Commons und Gütersystematik: Diskussion

Ding/Ressource [Klicken zum Vergrößern]

Was sind Commons, in welchem Verhältnis stehen sie zu anderen Gütern, Ressourcen und sozialen Beziehungen? Zur Einordnung hatte ich einen Entwurf einer Gütersysthematik vorgelegt. Dieser wurde diskutiert. Silke hat ihre Vorstellung in eine Mindmap gebracht (siehe oben, zum Vergrößern auf das Bild klicken). Diese Skizze will ich zunächst mit diesem Beitrag diskutieren, bevor ich in einem neuen Artikel dann einen neuen Vorschlag mache.

Was steht in der Mitte?

Zunächst fällt auf, das Silke nicht das »Gut«, sondern »“Ding“/Ressource« in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Das ist vermutlich Ergebnis der Überlegung, dass es nicht nur hergestellte Güter geht, sondern auch um vorgefundene Ressourcen. Das unspezifische „Ding“ in der Mitte verstehe ich nicht, hier würde ich in jedem Fall beim »Gut« bleiben wollen.

Es geht um die Frage des Anfangs: Was betrachte ich, worum soll es hier eigentlich gehen? Ich will dazu beitragen, den Begriff der Commons aufzuklären und habe mich von Anbeginn entschlossen, diese Frage im Kontext hergestellter Güter zu entwickeln. Das ist eine Vorentscheidung. Damit ist die Frage der Ressourcen aus dem Blick, was zurecht kritisiert wurde. Ich bin mir nun nicht sicher, ob die Ressourcen in die Mitte gehören oder eine weitere »Dimension« (so nannte ich die betrachteten Aspekte, die sich um die Mitte herum gruppieren) darstellen.

Die Frage der Commons als Gut oder/und als Ressource spiegelt auch die große Zweiteilung der Commons wider. In Graz wurde abkürzend von »Commons of the Earth« und »Commons of the Mind« gesprochen. Dazu kommt dann noch der dritte konstitutive Aspekt, die Community, die sich rund um die Commons bildet. Silkes Frage »Wie wird ein Gut/ ein Ding/ eine Ressource zum Gemeingut?« ist für die hergestellten Commons leicht zu beantworten: Ein Gut wird zum Commons, in dem es als Commons hergestellt wird. Bei den Ressourcen würde ich sagen: Eine Ressource wird zum Commons, in dem es als Commons angeeignet wird. Dieses als-Commons-aneignen schließt Nicht-Exklusivität, Nutzung unter Regeln und Erhaltung der Commons mit ein.

Ich tendiere dazu, die Aneignung von Ressourcen als einen Teil von Herstellung zu begreifen. Diese Sicht kommt daher, dass ich allgemein davon ausgehe, dass Menschen ihre Lebensbedingungen nicht bloß vorfinden, sondern erschaffen, herstellen. Dazu nutzen sie Vorgefundenes. Dieses Vorgefundene ist nun immer weniger noch Unberührtes und immer mehr bereits Bearbeitetes. Ressourcen als Vorgefundenes sind also nicht bloß Naturdinge, sondern auch Produkte im weitesten Sinne: Güter, Wissen, Kunst, soziale Beziehungen. Wir eigenen uns also permanent Ressourcen an, also das, was wir von anderen als zu früherer Zeit Geschaffenes oder Genutztes übertragen bekommen.

Eine »Gabe der Natur«, wie Silke vorschlägt, enthält aus meiner Sicht eine irreführende Empathie. Die Natur gibt nichts, sie nimmt auch nichts, sie ist einfach da. Wir sind Teil dieser daseienden Natur. Zu unserer menschlichen Natur gehört die o.g. Fähigkeit, die Lebensbedingungen, unter denen wir leben, herzustellen. Dazu eigenen wir uns kontinuierlich sowohl die äußere Natur wie auch unsere eigene Natur an. die Frage ist nur, wie wir das tun. Die Commons sind eine spezifische Art und Weise der Natur-Aneignung und Selbst-Aneignung.

Aneignung hat a priori nichts zu tun mit Wegnehmen oder Zerstören, auch wenn das für manche so klingen mag. Das Wegnehmen und Zerstören ist Ergebnis einer bestimmten sozialen Art und Weise der Aneignung, nicht der Aneignung selbst. Es ist also genauso »Aneignung«, zu entscheiden, bestimmte Bereiche der (äußeren) Natur nicht zu betreten und »in Ruhe zu lassen« (was vollständig gar nicht mehr geht), weil es uns für unsere Weise der Herstellung und Nutzung unserer Lebensbedingungen wichtig ist. Die Commons sind eine soziale Form, um zu solchen Entscheidungen kommen zu können. — Im Gegensatz dazu ist die Warenproduktion aufgrund des Expansionsimperativs eine soziale Form, die zu solchen Entscheidungen strukturell nicht fähig ist.

Genese

Nach diesen Überlegungen finde ich Silkes Vorschlag der Einführung einer weiteren Dimension »Genese« gar nicht so schlecht. Vielleicht tut es auch der Begriff »Quelle« oder »Herkunft«? Oder doch gleich »Ressourcen«? Allerdings gibt es nichts bloß »individuell Erzeugtes«, wie das Schaubild oben sagt, sondern alles wird kollektiv geschaffen, auch wenn ein einzelner Mensch irgendwann einmal eine zündende Idee hat. Auch Tim Berners-Lee steht auf den Schultern seiner Vorgänger/innen.

Der Begriff des Ererbten, den Silke für die (äußere) Natur vorsieht, trifft auf alle Dinge zu, die wir — also unsere »Generation« — vorfinden: Sprache, Wissen, Güter, Infrastruktur, Biosphäre, Klima etc. Wie wäre es mit der Unterscheidung von natürlichen und hergestellten Ressourcen? Ja, da steckt noch die Unschärfe mit dem Naturbegriff drin (wir selbst sind streng genommen auch eine natürliche Ressource), aber wie sonst die Unterscheidung formulieren?

Nach der obigen Überlegung sind Güter und Ressourcen für mich sehr nahe beieinander. Aus meiner Sicht sind Ressourcen die Voraussetzungen der Herstellung unserer Lebensbedingungen. Ressourcen sind hergestellt oder waren schon da. Dabei werden Ressourcen dann zu Gütern, wenn sie angeeignet werden. Aneignen heisst, etwas mit den Ressourcen, den Voraussetzungen, zu machen. Oder es bewusst lassen, das gehört dazu.

Charakter

Silke hat hier die Dimensionen »Beschaffenheit« (stofflich/nicht-stofflich) und »Nutzung« (Rivalität/Ausschließbarkeit) aus meinem Schema zusammengepackt und hat die »Ausschließbarkeit« fallen gelassen. Ihr Argument: »Der einzig relevante Unterschied zwischen stofflichen und nichtstofflichen Gütern scheint mir die Rivalität.« Die Exklusion sei hingegen keine Gütereigenschaft, sondern Ergebnis eines Handeln und gehöre somit zur sozialen Form (wo sie allerdings im Schaubild nicht auftaucht). Grundsätzlich Zustimmung.

Ich sehe allerdings nicht nur die Rivalität als Unterschied von stofflichen oder nicht-stofflichen Gütern, sondern vor allem auch die Tatsache, dass stoffliche Güter bei der Herstellung für jede neue Einheit Stoff, Energie und Arbeitskraft benötigen, während nicht-stoffliche Güter nur existierende Sozialbeziehungen (etwa bei Wissen) oder eine allgemeine Infrastruktur (etwa bei digitalen Gütern) voraussetzen, aber so gut wie keine zusätzlichen Aufwände je neuer Einheit verbrauchen.

Andersherum könnte man Rivalität ebenso als Ausdruck der Sozialform begreifen (was Silke nahelegt), wenn es nicht darum geht, einen konkreten individuellen Apfel nur einmal essen zu können, sondern genug Äpfel für alle zu erschaffen. So will ich Rivalität jedoch nicht verstanden wissen, sondern zwischen Produktions- und Nutzungsweisen unterscheiden können.

An dieser Stelle halte ich also die ursprüngliche Einteilung für sinnvoller. Die Erklärung hingegen — da stimme ich Silkes Kritik zu — die Ausschließbarkeit habe mit der Physis des Guts zu tun, ist falsch. Exklusion (oder nicht) ist ein Ergebnis der sozialen Form, in der Güter hergestellt und Ressourcen behandelt werden. Sie betrifft allerdings die Nutzung, hier tritt die Einschränkung zu Tage. In meiner Mindmap müsste also ein Assoziationspfeil von der sozialen Form zur Ausschließbarkeit gehen.

Schließlich noch ein pragmatisch-taktisches Argument: Weil die herrschende Ökonomietheorie es so gewohnt ist, würde ich die Dimensionen der Rivalität und Ausschließbarkeit so lassen wie sie dort verwendet werden, um »anschlussfähig« argumentieren zu können. Ein Ziel ist nämlich, die traditionellen Ökonomen davon zu überzeugen, dass die Eigentumsform (die Rechtsform) keineswegs das maßgebliche Regulationsmoment ist, sondern die soziale Form selbst in den Blick genommen werden muss, also die Frage zu stellen, wie das Gut produziert oder die Ressource gehandhabt wird.

Die »Ware« wird nämlich üblicherweise wie eine Art »Naturform« behandelt, anstatt zu verstehen, dass sie (nur) eine (mögliche) soziale Form der Produktion und Behandlung von Gütern und Ressourcen ist. Eine andere ist eben der Commons-Ansatz. Sicherlich bin ich der Meinung, dass etwa das Gemeineigentum besser zu den Commons passt als das Privateigentum, aber aus dem Gemeineigentum ergibt sich keineswegs automatisch die Behandlung eines Guts oder Ressource als Commons! Hier findet der Satz von den »Commons jenseits von Markt und Staat« seine inhaltliche Begründung — wobei ich »weder-noch« am besten fände 😉

Umgebung

Diese Dimension würde ich weglassen, da irgendwie »alles« Umgebung sein kann und sich mir der zusätzliche Erkenntniswert nicht erschließt.

Soziale Form

Die Untergliederung in Ware, Subsistenz und Gemeingut entspricht im wesentlichen auch meiner Unterteilung, wobei ich die Ausdifferenzierung darunter als Notizen zur Erklärung verstehe. Was leider nicht auf Anhieb klar wird, ist, dass die soziale Form sich auf die Produktion bezieht.

Rechtsform

Hier gibt es auch keinen Unterschied zu meinem Entwurf. Kollektiveigentum ist nicht nur öffentliches oder Gemeineigentum, wie die Notiz nahe legt, sondern auch eine Aktiengesellschaft oder eine Genossenschaft.

Zusammenfassung

Die für mich wichtigsten Punkte, die Silkes Mindmap zum Ausdruck bringt, sind:

  • die Ressourcen müssen ins Schema rein
  • Ressourcen sind sowohl die äußere Natur wie hergestellte Voraussetzungen

Ich hoffe, dass ich die wesentlichen Kritikpunkte aufgegriffen habe. So auch die von Benni, der insistierte, dass Commons »kein Gut« sind, sondern eine »eine Beziehung zwischen einer Gemeinschaft und einem Gut/Ressource«. Meine Antwort war (und ist), dass Commons sowohl Gut/Ressource wie die Beziehung zwischen Gemeinschaft und Gut/Ressource sind.

Ob ich Christines Wunsch nach grafischer Verbesserung des Schaubilds hingebekomme, ist fraglich. Ich bin wirklich kein Grafiker, aber vielleicht ist da noch was zu machen.

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