Peer-Ökonomie in Hiddinghausen – Teil 3
Schon der (erste|zweite) dritte Tag des Peer-Ökonomie-Wochenendes erreicht — die Zeit vergeht bei solchen Ereignissen immer sehr schnell. Heute vormittag hat Christian das Konzept des Commons-Netzwerkes vorgestellt. Grundidee ist, zuerst eine geeignete Infrastruktur aufzubauen — zum Verteilen von Designs, zum Verteilen von Gütern, für die Organisierung gemeinsamer Produktion, für eine spontane Kooperation und stigmergetische Interaktion — und dann wird die Peer-Produktion folgen. Auf diese Weise sollen die wesentlichen Grundbedürfnisse (die acht Essentials lt. Christian) abgedeckt werden können, wobei die Entnahme nach dem Flatrate-Modell geschieht.
Davon abgehoben sieht Christian das Luxusgüter-Produktionssystem, um das es nach dem Mittagessen ging. »Luxusgüter« sind solche Güter, die nicht mehr per Flatrate verteilt werden können, weil zu ihrer Herstellung ein erheblicher Aufwand erforderlich ist und nicht alle Menschen diese Güter haben wollen. Diese »Luxusgüter« werden folglich nach dem Verfahren der Aufwandsteilung verteilt, was bedeutet, dass zu ihrem Erwerb eine entsprechende Gegenleistung in Arbeitsstunden erbracht werden muss (wie immer: nach freier Wahl an beliebiger Stelle, wo Aufwand erforderlich ist).
Das »Luxusgüter-Produktionssystem« hat dann eine kontroverse Diskussion ausgelöst. So wurde die Aufteilung der Bedürfnisse in allgemeine Grundbedürfnisse und spezielle Sonderbedürfnisse — was einen Anklang an die Debatte von den »richtigen« und den »falschen« Bedürfnissen hat — kritisiert. Das hätte unter anderem zu Folge, dass es zu einer gesellschaftlichen Aufspaltung in solche komme, die in der Lage wären, entsprechende Beiträge zum Erwerb von »Luxusgütern« zu erbringen, und solche, die das nicht könnten. Dem hielt Christian entgegen, dass es gerade das Ziel sei, allen — ausgehend von einer allgemeinen Grundversorgung per Flatrate — den Zugang zu »Luxusgütern« zu ermöglichen, wovon sie unter kapitalistischen Bedingungen ausgeschlossen wären.
Die Feedbackrunde beschloß das Wochenende. Die Bedingungen im Haus von Uli Frank wurden allgemein als sehr schön gelobt. Dazu kam das schöne Wetter und die gute (Selbst-) Organisation, was wesentlich zum guten Klima während des Wochenendes beigetragen hat. Inhaltlich fiel die Bilanz durchaus gemischt aus. Viele freuten sich, das Modell der Peer-Ökonomie kennengelernt zu haben und empfanden die darin enthaltenen Anregungen als große Bereicherung für die weitere Diskussion. Anderen war das Konzept noch zu wenig praktisch greifbar. Ferner gab es die Kritik, dass das Konzept sich nicht wesentlich vom Kapitalismus unterscheide. Insgesamt waren dennoch alle fast sehr zufrieden mit dem Wochenende und wünschen sich eine Fortsetzung im nächsten Jahr.
Eine Audio-Dokumentation der Beiträge und der Diskussion gibt’s in den nächsten Tagen.
Hallo,
ich würde gern vor allem den Teil „Commons-Netzwerk“ zu einem Text weiter entwickeln, der z.B. für die Diskussion in Umsonstläden o.ä. zur Verfügung gestellt werden kann. D.h. ausformuliert, auf deutsch, sprachlich weniger informatikerorientiert… und dann natürlich ergänzt durch Beispiele (z.B. solche, die in der Diskussion spontan ergänzt wurden)…
Was gibt es dazu schon, bzw. wie kriegen wir das hin? Mag Christian einen Anfang machen, wir ergänzen…? Ich selbst stehe inhaltlich noch nicht ausreichend „drin“, um mir das zuzutrauen.
Bis später
Ahoi annette
Annette, unter PublicPrivateProperty.org findest Du einige Gedanken auf Deutsch. Ist allerdings auch nicht für die Allgemeinheit geschrieben, sondern eher die Idee, die Lizenzen für so etwas zu erstellen.
Hallo Thomas, vielen Dank für diesen 3 teiligen Bericht. Ich war ja über idealist.org auf dich gestossen und habe (ehrlich gesagt) noch nichts von peer economy gehört. Das ist ja ein spannendes Thema. Freue mich schon auf ein Treffen…
Hi, ich würde evt mitarbeiten, den von Annette gewünschten Text zu schreiben. Werde demnächst mal was dazu auf http://www.commonsblog.de bloggen, hoff ich. Könnte dann der Anfang sein. Wer macht noch mit?
Zum »Luxusgüter-Produktionssystem« GLuPS: tatsächlich geht’s da keinesfalls um eine künstliche Trennung in Flatrate- und Luxusgüter. Vielmehr ist die Idee, dass so viele Güter wie möglich im offenen Flatrate-Modell des Commons-Netzwerk (wo nicht gerechnet wird) erzeugt werden, und die Hoffnung dabei, dass es zumindest gelingt, möglichst alles, was irgendjemand zum Leben braucht, auf diese Weise per Flatrate zu bekommen – aber je mehr darüber hinaus natürlich um so besser. GLuPS ist nur für die Fälle gedacht, wo das nicht klappt, und das Wort „Luxus“ im Namen drückt gerade die Hoffnung/den Anspruch aus, dass es niemals für lebensnotwendige Dinge nötig sein sollte („Luxus“ würde ich als etwas bezeichnen, ohne das ich zwar auch gut leben kann, was ich aber dennoch ganz gern hätte).
Zu Annette & Silke (Text über das Commons-Netzwerk): Mittelfristig will ich will selbst einen Artikel zu der Netzwerk-Idee schreiben, für die Januar-2009-Ausgabe der Contraste, wo es einen Schwerpunkt zum Thema Peer-Ökonomie geben soll. Ich denke, die Redaktion wird sicher nichts dageben haben, dass der Text dann unter einer freien Lizenz im Netz landet, könnte mir aber vorstellen, dass es ihnen lieber ist, wenn er nicht schon vor Veröffentlichung der Printausgabe online steht – daher könnte das ggf. noch etwas dauern. Also falls ihr unabhängig davon schon mal eine alternative Darstellung in Angriff nehmen wollt, wäre das sicher nicht verkehrt, und in jedem Fall können wir uns dann ja gegenseitig ergänzen…
@Steffen: der 3-teilige Bericht ist von Stefan Meretz, nicht von Thomas. Danke, Stefan, für deine intensive Beteiligung an der Vorbereitung und Durchführung des Workshops, und für deine unermüdliche Dokumentationsarbeit!