C3S statt GEMA
Die GEMA erweist sich als völlig reformunfähig. Während andere europäische Verwertungsgesellschaften (VG) zumindest Experimente mit paralleler Lizensierung unter Creative Commons (CC) durchführen, blockt die GEMA hier komplett. Also eine parallele CC-VG als Konkurrenz zur GEMA gründen? Genau das hat Meik Michalke vor. Seit zwei Jahren befindet sich die Cultural Commons Collecting Society (C3S) in der Planung. Und es wird wohl auch noch etwas dauern, denn der Gründungsprozess ist nicht so einfach.
Die Initiative verfolgt mehrere Ziele:
- GEMA-Vermutung abschaffen: Wer nicht im Einzelfall nachweist, dass abgespielte Musik GEMA-frei ist, muss GEMA-Gebühren zahlen. Diese Beweislastumkehr verhindert, dass sich CC-Musik nennenswert verbreiten kann (etwa in Kneipen gespielt wird etc.). Bei einer rechtlich akzeptierten Konkurrenz-VG wie der C3S müsste die GEMA-Vermutung fallen, denn Musiker_innen könnten auch dort unter Vertrag stehen.
- Teilen von Musikstücken: Mit Hilfe von CC-Lizenzen können Künstler_innen festlegen, unter welchen Bedingungen ihre Musikstücke legal genutzt und weiterverbreitet werden können — siehe den CC-Lizenzbaukasten.
- Vergütung kommerzieller Nutzung: Mit Hilfe der NC-Klausel (nicht-kommerziell) kann erreicht werden, dass die kommerzielle Nutzung von Werken vergütet werden muss. Die entsprechenden Verwertungsinteressen des Urhebers vertritt die C3S (analog zur GEMA).
- Teillizenzen: Im Gegensatz zur GEMA, die nach dem Grundsatz „alles oder nichts“ verfährt, würde C3S auch einzelne Musikstücke lizensieren.
Soweit die wichtigsten Punkte wie ich sie identifiziert habe. C3S soll als europäische Genossenschaft konstruiert werden. Außerdem muss eine Genehmigung beim Patentamt erreicht werden. Noch ein steiniger Weg.
Bewertung
Beim Urheberrecht bleibt alles beim Alten, aber die Verfügungsmöglichkeiten über das eigene Werk werden zugunsten der einzelnen Künstler_in gestärkt. Auf Basis der CC-Lizenzen werden so neue Geschäftsmodelle möglich, was im Gegenzug für eine zusätzliche Verbreitung der CC-Lizenzen sorgt. Das vergrößert die freien und kostenlosen Angebote für nicht-kommerzielle Nutzer_innen. Allerdings werden damit genau jene CC-Lizenzklauseln befördert, die besonders problematisch sind.
Allgemeiner: Der Trend zur Abkehr von flächendeckenden Pauschalsystemen aus der fordistischen Ära wird auch im Bereich der Musik und der Kunst zunehmen. Die individuelle Verwertung tritt an die Stelle der Kollektivregelungen. Es sind die gleichen Prozesse, die sich im Rest der Gesellschaft als Abkehr von Flächentarifen, allgemeinen Sicherungssystemen, Kollektivregeln usw. zeigen. Die Spaltung in Prekarisierte und solche, die unter den neuen Bedingungen individuell erfolgreich neue Nischen besetzen können, wird sich verstärken.
Die Initiative ursächlich für die beschriebene Tendenz verantwortlich zu machen, wäre völlig verkehrt. Die C3S reagiert auf diesen Trend. Es ist jedoch ein beliebtes Argument der Urheberrechtsextremisten, die der Meinung sind, das alte überlebte Pauschalmodell auf dem Wege verstärkter Repression bewahren zu können. Der Prozess des Zerfalls der alten Verwertungsformen wird nicht aufzuhalten sein, auch wenn die Urheberrechtslobby derzeit mächtig auf den Putz haut.
Gleichzeitig bietet die C3S-Initiative keine wirkliche Alternative. Sie hat eine ähnliche Wirkung wie die Freien Lizenzen im Bereich der Software: Ein Teil des Marktes wird entwertet und stillgelegt, um die Verwertung in einem anderen Teil zu sichern. Ein Teil der früheren GEMA-Einkünfte, so schmal sie auch für die meisten gewesen sein mögen, wird wegfallen, um einen Rest an Verwertung auf anderem Wege zu sichern: etwa freie Verteilung der Musikstücke, um die Leute in teure Live-Konzerte zu locken.
Dass jedoch überhaupt Bewegung in die von der GEMA (und anderen VG) zubetonierte Landschaft gebracht wird, ist positiv.