (und nicht um die Nutzung).
Ok, vielleicht sollte ich nicht mehr von »Nutzungseigenschaft des Guts« sprechen (weil sich das so nach »Dingeigenschaft« anhört), sondern immer von Rivalität als einem Verhältnis von Gut und Nutzendem.