Marx‘ Plädoyer für die Commons
Heute mal Philosophie. Der Philosoph Karl Marx schrieb 1845 die »Thesen über Feuerbach« in sein Notizbuch. Sein Kumpel und Sponsor Friedrich Engels fand sie dort und brachte sie nach dem Tode von Marx (1883) in veränderter Form 1888 heraus. Können die Thesen uns heute noch was sagen? Vorweg die Antwort: Unbedingt! Marx hat dort wesentliche Elemente beschrieben, die wir heute als Commoning (Praxis der Commons) fassen würden.
Ich folgenden zitiere ich die elf Thesen in gekürzter Form. Dabei lasse ich v.a. zeitbezogene Aussagen weg. Anschließend kommentiere ich jeweils die zitierte These aus der Sicht eines philosophisch interessierten Commoners. Vorab: Wenn von Materialismus die Rede ist, dann ist immer ein philosophischer Begriff gemeint, nicht die heute oft genauso bezeichnete personale Orientierung auf den Besitz »materieller Sachen«.
Kurz zum historischen Hintergrund: In den Thesen setzt sich Marx mit dem Philosophen und Anthropologen Ludwig Feuerbach auseinander. An diesem schätzt er zwar dessen Religionskritik und philosophischen Materialismus, kritisiert aber seine anthropologische Perspektive, gesellschaftliche Probleme auf wesensmäßige Eigenschaften »des« Menschen zurückzuführen. Das klingt ziemlich aktuell.
Warum hat Engels die Thesen von Marx verändert? Weil sie teilweise holperig zu lesen waren. Marx hat sie offensichtlich nur »mal eben so« in sein Notizheft gekritzelt. Bei der Überarbeitung hat Engels allerdings ein gewisses Maß eigener Interpretation eingebracht. Ich beziehe mich hier auf die Marxsche Originalfassung und versuche die holperigen Stellen zu erklären.
1.
Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus (den Feuerbachschen mit eingerechnet) ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit, nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv. (…) Feuerbach … faßt die menschliche Tätigkeit selbst nicht als gegenständliche Tätigkeit. (…) Er begreift daher nicht die Bedeutung der »revolutionären«, der »praktisch-kritischen« Tätigkeit.
Marx fordert hier zu einem Perspektivenwechsel auf. Sinnlich-menschliche Tätigkeit könne nicht als Objekt von außen betrachtet werden, sondern es ist nötig, sich auf den Standpunkt der Praxis und der handelnden Subjekte zu stellen. Wirkliche Bedeutung hat die verändernde praktisch-kritische (also reflektierte und reflektierende) Tätigkeit der Menschen. Diese Tätigkeit ist »gegenständlich«, d.h. sie befasst sich mit Gegenständen oder commonsmäßig allgemeiner ausgedrückt mit Ressourcen, die hergestellt, erhalten und weitergegeben werden. Verändernde, revolutionäre Tätigkeit könne nur eine »praktisch-kritische« sein, also eine, die praktisch eingreift und gegenständlich in praktischer Kritik des Alten etwas Neues in die Welt setzt. Damit setzt sich Marx von einer bloß denkenden und die alten gegenständlichen Strukturen in ihrem Sosein hinnehmenden Tätigkeit ab.
2.
Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. (…)
Es kann nicht theoretisch entschieden werden, ob eine Erkenntnis wahr ist, sondern nur praktisch. Das spricht nicht gegen Theorie, sondern gegen eine Theorie-Praxis-Trennung. Ob Commons funktionieren, zeigt sich nicht theoretisch, sondern praktisch. Das wiederum kann man untersuchen (was etwa Elinor Ostrom getan hat).
3.
Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergißt, daß die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie muß daher die Gesellschaft in zwei Teile – von denen der eine über ihr erhaben ist – sondieren. Das Zusammenfallen des Ändern[s] der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und rationell verstanden werden.
Kritisiert wird hier ein simplifizierter Materialismus, der Veränderung einer (erhabenen) Gruppe von Menschen (die »Erzieher«) zuschreibt, während die andere Gruppe (die »Erzogenen«) Objekt der Maßnahmen der ersten Gruppe ist. Damit formuliert Marx eine Erziehungskritik. Erziehung beinhaltet immer, dass die einen meinen zu wissen, was für andere gut ist (im besten Fall). Allerdings argumentiert Marx im gleichen Modus, wenn er darauf verweist, dass »der Erzieher selbst erzogen werden muss« — nur: von wem?
Ferner weist Marx darauf hin, dass Menschen die Umstände, denen sich die Menschen gegenüber sehen, von eben diesen verändert werden können, ihnen also — wie dem Erzieher — nicht bloß unterliegen. Als Aufhebung der Widersprüche von Erziehung und Umständen kann der letzte Satz gelesen werden: Veränderung der Umstände und Selbstveränderung fallen zusammen. Erziehung kann sinnvoll — wenn sie nicht in zwei Teile zerfallen soll — nur als Selbsterziehung gedacht werden. Revolutionär ist, wer gegenständlich-praktisch (siehe 1) die Umstände und dabei sich selbst verändert.
4.
Feuerbach geht aus von dem Faktum der religiösen Selbstentfremdung, der Verdopplung der Welt in eine religiöse und eine weltliche Welt. Seine Arbeit besteht darin, die religiöse Welt in ihre weltliche Grundlage aufzulösen. Aber daß die weltliche Grundlage sich von sich selbst abhebt und sich ein selbständiges Reich in den Wolken fixiert, ist nur aus der Selbstzerrissenheit und Sichselbstwidersprechen dieser weltlichen Grundlage zu erklären. Diese selbst muß also in sich selbst sowohl in ihrem Widerspruch verstanden als praktisch revolutioniert werden. (…)
Nicht so wichtig, aber der Vollständigkeit halber: Religion wie andere Formen der gedanklichen Selbstentfremdung entstehen, weil die Welt tatsächlich zerrissen und selbstwidersprüchlich ist. Diese Selbstentfremdung kann man nicht von der verdoppelten, religiösen Seite her auflösen, sondern nur praktisch aus den Widersprüchen der »weltlichen Welt«. Als Beispiel fallen mir die Zinskritiker_innen ein, die ihre Selbstentfremdung auf einen ursprünglichen Schuldmythos (»der Zins«) zurückführen und in dieser mythischen Sphäre selbst lösen wollen (aber nicht können). Stattdessen ginge es darum, eine neue Produktionsweise in die Welt zu setzen, anstatt an abgeleiteten Formen herumzumanipulieren.
5.
Feuerbach, mit dem abstrakten Denken nicht zufrieden, will die Anschauung; aber er faßt die Sinnlichkeit nicht als praktische menschlich-sinnliche Tätigkeit.
Abstraktes Denken reicht nicht, denn es ist leeres Denken. Auch die Anschauung eines einzelnen Konkretes ist unzureichend. Interessant ist die Frage, wie man für die anschaulichen konkreten Einzelnen jenes Allgemeine findet, das sich nicht durch Abstraktion (Absehung von Unterschieden) in nichts auflöst, sondern in ihrem vollen Reichtum erhalten bleibt. Die Lösung liegt in der praktisch-sinnlichen Tätigkeit. Sinnlichkeit und Anschauung finden in der Praxis ihren inhaltlichen Bezug und ihr konkretes Denken.
6.
Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.
Gerne zitiert und unterschiedlich interpretiert. Feuerbach bestimmt das menschliche Wesen als Summe von ewigen Eigenschaften, die er im Religiösen wiederfindet. Das Religiöse aber kommt aus der tatsächlich zerrissenen, in sich widersprüchlichen Welt (siehe 4.), nicht aus Wesenseigenschaften des Menschen, sagt Marx. Das Wesen des Menschen ist keine ewig gültige Eigenschaftssammlung (»inwohnendes Abstraktum«), sondern das Gesamt (ensemble) der gesellschaftlichen Wirklichkeit.
Kann man nun also gar nicht von einem menschlichen Wesen sprechen, ist der Mensch quasi »leer« und wird bloß vom jeweils historischen Gesamt der gesellschaftlichen Verhältnisse »gefüllt«? Never! Aus 3. wissen wir, dass die Menschen ihre Verhältnisse, unter denen sie leben, selber schaffen und verändern, und immerhin dazu müssen sie über alle Epochen hinweg in der Lage sein. Ihr Wesen besteht also genau darin: gesellschaftlich zu sein, also die Potenz zu besitzen, sich in Gesellschaft hineinzuentwickeln, an ihr teilzuhaben und sie zu schaffen.
Warum sagt Marx aber, das »menschliche Wesen ist (…) das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse«? Weil es einen »bloß gesellschaftlichen« Menschen außerhalb einer konkreten Gesellschaft nicht gibt. Das wäre »abstraktes Denken«, das Marx in 5. kritisiert und das Feuerbach nicht wirklich überwindet.
6.1
Feuerbach, der auf die Kritik dieses wirklichen Wesens nicht eingeht, ist daher gezwungen:
1. von dem geschichtlichen Verlauf zu abstrahieren und das religiöse Gemüt für sich zu fixieren, und ein abstrakt – isoliert – menschliches Individuum vorauszusetzen;
Dieser Punkt leuchtet nun sofort ein: In Wahrheit abstrahiert Feuerbach von der Geschichte und behandelt den Menschen als abstrakt-isoliertes Individuum. Marx hingegen fordert die Analyse der praktischen, sinnlichen Tätigkeit der Menschen in den konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen.
6.2
2. Das Wesen kann daher nur als »Gattung«, als innere, stumme, die vielen Individuen natürlich verbindende Allgemeinheit gefaßt werden.
Wenn man also vom Wesen spricht, dann nur im Sinne einer biotisch-natürlichen Potenz, die allen Menschen zukommt: die gesellschaftliche Natur des Menschen. Diese Natur ist zwar eine »verbindende Allgemeinheit«, sagt aber nichts über die konkreten Gesellschaften aus, in denen sie die Menschen entfalten. Verwirrend ist, dass Marx hier Feuerbach kritisiert, allerdings in dem Sinne, was man (also Marx) Feuerbach maximal zu Gute halten kann. Das allerdings ist dann eine positive Bestimmung. Viele haben diesen Satz jedoch so gelesen, als habe Marx Feuerbach hier gebasht, weil dieser komplett falsch liege. Das ist aus meiner Sicht eine Fehlinterpretation.
7.
Feuerbach sieht daher nicht, daß das „religiöse Gemüt“ selbst ein gesellschaftliches Produkt ist und daß das abstrakte Individuum, das er analysiert, in Wirklichkeit einer bestimmten Gesellschaftsform angehört.
Ok, glasklar, denke ich.
8.
Alles gesellschaftliche Leben ist wesentlich praktisch. Alle Mysterien, welche die Theorie zum Mystizism[us] veranlassen, finden ihre rationelle Lösung in der menschlichen Praxis und im Begreifen dieser Praxis.
Hier bestimmt Marx das Verhältnis von Theorie und Praxis — mit dem eindeutigen Primat auf Seiten der Praxis. Wichtig ist hier, dass Marx nicht Theorie und Praxis gegeneinanderstellt, denn es geht nicht nur einfach um »Praxis«, sondern auch um ihre Reflexion, um das »Begreifen dieser Praxis«. In der sich auf Marx beziehenden Arbeiter_innenbewegung wurde diese Theorie-Praxis-Dialektik allerdings auf die politische Praxis, den Kampf um die Herrschaft, vereinseitigt. Allgemein geht es jedoch darum, dass die Menschen ihre Umstände herstellen und verändern, und zwar »alles gesellschaftliche Leben«.
9.
Das Höchste, wozu der anschauende Materialismus kommt, d.h. der Materialismus, der die Sinnlichkeit nicht als praktische Tätigkeit begreift, ist die Anschauung der einzelnen Individuen und der bürgerlichen Gesellschaft.
Der »anschauende Materialismus« nimmt immerhin Individuen und Gesellschaft wahr, aber nicht in ihrem Zusammenhang, sondern als getrennte. Erst über die praktische Tätigkeit und ihre Reflexion (»Begreifen dieser Praxis«, siehe 9), kann der Zusammenhang von gesellschaftlichen Menschen und menschlicher Gesellschaft in der historisch-konkreten Form des Kapitalismus begreifbar werden.
10.
Der Standpunkt des alten Materialismus ist die bürgerliche Gesellschaft; der Standpunkt des neuen die menschliche Gesellschaft, oder die gesellschaftliche Menschheit.
Wow, jetzt zur realen Utopie. Der alte nur anschauende Materialismus kann in seiner die Zusammenhänge nicht begreifenden Sichtweise nur immer wieder die bürgerliche Gesellschaft und die isolierten Individuen darin wiederkäuen und zu überhistorischen Erscheinungen erklären. Denn, Erinnerung, dieser Standpunkt abstrahiert vom »geschichtlichen Verlauf« (vgl. 6.1). Der angesagte, neue Standpunkt ist hingegen der der »menschlichen Gesellschaft« verstanden als »gesellschaftliche Menschheit«. Es ist der Standpunkt der Potenz, des Menschenmöglichen. Und für möglich hält Marx offensichtlich eine grenzen- und nationenlose Menschheit, aus der niemand herausfällt, in der alle eingeschlossen sind, eine menschliche Gesellschaft. Auch dies enthält eine Wesensaussage: Menschen können eine solche Gesellschaft realisieren.
11.
Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.
Ist das nicht der Spruch, der (immer noch) in der Humboldt-Uni Berlin hängt? Nein, ist er nicht. Dort hängt die von Friedrich Engels modifizierte Fassung, bei der zwischen »kömmt« und »d(a)rauf« ein »aber« eingefügt wurde. Dadurch gerät das Interpretieren und Reflektieren in einen Gegensatz zum Verändern: Anstatt labern, verändern. Die Wahl für die Engelssche Fassung ist nachvollziehbar, sah sich die DDR trotz aller Probleme doch als Verändererin im Gegensatz zu jenen Philosophen, die Falsches nur verschieden interpretierten und kritisierten. Der DDR-Weg hat sich als historisch falsch erwiesen. Vielleicht doch zu wenig interpretiert und reflektiert.
Marx, so lese ich die Thesen, ging es um die Einheit von Theorie und Praxis. Er wendet sich gegen das leere Abstrahieren wie das begriffslose Anschauen und fordert die sinnliche praktische Tätigkeit. Dort entsteht die Einheit. Das ist auch klar, gibt es doch keine Praxis ohne Theorie. Allein im Grad und der Tiefe der Reflexion unterscheiden sich verschiedene Praktiken. Bei der Theorie liegt der Fall etwas anders. Theorie ist zwar schlechthin immer auch Praxis, theoretische Praxis, und die kann sehr unterschiedlich sein, doch verweist diese Theoriepraxis immer notwendig auf sich selbst. Zwar kann man feststellen, dass auch die Theoriepraxis etwas über die Inhalte der Theorie selbst aussagt — wer etwa denkt, die Wahrheit inne zu haben, kann andere als Unwissende niedermachen — aber der Zusammenhang ist wesentlich vermittelter.
Die Thesen von Marx können antipolitisch gelesen werden. Revolution ist nicht, die Macht zu ergreifen, um die Umstände zu verändern, sondern ist, die Umstände zu verändern, um die Macht zu ergreifen. Macht im zweiten Sinne ist dabei nicht »Macht-über«, sondern »Macht-zu«, also Handlungsmacht. Handlungsmacht ist nur dann emanzipatorisch, wenn sie tendenziell niemanden mehr ausschließt, sondern für einen Zusammenhang sorgt, »worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist« — so Marx und Engels im Kommunistischen Manifest drei Jahre später.
Antipolitisch heißt nicht unpolitisch, sondern gegen (»anti«) die — eben politischen — Bewegungsformen der bürgerlichen Gesellschaft gerichtet. Ja, ja, da machen wir auch mal eine Demo oder Aktion, aber das ist nicht die Praxis, von der Marx hier spricht, und das ist mein Punkt! Praxis ist, die Welt zu verändern. Sich dabei der alten Formen (manchmal auch Politik) zu bedienen, ist Notdurft, nicht Entfaltung. Die Entfaltung liegt im Commoning, der möglichst reflektierten Praxis der Commons.
So ungefähr also ist der Zusammenhang der Feuerbach-Thesen zu den Commons 😉
Schöne Initiative! Umbedingt empfehlenswert ist die ergänzende Lektüre der marxschen Kritik an der Deutschen Ideologie.
Etwa „der Kapitalismus“, der mit „uns“ dies und jenes Böse anstellt.
Das ist allerdings missverständlich. Marx fordert ja keineswegs auf, den Standpunkt der handelnden Subjekte zu übernehmen.
Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 19 – 27 (Zitiert nach „Mehr (Öko-)Kommunismus wagen 😉“ )
Das heißt aber nicht, dass Marx etwa deren Standpunkte einnimmt. Weiter heißt es:
[Die Hervorgebung ist von mir]
Zu These 3:
Marx Antwort ist: durch „das Zusammenfallen des Ändern[s] der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung als revolutionäre Praxis.“ Wobei hinzu gefügt werden muss, dass dies selbstverständlich auch für soziale Bewegung(en) in einer Nicht-Revolutionären-Situation, also für den Kampf um Verbesserungen und Reformen gilt. Der Selbsterziehungsprozess entsteht nach Marx im Kampf um Veränderungen.Bei dem es bekanntlich sowohl im Hinblick auf die jeweiligen Nahziele als auch (oder erst Recht) im Hinblick auf das, was sich darüber hinaus an Zielen herausbilden könnte (oder sollte) stets auch sehr ungleich bornierte bzw. emanzipatorische Wissensstände, Bedürfnislagen usw. gibt.
Es kann also nicht darum gehen, Ziele opportunistisch aus der Haltung oder den Vorstellungen dieser oder jener Individuen abzuleiten, oder nun sich vorzustellen, dass diese ohne weiteres (Kraft einer Selbstsuggestion) ihre Haltung bzw. ihre Vorstellungen ändern könnten. Natürlich gehören Umstände im Blick unter denen sich Individuen womöglich an Veränderungsprozessen beteiligen, sie sich zu eigen machen und dabei auch selbst daran wachsen können.
Was aber auch nicht heißt, dass Marx selbst in der Angelegenheit nicht auch Quatsch formuliert hat, nämlich z.B. den Satz, dass Ideen zur revolutionären Gewalt werden, wenn sie erst die Massen ergreifen. (Oder so ähnlich, kann das jetzt grad nicht genauer bestimmen). Darüber hatte sich der Kaberatist Martin Buchholz einst zurecht lustig gemacht mit seinen „ketzerischen“ Bemerkungen über die erwartete Ergriffenheit.
Irgendwas fehlt in diesem Satz?? – oder soll es heißen:
So ergäbe der Satz einen Sinn.
Ja, in den Blick genommen oder beachtet. Danke für die Korrektur.
Grenzen- und nationenlose Menschheit? Hört sich mehr nach John Lennon als nach Karl Marx an.
Die Organisationen der indigenen Völker des Amazonasbeckens haben z.B. lange dafür gekämpft, dass deren Gebiete demarkiert und ihnen das Recht zugestanden wurden, Holzfäller oder Goldsucher auszugrenzen. Und sie müssen nach wie vor um dieses Recht ringen. Ob oder wie lange ein weltkommunistisches Ressourcenmanagement á la Marx/Engels Nationen im Sinne von (Re-)Produktionsräumen mit einer dominierenden Sprache, förderativen Strukturen bzw. besonderen Rechtfertigungsbeziehungen geben wird, ist m.E. nicht ausgemacht.
Da beginnt die Welt des spekulativen Utopismus. Mich macht z.B. das Wissen um aussterbende Sprachen traurig. Sind solche Empfindungen jetzt reaktionär? Die Abstraktion der „Grenzenlosigkeit“ hat in meinen Augen etwas von einer Schlaraffenlandperspektive und es passt eben auch das heimliche Recht der informell Stärkeren hinein.. Für mich steht Emanzipation für die Verallgemeinerung der Möglichkeit zur kompetenten (Mit-)Bestimmung – auch über Grenzwerte aller Art.
Naja, entsprechend der historischen Möglichkeiten also dem Stand der Produktivkraftentwicklung und der zu deren Regulierung nötigen Strukturen.
@hhh:
In der Tat, allerdings geht es dort in 2/3 des Texts um „Sankt Max“ – und Marx selbst war später froh, dass die „widrigen Umstände“ den Text der „nagenden Kritik der Mäuse“ überantwortet haben, zumal die Herren „ihr Ziel erreicht hätten – Selbstverständigung“. Allerdings kaum in der von Sankt Max aufgeworfenen Frage der (positiven) Bedingtheiten von Selbstermächtigung. Bakuninsche Antworten hat Marx 1872 selbst noch aktiv verhindert. Fragen, die in gewissen Teilen der Commons-Debatte durchaus (wieder) eine Rolle spielen, kaum aber mit „bird’s eye“ Ansätzen erfasst werden (können) wie dem hier von Stefan (erneut) vorgetragenen. Zum Thema Selbstermächtigung wurde vor ein paar Jahren intensiv um die Frage diskutiert, „die Welt zu verändern, ohne die Macht zu übernehmen“. Darum ist es verdammt ruhig geworden. Die einen tun es praktisch, die anderen schwätzen nicht mehr davon. Man müsste dann ja wenigstens mal über Bloch schwätzen, wenn nicht gar über das, was anderenorts geschwätzt wird.
@stefan: Wenn du in der Frage über „DDR“ schreibst, dann wirst du an dem hier kaum vorbei kommen.
Danke für den Link auf diesen sehr erhellenden Text von P.Ruben, der mir auch inhaltlich in sehr Vielem aus der Seele spricht. Nur Schade, dass Ruben vom „kommunistischen Regiment in der DDR“ spricht, d.h. offensichtlich kein Interesse an einer minimalst normativen Bestimmung von „Kommunismus“zu haben scheint. So viel „Idealismus“ sollte doch wirklich sein ;-).
Zum Komentar der These 11:
Sie unterscheiden sich auch in den konkreten Erfahrungen, Möglichkeiten und Zwängen, die die Reflektionen zum Gegenstand haben. Und die unterscheiden sich m.E.auch nicht nur in deren Tiefe sondern auch hinsichtlich ihrer Zwecke, in welchen Rechtfertigungsnöten oder-freiheiten sie sich bewegen usw.usf.
Aber nicht im Sinne der Thesen. Die Idee, es könnten sich in einem politikleeren Raum Commonsinseln entwickeln, die sich dann irgendwo im Jenseits von Staat und Markt zur Basis eines globalen Commoning auswachsen könnten, gehört wohl eher zur Kategorie der falschen Vorstellungen, (z.b. als Wunschdenken), wie sie aus den gesellschaftlichen Verältnissen gerade dann notwendig hervorgehen, wenn man sich bereits jenseits der sündigen Welt des Kapitals wähnt.
Bewegung in den ökonomischen Strukturen und deren politische Absicherung, Ermöglichung und auch Projektierung müssten sich schon gegenseitig befruchten, wenn das was werden soll.
@hhh:
Wirklich? Wo auch hier gilt „der Schoß ist fruchtbar noch“?
Ruben hat ja auch Substanzielles zum Thema beigetragen, nicht nur eine Abrechnung mit Leuten (insbesondere dem einen), die ihn damals federführend „klassenmäßig“ behandelt hat und auch nach der Wende bei Ihren „Kommunisten“ noch viel zu sagen hatten, im Gegensatz zu Ruben. Dass Ruben für Sie eine Entdeckung ist, spricht ja schon für sich selbst. Inzwischen eines meiner Lieblingsthemen: Die herrschende Ideologie der unterdrückten Klasse als Teilthema zu „Kommunismus“. Meine diesbezüglichen Positionen sind hier off topic, aber über Google („Gräbe Kommunismusdebatte“) leicht zu finden.
Sie vermuten falsch. Ich denke im Übrigen, dass Ihre nicht nur in diesem Fall zutage tretende Arroganz der Performance Ihres Herrschaftslosigkeitsengagement widerspricht. Überdenken Sie einfach mal Ihr Bedürfnis, Ihre „Diskussionsfeinde“ verächtlich zu machen. Der fruchtbare Schoß von dem Sie sprechen zeichnet sich u.a. in der (mit staatlicher Repression und Monoplsierung der Medien abgesicherten ) Anmaßung alleiniger Definitionsgewalt in Sachen Kommunismus aus, was Freund und Feind des Realen Sozialismus gleichermaßen entzückte. Es ist gerade Ausdruck des von Ruben beschriebenen „Materialismus“ als die eigene Herrschaft als Macht des Faktischen rationalisierende Legitimierungsideologie.
@HH#1:
Hab ich auch nicht geschrieben. Sich auf den Standpunkt der handelnden Subjekte zu stellen, bedeutet keineswegs, den Standpunkt der handelnden Subjekte zu übernehmen. Sondern es bedeutet, sie (die Menschen) mit ihren Gründen und Wünschen ernstzunehmen, um sich dann kritisch, zustimmend oder wie auch immer auf sie zu beziehen. Ein Herangehen, dass die Wirklichkeit nur unter der Form des Objekts fasst, braucht das nicht. Commoning geht so nicht.
@HH#2: Was du hier sagen willst, erschließt sich mir nicht. Zu den Widersprüchen von Erziehung und Selbstveränderung habe ich im Artikel geschrieben.
@HH#5: Siehe meine Bemerkungen zum Diskurssprung. Unter den gegebenen Bedingungen als Grenzen aufzuheben, würde auch Commons unmöglich machen. Aber Grenzen und Exklusionen sind gemacht und nicht gegeben, sie können also unter bestimmten Bedingungen auch überwunden werden. Ich nenne solche Bedingungen »Inklusionslogik«. Dagegen:
Damit ist (eine allgemeine) Emanzipation allerdings total unterbestimmt.
@HH#6: Eh klar.
@hgg: Hör mal auf zu Raunen. Sag, was du sagen willst. Bird’s-eye-Ansatz ist eine dumme Zuschreibung. Wir sind doch hier nicht bei Hörz und Ruben.
Das nämlich hat mich tierisch an dem empfohlenen Ruben-Text genervt: Inhaltlich-philosophische Differenzen werden hier personalisiert ausgetragen. Dabei sitzen Hörz und Ruben im gleichen philosophischen Boot. Bei allen persönlichen Verletzungen, die es ganz sicher gegeben hat: Mir hat der Text nichts gebracht. Besonders verfehlt fand ich den Einstiegspassus: Stalin war’s gewesen. Das ist auch Selbstentlastung vor dem eigenen Beitrag zu einem Denksystem, in dem man selbst dann unter die Räder kam. Arthur Koestler hat das im Roman »Sonnenfinsternis« sehr gut dargestellt.
Aber ich kenne andere Ruben-Texte, die mich inhaltlich-produktiv enttäuscht und geärgert haben (das meine ich positiv). Da wollte ich immer mal zu schreiben, habe ich auch irgendwo angekündigt, aber nie gemacht. Shame on me.
@hhh und @stefan: Ich denke, hier kommen (wieder einmal) fundamentale Differenzen zwischen Ost und West in praktischen Lebenserfahrungen (auch nach 1990) zum Ausdruck. Von mir aus können wir das so stehen lassen.
Ich denke, dass Rubens (damaliger) Ansatz „Arbeit als philosophische Zentralkategorie“ in eine Debatte um die Feuerbachthesen, namentlich die zehnte, ebenso gehört wie Althussers Diagnose von „theoretischer Antihumanität“ (einer gewissen Verstehensart) von Kommunismus, insoweit dieser die Rahmen einer „philosophy of men“ verlässt. Der „Standpunkt der Potenz, des Menschenmöglichen“ hat in den 150 Jahren seit den Thesen seine Ambivalenz nach meinem Verständnis deutlich genug unter Beweis gestellt, dass man sich auf diese „Potenz“ nicht ausschließlich positiv beziehen kann, egal mit welchem Gesellschaftskonzept auch immer.
Stefan, schade, dass du über der Form der Rubenschen Abrechnung deren Substanz aus dem Auge verlierst. Ruben und Warnke haben in den letzten Jahren einige Mühe verwandt, das „Rubensche Erbe“ unter peter-ruben.de öffentlich verfügbar zu machen. Dort ist mehr als nur Abrechnung zu finden.
Auf eine Potenz kann man sich (nur) dann positiv beziehen, wenn man sie nicht einer (immer: entfremdeten) Zweck-Mittel-Rationalität unterordnet: Der gute (ferne) Zweck heiligt die (nahen) miesen Mittel. Diese Ambivalenz, die die Arbeiterbewegung über lange Zeit bestimmte (und ihre Intellektuellen Ruben, Hörz, Koestler etc.), ist in der Tat zu verwerfen. Eine, mit Marx, »praktisch-kritische Tätigkeit« oder in neuen Worten, ein Commoning, ist so nicht zu machen. Eine Potenz entfaltet ihre — widersprüchliche — Realität hier und heute, oder sie ist keine.
@stefan – bird’s eye: Ich sehe euer Anliegen (das ja auch schon im Titel keimform.de deutlich wird) darin, eingermaßen allgemeine Muster in komplexer alltäglicher Realität aufzuspüren. Die wird man ehrlicherweise nur im Vergleich verschiedener Beobachtungen und Theorien finden können. Deinen Text hier verstehe ich als den Versuch einer Verdichtung eines – du schreibst es selbst – von Marx eher flüchtig hingeworfenen Gedankens. Das, und nicht mehr meine ich mit „bird’s eye“. Ob ein solcher Ansatz für alltagspraktische Konsequenzen taugt (deine 8 Ostrom-Thesen), darüber gehen unsere Meinungen diametral auseinander. Aber auch das ist nicht neu, bei Gedankenspielen über die elfte Feuerbachthese (ob nun mit oder ohne ‚aber‘) erlaubte ich mir jedoch, daran zu erinnern.
Raunen: Meine Positionen sind bekannt, auch wo die entsprechenden Texte zu finden sind. Da euch die Ansätze nicht interessieren, muss ich sie hier, jenseits gelegentlicher Interventionen, auch nicht dauernd präsentieren. Spart eure und meine Nerven.
Ob du den „Intellektuellen Ruben, Hörz, Koestler“ mit deiner Pauschalschelte gerecht wirst, musst du mit dir selbst abmachen. Ich empfehle auf alle Fälle auch noch Erich Köhlers „Trollroman“.
Einverstanden.
Sie können aber nur unter bestimmten Bedingungen überwunden werden, die allerdings nicht alle immer (historisch) gegeben sind. Marx lehrte, u.a. auf die Entwicklung der Produktivkräfte und den damit einhergegenden Möglichkeiten (Veränderungspotenzialen) zu schauen.
Letztlich muss in jedem Einzelfall untersucht werden, wie die Zusammenhänge sind zwischen
*den konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen, die den Individuen und deren Institutionen mehr oder minder als Bedingungen des Füreinanderwirkens,
(Seins, bzw. Werdens) gegenüber treten, innerhalb derer sie sich nun einmal zu behaupten haben
*die damit notwendig (im gesellschaftlichen Durchschnitt) hervorgehenden (mehr oder minder bornierten) Vorstellungen, Bedürfnisse usw.
* welche Probleme damit verbunden sind,
*welche Spielräume und Ansätze der Problembewältigung gesehen werden (struktureller wie intellektueller Art)
*welche soziale Bewegung verspricht dahin gehend Fortschritte (intellektueller oder auch struktureller Art)
*wie verhalten die sich zu übergeordeneten (gesellschaftlichen, gesellschaftlich bestimmten) Zielen, zur Möglichkeit, die diagnostizierten Probleme tatsächlich – rechtzeitig – aufzheben. usw. und
*was bleibt zu tun?
Das hört sich so an, als wolltest du die Welt in ewige zwei Logiken teilen wollen, nämlich der Exklusions- und der Inklusionslogik, und es für dich nicht weiter von Interesse wäre, ob bestimmte Exlusionen, Inklusionen, Grenzen und deren Aufhebung usw. (historisch) sinnnvoll, richtig, möglich oder nicht möglich sind bzw. welche Stufen das Möglichmachen von diesem und jenem durchlaufen müsste.
„Die Menschheit stellt sich nie Aufgaben, die sie nicht lösen kann“ (Marx) Was nicht heißt, dass sie prinzipiell und unter keinen Umständen unlösbar wären. Im Endeffekt muss sich eine Menschheit, die tatsächlich in der Lage wäre, sich Aufgaben zu stellen und sie zu erfüllen, aber erst (zuende) formieren.
Es war nicht mein Anspruch eine für alle Lebenslagen und Zeiten allumfassende Gültigkeit beanspruchende Definition von „sozialer Emanzipation“ zu liefern. Mir gehts um die Frage, wie die Definition realer Grenzen (oder deren Aufhebung) zur Sache der Gesellschaft also von in dieser Hinsicht (umwelt-)bewusst miteinander interagierenden Individuen (und von ihnen gemeinsam kontrollierten Institutionen) werden kann.
Es ist beispielsweise für Einzelne möglich, sich Klarheit über die strukturellen Grundlagen der (ökonomischen) „Wachstumslogik“ zu verschaffen. Aber die so oft vernommenen Klagen über „den Wachstumswahn“ sind auch Ausdruck der Tatsache, dass die kapitalistische Abschottung der verschiedenen Behauptungsbedingungen bzw. Rechtfertigungsbeziehungen voneinander dafür sorgt, dass Gedanken an die Notwendigkeit einer (am Ende weltgemeinschaftlichen) Bestimmung (Mitbestimmung) dessen, was wachsen und was lieber schrumpfen sollte, nicht wirklich aufkommen können. Das heißt, nicht zu einer Aufgabe wird, die sich – unter den gegebenen Bedingungen – alle stellen.
Althussser hatte allerdings keine theoretische Antihumanität einer gewissen Verstehensart von Kommunismus diagnostiziert sondern „theoretischen Antihumanismus“ eingefordert.
http://oekohumanismus.wordpress.com/2012/08/28/zu-althussers-anti-humanismus/
Nur nebenbei: Mein Erfahrungshintergrund ist West, begann in reichlicher Bildungsferne, zumindest sehr weit weg von irgendwelchen akademischen Hintergründen. Er war über mehr als drei Jahrzehnte vor allem Ringen um die höchstpersönlich eigene Arbeiteremanzipation in denen ich mir Zeit für gesellschaftliche Aktivitäten, Reflexionen und die Aneignung von Kenntnissen über die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft mit Gelegenheitsjobs aller Art (meistens auf Baustellen, später zunehmend auch Bildungsprojekte) erschufften musste.
Persönliche Erfahrungshintergründe in Sachen DDR waren, obwohl ab 1978 in West-Berlin lebend, zwangsläufig spärlich. Zwei Besuche am Müggelsee, dabei Erstaunen über die „Zeitungsvielfalt“ am Kiosk (Alle Zeitungen hatten die gleichen Aufmacher, Fotos und knöchernen Phrasen), in den Restautants der Transitstrecke platziert und von Personal in Puinguinloock bedient werden, immer mal wieder „Aktuelle Kamera“ (mit noch größerem Staunen über die Zuverlässigkeit von deren Hohlheit und über die langen Aneinanderreihungen von Titeln.) Nach dem Mauerfall allerdings viele Gespräche. Ob ich mir das Enreiseverbot ab 1982 ehrlich verdient habe durch meine damaligen Aktivitäten oder einfach nur, weil Mitglieder der Grünen (in Berlin war das die Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz) ganz pauschal unerwünscht waren, weiß allein die Stasie-Unterlagen-Behörde.
Dem Stalinismus begegnete ich allerdings schon als Schüler durch eine Verwandte, die in einem Buchladen als Verkäuferin arbeitete und mitbekam, dass mich gesellschaftliche Fragen mehr interessierten als die damals für mich vorgezeichnete Zukunft als Beerdigungsunternehmer. Das war „Die Revolution frisst ihre Kinder“ von Wolfgang Leonhard. Es prägte dann auch sehr meine Fragen an Marx kommunistische Perspektiven.
Ich finde, dass sich das nicht trennen lässt. Es gilt doch, Ruben mit seinen
Leider bringt die Passivform die konkreten Subjekte des Geschehens und deren jeweilige Verantwortung zum Verschwinden. Dein Satz verstärkt noch Hörzs atemberaubende Tatsachenverdrehung, dass der durch seine Initiative POLITISCH gemaßregelte Rezensent seines Textes wegen fehlender Argumente ins Politische Zuflucht nehmen würde.
Das schien mir nun nicht so.
Ich kann diese Sicht nicht nachvollziehen. Weder behautete Ruben irgendwas von „Stalin ist`s gewesen“, noch geht es hier um „Denksysteme“. Im Spiel waren bzw. sind handfeste Bedingungen des menschlichen Zusammenwirkens, bzw. das Fehlen minimalster Voraussetungen für einen produktiven Meinungsstreit ohne die es auch keinen Millimeter Kommunismus geben kann im Sinne der HERSTELLUNG wirklich gemeinsamer Ziele, in denen die individuellen Ziele gut aufgehoben sind. Auf der Anklagebank ist die Fähigkeit, Positionen und Meinungsverschiedenenheiten wissenschaftlicher oder philosophischer Natur als Fortsetzung eines Vernichtungskrieges mit anderen Mitteln zu behandeln. Das ist nicht unwesentlich.
@HH#18: Dass Veränderungen historische Bedingungen brauchen — geschenkt. Ist doch eh klar. Interessanter ist:
Ja, das ist mein Vorschlag eines Meta-Begriffs, der den alten Begriff der Klassenherrschaft ablöst. Er ist allgemeiner insofern er auch andere Herrschaftsmechanismen in den Blick nimmt und sowohl personal wie sachlich vermittelte Formen der Herrschaftsausübung anspricht. Wie jede Kategorie ist er allerdings nicht geeignet »die Welt in ewige zwei Logiken
teilen wollen«, da eine Inklusions- oder Exklusionslogik nie als solche existiert (sondern immer nur konkret, was es zu analysieren gilt, vgl. in Analogie dazu Marx These Nr. 6).
Aber ja: Als Kategorie verweist der Doppel-Begriff auf einen überhistorischen (insofern: ewigen) Strukturzusammenhang: Die einen setzen sich auf Kosten der anderen durch (worüber und wie vermittelt auch immer) oder nicht. Dabei, und das ist wichtig zu sehen, stehen sich nicht »Inklusionslogik« und »Exklusionslogik« gegenüber, sondern »Inklusionslogik« und »Inklusions-Exklusionslogik« (Inklusionen, die neue Exklusionen erzeugen oder gar ihr Mittel sind).
Doch natürlich, genau darum geht’s. Das bekommst du aber — so meine Behauptung — nur in den Blick, wenn du einen Begriff davon hast.
So neu ist das übrigens nicht. Im Unterschied zum Begriff der Sozialen Inklusion rede ich allerdings von der Logik der Inklusion, also Verhältnissen, in denen alle Menschen in ihrer Individualität strukturell eingeschlossen sind (und nicht erst eingeschlossen werden müssen).
@HH#20: Personalisierung bedeutet, inhaltliche Probleme durch das Fehlverhalten von Personen zu erklären, also eben nicht zu erklären. Wenn du wissen willst, warum einer das tut, dann frag nach den Gründen. Wenn du wissen willst, worin das inhaltliche Problem besteht, dann frag danach. Das kann man nicht trennen, aber unterscheiden. Mich interessiert das inhaltliche Problem. Die Gründe von Ruben, Hörz anzugehen wie er das tut, kann ich mir vorstellen, aber sie interessieren mich nicht, weil sie das inhaltliche Problem wegschieben. Und das inhaltliche, philosophische Problem, so behaupte ich, teilen Hörz, Ruben und die Arbeiterbewegung. Das schließe ich mich übrigens explizit ein was die Zeit der 80er Jahre angeht (da habe ich die Logik der Arbeiterbewegung, des Klassenkampfes und des Fortschritts verteidigt). Das ist keine Pauschalschelte, HGG, sondern eine Kritik (und Selbstkritik).
Klar, aber ich sehe nicht, dass Ruben das macht. Seine Schildung des fotgesetzten Fehlverhaltens und dessen Verbindung mit strukturellen und ideologischen Zuständen, die in vielerlei Hinsicht untragbar sind. (die Möglickeit, Meinungsstreit als Vernichtungskrieg auszutragen und das nachhaltig zu rechfertigen) ist m.E. von allgemeinem Interesse. Wir mssen doch alle daran interessert sein, dass solcherlei Erfahrungen keine Privatangelegenheit bleiben.
Sie sollten zum Allgemeingut werden. Ruben wehrt sich ja erst einmal dagegen, dass der philosophische Inhalt der Differenzen mit dem Mittel der Diffamierung ausgetragen wird. Dass sich das mit den Inhalten mischt, ist vielleicht nicht zu vermeinden, wenn einer der Kontrahenten für Gelassenheit statt Jagd nach „idealistischen Abweichungen“ plädiert und der andere einer Materie-Geist-Dichotomie nachjagt, die offenbar mit der Positionierung der Apologerten des realen Sozialismus als Vollstrecker eines Naturgesetzes in Verbindung steht.
@hhh: Mit Althusser ist das sicher nicht so einfach. In seinem 1974er Essay (auf das ich mich im Wesentlichen bezogen habe, ohne das explizit zu machen) schreibt er über seinen eigenen Erkenntnisgang
und zur Erkenntnis selbst
Da ich die Gründe teile, warum „not to begin with man“, bleibt natürlich auch die Aufgabe, die negative Potenzialität dieses „theoretical anti-humanism“ theoretisch aufzuarbeiten, sprechbar zu machen, um ihr im praktischen Tun zu begegnen.
Ok, meiner Meinung nach sollte das damit beginnen, die Begriffswahl „theoretischer Antihumanismus“ zu hinterfragen, die Althusser Marx untermogelt. Es geht ja darum, bei der Perspektivfindung nicht von einem idealisierten Menschenbild auszugehen, das ein überhistorisches Gründbedürfnis unterstellt, welches durch die bestehenden Verhältnisse unterdrückt bzw. „entfremdet“ wird und nun befreit werden muss damit der Mensch „zu sich selbst“ findet.
Das lässt sich sicher in einem weniger missverständlichen Begriff fassen als „theoretischer Antihumanismus“.Dass bei der Analyse gesellschaftlcher Verhältnisse und der Findung gesellschaftlicher Perspektiven neben der Wahrnehmung gesellschaftlicher Probleme vor allem die strukturellen Reproduktions- bzw. Entwicklungsbedingungen betrachtet werden müssen, steht für mich außer Frage.
Trotzdem sollte vermieden werden, in Sachen „Vorstellungen von Menschlichkeit“ das Kind mit dem Badewasser auszukippen. Worauf sich z.B. Ruben in dem verlinkten Text bezog, nämlich dass Menschen (im Gegensatz zu Bienen, auch wenn die „manch menschlichen Baumeister beschämen“), das Produkt ihrer Arbeit bereits im Kopf entworfen haben, bevor sie sich an die Arbeit machen also ansich die Freiheit besitzen, die sozialen Zwecke ihres Tuns zu bestimmen, ist ja nicht einfach eine idealistische Projektion. Es kann zunächst auch als eine starke THESE zur Beurteilung dessen gesehen werden, was Menschlichkeit ausmacht und als ANHALTSPUNKT für die Realität menschlicher Verhältnisse (bzw. deren Entwickluing). Als Indikator, gestützt durch entsprechende Forschung (die natürlich auch nach Gründen für Gegenpositionen fragt)
Vor dem Erfahrungsgrund menschlichen Gestaltungswahns der extrem menschenverachtenden Art, für den neben Nazideutschland gerade auch der Stalinismus steht, ist klar, dass die Frage der Inklusion für die Frage nach der Bestimmung einer humanistischen Perspektive (der Entwicklung mitmenschlicher Verhätnisse) ebenso wesentlich ist, wie die Möglichkeiten zur Fehlertoleranz und Revidierbarkeit falsch projektierter Pläne. Fortschritte der „Menschwerdung des Affen“ (Engels) im Hinblick auf die Entwicklung der Möglichkeit zur Zweckbestimmung / Gestaltungsfreiheit bedarf Fehlertoleranz, Revidierbarkeit und eine sich parallel vollziehende „Menschheitswerdung“ d.h Entwicklung der Möglichket, sich gegebenenfalls als Menschheit entsprechend frei miteinander gestalteter Maßstäbe zueinander zu verhalten.
„Marxisten“ brauchen keine Angst haben, diese Perspektive humanistisch zu nennen und sich dazu zu bekennen. Das bedeutet m.E. auch, die sich im Kapitalismus entwickelnden Dispositive der Mitmenschlichkeit nicht zu verachten und sich an diesbezügliche Stärken des Kapitalismus abzuarbeiten. Angst vor verführerischen Ideologiefallen ist nicht unbedingt der beste Ratgeber und überdeckt meist eigene Schwächen, die so um so schwerer zu überwinden sind.
An Argumente für die Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Überwindung von Verhältnissen, die sich im Wesentlichen hinter den Rücken der Beteiligten herstellen deren Freiheit es vorallem ist, sich die sozialen bzw. ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen der Erfüllung ihrer Bedürfnisse nicht durch den Kopf gehen lassen zu müssen, sollte es nicht mangeln.
@stefan m #13
Sehe gerade, dass ein Teil meines Zitates von dir, verloren gegangen war. Sorry, so wurde es unverständlich.
Hatte also auf deine Frage nach dem WER (die Erzieher erzieht) die von Marx gefundene Antwort zitiert und (mit einer Einschränkung) zustimmend kommentiert.
#25 letzterAbschnitt
Hrrr, ich ahnte, dass mit dem Satz etwas nicht stimmt. Muss natürlich „an Argumenten“ heißen.
Auch dies bitte nicht als Versuch einer immer und überall gültigen Setzung verstehen, denn bestimmte soziale Errungenschaften wie etwa die basalen Menschenrechte inklusive der Abschaffung der Todesstrafe dürfen natürlich nicht so einfach (nach Stimmungslage) revidierbar sein. Auch eine Frage, die nur in Bezug auf die konkreten Sachverhalte geklärt werden kann.