Guttenberg als Vorkämpfer für Freie Kultur?
Ist Noch-Verteidigungsminister Guttenberg, dessen Doktorarbeit in einem in der Geschichte des Plagiats wohl ziemlich einzigartigen Umfang aus von anderen geschriebenen Texten zusammenkopiert wurde, ein engagierter Vorkämpfer gegen das „geistige Eigentum“ – und damit für Freie Kultur [EN]? Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man die GegenRede zum Fall Guttenberg des regelmäßig für den Gegenstandpunkt schreibenden marxistischen Professors Freerk Huisken liest.
Huisken nützt den „Fall Guttenberg“, um gegen geistiges Eigentum und die Privatisierung der Erkenntnis zu wettern. Beide verdienen Kritik, doch der „Fall Guttenberg“ hat damit nichts zu tun. So ist auch bei der Freien-Software- und Freien-Kultur-Bewegung, wo das „geistige Eigentum“ oft explizit zurückgewiesen wird, die Attribution, also die Anerkennung der Beiträge anderer, selbstverständlich und wird praktisch universell praktiziert. Bei den Creative-Commons-Lizenzen wird sie sogar von der Lizenz gefordert, bei Freier Software gehört sie einfach zum guten Ton. Zusammenarbeit unter Peers funktioniert auch nur so, denn wenn einer die Beiträge anderer als seine eigenen ausgeben würde, würde er die anderen mit Sicherheit verprellen.
Und für die Wissenschaft gilt dasselbe. Nicht umsonst gibt es das Schlagwort vom Wissenskommunismus, das sich auf die Selbstverständlichkeit bezieht, mit der man in der Wissenschaft auf den Erkenntnissen anderer nicht nur aufbauen darf, sondern aufbauen soll. Das funktioniert aber überhaupt nur deshalb, weil die Quellen, genau wie bei Freier Software, kenntlich gemacht werden. Denn die Angabe von Quellen ermöglicht die „Rückwärtssuche“ nach anderen interessanten Texten, die sich schon vorher mit ähnlichen Ideen beschäftigt haben. (Und ergänzend ermöglichen Tools wie Citeseer dann die Vorwärtssuche nach Texten, die eine Idee aufgreifen und weiterentwickeln).
Selbstverständlich ist am wissenschaftlichen Titel-/Reputationswahn insbesondere in seiner modernen Ausprägung „ich muss möglichst viel publizieren und möglichst oft zitiert werden“ (weil solche quantitativen Kriterien stupide für Evaluationen verwendet werden) viel zu kritisieren. Aber das mit der notwendigen Kritik am geistigen Eigentum (und am Eigentum überhaupt) in einen Topf zu werfen und Guttenberg zu verteidigen (worauf Huiskens Text faktisch hinausläuft, auch wenn er beteuert, das nicht zu wollen), halte ich für ganz falsch.
Ergänzend sei noch angemerkt, dass für die Literatur wiederum andere Spielregeln gelten, daher würde ich z.B. den „Fall Hegemann“ ganz anders bewerten. (Abgesehen davon, dass da nur wenige Zeilen plagiiert wurden, und die auch noch mit deutlichen Variationen, und nicht dutzende von Seiten.)
Die ganze Sache sendet zwei üble Signale. Einmal denken sich jetzt lauter Jurastudenten, dass Kopieren ja nicht sooo schlimm ist und dann gibt es noch die Wähler die jetzt das letzte Vertrauen in diese Regierung bzw. demokratische Normen verlieren. Das ist verdammt traurig und unglaublich unnötig.
Zeigt Guttenberg den Schuh! http://frank.geekheim.de/?p=1541%E2%80%9C
Dabei geht es bei der Guttenberg-Sache wirklich um mehr als um geistiges Eigentum oder Urheberrechte – diese beiden Aspekte spielen eher untergeordnete Rolle.
Vielmehr geht es doch um das (offenkundig nicht vorhandene) guttenbergsche Verständnis vom wissenschaftliche Arbeiten.
Texte oder Textstellen gleich seitenweise 1:1 zu übernehmen und als Eigenleistung auszugeben (ob referenziert oder nicht) wäre auch dann verabscheuungswürdig unethisch, wenn die Texte „frei“ wären; was immer dann „frei“ konkret bedeuten mag. Denn bei der akademischen Eigenleistung einer Dissertation geht es ja nicht (in erster Linie) darum, eine urheberrechtlich geschützte kapitalistisch maximal verwertbare Bleiwüste zu schaffen. Es geht um eine wissenschaftliche Eigenleistung als Nachweis der eigenen Befähigung, und natürlich um wissenschaftlichen Fortschritt.
Wer das Problem verkürzt auf Urheberrecht, geht implizit davon aus, dass die Wissenschaft zweitrangig ist und es deshalb auch völlig in Ordnung ist, nur des Titels wegen zu promovieren. Eine gefährliche Argumentation also.
Hinzu kommt, dass _Kultur_ immer frei ist. Nur materielle Kulturprodukte oder materielle Träger immaterieller Kulturaspekte sind es nicht. Aber man muss sich ja nicht zwingend an bereits vorhandene und mE sinnvolle wissenschaftliche Differenzierungen halten; wer pauschaler definiert kann politisch besser arbeiten. Das ist seit Marx bekannt: Mit einer größeren Keule ist zielen einfacher.
Trotz dieser taktischen Vorteile bitte ich dennoch, mal in einem (aktuellen) kulturwissenschaftlichen (nicht: kunstwissenschaftlich!) Buch nachzulesen, wie Kultur definiert wird (oder werden kann), und ob es sinnvoll ist, Kultur, Medien und materielle Kulturträger in einen Topf zu werfen.
Für eine Kritik der kapitalistischen Praxis, wie Qualifikation ermittelt wird, scheint mir Guttengate aber dennoch fruchtbar. Der Skandal, der, von der nicht wissenschaftsaffinen Mehrheit nicht als solcher wahrgenommen wird, zeigt, dass das unkontrollierte Zusammenkleben von Text nicht geeignet ist, eine Qualifikation zu erwerben. Um das Wissen einer Person zu testen, müsste das Wissen dieser Person, ohne Möglichkeit zum Nachschlagen bei hundert anderen Leuten, abgefragt werden, z.B. durch objektiv auswertbare Multiple-Choice-Tests oder durch praktische Anwendung des Wissens. Ein Bestehen darf dann auch nicht mehr zu einer Qualifikation qua Autorität auf Lebenszeit führen (Dr.-Titel), sondern die Qualifikation darf nur für das Wissensgebiet gelten, das abgefragt wurde, und muss nach einer psychologisch begründeten Frist (vielleicht 1-2 Jahre) verfallen.
Unter dem Aspekt der Wissenschaftlichkeit ist das Fehlen von Quellenangaben zwar ärgerlich, doch den „Diebstahl“ „geistigen Eigentums“ werfe ich Gutti audrücklich nicht vor. Seit ca. 40 Jahren ist bekannt, dass Werke keinen Autor haben. Ein Werk entsteht in der Interpretation der Leserschaft und alle Textproduktion ist nur das Arrangieren vorhandener Textelemente. Es gibt also mindestens so viele ideelle Dissertationen von Gutti wie es Leser seiner Arbeit gibt. Jeder schreibt eine andere Dissertation für sich neu, wenn er Guttis Dissertation liest. Der materielle Text ist auch nicht Guttis Werk. Er ist Produkt vieler Generationen von Sprechern des Deutschen, die überhaupt erst das sprachliche Material geliefert haben, das Gutti neu arrangiert hat. Er ist auch das Produkt vieler Textsetzer (vulgo „Autoren“). Gutti hat wiederum nur Material dieser Textsetzer ausgewählt und selbst zu einem Text zusammengesetzt. Insofern ist es sinnlos von „Plagiaten“ zu sprechen, weil alles ein Plagiat ist. Wie sehr etwas Plagiat ist, ist eher eine graduelle Frage. Ab einer gewissen Länge scheint in der bürgerlichen „Wissenschaft“ ein Text als Plagiat zu gelten, wenn er an anderer Stelle auch vorkommt.
„Bei den Creative-Commons-Lizenzen wird sie sogar von der Lizenz gefordert, bei Freier Software gehört sie einfach zum guten Ton.“
Nur zur Ergänzung: Auch bei freier Software ist Attribution fast immer Obligatorisch – bspw. in der GPL und in den diversen BSD-Lizenzen.
@Xiemeon:
Ist sie nicht. Versuch mal, ein Buch zu schreiben, in dem Harry Potter oder Disney-Figuren eine größere Rolle spielen, und du wirst schon sehen, was passiert.
Es geht im free culture movement eben nicht nur um materielle Kulturträger oder kostenlosen Zugang zu Musik, sondern auch darum, „that culture is made everywhere by everyone, and that culture and education are basic and constitutional rights“, wie es in dem Offenen Brief an die Präsidentin Brasiliens heißt.
@Hanno:
Stimmt, man darf die Copyright-Notizen nicht entfernen, insofern ist das richtig. Allerdings steht da wohl in der Regel nur eine Institution oder der Name der Hauptautor/in drin; Hinweise auf weitere Beitragende gibt’s normalerweise anderswo, z.B. im Changelog oder in einem AUTHORS file. Die zu bewahren, wird von den meisten Lizenzen nicht gefordert, gehört aber zum guten Ton.
@Christian Siefkes
Hm, Harry Potter und Disney sind hier aber ein eher irreführendes Beispiel, welches genau die Begriffsverwirrung illustriert, die ich schon angesprochen habe – wenn ich dazu nochmals auf wissenschaftliche Definitionen von Kultur verweisen dürfte, wonach Kultur ein gelerntes (d.h. gesellschaftlich weitergegebenes), geteiltes (d.h. gemeinsames) und im zeitlichen Verlauf dieses Prozesses veränderliches „set of rules“ (Haviland) ist, oder (nach C. Geertz) ein „selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe“. Und das ist im Übrigen auch keine Frage des Sprachraumes und der zwischen Sprachräumen divergierenden Bedeutungen verwandter Lexeme – siehe kulturwissenschaftliche Literatur.
Kultur ist also mehr prozessual definiert, der Prozess selbst ist immer „frei“ – in jeder möglichen Bedeutung des Wortes. Die konkreten Elemente, die aus diesem Prozess hervorgehen sind teils sicherlich durch (ebenso kulturell definierte und von kulturellen Rahmenbedingungen abhängigen!) Gesetzeslagen geschützt; Das Urheberrecht ist nur _ein_ Beispiel dafür. Weitere wäre Zugang (oder richtiger: Zugangsbeschränkung) zu kulturellen Elementen nach Alter, sozialer Gruppe, Geschlecht etc.
Kurz gesagt:
Kultur != Kulturelle Elemente (gleich ob immateriell oder materiell) != (Träger)Medien != Kunst (a.k.a. „Hochkultur“)
Diese Begriffsverwurschtelei ist mMn höchst tragisch, da man so in den politischen Zielen, die hier referiert werden, nie wirklich genau ausdrücken kann, was man eigentlich will – und dadurch die politischen Ziele nicht erreichen kann.
Dafür müsste man nämlich erst klären, was genau man unter Kultur versteht. Das sehe ich hier aber nicht. Kultur wird mehr als diffuses Schlagwort gebraucht.
Mein Vorschlag: Setzt euch hin und definiert möglichst eindeutig, was genau ihr unter Kultur versteht. Das muss sich ja nicht zwingend an wissenschaftlichen Begriffen orientieren, wobei man allerdings sicher gut beraten ist, dort mal einen Blick zu riskieren, zwecks gedanklicher Anregung. Und man muss ja das Rad nicht nochmal neu erfinden…
Also da wo von Freier Kultur die Rede ist, ist wohl meist etwa das gemeint, was hier als erste Definition bezeichnet wird:
(In der Originaldefinition steht noch „dass sie keinen praktischen Zweck verfolgen“ und „Außerdem ist diese Arbeit nur bedingt erlernbar“, aber das finde ich dann schon wieder zu speziell.)
Aber in diesem Blog geht’s ja nicht in erster Linie um Freie Kultur in diesem engen Sinne, sondern um eine Freie Gesellschaft ganz allgemein. So gesehen würde dann doch wieder eine weitergehende Definition wie die aus dem Wikipedia-Artikel Kultur passen:
@Christian Siefkes
Naja, die erste Definition schränkt ja Kultur schon sehr ein auf Artefakte im Kulturbetrieb – nämlich auf „künstlerische Arbeiten“.
Und so asozial dieses Argument auch ist: Die Wikipedia ersetzt keine (wissenschaftliche) Literatur. Auch wenn der Artikel aus dieser zusammenverhackstückt sein mag.
Das wird auch dann deutlich, wenn man mal weiterliest und sieht, dass Deine Kurzdefinition vom Seitenanfang später wieder relativiert und teils revidiert wird (z.B. der Gegensatz zur Natur); zudem verweist die (schlechte) Kurzdefinition auf Kultur als das von Menschen Gestaltete und ist damit eher dem normativen Kulturbegriff der „Hochkultur“ aka Kunst zuzuordnen.
Natürlich ist das ein populäer Kulturbegriff, aber eben weder ein wissenschaftlicher, noch ein differenzierter und schon gar kein stringenter.
Ich würde Ideen gesellschaftlicher und politischer Veränderungen nur ungern auf Wikipedia-Artikel aufbauen, sondern selbst recherchieren (anstatt durch Wikipedia-AutorInnen recherchieren zu lassen)
War ja alles nur als Anregung gedacht, damit ihr/Du eure Begrifflichkeiten klärt…
In einer furiosen Rede anlässlich einer Feierstunde zum „Tag des geistigen Eigentums“ spricht zu Guttenberg davon, welchen Blödsinn er gemacht habe und dass es ihm von Herzen leid tue, wenn jetzt andere verletzt seien. Er selbst habe in den letzten zwei Monaten eine harte Zeit verlebt, die nicht einmal mit Afghanistan zu vergleichen wäre. „Tote Menschen in Afghanistan sind furchtbar, aber einen Doktortitel abgeben zu müssen, wünsche ich wirklich niemandem“, so der noch immer sichtlich leidende Verteidigungsminister, der mit seiner Ehefrau zur Feierstunde gekommen war. Stephanie, so von Guttenberg, sei es auch gewesen, die ihm durch die schwere Zeit geholfen hätte.
Mehr dazu hier:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34251/1.html
„Geistiges Eigentum muss auch am Hindukusch verteidigt werden“, so der Minister, der alle Anwesenden noch mit der Ankündigung überraschte, zusammen mit seiner Ehefrau ein neues seriöses und aufklärendes TV-Format aus der Taufe gehoben zu haben. „Tatort Tauschbörse“, so der Minister, solle insbesondere diejenigen, die glauben, sie seien anonym im Internet, aus der Pseudoanonymität herausholen. Hierfür werde sich seine Frau als 13-jährige Tanja von Nolte-Bayern ausgeben und Tauschbörsenbenutzer darum bitten, ihr diverse Spiele zu übersenden. Am vereinbarten Treffpunkt würden jedoch statt der 13-Jährigen nur ein Fernsehteam sowie einige besonders seriöse Journalisten auf den „Raubkopierer“ warten – insbesondere Anna von Bayern sei sehr überzeugt von dem Format.
Und auch für den Minister gibt es noch ein kleines Trostpflaster für all die harten Monate – ihm wird der Doktortitel ehrenhalber verliehen, was von Guttenberg mit einem erleichterten „Ein Glück, dass ich noch nicht neue Visitenkarten habe drucken lassen“ quittiert.
Kleiner Rückblick ins letzte Guttenberg-Jahr hier:
http://www.youtube.com/watch?v=fpZATsC2bCA
„So ist auch bei der Freien-Software- und Freien-Kultur-Bewegung, wo das „geistige Eigentum“ oft explizit zurückgewiesen wird, die Attribution, also die Anerkennung der Beiträge anderer, selbstverständlich und wird praktisch universell praktiziert.“
Na und? Es ist doch keine Kritik an Huisken, dass er sich in seiner Beurteilung nicht an die Regeln der Freien-Software-Bewegung hält. Umgekehrt könnte Huisken ja genausogut sagen, die Standards Eurer Bewegung sind blöd, weil sie nicht x,y,z entsprechen. So geht doch Kritik nicht.
„Zusammenarbeit unter Peers funktioniert auch nur so, denn wenn einer die Beiträge anderer als seine eigenen ausgeben würde, würde er die anderen mit Sicherheit verprellen.“
Kann ja sein, dass die Leute in Eurer Bewegung so ehrpusselig sind, aber wie gesagt, dieser simple Abgleich mit den Standards Eurer Bewegung ist doch keine begründete Kritik an Huisken.
„Das funktioniert aber überhaupt nur deshalb, weil die Quellen, genau wie bei Freier Software, kenntlich gemacht werden. Denn die Angabe von Quellen ermöglicht die „Rückwärtssuche“ nach anderen interessanten Texten, die sich schon vorher mit ähnlichen Ideen beschäftigt haben.“
Um solche praktisch-inhaltlichen Fragen geht’s doch bei der Zitations-Tugend des „korrekten wissenschaftlichen Arbeitens“, die Huisken kritisiert, überhaupt nicht. Auch Huisken hat sicherlich nichts dagegen, wenn jemand zu seinen aufgeschriebenen Gedanken dazuschreibt, wo der Leser den einen oder anderen Punkt ausführlicher studieren kann. Sondern es geht darum, dem „Eigentümer/Urheber“ eines Gedankens Respekt zu zollen usw. (was Huisken eben beschreibt und zurecht kritisiert).
Dass es um Inhalte übrigens offensichtlich nicht geht, handelt Huisken gleich im ersten Absatz seiner Kritik ab: Da fragt er nämlich rhetorisch, ob wohl mal einer dieser Plagiatsjäger die Guttenberg-Arbeit inhaltlich zur Kenntnis genommen hat. Wohl nicht.
Wenn’s übrigens nur um sowas wie „Wo kann ich die abgeschriebenen Sequenzen nochmal genauer nachlesen“ ginge, könnte man Guttenberg auch einfach fragen bzw. dank der Plagiatsjäger weiß man es ja jetzt und die Sache wär‘ erledigt. Aus diesem inhaltlichen Standpunkt begründet sich doch niemals dieser ganze Hokuspokus mit Dr-Titel aberkennen, Strafen usw.
Dass da Respekt gezollt wird, ist Blödsinn. Selbst wenn das so sein sollte, wie willst du denn solche Links, die Respekt zollen, von jenen unterscheiden, die die Quelle eines Gedankens angeben? In wissenschaftlichen Arbeiten dürfte jeder Link, der vermeintlich Respekt zollt, auch Quellenangabe sein, weil überhaupt nur solche Links aufgenommen werden, die auf Quellen von verwendeten Gedanken verweisen. Niemand wirft aus Spaß mit Links um sich, die keinen Bezug zu den dargestellten Ideen haben.
Natürlich geht es um Inhalte, nur eben nicht um spezifische. Plagiieren ist dem Inhalt abträglich, egal was der konkrete Inhalt ist, weil keine erkenntnisfördernde Leistung erbracht wird, sondern man vorhandenes Wissen als das eigene reklamiert. Wenn ich jetzt Huiskens Dissertation unter meinem Namen veröffentliche, bin ich dann mit demselben Wissen wie Huisken ausgestattet? Verdiene ich dieselbe wissenschaftliche Autorität wie Huisken? Gewiss nicht, weil ich auf seinem Gebiet (Erziehung) kein Experte bin.
@ libertär
Nein, bist du nicht, aber der Inhalt dessen, was du veröffentlichst wird weder schlechter noch besser, weder richtiger noch falscher dadurch, dass er unter deinem Namen veröffentlicht wird und nicht unter dem von Huisken. Wenn man den Inhalt nicht gut findet, müsste man an dem Inhalt nachweisen, was an ihm faul ist. Umgekehrt umgekehrt. Darum geht es aber keinem beim Guttenberg-Debakel. Das hat hm gemeint.
Das, was angekreidet wird, ist dass Guttenberg sich mit fremden Lorbeeren schmückt. Und das ist eben keine Diskussion über den Inhalt.
Ergänzung: Plagiieren ist damit also auch nicht dem Inhalt abträglich, sondern der Zuschreibung materieller (Doktortitel) oder ideeller Verdienste zu einer Person – womit man wieder beim Thema „Respekt“ wäre.
@Apple: hat irgendjemand behauptet, dass Guttenbergs Arbeit dadurch „falscher“ wird, dass sie abgeschrieben wurde? Dann sind doch Scheinargumente, die an der eigentlichen Frage – was gehört zur guten Praxis wissenschaftlichen Arbeitens und warum? – völlig vorbeigehen.
Wissenschaftliches Arbeiten ist auch ein Diskurs zwischen Wissenschaftlern. Fehlende Quellenangaben sind daher ein Anschlag auf den Inhalt, auf seinen Umfang und seine Korrektheit. Stell dir nur mal diesen Blogeintrag ohne jeden Hinweis auf Quellen (Links) vor. Er wäre inhaltlich ausgelöscht, wäre ein zusammenhangloses, sinnloses Kryptogramm. Dieser Beitrag über Huiskens Text lebt davon, dass er auf Huisken verweist. Glaubst du, Siefkes gibt Quellen an, um Huisken und den anonymen Autoren der Wikipedia Respekt zu zollen? Wäre für dich das WWW, oder generell Hypertext, ohne Links inhaltlich dasselbe? Wie kann ein Text ohne Quellenangaben inhaltlich mit einem Text identisch sein, der Wissen aus Kontexten integriert?
Eine Diskussion über Quellenangaben wurde dort bereits geführt. Lies die Argumente dort nach.
Nein, aber bei Qualifikation und Kompetenz. Das Ersetzen des Autorennamens in einer vorhandenen Arbeit durch den eigenen Namen ist kein Ausweis von Kompetenz. Es ist im Interesse aller, dass das nicht Usus wird. Du würdest doch sicher auch nicht zulassen, dass irgendwelche Leute an dir Doktor spielen.
„hat irgendjemand behauptet, dass Guttenbergs Arbeit dadurch “falscher” wird, dass sie abgeschrieben wurde? Dann sind doch Scheinargumente, die an der eigentlichen Frage – was gehört zur guten Praxis wissenschaftlichen Arbeitens und warum? – völlig vorbeigehen.“
Aha, also ob eine wissenschaftliche Arbeit inhaltlich richtig oder falsch ist, geht an der Frage nach guter wissenschaftlicher Praxis völlig vorbei. Sehr aufschlussreich.
„Stell dir nur mal diesen Blogeintrag ohne jeden Hinweis auf Quellen (Links) vor. Er wäre inhaltlich ausgelöscht, wäre ein zusammenhangloses, sinnloses Kryptogramm.“
Selbstverständlich könnte man Huiskens Argumente kurz zusammenfassen und dann kritisieren. Ganz und gar ohne Huisken beim Namen zu nennen und das würde dem Inhalt überhaupt nicht abträglich sein. Und wenn es inhaltlich Sinn macht, den ganzen Huisken-Text zur Hand zu haben, dann gibt man den Link eben an.
Aber nochmal: Dieses inhaltliche Argument ist doch überhaupt nicht das, was gegen Gutti in Anschlag gebracht wird und worum es bei „guter wissenschaftlicher Praxis“ geht. Die Kritiker Guttis kritisieren seine Arbeit doch ganz und gar unabhängig davon, ob sie inhaltlich korrekt, schlüssig, verständlich ist oder nicht. Ob die fehlenden Quellenangaben der Arbeit inhaltlich abträglich sind, interessiert keine Sau.
Und nochmal: Ginge es um Inhalt, dann würde man Gutti auffordern, seine Arbeit nochmal zu überarbeiten oder sowas. Aber nicht dafür plädieren, irgendwelche Titel abzuerkennen!
@ Christian
libertär hat das behauptet:
Wenn er geschrieben hätte: inhaltlich wichtige Verweise wegzulassen, ist dem Verständnis des Textes abträglich – hätte ich zugestimmt. Er meinte in seinem Satz aber, dass es den Inhalt irgendwie negativ beeinträchtigen würde, wenn nicht der Name des Urhebers sondern ein anderer drüber steht – das ist Plagiieren nämlich. Und diese Aussage ist falsch. An dem Inhalt – ob er nun Gedanken anderer miteinschließt oder nicht – ändert sich durch die Unterschrift nichts.
Es wäre erstmal zu klären, für wen das die eigentliche Frage ist. Für die meisten öffentlichen Kritiker Guttenbergs ist sie das nicht. Denen geht es darum, dass es sich nicht gehört, sich einen akademischen Abschluss dadurch zu erschwindeln, dass man die Leistungen anderer als seine eigenen ausgibt. Dass es bei dieser Debatte eigentlich darum ginge, wie gutes wissenschaftliches Arbeiten geht, ist von dir herangetragen. Deswegen meine ich auch, dass deine Kritik an Huisken falsch ist. Ihm geht es eben auch nicht darum, wie gutes wissenschaftliches Arbeiten ginge – das erwähnt er nur am Rande – sondern um die Kritik an der öffentlichen Debatte.
@ libertär
Keine Quellenangaben zu setzen ist aber etwas anderes als zu plagiieren. Der Vorwurf an Guttenberg ist nicht der, dass er keine Verweise zu nachlesenswerten und zum Verständnis der Arbeit unabdingbaren Texten gesetzt hätte, sondern der, dass er die Leistung anderer als seine eigene ausgibt, also sich zu viel und den anderen nicht genug Reverenz erweist. In dieser öffentlichen Debatte bist du mit deinen Argumenten einfach fehl am Platze, darum geht es in ihr nicht.
Jetzt sieht man schon welche Maßstäbe der Kritik in der Öffentlichkeit an Guttenbergs Arbeit angelegt werde – NICHT die des guten wissenschaftlichen Arbeitens – und du tust trotzdem so, als ob es dasselbe wäre, wenn Christian hier einen Text schreibt und wenn jemand seine Doktorarbeit schreibt. Das ist aber nicht dasselbe. In der öffentlichen Diskussion merkt man doch, dass es um unterschiedliche Dinge geht. Eine Doktorarbeit im bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb hat eben nicht unbedingt wissenschaftlich gut und korrekt zu sein – wenn, dann ist dieser Maßstab eher nachrangig.
Wenn der Doktortitel eine Zugangsberechtigung für die hohen Plätze in der gesellschaftlichen Hierarchie ist, dann ist es durchaus NICHT im Interesse aller, dass nicht plagiiert wird. Im Interesse Guttenbergs war es ja schonmal offensichtlich nicht. Dann wird an die Doktorarbeit eben ein zusätzlicher Maßstab angelegt – die soll mir Zugang verschaffen – der sich mit dem, was eventuell im Interesse aller wäre, nicht verträgt.
„Fehlende Quellenangaben sind daher ein Anschlag auf den Inhalt, auf seinen Umfang und seine Korrektheit.“
Ich bin ehrlich verblüfft, wie solche Auffassungen weit über die bürgerliche offizielle Uniwelt und ihre „Wissenschaftler“ hinaus akzeptiert werden. Allen geht es einen Schnurz um wirkliche, nämlich inhaltliche Korrektheit, sonder nur um die Oberfläche der korrekten Referenz. Es ist deshalb wohl auch passend für diese allseits traurige Diskussion, daß Freerk Huiskens Einstiegsfrage, wer denn überhaupt das Elaborat von Guttenberg gelesen, geschweige den inhaltlich geprüft habe, so antwortlos verhallt ist.
Debattennachtrag oder Mal was anderes:
Inzwischen ist die Debatte (offenbar) ein wenig abgeklungen – und so hatte ich Zeit, mal wieder in ein paar Büchern zu schmökern. Und siehe da – es gibt Leute, die fordern andere sogar zum Kopieren, Weiterschreiben und „Verfälschen“ ihrer Arbeit auf. Sind allerdings Literaten, keine Politiker oder (mehr oder weniger echte) Wissenschaftler. So heißt es bei Arthur Missa in seinem Prosaband Formenverfuger
(unter einer CC-Lizenz online unter http://www.archive.org/details/FormenverfugerFormenverfger.StckeAusProsa) , nachdem er eine Kurzgeschichte begonnen und die ersten zwei Seiten geschrieben hat.
„So, genug gelesen! Schreib’ den Text selber weiter, verändere ihn, bau ihn an anderer Stelle ein, nimm ihn auseinander und montiere ihn neu, zerstöre ihn und lass ihn lebendig werden, weil …“
[Seitenumbruch]
»Wichtig an einem Text ist nicht seine Bedeutung, also das, was er sagen will, sondern was er macht und machen lässt.«
(Jean-François Lyotard)
Die Quellenangabe zu Lyotard bleibt Missa mir schuldig, aber in der Belletristik ist das für mich absolut in Ordnung, da will ich gar keine Nachweise. (Das Zitat entstammt Lyotards Schrift „Dérive à partir de Marx et Freud“ und ist hier in der Übersetzung Christa
Bürgers wiedergegeben. Es findet sich bei Christa Bürger: Moderne als Postmoderne: Jean François Lyotard, in: Dies./Peter Bürger (Hrsg.):
Postmoderne. Alltag, Allegorie und Avantgarde, Frankfurt/M. 1987, S. 122-143, hier: S. 122.)
So, und jetzt zurück zu den Nachrichten 😉