Energieautonomie statt grüne Titanenprojekte
Die Frage, ob die Energieversorgung als Commons organisiert werden kann, hat mich schon einmal beschäftigt. Dabei ging es mir zunächst mal darum zu verstehen, wie die alte Logik der Energiemärkte funktioniert und welche Rolle die Erneuerbaren Energien darin spielen. Annette Schlemm hat diese Gedanken in einer ausgezeichneten Analyse der sogenannten »Energiewende« aufgenommen und weiter getrieben. Sie fasst zusammen:
Während sich bisher die meiste Aufmerksamkeit auf die Laufzeitlänge der Kernkraftwerke konzentriert, ist im Hintergrund der um die Energienetzarchitekturen eröffnet. Und dabei geht es selbstverständlich nicht nur um die Alternative zwischen zwei Techniken (zentrale oder dezentral orientierte Netze), sondern um soziale Praktiken: Machen wir uns in der Energieversorgung auch auf Basis der Erneuerbaren von großtechnischen, monopolistischen Strukturen abhängig oder übernehmen wir auf regionaler, bzw. kommunaler Basis den Großteil unserer Energieversorgung selbst?
DESERTEC und andere grüne Titanenprojekte (wie der umstrittenen Hochspannungstrassen) haben die Funktion, frühzeitig neue zentralistische und kapitalintensive Megastrukturen zu etablieren, die langfristig Fakten setzen werden. Das und mehr ausführlich im Philosophenstübchen lesen.
Das ist der springende Punkt: Großprojekte führen wieder zu Abhängigkeiten und damit zur Erpressung. Was wir brauchen ist eine Dezentralisierung sämtlicher Grundbedürfnisse, so dass jede Kommune im Sinne der Commons autark wird.
Neben Energie, Wasser und Lebensmitteln sehe ich auch ein regionales Geld. Unsere Finanzkrise zeigt eindeutig, dass es ein Schmiermittel unseres Waren- und Dienstleistungsaustausches Bedarf, das auch dann noch funktioniert, wenn das globale Geldsystem zusammenbricht, so es sich gerade anzubahnen scheint.
@Martin Bartonitz: Energie, Wasser und Lebensmittel brauchen wir tatsächlich, aber wozu Geld? Da, finde ich, machst du einen Kurzschluss. Wenn das Geldsystem zusammenbricht, kann man auch Regiogeld nicht essen, und auch sein Heizwert dürfte gering sein. Wenn das Geldsystem kollabiert, dann mit ihm das Waren- und Tauschsystem insgesamt.
Nicht so mit dem Regionalgeld, wenn es von jedem selbst geschöpft werden kann. Es ist dann so etwas wie ein Schuldschein, worauf man seine Dienstleistung schreibt, die man bei Einlösung erbringen wird. Es ist also nicht an das globale Geldsytem gekoppelt. Die letzte Zeitschrift von oya hat sich mit dem Thema der alternativen Gelder beschäftigt.
Schafft ein,zwei, drei, viele alternative Gelder!
Wieder einmal zeigt sich, in welchem Milieu dieser Blog inzwischen operiert. Proudhonsche Geldpfuschereien, die das Geld immer wieder neu erfinden wollen, dazu ökologistische Verzichtsappelle und nicht zu vergessen die Beiträge der Heinrich-Böll-Stiftung bringen uns einer nachkapitalistischen Gesellschaft näher. Ach, noch vergessen, gibt da ja noch die selbstausbeuterische „alternative Ökonomie“, passt ja auch gut zu „alternativen Geldern“ (schön dezentral, regional und mit kleinen heimeligen Gemeinschaften). Irgendwo war kürzlich von „neobürgerlichen Schichten“ zu lesen, die die Basis der Grünpartei ausmachen. In Ergänzung müsste man wohl auch von „neokleinbürgerlichen Schichten“ sprechen, die wohl die Gefolgschaft dieses Blogs bilden.
Um mal positiv zu werden:
Luxus für alle! Für den Kommunismus!
Noch ein kleiner Parolennachtrag zu MMM:
„Every dime buys a bullet!“
Mit dieser Losung haben während des Vietnamkriegs amerikanische Kommunisten Geld für den Vietcong gesammelt.
@MMM: Hier darf jeder kommentieren, sogar Alternativwährungsfans und Menschen mit einfachen Feindbildern wie Du. Warum denn auch nicht?
Benni, was soll denn jetzt deine pure Unterstellung, daß MMM nach Zensur für die von ihm aufgezählten „Milieu“-Freunde gerufen habe? Er stellte doch nur (etwas betrübt offensichtlich, wie ich auch) fest, daß dieses Milieu mittlerweile der Pool ist, in dem dieser Blog fischt. Auf jeden Fall springen die Fischchen daraus hier reihenweise rein. Ob man das dann gleich „Gefolgschaft“ nennen sollte, ist dann schon zweitrangig. Mitgliedskarten werden hier ja genausowenig verteilt wie Vollzähligkeitsappelle abgehalten.
Och, Neoprene, du gehörst doch genauso zu dem heterogenen »Milieu«. Hier darf nicht nur (fast) jede_r kommentieren, sondern sogar was lernen. Oder selbst einen Artikel schreiben. Aber bitte konkreter als die bloßen Bekenntnis-Statements. Die sind eher langweilig.
Nun ja, dieses Milieu als „heterogen“ zu bezeichnen ist schon recht freundlich. Und daß hier in der Tat fast jeder was posten darf, das war/ist ja offensichtlich. Das sind übrigens aus dem Publikum wirklich sehr oft nur „ich bin auch dabei“-Bekennerschreiben a la facebook. Zumindest daraus kann man nur recht Allgemeines über die Szene aber nicht über die Welt lernen, befürchte ich. Zudem sowas „eher langweilig“ ist. Da freue ich mich eben über jeden vereinzelten Stöhner a la MMM.
@Martin, nochmal inhaltlich: Gegen Regiogeld spricht eine Menge, ich will nur zwei Punkte zu bedenken geben.
(1) Geld ist Geld, ob national, global oder regional. Geld erfüllt Geldfunktionen: Akkumulation, Verwertung, Ausbeutung, Tausch, Schuld- und Abhängigkeitsverhältnisse, sinnfreie Abstraktion, Trennung von Produktion und Konsumtion, Spaltung der Gesellschaft und der Tärigkeiten in eine geldwerte und geldunwerte Sphäre u.a.m.
(2) Mein Argument war: Wenn das globale Finanzregime crasht, dann mit diesem die komplette Warenproduktion. Da hilft kein Regiogeld, es mag dann noch da sein, ist dann aber funktionslos. Nun kannst du sagen, das Regiogeld springt dann für das Normalgeld ein und die Produktion und der Tausch laufen weiter. Ok, das geht aber entweder schief (wie in Argentinien nach dem Crash) oder es klappt, womit dann aber das Regiogeld eben das allgemeine Geld ist, weil es dessen Funktionen auszufüllen vermag — und nichts wesentliches hat sich verändert, nichts wurde gewonnen.
Daraus ziehe ich den Schluss, dass die Kritik noch eine Ebene tiefer gehen muss: Nicht bloß das Geld, sondern der Tausch (und damit die Schuld) muss kritisiert und abgeschafft werden. In dieser Hinsicht waren die meisten Artikel in der letzten Oya, ähm, sinnfrei. Bis auf einen: Eine Welt ohne Geld? und vielleicht noch das Gespräch: Weg vom Geldfokus
Es mutet schon extrem ausgrenzend und abstoßend an, wenn ich als jemand Lernender mich vorbehaltlos in einen Dialog begebe und gleich in ein Ecke gestellt werde, in der man mit dem bösen Finger auf einen zeigt:
definitiv keine gute Kultur!!
Kommen wir daher lieber wieder zum Dialog, in den ich mich gerne einbringen möchte mit dem Wissen, dass ich wenig weiß und dabei nur von jedem Beitrag lernen kann.
Nun, in die komplexe und so andersartige Welt der Commons habe ich mich zugegebener Maße noch nicht so weit eingefunden, als dass ich mir schon vorstellen kann, dass ich mir einfach nehmen können sollte, was mir gerade gefällt und was gerade kein Anderer in Besitz genommen hat.
Ich selbst teile mein Wissen vorbehaltslos und gebe es gerne weiter und nehme genauso gerne in dieser Weise auf. Das sind aber immatrielle Werte. Wie aber sieht das mit dinglichen Gütern aus. Wenn also auch nicht getauscht werden muss, was ist dann aber, wenn der Eine mehr nimmt als er geben kann? Wird das in der Gemeinschaft komplett aufgefangen? Was wenn ich gerne etwas Luxus genießen wollte? Ist das in der Commons Gesellschaft verpönt? Wird man dann ausgegrenzt?
Übrigens gibt es das Konzept des fließenden Geldes, das ja gerade an Wert verliert, wenn es angehäuft wird. Wäre das kein Schmiermittel, um den fairen Austausch von Gütern untereinander zu bewerkstelligen?
Ja, inhaltlicher Dialog ist besser.
Der Witz bei den Commons ist, dass die Regeln, wann wer was nehmen kann, selbst verabredet werden. Und da gibt es nichts pauschales, sondern die Regeln müssen zu der Art der Ressourcen und Produkte sowie den Bedürfnissen der beteiligten Menschen passen. Selbstbestimmte Regeln sind da am besten geeignet. Bei Wissensgütern, das war dein Beispiel, sind »open access« Regeln oft perfekt: Sie fördern die maximale Verbreitung. Wichtig: open access ist eine vereinbarte Regel, und keine Selbstverständlichkeit für alle Commons.
Bei rivalen Gütern (solche mit Nutzungskonkurrenz) sieht das anders aus. Hier kann »open access« sinnvoll sein, wenn genug da ist. Wenn nicht genug da ist, besteht die Gefahr der Übernutzung (Plünderung etc.). Sinnvollerweise verabreden die Commoners dann eine Nutzungsregel, die die Ressource erhält, denn das wollen ja alle. Oder sie verabreden Aktivitäten, um die Ressource zu vermehren, damit alle mehr haben können. Oder beides. Share what you can.
Tauschen braucht es dafür nicht. Kein bißchen, und das ist keine Fiktion, sondern so funktionieren Commons auch bei rivalen Gütern heute noch, wo es sie noch gibt (etwa Bewässerungsystemen) oder bei nicht-rivalen Gütern, wo sie neu geschaffen werden (etwa Informationsgütern).
Was ist, wenn der Eine mehr nimmt als er geben kann, fragst du. Ganz einfach: Wenn das verabredet ist, dann ist es ok. Wenn das gegen Verabredungen verstößt, dann wird’s wohl Ärger geben, und dann muss eine Lösung des Konflikts gefunden werden. Wichtig hier: Es gibt keine formale Gleichheit. Niemand sagt, dass alle gleich viel haben müssen, niemand sagt, dass nur formale Gerechtigkeit fair ist. Es kann viele Gründe für ungleiche Verteilungen geben, die real als fair empfunden werden. Kinder können nichts oder nicht viel beitragen, aber alle werden es fair finden, wenn sie das bekommen, was sie brauchen. Usw.
Was, wenn ich gerne etwas Luxus genießen wollte, fragst du. Hm, das hört sich sehr nach Verzicht an, der wohl deiner Meinung die Regel sein muss. Uh, nein, das wäre nichts für mich. So platt der Kollege oben argumentierte: Es geht um Luxus für alle. Aber was ist Luxus? Eigentlich geht’s darum, dass es keinen Luxus mehr gibt, weil alle ihre Bedürfnisse so befriedigen können, wie sie es möchten. Dann verschwindet Luxus, weil Luxus nichts exklusives mehr ist. Luxus ist nur deshalb Luxus, weil er auf Kosten anderer, die an den Luxus nicht herankommen können, realisiert wird. So läuft das nämlich heutzutage.
Wenn Geld fließt, wird Zeug produziert, werden Ressourcen verbraucht. Schon jetzt haben wir Peak-Oil überschritten und wir verbrauchen 1,5 Planeten. Das soll jetzt noch schneller fließen? Das ergibt für mich gar keinen Sinn, und nichts wird dadurch fairer. Bei dem Argument will ich es belassen (es gibt noch mehr dazu).
Die Frage ist vor allem, ob Energie der Zukunft – wie in den Energie-Konzepten der Bundesregierung http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Energiekonzept/energiekonzept.html – ausschließlich ein Stromkonzept ist oder ob nicht längst andere Alternativen auf dem Weg sind. Strom ist weder regel- noch pufferbar, nur knapp 30% des Primärenergiebedarfs der Industrie wird über Strom gedeckt. Mehr dazu z.B. hier: http://leipzig-netz.de/index.php5/Bio-Wasserstoff
@StefanMZ,
Ok, da kommt mehr Licht in mein Dunkel. Und das Wort „Schmiermittel“ beim fließenden Geld impliziert das noch besser schneller konsumieren, insofern hat es schon mal Klick gemacht.
Neugierig bin ich dann doch, welche weiteren Argumente gegen das Geld sprechen, denn dass wir hier was völlig anders machen müssen, ist inzwischen zu offensichtlich.
Hast Du einen Link für mich?
LG Martin
p.s.: ich habe mir erlaubt, Deine Antwort gleich noch in meinem nächsten Post zu nutzen: http://faszinationmensch.wordpress.com/2011/06/29/sollten-wir-besser-gleich-ganz-ohne-geld-leben/
@Martin: Auf die Schnelle fallen mir die Links zum Social Innovation Network und den wichtigen Beiträgen von Andreas Exner ein:
Unterschiedliche Artikel zur (Kritik der) Geldlogik hier auf keimform.de gibt’s beim Tag geldlogik
Andreas Exner hat auch das Projekt demonetize.it initiiert, beim dem einige von uns mitmachen. Dort findest du weitere Artikel zum Thema.
Und vielen Dank für das ausführliche Zitat in deinem Post! Grundsätzlich gilt: Alle Texte von keimform.de können frei genutzt werden. Aber es ist immer nett, das auch zu erfahren 🙂