Vortrag auf Anarchistischen Kongress
Über Ostern findet in Berlin der Anarchistische Kongress statt. Ich werde dort am Karfreitag (10.4.) um 14 Uhr einen Vortrag zum Thema »Beitragen statt Tauschen – Commons und Peer-Produktion als Grundlagen einer nichtkapitalistischen Gesellschaft« halten. Der Vortrag wird wahrscheinlich ähnlich wie mein WAK-Vortrag im Februar ausfallen – wer den verpasst hat, hat jetzt also eine Chance zum Nachholen.
Der Kongress findet auf dem Gelände der Technischen Universität (Straße des 17. Juni) statt, einen Lageplan gibt es im Programmheft (PDF). Als Anarchisten würde ich mich ja eher nicht bezeichnen, da mir der Anarchismus übertrieben staats- und politikfixiert und auf dem wirtschaftlichen Auge meist ziemlich blind zu sein scheint, aber im Kongressprogramm wird sicher noch die eine oder andere interessante Veranstaltung zu finden sein.
Die absurde Panikmache in der heutigen BZ (der Berliner BILD – mein Vortrag hat es immerhin in ihre Liste der “neun absurdesten Seminare” geschafft) hat dazu geführt, dass die TU dem Kongress die Räume verweigert. Jetzt soll er irgendwie dezentral und im Grünen stattfinden, einen Infopoint wird es im New Yorck (Mariannenplatz 2) geben, und demnächst hoffentlich auch mehr aktuelle Infos im Wiki.
Anscheinend sind die Anarchist/innen doch noch eine Macht, die man fürchten muss in diesem Land, hätt ich ja nicht gedacht 😉
Brrr, wie das immer zusammengeht: Die rechten Schreiberlinge, die sich für keine Hatz zu gut sind, und die vemeintlich ganz objektiven Institutionen (in diesem Fall meine Uni), die sofort „Verbot bei Fuß“ stehen. Als ob sie keinen eigenen Verstand hätten und ihrem vorigen Beschluss bezüglich der Vertretbarkeit des Kongresses nicht trauen könnten.
Meiner Einschätzung nach hat sich das in Deutschland auch gar nicht geändert: Es ist und bleibt ein rechtes Land, und der einzige Grund, warum der Faschismus nicht morgen wiederkommen kann, ist, dass es ihn eben mit seinen ungeheuren Verbrechen schon gab und daher doch viele Menschen sagen „Nicht nochmal“. Wäre er noch nicht dagewesen, könnte er meiner Einschätzung nach morgen schon losgehen – einfach weil sich die Denkmuster nicht wirklich geändert haben. Das sieht man doch an solchen Vorgängen: Der Hetze und der prompten Reaktion der stattlichen Bildungsinstitution TU Berlin. (Oder urteile ich zu hart? – Bin grade in Frankreich, die Unis streiken grade munter, es kommt mir vor, als könne man hier freier atmen!)
Ich glaube nicht, dass sie ihn fürchten. In Deutschland reicht’s schon, dass jemand was andres sagt, um ihn mit allen nötigen Mitteln zum Schweigen zu bringen. Das ist wie der Grashalm zwischen den Pflastersteinen, der unbedingt ausgerottet werden muss. Wer’s nicht glaubt, dem empfehle ich eine Kindheit in Süddeutschland im ländlichen Raum 😉 Deshalb passt ja auch „Gartennazi“ so traurig gut.
Sorry, wollte niemand die Stimmung verderben, das musste jetzt einfach mal raus.
@martin: Klar sind da autoritäre Verhaltensmuster mit im Spiel. Aber die gibts überall sonst auch. In London ist ja grad vor ein paar Tagen was ganz ähnliches abgelaufen. Da sollte der Gegengipfel auch an einer Uni stattfinden, die ihn dann kurz vorher wegen angeblicher „Sicherheitsbedenken“ abgesagt hat. Ich denke es ist eher so, dass in Zeiten der Krise die autoritären Lösungen allgemein wieder mehr Zuspruch erfahren. Das spezifisch Deutsche würde ich weniger in der generellen Bevorzugung von autoritären Lösungen suchen sondern in der besonderen Vernichtungs-Gründlichkeit mit der diese dann umgesetzt werden.
Schade, dass durch den Ortswechsel ein gewisses Durcheinander herrschte. Ich war um 13:50 am Infopoint und zu dem Zeitpunkt konnte mir keiner sagen, ob dein Vortrag überhaupt stattfinden würde. Ich hab mich dann für eine Alternative entschieden … hätte ich geahnt, dass sich das Ganze nur um 15 Minuten verzögert, hätte ich gewartet. 😉
Der Kongress war jetzt ins besetzte Bethanien (New Yorck) in Kreuzberg verlegt worden und läuft, soweit ich das mitbekommen hab, ziemlich gut — großes Kompliment an die Organisator/innen und die New Yorcker, dass sie das so kurzfristig noch hingekriegt haben! Ich hab sogar noch einen Beamer für meinen Vortrag gekriegt, womit ich gerade nach dem TU-Rausschmiss schon nicht mehr gerechnet hatte. Mein Vortrag war gut besucht und dauerte lange (wegen intensiver Diskussionen); für mein Gefühl kamen die Kernideen ganz gut an.
Ein Hauptdiskussionspunkt war wie immer, ob das mit der Kopplung zwischen Nehmen und Geben geht und ob und wann man sie überhaupt braucht, andere Punkte drehten sich um Innovationskraft einer solchen Gesellschaft u.a. Kritik gab’s natürlich, aber längst nicht so negativ-abweisend wie ich das sonst schon erlebt habe; überhaupt hatten viele verstanden, worum’s mir geht, und die Diskussion lief oft zwischen den Teilnehmer/innen hin und her, ohne dass ich selbst das Wort ergreifen musste.
Das Publikum war im Durchschnitt auch ziemlich jung. Ich hab generell den Eindruck, dass das oft ne Generationenfrage ist; dass Konzepte und Prinzipien der Commons und der Peer-Produktion jungen Leuten oft schon eher vertraut sind oder intuitiv verstanden werden — je älter die Leute, desto größer das Unverständnis oder die Ablehnung (natürlich nur im Durchschnitt — im Einzelfall ist’s oft andersrum).
Die BZ ist sich echt für nichts zu blöd: nun macht sie noch den Kongress dafür verantwortlich, dass die TU zur Aussperrung des Kongresses ihre Räume dicht gemacht hat!
Auf dem Kongress allerdings muss es so heftige Auseinandersetzungen um Sexismus gegeben haben, dass er von den Organisator/innen abgebrochen wurde 🙁
Ja in der Tat traurig. Hier würde ich mich auf den ersten Blick auf die Seite eines Kommentars bei indymedia stellen, wo es heißt:
Whatever – vielleicht muss man bei Anarchisten akzeptieren, dass sie eben auch mal spontan in Dinge verfallen, die sich bei genauerem Hinsehen als „moral panic“ entpuppen. Anarchismus war und ist eben keine hochtheoretisierte Bewegung, ich schätze auch dass dort diejenigen, die die Gruppe mit Megaphondurchsagen rausschmeißen wollten, das eher spontan gemacht haben. Mein Eindruck, als ich mich vor ein paar Jahren mal (eher peripher) in der Berliner Anarchoszene herumgetrieben habe, war, dass das tatsächlich ein Stück weit die „bunte Truppe“ ist, die man bei dem Schlagwort erwarten darf. JedeR hat da eine andre Meinung, andre Ideen, andre Ziele. Bei Anarchisten weiß man eben vorher nie, was drinsteckt, und das kann dann halt auch mal Spießertum sein – erfrischend ist es IMHO trotzdem, in die Szene einzutauchen, wie ich u.a. bei einem tollen „Anarchistischen Sommerfest“ oder einem Nachmittag Gesang am Grabe Erich Mühsams feststellen durfte.
Hallo.
Ich war mal so frei, einen Teil deines blogeintrags in’s Wiki zu übertragen und würde mich freuen, wenn wir das auch im Reader abdrucken dürfen.
Herzliche Grüße und nochmals danke für deine Inhalte
C vom A-Kongress
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Danke. Link auf den Blog ist drin. 😉