Streifzug-Review 9: »Copyright & Copyriot«
In der neunten Ausgabe der Kolumne »Immaterial World« der Wiener Zeitschrift »Streifzüge« geht es um das Buch »Copyright & Copyriot« von Sabine Nuss. Neben viel Löblichem habe ich eine doch ziemlich grundsätzliche Kritik an dem Inhalt formuliert. Eine kurze Rekapitulation und eine weiter gespannte Reflexion über das Denken.
Sabine Nuss verkehrt das Verhältnis von Verwertungslogik und daraus resultierenden Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft — hier vor allem das Privateigentum. Zwar tauchen immer wieder mal die Worte »Wertverwertung« u.a. auf, aber was das ist, wird nicht erklärt. Stattdessen wird die abgeleitete Kategorie des Eigentums ins Zentrum gerückt und von dort aus die Analyse durchgeführt.
Zweite, meines Erachtens daraus folgende Einengung ist die einseitige Betonung eines bestimmten eigentumskritischen Bewusstseins als Voraussetzung gesellschaftlicher Veränderungen. Das als Maßstab an reale gesellschaftliche Prozesse wie zum Beispiel der Freien Softwarebewegung angelegt muss zu dem Urteil führen: ungeeignet. Dieses Ergebnis wird man jedoch vermutlich für alle Bewegungen konstatieren können. Der Blick auf die reale Praxis kommt hier zu kurz. Nur im Verhältnis von tatsächlicher Praxis und reflektierter Praxis wird da ein Schuh draus — meiner Meinung nach.
Das sehen einige Diskutanten durchaus anders wie in den Kommentaren nachzulesen ist.
Das Buch hat einigermaßen Furore gemacht. Nach anfänglichem Zögern wurde es vor allem von solchen »Linken« aufgenommen, du ihr bereits vorhandenes Mißtrauen gegen die Freie Softwarebewegung bestätigt sehen: »Doch alles tumbe Programmier-Freggel — kein Bewusstsein für die Revolution«. Das ist der Autorin nicht vorzuwerfen, aber es erfüllt die Funktion und befriedigt ein Bedürfnis nach Abhebung und Drüberstehenwollen: »So dumm wie die sind wir nicht«.
Auch hier ist wiedermal so anstrengend, dass das Verhältnis von Begreifen (was Kritik einschließt) und Verändern (was das Akzeptieren von Begrenzungen einschließt) als Gegensatz diskutiert wird. Das ist undialektisch und in gewisser Weise auch unwirklich, aber bequem.
Ich kann das Ausschlussdenken zu Teilen auch nachvollziehen, reproduziert es doch die Exklusionslogik der bürgerlichen Gesellschaft. Diese Exklusionslogik — also sich strukturell nur auf Kosten anderer durchsetzen zu können — ist nicht nur eine alltägliche Praxis, sondern es ist auch eine Denkform. Ich schließe den Anderen oder die andere Möglichkeit im Denken aus, bevor ich den Anderen oder die andere Möglichkeit auch praktisch ausschließe. G. W. Bush erzählt nichts abartig anderes, sondern treibt genau das auf die Spitze, wenn er sagt: »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns«.
Abgrenzungen, Vereindeutigungen des Uneindeutigen, Dichotomien, Dualismen, Identitäres etc. sind Denkeinsparungen, die notwendig sind, um mit den Anforderungen des kapitalistischen Alltags klarzukommen. Hier gehören auch die binären Geschlechtsidentitäten rein. Aber das alles ist nicht mehr haltbar, weder der kapitalistische Alltag, der immer weniger verlässlich funktioniert, noch die die Verlässlichkeit absichernden Identitäten. Transgender ist hier nur eine Erscheinungsform, das Auf- und Zerbrechen von Lohnarbeit eine andere.
Aber wie immer sind die »Linken« besonders langsam: Die Dichtomien von Begreifen vs. Verändern, Kritik vs. Affirmation, Voluntarismus vs. Determinismus u.s.w. werden uns wohl noch eine Weile begleiten.