Was ist »Information«?
Um die »Information« geht es in der aktuellen Kolumne »Immaterial World« in den Wiener »Streifzügen«. Themenschwerpunkt des aktuelle Heftes sind die »Ressourcen«. Obwohl vorher nicht geplant, passt die Kolumne ganz gut in das Thema rein, handelt es sich bei der Information doch um eine spezielle Ressource.
Die umstrittene Kernthese der Kolumne lautet: Information ist keine Erscheinung der unbelebten Natur, sondern an das Leben gebunden. Damit werden alle »physikalistischen« Ansätze (also die allermeisten) zurückgewiesen. Warum ist das wichtig?
Information ist kein Phänomen, das an den Dingen klebt wie eine Eigenschaft. Es ist auch keine Erscheinung, die das Lebewesen »sich« willkürlich erzeugt. Information ist immer das Verhältnis von einem Lebewesen und einer Sache (im weitesten Sinne), die für das Lebewesen eine Bedeutung hat. Die Information ist sozusagen das „dazwischen“.
Das gilt auch für den Menschen. Dort kommt eine weiterer Aspekt hinzu. Da die Lebensbedingungen im umfassenden Sinne hergestellt werden und damit allgemeine gesellschaftliche Gültigkeit haben, bedeutet individuelle »Informationsverarbeitung«, sich die Tatsache der gesellschaftlichen Hergestelltheit individuell kognitiv anzueignen. Es ist also nicht der Computer, der Informationen verarbeitet, sondern wir sind es, die die Bedeutung der gesellschaftlich produzierten Informationen erkennen. Der Computer die Netzwerke sind letztlich nur Werkzeuge, die Zeichen transformieren und transportieren.
Wenn die Produktion (im umfassenden Sinne verstanden) im beschriebenen Sinne primär ist, wird klar, warum es nicht ausreicht, sich die bislang produzierten Produktionsmittel unter den Nagel zu reißen — etwa um eine Freie Gesellschaft aufzubauen. Die Produktionsmittel sind eben nicht nur Mittel zur Produktion der Lebensbedingungen (ohnehin nur die auf die »Ökonomie« bezogenen), sondern es sind auch die Informationsträger, die die Art zu produzieren »enthalten«. So wie die Technik ist, so denken wir auch.
Andersherum erfordert ein wirklich transformativer, den Kapitalismus überwindender Ansatz, dass wir unsere Lebensbedingungen in tatsächlich neuer Weise produzieren — umfassend verstanden, nicht nur bezogen auf die »Ökonomie«. Erst bei der Schöpfung neuer Arten und Weisen, die Lebensbedingungen herzustellen, schaffen wir auch die neuen Denkformen, die wir brauchen, um genau dies tun zu können. Es ist also eine Art rückgekoppelter oder — was das Gleiche meint — permanenter Lern-Prozess.
Ungelöst scheint mir weiterhin die Frage zu sein, inwieweit die bisher geschaffenen gegenständlichen Mittel trotz der beschriebenen Problematik in die neue Produktionsweise eingehen können ohne diese durch ihr eingeschriebene »alte Logik« die zu zersetzen. Hier fallen mir zwei Antwortrichtungen ein. Erstens gilt es, die alten Mittel kritisch unter die Lupe zu nehmen. Allerdings ist Kritik begrenzt, weil sie ein Wissen darüber voraussetzt, wie denn die neue Produktionsweise funktioniert, vor dessen Hintergrund die alten Produktionsmittel nicht förderlich oder gar schädlich wirken. Zweitens hilft ein Blick in die Geschichte, längst zerstörte soziale und gegenständliche Produktionsformen und -mittel wieder herauszuholen und von diesen zu lernen, um sie in eine zukünftige Produktion einzubeziehen.
Damit ist nicht ein »Zurück« (das es ohnehin nicht gibt) zu einer romantisierten Idylle eines überschaubaren Handwerker(innen)-Daseins gemeint, sondern — mit Karl Polanyi gesprochen — die Wiedereinbettung der Produktion in die sozialen Beziehungen und das tägliche Leben.
Das entspricht dem Zeichenbegriff der Semiotik: Das Zeichen selbst (auch Zeichenträger oder Signifikant), die Bedeutung (auch Inhalt oder Signifikat) und (bei Charles S. Peirce, einem der Neubegründer der Semiotik) als 3. Teil des Zeichens noch der Interpretant, die Zustandsänderung im das Zeichen empfangenden System: das sind die zwei (bzw. drei) Teile des semiotischen Zeichenbegriffs.
Die klassische Informationstheorie (Shannon/Weaver) hat schon ihre Verdienste, aber sie kann den weitergehenden Ansatz der Semiotik nicht ersetzen. Aber das bloße Reden von „Bedeutung“ ist noch keine Alternative, schließlich ist es oft unklar, wodurch etwas eine Bedeutung für jemanden gewinnt. Tatsächlich muss man immer das ganze System betrachten, in dem Information fließt, nur dann kann man verstehen, wann etwas für jemanden eine Bedeutung hat und damit zum Zeichen wird.
Dass Produktionsmittel auch Informationsträger sind, denke ich auch. Das gilt allerdings allgemein für Artefakte. Sie enthalten zum einen Information darüber, wofür sie verwendet werden (z.B. Vergrößerung des Bildes beim Mikroskop), zum anderen über die Kultur, in der sie verwendet werden (z.B. Interesse an Mikroben usw.). Außerdem enthalten sie Informationen über den technologischen Entwicklungsstand einer Gesellschaft, über die Vorlieben, usw.
Die „Logik“, von der du sprichst, scheint mir allerdings tiefer zu liegen und nicht bloße Information zu sein: Großproduktionsanlagen z.B. erzeugen eine Gesellschaft des passiven „Abnehmer“-Konsums, erfordern zentrale Kontrolle usw. — Zu deinen zwei Modellen des Übergangs würde mir aber noch ein drittes einfallen: Es könnte auch eine Übernahme der aktuellen Produktionsmittel geben, die aber unter veränderten Ansprüchen ihrer Nutzer nach der Übernahme in eine andere Richtung weiterentwickelt werden. Also Veränderung in der Praxis.
@Martin: Danke für deinen interessanten Kommentar! Mir ist natürlich klar, dass das ein ziemlich weites Feld ist. Trotzdem der Versuch eines, hm, Gedankenanstoßes meinerseits.
Das semiotische Dreieck ist eine andere Darstellungsform der in der Informatik verwendeten Dreiteilung von Syntax (Zeichen, Signifikant), Semantik (Bedeutung, Signifikat) und Pragmatik (Interpretant). Meine Mutmaßung ist, das die Semiotik die Begrenzungen der Informatik nicht überwindet. Für mich deutet sich das an, wenn auch du von
sprichst, eine sehr technizistische, gerade von der Tatsache, dass es sich um Lebewesen handelt, abstrahierende Redeweise. Ich hoffe jedenfalls, dass du verstehst, was ich sagen will, anstatt dass ich darauf setze, mit den hier hingesetzten Zeichen in deinem Körpersystem eine Zustandsänderung hervorrufen (Zeichen direkt tun das eh nicht, btw.).
Genau! Das ist das Kernproblem, an dem sich schon Generationen die Zähne ausgebissen haben, nämlich so:
Aus meiner Sicht geht es so gerade nicht. Es kommt natürlich darauf an, was du unter System verstehst, aber ich vermute du meinst einen »jemand« im Sinne des oben genannten Dreiecks. In einem solchen System kann jedoch niemals Bedeutung entstehen, weil es ein solches System »für sich« nicht gibt. Also musst du das System erweitern und landest — im Falle der Menschen (man könnte das auch für Tiere diskutieren) — bei der Gesellschaft. Dieses »System« musst du betrachten und zwar zunächst mal getrennt von der Zeichenebene und der Interpretanten-Ebene. Die gesellschaftlichen Bedeutungen werden nämlich hergestellt, sie haben also objektiven Charakter (meistens werden Bedeutungen stattdessen als eine Art »kommunikatives Einigungsresultat« aufgefasst). Dass sie dann mit Hilfe von Zeichen von einem »jemand« kommuniziert werden, ist ein logisch (und war auch historisch) zweiter Schritt.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Bedeutung und Information? Ich denke, es sind Synonyme. Das kannst du ganz gut an deinem Absatz (den ich voll teile) über die Produktionsmittel als Informationsträger testen. Hier kannst du statt Information sehr gut Bedeutung einsetzen. Allerdings müsstest du dann nicht mehr vom »Information enthalten« sprechen, sondern »Bedeutung repräsentieren« o.dgl., was meiner Ansicht auch angemessener ist (Information als Verhältnis ist nichts, was irgendwo »enthalten« ist, auch wenn wir umgangssprachlich natürlich so reden).
Alle Ansätze, die ich kenne (inkl. der semiotischen, von denen ich allerdings nicht viel weiss), begehen aber meist in ein solipsistischen Zirkel und versuchen das Dreieck aus sich selbst heraus zu erklären, was aber nicht geht. Kurz gesagt: Es fehlen die Anker in der wirklichen Welt. Das letzte Beispiel dieser Art, das ich untersucht habe, ist das hier. Hm, vielleicht sind nicht alle so: Ich habe hier noch ein ungelesenes Buch liegen: »L.O. Resnikow, Erkenntnistheoretische Fragen der Semiotik, Berlin 1968, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften«. Kennst du es? Mal sehn;-)
Korrigiere mich, wenn ich dich misinterpretiert habe!
Ach ja: Für gute Literaturhinweise bin ich dankbar:-)
Die „Information“ der Informationstheorie ist ein wichtiges technisches Konzept. Mir scheint aber, dass sie den Ansatz der Semiotik, die explizit von Zeichen spricht und deren Verwendung untersucht, nicht ersetzen kann. Sie unterscheidet nämlich nicht zwischen Ausdruck (= Signifikant) und Inhalt (= Signifikat) des Zeichens. So bleibt unklar, warum eine Menge von Bits überhaupt jemanden interessieren sollte. Handelt es sich z.B. um eine bloße Zufallsanordnung, dann hat diese keine Bedeutung, sie ist kein Zeichen. Man kann sie hinreichend als Ergebnis eines bestimmten Zufallsprozesses beschreiben. Ist dagegen etwas damit verbunden (z.B. wenn eine Zufallsfolge von Bits als Schlüssel für ein Verschlüsselungsprogramm verwendet wird), erhält sie eine Bedeutung.
Ein anderes Beispiel: Das deutsche Wort „Handy“ hat 5 Buchstaben, das engl. „cellphone“ 9, sie bezeichnen aber denselben Referenten. Bedeutung (und Referent) sind also gleich, Ausdruck verschieden. Das kann man mit der Informationstheorie, so scheint mir, nicht erfassen.
Übrigens wurde die heute allgemein verwendete Unterteilung zwischen Syntax, Semantik und Pragmatik der Semiotik entlehnt, sie stammt von Charles Morris (einem Klassiker der Semiotik, der allerdings eine stark behavioristische Variante vertrat). Die Semiotik ist in den letzten Jahrzehten unter die Räder geraten, was vor allem institutionelle Gründe hat (sie war zu stark interdisziplinär, um in den Universitäten Fuß fassen zu können, und viele Disziplinen wehrten sich gegen sie, sie sahen ihre individuelle Terminologie und Methodik durch den grundlegenden semiotischen Ansatz bedroht).
Viele Autoren bedienen sich heute sehr eklektisch bei der Semiotik, was aber nicht immer Sinn macht. Z.B. kommen mir die Definitionen der drei Begriffe bei Lyre wenig nachvollziehbar vor. Semiotiker sprechen nämlich explizit von „Zeichensystemen“ (z.B. Sprachen, Gestik, Mimik, Verkehrszeichen u.v.a.). Diese haben ein Zeichenrepertoire (z.B. den Wortschatz) und Verwendungsregeln, die deren Kombination bestimmen, sie nennt man „Syntax“. Die Semantik beschäftigt sich mit den Inhalten der Zeichen und Zeichenketten, also auch mit der inhaltlichen Seite syntaktischer Operationen. Die Pragmatik schließlich bezieht den Kontext der Zeichenverwendung ein: Z.B. ist die Frage „Kannst du mir x geben?“ in vielen Kontexten (aber nicht in allen) eine Aufforderung, x zu geben, verlangt also keine Antwort, sondern eine Handlung.
Wenn man keinen Zeichenbegriff zugrunde legt und damit auf die Unterscheidung von Ausdruck und Inhalt (= Signifikant und Signifikat) verzichtet, kann man nicht sinnvoll von Syntax, Semantik und Pragmatik sprechen.
Was deine Frage zu Literatur betrifft. Eine unterhaltsame Einführung in die Semiotik gibt es hier. Anspruchsvoller ist Nöths „Handbuch“, das in jeder Unibibliothek sein müsste. Dieses Handbuch von Posner u.a. ist das neue Standardwerk, darin gibt es zu jedem Einzelbereich (z.B. einzelnen Schulen oder Bereichen wie „Biosemiotik“ große Artikel). Ecos Einführung und Theorie werden immer noch gerne genommen. Resnikow kenne ich nicht, danke für den Tipp. Die DDR hatte mit Georg Klaus einen sehr guten Semiotiker, der eine materialistische Grundlage für die (oft zum Idealismus tendierende) Semiotik geschaffen hat.