Web 2.0: Kapitalismus reloaded?
Für den Moment nehme ich mal an, Stefan hätte Recht und Informationsgüter seien Universalgüter und diese ohne Wert und keine Waren.
Daraus den Untergang des Kapitalismus abzuleiten ist nun aber verfrüht, bekanntlich ist der sehr erfinderisch darin immer neue Dinge zu Waren zu machen. Den auch schon nicht mehr ganz so neuen Hype ums Web-2.0 könnte man womöglich als eine Antwort des Kapitalismus auf diese Informationsgüter-Sackgasse interpretieren. Wie das? Die Idee ist einfach, man macht nicht mehr die Informationsgüter selbst zu Waren – sondern einfach die sozialen Netzwerke, die sie erzeugen. Da wird ganz konventionell Plattenplatz vermietet, jedoch die User gebunden durch ihre Kontakte untereinander, so daß sie nicht mehr so ohne weiteres den Anbieter wechseln können (siehe den aktuellen Fall bei flickr). Verwertet wird zudem noch Zeit der User, die in vielen Fällen als Freizeit wahrgenommen wird.
Natürlich gibt es auch da schon Freie Bestrebungen (siehe zB. Wikipedia, oder den gelungenen Aufstand bei digg), aber vieles von dem, was da passiert, passt zumindestens nicht mehr in das Raster der Universalgüter. Das Keimförmige ist also wohl nicht ausschliesslich über sowas wie Wertformanalyse identifizierbar, auch wenn das sicherlich nicht unwichtig ist.
Hi Benni, den Untergang des Kapitalismus könnte man höchstens in dem Sinn ableiten, dass diese Produktionsweise vom Stadium des „primär produzierens“ in das Stadium des „primär Produktivität abschöpfen“ übergetreten ist. Ich bring schon seit sieben Jahren immer wieder den Hinweis, dass sich notwendigerweise Anklänge an vorbürgerliche Herrschaftselemente in unserem Wirtschaftsleben einschleichen, eben eine Art „Medienfeudalismus“, der mit Schlagworten wie „Innovation“ (es lebe die Willkür!) und „Kundenbindung“ (wir bekennen uns zum Diebstahl an Lebenszeit und zur Abhängigkeit unserer Kunden) nur unscharf erkennbar ist. Die Informationsrente ist eine Form der Vermehrung von Kapital, dem ist es tatsächlich egal wie es wächst, solange es wächst, und wenn es anders nicht wachsen kann dann eben so.
Auf der anderen Seite geht das mit der Kundenbindung nur beschränkt und widerspricht sich selbst, wie Du an der Flickr-Facebook Konkurrenz merkst. Es wird immer mehr zur Notwendigkeit dieser Produktioinsweise, dieselbe Eigenarbeit, deren Raum man systematsch einschränkt, auch wieder ein Stück mehr samt ihrer freien Logik zuzulassen.
Universalgut zu sein ist eigentlich keine wertformanalytische Kategorie, Die wertformanalytische Frage ist wie subsummiert sich der Wert selbst noch das Nicht-Wertförmige als SEINE Form der Bewegung G-G‘. Wertformen sind dann eben Lizenzen die gehandelt werden etc.
@Benni: Ja, was du beschreibst, ist eine Antwort des Kapitalismus. Was bei Web 2.0 ökonomisch geschieht, ist die private Aneignung allgemeiner Arbeit, die die Community leistet. Das Keimförmige ist nicht über eine Wertformanalyse identifizierbar, weil sich die nur mit dem Alten beschäftigt. Aber die Wertformanalyse hilft zu verstehen, was da z.B. an Freier Software wirklich neu ist: Eben IMHO nicht, dass FS wertlose Universalgüter schaffen würde und prop. Software nicht, sondern dass sie die angemessenere Produktionsweise darstellt, weil sie nicht auf die Wertform angewiesen ist.
@Franz: Wenn Nicht-Wertförmiges (allgemeine Arbeit, Produktivität der Multitude) dem Wert subsummiert wird — und genau das geschieht (btw. auch mit Freier Software) — dann wird dadurch trotzdem nicht mehr Wertsubstanz geschaffen, sondern nur vorhandene Wertsubstanz umverteilt. Die private Aneignung allgemeiner Arbeit verschafft demjenigen, dem das gelingt, einen Konkurrenzvorteil und damit — klassisch gesprochen — einen Extraprofit. Die Konkurrenz sorgt aber dafür, dass das schnell ausgeglichen wird. Dann jedoch ist die private Aneignung allgemeiner Arbeit allgemeine Reproduktionsvoraussetzung des Kapitals geworden. IMHO ist genau das der Prozess, den wir gegenwärtig erleben.
@Stefan: Ist denn nicht schon immer die private Aneignung der Produktivität der Multitude oder meinetwegen auch der allgemeinen Arbeit Reproduktionsvorraussetzung des Kapitals? Beispiel Kinder großziehen?
@Benni:
Ja. Aber sie wurden bislang nicht direkt der Verwertung untergeordnet, sondern waren Teil der Reproduktionskosten der Arbeitskraft, die ja als Lohn ihre Bezahlung erhielt. Da aber zunehmend weniger Arbeitskraft produktiv zu vernutzen ist, wird die private Aneignung allgemeiner Arbeit und die Privatisierung allgemeiner Güter immer wichtiger. Beim Beispiel Kinder sehe ich allerdings eine Grenze. Oder wie siehst du das?
IMHO ist diese Ausweichbewegung ein Krisenindiz. Uli Weiss hat mich gestern noch mal darauf hingewiesen, dass schon Marx meinte, dass die inneren Entwicklungspotenzen des Kapitalismus erst dann ausgeschöpft sind, wenn alle gesellschaftlichen Funktionen privat- und wertförmig abgewickelt werden (und nicht mehr staatlich). Das Programm des Neoliberalismus bedeutet genau diese „Ausschöpfung“.
@Stefan: Meine These war gerade, dass das kein Krisenindiz ist, sondern eben im Web 2.0 wieder Wert produziert wird im Gegensatz zum Web 1.0 – wenn ich denn mal probeweise Deiner Universalgüterthese folge.
Wieso sollte Kindergroßziehen nicht einbezogen werden können? Wird doch schon gemacht zumindestens teilweise. Wir zumindestens zahlen ganz gut für das eine oder andere Betreuungsangebot…
@Benni: Wenn du „denn mal probeweise“ meiner Universalgüterthese folgst, dann sagt die aber genau, dass zwar Aneignung allgemeiner Arbeit stattfindet, die jedoch wertlos ist — was nicht heisst: preislos. Also auch Web-2.0 — so meine These — schöpft keinen Wert, sondern verteilt anderswo produzierten Wert um (Werbung, Abokosten etc. sind solche Umverteilformen).
Wenn ihr bei Kinderbetreuung zahlt, dann aus eurem Einkommen. Damit kommt kein neuer Wert auf die Welt.
Ich habe bei Kindern gezögert, weil die Frage ja umgekehrt war, ob sich das Kapital eure „allgemeine Arbeit“ des Kindergroßziehens aneignet. In gewisserweise ja, aber das ist nichts Neues, das war schon immer so.
@Stefan: Du sagst also, dass die Vernetzungsarbeit (nenn ich das jetzt mal einfach), die in sozialen Netzwerken ala Web 2.0 geleistet wird, auch Universalgüter produziert? Das müsstest Du mir dann aber nochmal erklären, den copy-button für ein soziales Netzwerk hab ich noch nirgends gefunden. Natürlich werden in diesen Netzwerken (probeweise angenommene 😉 Universalgüter produziert, das Netzwerk als solches ist aber keines, und deshalb wertproduzierend.
@Benni: Urgs, Missverständnis. Ich habe das Wort von der „Universalgüterthese“ aufgegriffen, und daher kommt die Überlegung ja auch. Aber es ist nicht so, dass jede „allgemeine Arbeit“ Universalgüter produziert. Aber jede „allgemeine Arbeit“ ist wertlos. Das „Netzwerk als solches“ produziert also keinen Wert — mal probeweise der Überlegung gefolgt:-)
gibts schon ansätze für nen standard um die vernetzungsinfos beim user zu sichern, mit zB openID etc.?
bzw eine import-funktion bei neuen social networks.!!
grüsse florian