Welche Uni?

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Die Besetzung von Hörsälen und Audimaxen, die in Österreich begann, weitet sich auf Unis in Deutschland, Schweiz und anderswo aus. doch welcher Perspektive hat der Protest? Wie geht’s weiter? Mit der Bewegung für eine Solidarische Ökonomie verbinden — ist eine Antwort. Das ist das Thema eines Workshops am Sonntag, der per Live-Stream online verfolgt werden kann. Nachfolgend ein Repost vom Social Innovation Network:

Zugang zum und Unabhängigkeit vom herrschenden System

Thesen für den Workshop “Vom Uniprotest zur Solidarischen Ökonomie der Bildung”
Universität  Wien, Audimax, 15.11.2009, 14 Uhr.

Universität ist ein sozialer Ort des Wissens.
Soziale Orte der Erzeugung von Wissen sind notwendig.

Universität ist eine Institution, die die Produktion und Anerkennung von Wissen reglementiert.
Universität ist ein Gemenge verschiedener Produktionsweisen.
Universität ist ein vom Rest der Gesellschaft differenzierter Bereich.

Die herrschende Universität ist gekennzeichnet durch ein Vorherrschen der neoliberalen Produktionsweise, aber auch patriarchalischen, feudalistischen und staatssozialistischen.

Repräsentative Demokratie, Basisdemokratie, sowie kommunitäre und individualanarchistische Produktion wird zurückgedrängt.

Verschulung besteht in der Verstärkung der ersteren.
Die Verschulung wirkt selbst für die ersteren zunehmend dysfunktional.

Es gibt eine Grenze der Entbettung, eine Grenze der Differenzierung, so wie es für den Kapitalismus auch Grenzen des Wachstums gibt.

Die Produktion von Wissen erfolgt individualisiert und in vorgegebenen sozialen Räumen.
Die Beteiligten können nicht über die sozialen Räume entscheiden im Rahmen derer sie Wissen produzieren möchten. Ausnahme sind Nischen.

Die Anerkennung betrifft das in der Universität selbst produzierte Wissen.
Eine Anerkennung von außerhalb der Universität produziertem Wissen ist nicht möglich. Ausnahme sind Nischen.

Eine freie Universität beruht auf einer Solidarischen Ökonomie.

Solidarische Ökonomie bedeutet:

1. Ein Recht auf Zugang und Unabhängigkeit vom herrschenden System.
2. Den Ausbau solidarischer Produktionsweisen von Bildung.

Ad 1)

Die Verkehrung des Verhältnisses von Gesellschaft und Universität.
Die Entwicklung einer angemessenen Struktur für Teilzeitstudien und Teilzeitlehre.
Das teilweise Zusammenfallen der Subjektpositionen Studierende, Forschende und Lehrende.
Die vollständige Transparenz der Lehrinhalte durch öffentliche Skripten.
Das Recht auf Ablegen von Prüfungen für alle Menschen der Gesellschaft.
Die Anerkennung von außerhalb der Universität geschaffenen Wissens, sowie von Wissen welches an den Universitäten selbstbestimmt geschaffen wurde.

Ad 2)

Das Verfügen über Ressourcen zur selbstbestimmten Gestaltung von sozialen Räumen des Wissens.
Das Ausdehnen basisdemokratischer, kommunitärer, individualanarchistischer und repräsentativ demokratischer Produktionsweisen.
Die Zusammenlegung von Volkshochschulen und Universitäten.
Die Existenz von Wissenscommons.

Die aktuelle Entwicklung

Der Neoliberalismus wird für sich selbst dysfunktional.
Solidarische Ökonomie wird für den Neoliberalismus funktional.
Die postfordistische Ökonomie führt zu einer Gesellschaftsstruktur, die in Widerspruch zur Struktur der heutigen Universität steht.
Eine Politik der Verteidigung von Festungen gerät in Widerspruch sowohl zur neoliberalen Produktionsweise, als auch auch zur selbstbestimmten Tätigkeit freier ProduzentInnen.
Die öffenltichen Institutionen erweisen sich als unfähig eine neoliberale Universität 2.0 zu entwickeln.

Unmittelbare Ansatzpunkte sind:

Die Erzeugung von undifferenzierten Räumen der Wissenssproduktion in denen die Trennungen zwischen Lehrenden, Studierenden, Forschenden und Menschen außerhalb der Universität aufgehoben werden. (Deschooling, Entdifferenzierung)

Auf der Mikroebene die Verbindung von konkreten Entscheidungen über den Besuch von Lehrveranstaltungen, die Führung von Diskussionen, die Teilnahme an Partys, uam. mit politischem Diskussionen, die diese Entscheidungen reflektieren.

Der Erfolg der aktuellen Proteste erklärt sich daraus, dass die Bewegung die genannten Punkte zum Teil schon realisiert.

Sie schließt Kämpfe für den Zugang zum herrschenden System mit Kämpfen für Unabhängigkeit vom herrschenden System kurz.
Die Bewegung beruht auf einer Gleichzeitigkeit von Protest und Studium.
Dies passiert durch Entdifferenzierung in den besetzten Hörsälen.
Im sozialen Raum der Proteste wird die Unterscheidungen zwischen Studierenden und Lehrenden, Universität und Gesellschaft teilweise aufgehoben.
Die Hörsäle sind ein quantitativ und symbolisch ein bedeutender Teil der Raum und Zeitstruktur der Universitäten, sowie der gesamten Gesellschaft.
Es kommt nicht zu einer Verdoppelung der Gesellschaft durch Schaffung zusätzlicher Räume, sondern zur vollständigen Aneignung eines Teils des bestehenden Alltags.

Die Bewegung setzt auf selbstbestimmte Produktionsweisen von politischem Wissen.
Sie schafft politische Commons, zu welchem freier Zugang besteht.
Die neoliberalen Medien bedienen sich dieses Commons.
Die Studierenden sind für diese eine wichtige Zielgruppe.

Die aktuelle Strategie der Gegner überlappt sich mit der Strategie der Bewegung.
Einige parteipolitische Akteure setzen auf eine krisenhafte Zuspitzung zur Stimmungsmache für weiterer neoliberale Reformen.
In der neoliberalen Organisationsentwicklung ist in „Change Prozessen“ eine Phase des Protests und der Entdifferenzierung üblich.

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