15000 gegen Überwachungsstaat
Wow, das waren schon wirklich sehr viele Menschen, die es gegen den Überwachungswahn auf die Straße zog. Und sehr viele hatten etwas mitgebracht, was den Spaß bei so einem inhaltlichen Spaziergang ausmacht. Auch wir — Schreiberlinge dieses Blogs — waren dabei mit einem viel fotografierten Transparent und einem Flugblatt. Witzigerweise fand ich unser Transparent zuerst auf Winfuture (das siebente Bild) 😀
Weniger Freude bereitete die Berliner Polizei, die wohl meinte, ihren schlechten Ruf verteidigen zu müssen. Nervige Kontrolle aggressiver Beamter, unsinnige Verbote entgegen anders lautender Absprachen (Schäuble-Masken) und Rausgreifen von einzelnen Personen aus dem Antikapitalistischen Block heizten die Stimmung an und brachte die Demo öfter zum Stillstand. Schließlich deeskalierte der schon umzingelte A-Block aktiv und verließ die Demo — sprich: diffundierte in die Abschlusskundgebung (vgl. auch heise online).
Berichte und Bilder gibt es inzwischen so einige.
[Update]
Hier ein schönes Bild von unserem Transparent (Danke an Matti):
Vergrößern: Auf das Bild klicken.
Die Jungle World hat unser Plakat gesehen.
Morgen (Dienstag 6.11.) abend gibt es in vielen Städten dezentrale Aktionen gegen die Vorratsdatenspeicherung – siehe Übersicht der geplanten Aktionen.
http://www.heise.de/newsticker/foren/go.shtml?read=1&msg_id=13816070&forum_id=126637
Obenstend der Link zu einem „Offenen Brief an den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“, den Holger Voss (http://de.wikipedia.org/wiki/Holger_Voss) geschrieben hat. Die von Holger inkriminierten und von Kreisen des „AK Vorratsdatenspeicherung“ ausgehenden Entsolidarisierungen erinnern an das Agieren der staatsfrommen DistanziererInnen von Attac & Co während des G-8-Gipfels in Heiligendamm …
@Peter: Der Brief von Holger ist klasse, ich war auch sehr enttäuscht über den Umgang mit „dem schwarzen Block“ (auch wenn ich deren Methoden manchmal nicht besonders clever finde). Mir ist das auch völlig unverständlich, da bei der Demo bestimmt fast die Hälfte Linksradikale waren. Einerseits jubelt man, dass man es endlich geschafft hat zu so einem Thema mal viele Leute zu versammeln und gleichzeitig grenzt man einen großen Teil gleich wieder aus.
Die Situation in Rostock war allerdings eine komplett andere. Steine werfen ist was anderes als sich ein paar Rangeleien liefern. Ich fand den schwarzen Block bei der AK-Vorrats-Demo auch sehr deeskalierend (auch anders als in Rostock). Unabhängig davon, ob man jetzt Steine werfen ne tolle Idee findet oder nicht, sollte man dann doch auch den von Holger richtigerweise eingeforderten differenzierten Blick auch selber beherzigen.
Den Tipp von Holger sich bei Bündnissen auf die Erfahrungen aus der Anti-Atom-Bewegung zu stützen kann man allerdings auch für Heiligendamm nur unterstützen. Das ist genau das, was bei den erfolgreichen Blockaden gemacht wurde und was bei der Großdemo in Rostock nicht gemacht wurde.
@Benni „Unverständlich“ finde ich die Distanzierungs-, Ausgrenzungs-, Entsolidarisierungsübungen und -bemühungen aus Kreisen des „AK Vorratsdatenspeicherung“ eigentlich nicht. Ich denke, von deren Warte her gesehen macht das doch durchaus Sinn. Schließlich hat uns Angela Merkel anlässlich des G-8-Gipfels in der Tageszeitung „Die Welt“ (04.06.2007) wissen lassen: „Die Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen“. Na – und der AK Vorrat rekurriert zwar nicht unbedingt auf Angela Merkel, aber doch sehr stark auf Parteien, Politik, die „Mitte der Gesellschaft“ und dergleichen. Und die umworbenen Funktionsmenschen werden Angela Merkels nicht nur auf die G-8-Proteste bezogenes „Gewalt“-Verdikt auf alle Fälle teilen. Verdammt – was würden die Hofierten denn denken sollen, wenn da nicht ordentlich Distanz gehalten wird zu den („gewaltbereiten“) „Chaoten“, wie AK-Vorrats-Sprecher Ricardo Cristof Remmert-Fontes einen Teil seiner MitdemonstrantInnen zu bezeichnen beliebt ( https://radiotux.de:30009/pipermail/demo/2007-October/000218.html ) ?
Zum „Schwarzen Block“ lässt sich sicherlich vieles sagen. Die schwarze Kleidung soll – so habe ich gelesen – in Situationen akuter polizeilicher Verfolgung einen nützlichen Anonymisierungsschutz bieten. Kann gut sein. Einmal habe ich es bei einer Münsteraner Latsch-Demo erlebt, dass bei schönstem Sommerwetter die Schwarzgekleideten ziemlich ins Schwitzen gerieten – sie waren m. E. auch viel zu warm angezogen. Ich erinnere mich, dass ich mich selbst in meinen (lange zurückliegenden) Jugendjahren dagegen häufiger – genau umgekehrt – „nicht warm genug angezogen“ habe. Auch bei Eiseskälte musste der obligatorische Parka stets offen getragen, die Knöpfe durften nicht geschlossen werden. Das galt nämlich als „lässig“ (wir sprachen gern auch von „gammelig“). Die Einhaltung dieses Dress-Codes wurde von der Peer Group streng überwacht. Je nun …
Inhaltlich lässt sich am Berliner „Kein-Friede“-Block vom 22.09.2007 zweifelsohne einiges aussetzen. Ein kruder Anti-Imperialismus etwa und die entsprechenden Implikationen dazu. Offensichtlich hat es auch einen (m. E. nicht unproblematischen) Bezug auf Ulrike Meinhof gegeben – hier das differenzierte Denken nicht zu suspendieren, bedeutet aber keinesfalls, etwa in die aktuelle mediale „Die-Jahre-des-Terrors“-Hetzkampagne einzustimmen. Um das einmal zu personalisieren: Zwischen den sich mit der RAF befassenden Hervorbringungen von z. B. Oliver Tolmein einerseits und einem Stefan Aust andererseits besteht ein ganz erheblicher Unterschied! Will meinen: (Solidarische) Kritik an „schwarzen Blöcken“ und ihren Riten meint sicherlich etwas anderes als das staatstragend-denunziatorische Gebaren, wie es aus Kreisen des AK Vorrat zur Aufführung gebracht wird.
Stichwort „staatstragend-denunziatorisch“. Hier sehe ich die Parallelen zu Rostock und zu Attac & Co. (Attac hat ja übrigens ebenfalls – etwa in Gestalt von Julian Finn – bei der um den AK Vorrat gruppierten Vorbereitungs-Personage der Berliner 22-09.-Demo mitgemischt). Zunächst: Es ist meine Sache nicht, Menschen, die den Mythos der Gewaltlosigkeit der herrschenden Verhältnisse angreifen, die also Widerstand leisten wollen, die Art ihres Widerstands vorzugeben. Ein Zitat aus der Zeit der G-8-Proteste kommt mir in den Sinn: „Militanz heißt, nicht noch die andere Wange hinzuhalten, sondern auch mal zurückzuschlagen. Das wird in den kommenden Tagen sicher passieren. Und das ist auch gut so.“ Und das „Um’s-Ganze“-Bündnis hat bereits vor Rostock „alle Polizeibeamten dazu aufgerufen, sich schon im Vorfeld von Gewalttätern in den eigenen Reihen zu distanzieren.“ C’est bon!
Was haben wir dagegen etwa von Peter Wahl, der es zwar nicht so weit gebracht hat wie Angela Merkel („Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen“), aber immerhin bei der staatsbürgerlichen Vereinigung Attac auf hohem Ross sitzt, am 04.06.2007 (im NDR) an Distanzierungsprosa hören müssen: „Wir wollen euch nicht sehen, wir wollen euch nicht dabei haben“ ( http://www.ndrinfo.de/interviews/wahlpeter2.html )
Auch Peter Wahl münzt seine „Us-and-them“-Bemerkung auf einen „Typus von Gewalttätern“, die er – klaro – jedoch auf Seiten des Protestes ausmacht. Schlimmerweise gebe es „sicherlich noch einen gewissen Prozentsatz, der zwar selbst diese Methoden nicht anwendet, der aber eine gewisse fahrlässige Akzeptanz vertritt.“ Dagegen sieht Wahl bei „Polizei und Behörden“, eine „Kooperation mit dem Protest“, eine „Dialogkultur“ und so weiter und so fort … Mensch könnte jetzt noch Peter Wahls Dank an die Polizei für ihren Rostocker Einsatz oder andere Attac-G-8-SprecherInnen zitieren – vielleicht etwa auch Monty Schädel mit seiner damaligen Einlassung, er stehe bereit, bei der Strafverfolgung von staats-unliebsamen ProtestlerInnen zu assistieren. Ich finde, die angeführte „staatsdienliche“ Haltung entspricht ziemlich exakt derjenigen (z. B. auch in der Ringelpitz-mit-Anfassen-Attitüde gegenüber der Polizei), wie sie aus Kreisen des AK Vorrat in Zusammenhang mit der Berliner 22-09-Demo ausagiert worden ist.