Flattr: Geschenkökonomie, Elendsklicks oder doch bloß einfache Abzocke?
Seid der re:publica hat es einen neuen Hype in der deutschen Blogglandschaft: Flattr. Von der tageszeitung über die digitale Boheme bis zum prekarisierten Elendsblogger sind sich alle einig: Das ist was ganz tolles. Endlich wandelt jemand unseren Schweiß und unsere Mühen in echtes Geld um! Selbst alte Haudegen der Hackerszene wissen auf einmal: “Kostenloskultur, my ass! Ich habe daran nie geglaubt”. Endlich materialisiert sich die Geschenkökonomie in einer Weise, dass sie die Miete bezahlt. Oder wenigstens ist es ein Weg ein paar Cents zusammen zu kratzen. Haben wir nicht alle genau darauf gewartet?
Doch der Reihe nach. Worum geht es überhaupt? Flattr ist eine Art freiwillige Kulturflatrate. Man zahlt einen monatlichen Beitrag von mindestens 2 Euro und darf dafür neben den eigenen Content einen Flattr-Button machen. Wenn man als Teilnehmer auf einen solchen Button klickt, wird ein Teil des eigenen monatlichen Obolus am Ende des Monats an den Buttonsetzer geschickt. So weit so simpel.
Ähnliche Systeme gab es schon einige, die bisher alle wieder eingegangen sind mangels Beteiligung. Flattr ist also nicht besonders originell. Wie erklärt sich dann der aktuelle Hype? Zum einen sicherlich zu einem Gut-Teil aus der Person des Gründers, der ist nämlich auch Mitgründer des Filesharing-Portals PirateBay gewesen und hat daher einen gewissen Ruf des Rebellen und Nonkonformisten in der Netzwelt. Wenn der Lieblingsfeind der Contentindustrie ein Bezahlsystem erfindet, muss es ja was gutes sein? Leider ist dem nicht so.
Flattr hat im Kern eine vielleicht gar nicht so blöde Idee. Aus der Tatsache, dass man auf lange Sicht im Web keine Warenökonomie betreiben kann (oder zumindest nur durch massive Repression), versucht man es halt mal mit Spenden. Das Spenden wird dabei deutlich vereinfacht. Wenn man sich einmal angemeldet hat, ist es wirklich mit einem Mausklick getan. Man kann dann zwar nicht mehr im einzelnen sagen, wie viel man spenden möchte, aber das nehmen viele gerne in Kauf für die Einfachheit des Systems.
Classless Kulla kritisiert das Ganze als Teil des Warentauschs (macht dann aber nachvollziehbarer Weise trotzdem mit, weil er ja auch am Warentausch teilnehmen muss). Er irrt da meiner Meinung nach: Nicht überall wo Geld fließt findet auch Warentausch statt. Es wird ja keine Gegenleistung verlangt. Tatsächlich werden ja Geschenke verteilt.
Daraus zieht umgekehrt Michael Seemann den Schluss, es handele sich um eine klassische Geschenkökonomie. Das finden nun wieder andere befremdlich. Ich würde zumindest mal anmerken, dass es dann eine Geschenkökonomie ohne Seele ist. Nach dem Motto jeder schenkt jedem 100 Euro unterm Weihnachtsbaum.
Schließlich wird in der Diskussion immer wieder die Anerkennung betont, die man mittels Flattr verteilen kann. Beispielhaft sei hier Tim Pritlove zitiert, der schreibt:
„Die dort abgebildete Zahl sagt letztlich nämlich viel mehr aus, als die unverbindlichen “I like” Knöpchen von Facebook, denn hier sind sie mit Verbindlichkeit gepaart. People put their money where their mouth is. Man bezieht Stellung und fühlt sich dann auch selbst besser.“
Verbindlichkeit ist nur da wo Geld ist. Haben wir ein Glück dass die Millionen von Peer-Produzenten, die das Internet am Laufen halten, davon nichts wissen. Als sei Anerkennung das Problem im Internet. An Anerkennung mangelt es doch nicht! Jede Verlinkung, jeder Kommentar, ja selbst das Facebook-Like ist tausend mal mehr Anerkennung als ein Flattr-Klick. Aber nein, das zählt ja nicht, weil es nicht „echt“ ist, nicht mit „echtem Geld“ verknüpft. Da zeigt sich dann endgültig die wertförmige Pervertierung der angeblichen Geschenkökonomie.
In der ganzen Diskussion um die Prinzipien geht dabei ein kleines aber feines Detail verloren. Anscheinend liest niemand das Kleingedruckte oder warum auch immer es fast nie thematisiert wird, dass Flattr 10% der Spenden einbehält. Naja, könnte man sagen, was sind schon 10%? Vielleicht wird die Unverschämtheit dieses Ansinnens deutlich, wenn man es mal so erzählt: Das bedeutet nämlich nichts anderes, als das quasi jeder 10. Spender in die Kasse von Flattr spendet und nicht an die armen hungernden Blogger. Und noch einer der 10 spendet dann wohl zu Paypal, die kriegen nämlich auch noch ihren Anteil. Die Banken wehren sich mit Händen und Füßen noch gegen die kleinste Finanztransaktionssteuer von 0,1% und die Blogger legen sich selbst eine von 10% auf.
Sicher auch ein System wie Flattr verursacht Kosten. Aber wenn das auch nur halbwegs erfolgreich ist (und danach sieht es ja zur Zeit aus), ist das in seiner jetzigen Form nichts anderes als eine Gelddruckmaschine auf Kosten von Bloggern die ihre Monetarisierungsverzweiflung anscheinend nicht zügeln können. Warum muss das überhaupt prozentual sein? Schließlich steigen die Kosten ja auch nicht linear mit den Nutzern an. Die Flattr-Einnahmen sollen es aber wohl. Und wenn man das schon prozentual gestaltet, warum nimmt man dann von den Spendern und nicht von den Empfängern? Das würde wenigstens einen minimalen Umverteilungseffekt beinhalten. So ist das alles nur ein großer Nepp. Wir können nochmal reden, wenn Flattr sich selbst mittels Flattrbuttons finanziert.
Dazu kommt dann noch die klassische Walled-Garden-Problematik von zentralen closed source Services. Wenn Flattr sich einmal durchgesetzt hat, wird es schwer Alternative Systeme (wie z.B. OpenFlattr) zu etablieren. Schließlich kommt man dann ja nicht mehr an die Klickfleischtöpfe der Millionen von Flatterern ran. Und jeder, der jetzt denkt „Na gut, ich probiers mal aus, schadet ja nix“ ist Teil genau dieses Mechanismus und wird sich am Schluss ärgern, dass er mit seinen gut gemeinten Geschenken für notleidende Blogger vor allem Flattr finanziert.
Deswegen: Finger weg von Flattr!
Hm, ich kann deinen Rant nicht so recht nachvollziehen. All die Argumente kenne ich, auch dass Flattr 10% nimmt. Man kann sicher über die Höhe des Anteils streiten, ich finde ihn derzeit ok. Und warum sollte es mich ärgern, Flattr zu finanzieren? Das ist eine gute Idee, ich finde es nicht schlimm, gute Ideen zu finanzieren.
Die anderen Punkte: was schlägst du vor? Warten bis jemand ein dezentrales Flattr entwickelt hat? Ach je.
Ich finde das ja immer lustig, wenn die Weltverbesserungsriege jedesmal aufjault, wenn jemand die Welt ein Stück weit besser macht: „Das ist uns nicht gut genug!“
Das gute ist ja: flattr ist kein Teil der Infrastruktur. Wenn es demnächst ein besseres System gibt, wird es einfach sein, umzusteigen.
@mspro: Ich glaube eben genau nicht, dass Flattr die Welt ein Stück besser macht. Es ist keine neue Geschenkökonomie sondern zerstört eine existierende Geschenkökonomie ein Stück weit.
Ich hab auch lange nix geschrieben, weil es mir nicht wichtig genug war. Aber der Hype erzeugt dann irgendwann Druck bei mir. Das musste jetzt mal raus.
Ich bin dabei gar nicht so fundamentalistisch wie Du mich jetzt hinstellst, manches an der Idee ist ja durchaus charmant wie geschrieben. Wie gesagt, wenn Flattr an sein eigenes Modell glauben würde, spräche ja nichts dagegen, dass sie sich mit ihren eigenen Buttons finanzieren. Oder wenigstens einen kleineren Anteil und den nicht von den Spendern nehmen (was im übrigen zentral dafür wäre wirklich auch passive Nutzer zu interessieren). Spendenfinanzierung find ich ja im Rahmen der Möglichkeiten eine gute Sache (auch wenn die noch keine geschenkökonomie macht) und die einfacher zu machen ist ein prinzipiell zu unterstützendes Anliegen. Umso ärgerlicher dieses Nepp-Modell.
Und noch zur „Weltverbesserungsriege“: Das Argument immunisiert gegen Kritik. Das dürfte auch nicht in Deinem Sinne sein.
@pascal: Nein, wenn alle flattern braucht man eine konzertierte Aktion um Umzusteigen. (@mspro „Plattformneutralität“!) Die Erfahrung zeigt, dass das fast nie klappt. Die Empörung als ebay damals angefangen hat zu kassieren war riesig. Trotzdem war das Monopol schon zu stark.
Du hast in der Aufzählung der Flattr-Ausprobiererinnen noch diejenigen vergessen, die es aus reiner Neugierde mitmachen 🙂 – Das ist nämlich bei mir der Grund. Ich will einfach „von innen“ mitkriegen, wie sich das entwickelt. Die teilweise geäußerte Euphorie kann ich auch nicht ganz nachvollziehen, andererseits finde ich es aber doch ein interessantes Experiment. Und wie bei allen Experimenten können wir eigentlich nicht vorher wissen, was daraus wird. Momentan flattrn sich die Blogger wohl überwiegend selber untereinander, und dann ist es natürlich ein Witz mit den 10 Prozent, die abzugeben sind (abgesehen davon, dass der Anteil auch generell zu hoch ist, da hast du recht.) Ob das Ganze langfristig Erfolg hat, wird sich meiner Meinung nach daran zeigen, ob irgendwann auch andere flattrn, also die vielen Leute, die Blogs lesen aber keine selber schreiben. Dann erst wäre es interessant, in ökonomischer Hinsicht.
Jetzt schon ist es für mich aber interessant, weil ich sehen kann, welche Posts genau wie viele Flattr bekommen. Das ist nicht unbedingt korrelativ mit den Visits, so wie sich das bisher abzeichnet. Und damit könnte sich noch ein ganz anderes Problem herausstellen: Ich glaube, tendenziell werden mit Flattr Artikel „belohnt“, die die Lesenden in ihrer Meinung bestärken. So nach dem Motto: Die schreibt, was ich auch meine, deshalb kriegt sie einen flattr. Das würde natürlich evtl. manche in Versuchung führen, den Leuten nach dem Mund zu schreiben. Jedenfalls finde ich dieses Dreieck: Anzahl der Lesenden, Anzahl der Kommentare, Anzahl der Flattrs spannend, gerade weil es bisher NICHT einfach parallel läuft (bei mir). Wenn es so wäre, dass „Mainstreamige“ Posts viele Flattrs kriegen, kontroverse Posts hingegen viele Kommentare, d.h. wenn es an diesem Punkt auseinandergeht, dann stellt sich inhaltlich die Frage, wie Flattr die Qualität von Blogs beeinflusst… Aber, damit befinden wir uns noch im Stadium der Spekulation 🙂
Man kann doch nur teilnehmen, wenn man Geld auf dem Spendekonto hat. Das wird monatlich zwangsverteilt, also muss man regelmäßig neu einzahlen, wenn man teilnehmen will. Dann heisst das nur, die BloggerInnnen lassen ihr eigenes Geld umverteilen, gegen Gebühr. Absurde Zustände.
@Christine – Naja. Man muss 2 Euro im Monat einzahlen, wenn man nicht mehr will. Das ist jetzt aber wirklich fast „geschenkt“ 🙂
@antje: wo wäre der unterschied zum geld bezahlen für z.b. konkret oder die jungle world – solange man in der lage ist aufzunehmen, was von anderen „geflattered“ wird? im umkehrschluss sagst du ja irgendwie, die dt. blogs sind zur zeit radikal objektiv, strittig, schreiben nicht für leute, die ähnliche meinungen vertreten, kritik nicht mit unterstützung der peer-group flamen sondern konstruktiv aufnehmen usw. …
Die 10% gehen an Flatter. Und wieviel Prozent an PayPal?
@e.r. – Bei Konkret oder Jungle World bezahlt man die ganze Zeitung, d.h. natürlich ist es eine bestimmte Vorliebe beim Zeitungsabo, aber man bezahlt dann halt doch nicht einzelne Artikel. Aber ich hatte noch gar nichts „gesagt“, sondern eher eine Spekulationsvermutung geäußert, die ich in nächster Zukunft mal verfolgen werde… Vielleicht liege ich auch total daneben.
„Er irrt da meiner Meinung nach: Nicht überall wo Geld fließt findet auch Warentausch statt. Es wird ja keine Gegenleistung verlangt. Tatsächlich werden ja Geschenke verteilt.“
Sind das wirklich Geschenke, wenn Leute, die jahrelang Chaosradio hören oder Netzpolitik lesen, diese Leistungen jetzt nach eigenem Ermessen vergüten?
Und was für Geschenke sind das, die auf eine Aufforderung „Gib mir Geld“ hin in genau dieser Form gegeben werden?
Liebe Leute!
Die Flattr-Nutzer wollen sich doch lediglich eine reelle Möglichkeit erschließen, für ihre geliebten Blogs, Podcasts,… einige Euronen reinzuholen. Und da kann definitiv nur eine 1-Klick-Lösung funktionieren. Alles andere funktioniert nicht. Wenn die Leute sich z.B. erst durch die Passwortabfrage bei Paypal klicken müssen, dann noch einen angemessenen Betrag überlegen,… dann lassen es die meisten eher ganz bleiben mit der Spende.
Hier zählt nur: Wer hat das funktionierende System, wer hat den Hype, der bekommt den Zuschlag. Ende.
Und bezüglich der Anerkennung: Nur Bares ist Wahres! (Fragt ruhig einmal die Arbeitnehmer in sozialen oder „haushaltsnahen“ Berufen ).
Der obige Beitrag passt einerseits gut in des Deutschen Denke, dass er überall „abgezockt“ wird, dass böse Firmen sein ganzes Geld wollen, während es für ihn selbst nicht genug sein kann, er alles „verdient“, was er bekommt.
Andererseits haben wir auch das Thema Neid. Geht es vielleicht eher um die Tatsache, dass endlich mal Bares im nennenswerten Umfang zu den deutschen Netz-Schaffenden rüberwächst? Die haben es schon jetzt nicht leicht zu kommunizieren, dass/falls von den Einnahmen der eigene Unterhalt bestritten werden soll. Dass mit Ehrenamt die Miete nicht gezahlt werden kann. Dass die künstlerische/journalistische Tätigkeit im Netz der Hauptjob ist (Wo sollte er auch sonst sein?!) Da hält man sich vornehm zurück, auf das das Publikum nicht das Spenden einstellt: wer Almosen empfängt soll gefälligst darben. Spaß beim Broterwerb, Selbstverwirklichung? Haben alle anderen doch auch nicht!
Die Jungs und Mädels von Flattr verdienen ihr Geld wirklich: sie haben ein Produkt geschaffen und damit die wesentliche Leistung gebracht, eine Idee in die Tat umzusetzen.
Dies erinnert mich an die SIGINT, auf der es auch um die (leidige) Kulturflatrate ging. So schön wie Andreas Boogk in der Keynote kann ich das jetzt sicher nicht formulieren, aber: Warum sollen denn eigentlich nur Blogger einen Anspruch auf ausreichend Euros für die Miete haben? Und warum sollen Leser von Blogs oder sonstige „Kulturkonsumenten“ ein schlechtes Gewissen deswegen haben, dass sie keine Gegenleistung bringen? Wenn man etwas über den Tellerrand schaut, wird man sehen, dass das Problem der Finanzierung des eigenen Lebens ein ziemlich umfassendes ist. Es wird für immer mehr Menschen immer drängender, nicht nur für die Künstler und Blogger.
Und wer weiß, wie man sich bei einer wenig geliebten Arbeit nach einem 8-Stunden-Tag fühlt, wird vielleicht nachvollziehen können, warum ein Großteil der Menschen Blogs allenfalls konsumiert ohne selbst eines aufzusetzen. Von den familiären Freizeit-Fressern ganz zu schweigen.
Wenn es auch ein vieldiskutiertes Reizwort sein mag: bedingungsloses Grundeinkommen für alle – unverhandelbar! Diese Forderung sollte zumindest über solchen kleinen, begrenzten Spenden-Lösungen stehen – schon allein deshalb, weil sie genau dieses Tauschdenken konterkariert. Nixda Leistung / Gegenleistung!
Und dass das wahre Maß für Qualität nur die klingende Münze sein kann – also nee, da seh ich auch eher die Gefahr der Korrumpierbarkeit.
Wenn ich jedem, dessen Beiträge ich schätze, das Spenden würde, was er meiner Meinung nach „verdient“ und jedem, der bedürftig ist, das geben würde, was er braucht, müsste ich mindestens 40 Stunden die Woche arbeiten – und hätte gar keine Zeit mehr zum Lesen von Blogs. Dann bräuchte ich allerdings auch kein schlechtes Gewissen haben, dass ich parasitär Leistungen nutze, ohne dafür zu bezahlen.
Nein danke. Das kanns nicht sein.
@Barbara
Na, das geht doch schon gut los 🙂
Ansprüche sind eine populäre Sache. Ich existiere – also Anspruch.
Wenn ich über den Tellerrand auf deine nächsten Aussagen schaue, wird deutlich, dass diese Probleme nicht von ungefähr kommen.
Genau so siehts aus! Willkommen im Kapitalismus 😉
Etwas für Geld zu tun ist also verwerflich? Ein wenig Nachhilfe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Erwerbst%C3%A4tigkeit
Der zeitsparendere Weg wäre der Flattr-Button. Das Gewissen sollte dennoch nie leiden.
Gern geschehen.
Ich glaube Paypal nimmt mehr als 10 Prozent, wenn es um Beträge um 2 Euro geht.
Will Flattr ernsthaft, haushalten müssen Sie entweder PayPal & Co umgehen und durch Sammelzahlungen den Gebührenanteil drastisch reduzieren.
Zudem: wenn nur die mitmachen, die sowieso Bestandteil der relativ eng umrissenen Web 2.0-Szene sind, ist das ganze nicht mehr als eine Umverteilung vom kleinen Blogger zu den großen Bloggern – durch das System entsteht eine Ungerechtigkeit größer als bei der GEMA.
@ Christoph Jau, nett gekontert.
Ganz richtig, der Anspruch vernünftig zu leben muss nicht durch irgedneine Leistung erworben werden – deshalb bitte auch keine ständischen Lösungen, die wegen der simplen Wiederholung des kapitalistischen Äquivalenzprinzips nicht weiter als bis zum bekannten Tellerrand führen und in der Praxis einen faulen Kompromiss der Umverteilung von unten nach unten darstellen.
Deshalb m.M.n. das bedingungslose Grundeinkommen fordern, damit all jene, die auf ihrer Stirn keinen Button anbringen können, die Chance haben, mitzumachen.
@Torsten: Wieso Umverteilung von kleinen zu großen Bloggern. Da ist doch nix bei den kleinen Bloggern (bzw. da ist wirklich Teilen von Ideen und nicht Verteilen von Geld), was also soll da umverteilt werden?
@Silke Helfrich: der kleine Blogger, der die Flattr-Buttons einbindet, zahlt drauf. der große kassiert eher.
@classless: Ja, so richtig Geschenkökonomie ist es nicht, Warentausch aber auch nicht. Es ist im Grunde das, wovon Otto-Normal-NGO auch lebt: Spenden. Es handelt sich also im Grunde um die NGOisierung der Blogosphäre. Halt mit dem kleinen Unterschied, dass jemand unterwegs die Hand aufhält.
@Christoph: Natürlich hat jedeR ein Recht Geld zu verdienen so lange das eben nötig ist. Ich finde es etwas befremdlich, dass man sofort in die Gutmenschen-Ecke gestellt wird, wenn man irgendein Bezahlmodell kritisiert. Ich verstehe ja die Verzweiflung der Blogger. Sie machen was wichtiges, was auch Anerkennung findet, aber es gibt im Grunde keinen wirklichen Weg das in der Breite zu monetarisieren. Dem sollte man sich stellen und sich über Konsequenzen daraus unterhalten. Das passiert aber praktisch nicht. Statt dessen wird jedes Jahr ein Neues Modell gehyped und man kämpft lieber gegen die Überbringer der schlechten Nachricht als gegen die Tatsache an sich, darin ist im übrigen die Blogosphäre ihrem Lieblingsfeind, der Contentindustrie recht ähnlich.
@Barbara
Wo sollen die den mitmachen? Ich denke dass hier um Flattr bzw. Vergütung für Medienschaffende gehen soll.
Irgendwie hat das bedingungslose Grundeinkommen BGE™ etwas von „reich erben für alle“. Und bei „nicht durch irgendeine Leistung“ muss ich spontan an den Grandprix Eurovision denken… aber ich schweife ab.
Auch für BGE das muss irgendwo die Menge derer abgegrenzt werden, die es beziehen dürfen. Setzt man hier z.B. die Staatsangehörigkeit als Schranke, so führt man gleichzeitig eine neue Schicht der in D lebenden und arbeitenden Unionsbürger ein.
Unabhängig davon, wer dann die neuen Gewinner und Verlierer sein könnten/werden: ich rechne nicht damit, dass sich durch den Wegfall des „Zwanges“ zur Erwerbsarbeit plötzlich allenortens ungeahnte kreative Potentiale entfalten würden/werden 😉
Weiterhin entfällt durch das BGE nicht das Leistungsprinzip bzw. die Bewertung der erzielten Ergebnisse durch das Zielpublikum: Wenn man etwas liefert, dass der Markt einem „abkauft“, hat man einen Gewinn, zumindestens ein Erfolgserlebnis und verdient etwas obendrauf aufs BGE. Andernfalls produziert man am Bedarf vorbei und verplempert vielleicht Geld, aber mindestens auch seine Zeit, die man auch entspannt in der Sonne hätte liegen können oder Kinder bekommen UND erziehen, Chinesisch studieren oder alles zusammen…
@Torsten: Umverteilung in dem Sinne, als dass ich als Mitglied, wenn ich das richtig verstanden habe, 2 Euro zahle. Da beim kleinen Blogger warscheinlich weniger Menschen auf den Flattr Button klicken, steht er am Ende möglicherweise schlechter da als der „Große“, der von seinen 2 Euro Gewinn macht. Ne klassische Kopfpauschale also. Vielleicht meinst du mit „da ist nix“ auch, der kleinere Blogger sollte halt ein großer werden, statt sich zu beschweren? Hier sieht man dann, wie viel „Warenökonomie“, sprich: Kapitalismus auch noch ohne direkten Warentausch in dem Konzept steckt. Es wird nämlich der einzelne wiederum gezwungen, auf Nachfrage zu produzieren, und sein Produkt dem Massengeschmack anzupassen. Die Effekte sind hier sicher minimal, da kleine Beträge involviert sind, und das Ganze auf Freiwilligekeit beruht (zudem haben Like/Dislike und Kommentare auf das Bloggerego wohl ähnliche Effekte), aber dennoch: die Tendenz ist gegeben.
@Benni Bärmann
Das wäre dann die Nörgelecke 😉 Und was will man auch großartig kritisieren an Flattr, solange dabei keine anderen als die bekannten Fakten auf den Tisch kommen. Die Medienschaffenden kennen die Bedingungen von Flattr und lassen sich drauf ein. Ob es ihnen etwas bringt, wird sich zeigen.
Wenn die Bloggerei weder als Hobby eine anregende Erfahrung ist, noch im kommerziellen Sinne einen Erfolg und damit auch eine gewisse Liquidität nach sich zieht, sollte man sie eventuell drangeben.
Eine Weisheit der Dakota-Indianer besagt: „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!”
Neue Bezahlmodelle können lediglich den ohnehin erfolgreichen Blogs mit Stammleserschaft dazu dienen, den bisher latent vorhandenen Wunsch der Leser „ihren Lieblingsblog“ zu unterstützen, möglichst unkompliziert zu realisieren bzw. die Aufwandsschwelle deutlich zu senken.
Falls Flattr jedoch nicht im Leser-/Konsumentenbereich ankommt und sich tatsächlich mittelfristig nur die Blogger gegenseitig klicken, ist das ganze natürlich witzlos.
So, ich will dann auch mal was zum Thema sagen.
Es geht hier die ganze Zeit um Umverteilung des Geldes und das kleine Blogger nur „Verlust“ machen. Ich kenne selber Leute, die bei flattr angemeldet sind, dort Geld einzahlen und – achtung – keinen flattr Button irgendwo haben.
Diese Leute wollen einfach nur auf eine simple und möglichst einfache Weise Geld spenden! An Projekte und Artikel und alles andere was ihnen gefällt. Ohne selber was zu verdienen. Damit diese Leute eben ihre Projekte weitermachen können und man sie dabei ein wenig unterstützt und ihnen gleichzeitig sagt: „Super, dass gefällt mir, mach weiter so!“
Ich selber habe auch einen flattrbutton bei mir im Blog, aber ich habe das nie in der Intention getan damit meinen Lebensunterhalt zu Verdienen. Dafür habe ich noch meinen Job. Blogger wie bei Spreeblick allerdings machen das Hauptberuflich, zahlen ihren Bloggern Gehalt etc. Die sind auf sowas angewiesen und da Spende ich auch gerne Geld. Ob ich nun ein Magazin am Kisok kaufe, oder ein Internetmagazin lese, in beiden Fällen bin ich bereit dafür Geld zu zahlen.
Wenn ich nun doch geflattrt werde freue ich mich und sage Danke und werde das verdiente Geld (was definitiv nicht viel sein wird) wieder auf mein flattr-Ausgeben-Konto überweisen.
Gruß, Jan
Cyrano: „da ist nix“ kam nicht von mir.
@Thorsten: sorry… in der Zeile verrutscht. Ich meine @Silke Helfrich, auf den/die du dich bezogen hattest.
also:@Silke: siehe mein erster Kommentar hier:-)
Ein paar Punkte, die mir auffallen:
Blogs sind keine Waren. Für Blogs zu zahlen ist also weder ein Tausch gleichwertiger Waren noch eine beliebig hohe Spende für einen unbestimmt großen Tauschwert. Wäre es so, könnte sich dieses Prinzip für alle Waren durchsetzen. Man stelle sich vor, wie man sich in Supermärkten nach Belieben bedient und dafür lediglich flattert oder auch nicht. Dieses freiwillige Generieren von Werten funktioniert also nur bei Gütern, die ohnehin keinen Wert haben. Die Tauschwertlosigkeit von Blogs ist völlig evident: Sie erhalten nicht erst durch einen Piraterieakt den Charakter von Nicht-Waren. Sie werden von Anfang an ohne Kopierschutz an jeden weggegeben, der die passende URI aufruft.
Umso erstaunlicher ist jetzt, dass Leute tatsächlich bereit sind, für ein Gemeingut, ein Gut, das keinen Tauschwert besitzt, einen Wert zu zahlen. Die perverse Moral dieser Gesellschaft scheint sich bei vielen so tief eingebrannt zu haben, dass es ihnen unerträglich ist, wenn Reichtum wertlos und in Fülle bereitsteht. Schließlich kann ein jeder Blogger ja beliebig wenig bloggen und beliebig viele fremde Blogs konsumieren. Das ist ein System ohne natürliche Knappheit, dem jetzt ein künstlicher Ausschluss aufgepfropft werden soll. Man darf sich sicher sein, dass dieser Ausschluss in Zukunft auch durchgesetzt wird. Absichtlich verstümmelte Versionen von Publikationen, deren Hochglanz-Vollversionen in einem „App Store“ zu erwerben sind, sind da erst der Anfang. Auch auf die bereits genannten Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit darf man sich schon einstellen. Publiziert wird nicht, was man mitteilen will, sondern was Geld reinbringt. Blogs transformieren sich zu Propagandaorganen ihrer Geldgeber und gleichen sich darin den traditionellen Massenmedien an.
Erstaunlich ist nun, dass Leute freiwillig hinter die Gesetzmäßigkeiten der Warengesellschaft zurückfallen und – wiederum ganz im Sinne einer Fraktion der Warengesellschaft – in jedem Gebrauchswert einen (nicht vorhandenen) Tauschwert entdecken wollen. Diese auf Blogs einsetzende Kapitalisierung der Gemeingütersphäre ist keine im Sinne der Gemeingüterkultur irgendwie zu begrüßende Entwicklung. Statt kapitalistische Strukturen „für die armen Blogger“ zu restaurieren, sollte man sich lieber Gedanken machen, wie Peer-Produktion auf materielle Güter ausgeweitet werden könnte. Damit wäre (auch) den Bloggern mehr geholfen. Wie wäre es z.B. mit einer OpenTafel, die Nahrungsmittel ohne Kontrolle der Bedürftigkeit an jeden in verzehrbaren Mengen abgibt?
@libertär
Der einzelne Blogpost ist keine verkaufbare Ware, wird aber durch das Lesen für den jeweiligen Leser durch die eigene Kenntnisnahme und vielleicht auch das Weitersagen an Freunde und Bekannte „verbraucht“. Die Knappheit ist dann gegeben, wenn der Leser mehr von diesem Autor lesen will. Der Blog will dann als Quelle für neue Posts erhalten werden und dafür spenden die Leute.
Genau wie der Blogautor seine Meinungsfreiheit hat, haben die Leser auch die Freiheit selbst zu entscheiden, ob sie diese Meinung interessiert bzw. ob sie ihnen etwas wert ist.
Fortsetzung:
Es steht prinzipiell jedem Blogger frei, in seinem Schrebergarten Subsistenzwirtschaft zu betreiben und dabei seine „Peers“ einzubinden. Doch der TK-Pizza-Fan wird dabei wohl schnell an seine Grenzen stoßen. Mal abgesehen davon, dass sich technischen Produkte ohne entsprechendes Know-How überhaupt nicht herstellen lassen. Entsprechende Fachleute werden also nach wie vor organisiert zusammenarbeiten müssen. Und ob man das nun Unternehmen oder Peer-Irgenwas nennt: es bleibt dasselbe.
Du unterschätzt zum einen das Know-How, dass man für Subsistenzwirtschaft braucht und zum anderen ist es definitiv nicht das selbe, ob man Warenproduktion oder Commons Based Peer Production macht. Was den Unterschied (der einer ums Ganze ist) ausmacht, kannst Du hier an vielen Stellen in diesem Blog nachlesen. Schau Dich vielleicht mal ein bisschen um.
So lange es menschliche Gesellschaft gibt, müssen allerdings „Fachleute organisiert zusammenarbeiten“, da hast Du recht. Nur wofür soll das ein Argument sein? Und was hat das noch mit Flattr zu tun?
Ich denke, diese Diskussion hier zeigt, wie schwierig es ist, „Geschenk“ und „Ökonomie“ zusammenzudenke – und wahrscheinlich ist genau das auch schon der Grundfehler. Wir Dorothee Markert im Blog von msprO kommentiert hatte: „Das Schenken folgt einer ganz anderen Logik als das Tauschen und sollte deshalb auch nicht mit diesem vermischt werden, wie es beispielsweise im Begriff „Gabe-Ökonomie“ geschieht. Echtes Geben (das kein versteckter Tausch ist) ist kein Zurückgeben, sondern ein Weitergeben aus Dankbarkeit, weil wir alle schon eine Fülle von Gaben geschenkt bekommen haben. Ich finde, diese Diskussion zeigt, dass wir gar nicht mehr gewohnt sind, das zu denken, sondern dass so etwas wie Flattr doch wieder in eine Ökonomie-Theorie hineingequetscht wird (ob man nun dafür ist oder dagegen). Eine Gabe-Logik kann aber ihre wie auch immer geartete Kraft nur entfalten, wenn man sie nicht parallel oder in Konkurrenz oder als Ergänzung zu einer Tausch-Logik interpretiert. Der Erfolg oder Nicht-Erfolg von Flattr (wie übrigens auch von anderen nicht-Marktförmig orientierten Ideen wie Peer-Production oder Grundeinkommen) hängt imho genau davon ab: Parallelisieren wir es zur Tausch-Ökonomie oder akzeptieren wir die inhärente, eigenständige Gabe-Logik?
das „problem“ an flattr ist also, dass nicht das blog an sich bewertet wird, sondern der einzelne beitrag. im gegensatz zu print, wo die macher nicht wirklich wissen welcher beitrag tatsächlich gelesen/angenommen/abgelehnt wird (selbst ein click auf einen onlinebeitrag heißt ja nicht, das ich den auch wirklich lese) und kommentieren was man gut findet ist ja auch eher die ausnahme — ich finde nur, bloggen sollte das bleiben, für das ich es immer gehalten habe: jemand tut des aus innerem drang, als selbstzweck (aus narzismus?), dann brauchts auch keine monetäre wertschätzung…. (klingt ideaalistisch, ich weiß)
@Benni, wenn auch ursprünglich an libertär gerichtet
Das ist ein Argument dafür, dass a) nicht jeder sich beteiligen kann bzw. die Fachleute nur ihresgleichen als „Peers“ dulden und es b) mit der Kompetenzbündelung auch (hoffentlich nachvollziehbar?) zu einer Machtbündelung kommt.
Und dann erzähl mir doch mal, warum die Fachleute (Meister, Akademiker) es zulassen sollen, dass a) ihre Bildungsinvestition verstaatlicht/enteignet wird, zumal sie zu „kapitalistischen Bedingungen“ bei vollem persönlichem Risiko geleistet wurde und sie b) ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Status aufgeben sollen, denn sie sind schließlich nur durch Ihresgleichen zu ersetzen.
Würde ziemlich dumm laufen für das Land, würden diese „Leistungsträger“ anläßlich geänderter Spielregeln auswandern (denn die sind überall auf der Welt herzlich willkommen) und die verbleibenden 90% der Bevölkerung merken, dass ihre Peer-Wirtschaft jeglicher Grundlage entbehrt.
Wenig.
@Antje Schrupp
Ich hätte es nicht schöner ausdrücken können.
@Christoph: Das Land ist mir egal wie nur was.
Hier noch btw ein anderer ganz interessanter flattr-skeptischer Artikel. Inkl. einer Antwort von Peter Sunde in den Kommentaren, der aber auf das Kernproblem nicht eingeht: http://www.fixmbr.de/facebook-und-flattr-blocken/
@Benni
OK, hab mir den Artikel auf fixmbr durchgelesen.
Dass überall derjenige mitverdienen will, der als Vermittler/Händler/Berater/Messe/Börse/… auftritt, ist für mich nicht verwerflich. Und einem Blogger oder Podcaster, dessen Angebot verflacht, die Aufmerksamkeit zu entziehen, geht leichter als das Kündigen eines Zeitschriftenabos (letzteres am besten automatisch mit dem Wechsel des Chefradakteurs).
Ich werde Flattr erst einmal für einige Zeit als „Gebender“ nutzen und mal schauen, wie es mir und anderen damit ergeht.
Grüße
Christoph
@Christoph: Es geht nicht darum, dass sie sich finanzieren lassen, sondern in welcher Art und Weise. Würdest Du ein Konto bei einer Bank eröffnen, die jeden Monat 10% Deines Einkommens einbehält?
Flattr = Ping-Pong + Pyramidenspiel – Transaktionssteuer ??
@Benni
Bei einer Bank würde ich die 10% nicht mitmachen, das ist klar. Angesichts der geringen Summen bei Flattr tun mir die 10% erst einmal nicht weh; sie verführen mich aber auch nicht gerade dazu, auf die höheren €-Stufen zu gehen. Die Jungs von Flattr könnten bestimmt viele Accounts aus der 2€-Ecke herausholen, wenn Sie ihren eigenen Anteil herunterschrauben oder einen Fixbetrag nehmen.