Werner Imhof: Zur Kritik der Peer-Ökonomie
[Werner Imhof hat an dem Hiddinghausen-Seminar zur Peer-Ökonomie teilgenommen und nun eine Kritik der Peer-Ökonomie verfasst, die nachfolgend dokumentiert ist.]
Christian Siefkes entwirft in seinem Buch „Beitragen statt tauschen“ das Modell einer sog. Peer-Ökonomie, indem er die Prinzipien der Freie-Software-Community – freie Kooperation im Rahmen autonomer Projekte zur Produktion frei nutzbarer Programme – mit gewissen Modifikationen auf die Produktion materieller Güter (und Dienstleistungen) überträgt. Das Ergebnis ist sicher eine Art gedanklicher Negation der kapitalistischen Warenproduktion, und es hebt sich positiv ab von traditionellen Sozialismus-Konzepten, indem es die Überwindung der Warenproduktion als praktisches Problem der Individuen behandelt, statt sie den (lösungsunfähigen) Ersatzsubjekten Partei und Staat zuzuweisen. Nichtsdestotrotz krankt das Modell an grundsätzlicher Praxisuntauglichkeit, weil es nahezu alle Voraussetzungen und Anforderungen mißachtet, die die Menschen bei gemeinschaftlicher Produktion auf der Basis der vom Kapital entwickelten Produktivkräfte, nicht zuletzt der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, zu bewältigen hätten.
Eine nicht-utopische, also prinzipiell (aber nicht voraussetzungslos) machbare Alternative zur kapitalistischen Produktion, ihre mögliche praktische Negation, läßt sich eben allein aus der kapitalistischen Wirklichkeit selbst erschließen, deren Umwälzung ihr ja wohl vorauszugehen hätte. Und zwar aus dem Gesamtprozeß der gesellschaftlichen Reproduktion in seinen kapitalistischen Formzwängen, von denen er zu befreien wäre, nicht aus gesellschaftlichen Randerscheinungen, so zukunftsträchtig sie auch scheinen mögen, weil in ihnen Privateigentum und Privataustausch keine (unmittelbare) Geltung mehr haben. Auch die „Peer“-Produktion der freien Software ist aber nur eine Randerscheinung neben anderen Formen unmittelbar vergesellschafteter Produktion, wenn auch eine relativ neue und unbestritten attraktive. So nachvollziehbar daher der Wunsch sein mag, in ihr den Keim oder die Vorwegnahme einer neuen Gesellschaftsform zu sehen, so unverzichtbar bliebe es doch, ihre Tragfähigkeit für die gesellschaftliche Organisation der materiellen Produktion an dieser selbst zu überprüfen.
Nicht so für Christian. Ihm genügt die immanente Plausibilitätsprüfung der Vorstellungen in seinem Kopf, der die Probleme der Produktionswelt auf das Austarieren widerstreitender individueller Neigungen reduziert. Ja, er hält sein Wunschdenken für so realitätsmächtig, daß er die Praktikabilität der Peer-Ökonomie als Organisationsweise der gesellschaftlichen Produktion nicht nur einfach postuliert, sondern sie kurzerhand auch noch zur aktuellen Möglichkeit erklärt. In seinem Buch hatte Christian die Zukunft der Peer-Ökonomie immerhin noch als offene Frage behandelt, wenngleich er ihre grundsätzliche Realisierbarkeit und Unwiderstehlichkeit schon durch die Kraft seiner Argumente und die Attraktivität des praktischen Beispiels für erwiesen sah. In den „Hiddinghausener Gesprächen“ aber hat er nun offenbart, daß er ihre Realisierung tatsächlich als praktisches Projekt aufziehen möchte. Er versteht sein Modell also wahrhaftig als Bauplan für eine hier und heute neu zu konstruierende Produktionssphäre, die sich neben der kapitalistischen Produktion etablieren, mit ihr konkurrieren, sie gar verdrängen (S. 33) und die Peer-Ökonomie so zur „dominierenden Produktionsweise“ (S. 10, 18, 22 u.a.) machen (können) soll. Dabei muß man gar nicht erst die Phantasie strapazieren beim Versuch, sich den prophezeiten Verdrängungsprozeß auszumalen – allein schon der Gedanke an den Aufbau einer parallelen Produktionssphäre neben der bestehenden kapitalistischen ist so aberwitzig, daß er dazu verleiten kann, das Projekt als schlechten utopischen Scherz abzutun. Wenn aber – wie in Hiddinghausen – erwachsene Menschen ernsthaft darüber diskutieren, wie und womit es in Gang zu setzen wäre, ohne selbst bei der Frage nach den erforderlichen Produktionsmitteln stutzig zu werden, dann sind offenbar weitere und konkretere Realitätshinweise angebracht. Ich beschränke mich zunächst darauf darzulegen, warum die Peer-Ökonomie keine Chancen hat, sich neben der kapitalistischen zu etablieren. Die weitergehende Begründung, warum sie auch den Anforderungen an eine mögliche nachkapitalistische Produktionsweise nicht gerecht wird, kann ich zu einem späteren Zeitpunkt nachliefern, falls sich ein hinreichendes Interesse daran abzeichnet. Anders als die gängige Keimform-Diskussion verlangt sie allerdings die Bereitschaft, sich auf „das Alte“ einzulassen, um „das Neue“ als wirkliche Möglichkeit und mögliche Wirklichkeit in ihm und nicht neben ihm zu finden…
Was Christian zwar beiläufig registriert (z.B. S. 33), aber in all seinen Gedankengängen beharrlich ignoriert, ist der gegebene stofflich-technische Zusammenhang der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, die gesellschaftliche Arbeitsteilung oder Kombination spezialisierter Teilarbeiten, die sich unter der Herrschaft des Kapitals entwickelt hat und immer noch weiter entwickelt. Mit ihr wächst die wechselseitige Abhängigkeit aller „unabhängigen“ Privatproduzenten und zugleich der Anteil der Produktionsmittel am gesellschaftlichen Gesamtprodukt. Jede Arbeitskraft in der industriellen Produktion von Konsumtionsmitteln setzt heute weltweit (!) direkt und indirekt zwei Arbeitskräfte in der Produktion von Produktionsmitteln und -diensten voraus. Die Teilung der gesellschaftlichen Arbeit aber und mit ihr die Abhängigkeit von Produktionsmitteln aus fremder Hand verurteilt jeden Versuch einer nennenswerten Entwicklung gemeinschaftlicher Produktion neben der kapitalistischen schon im Ansatz zum Scheitern. Diesem Schicksal würde auch die Peer-Ökonomie nicht entgehen können.
Es ist schon angelegt in der eigenwilligen Idee, eine gesellschaftliche (?) Produktionsweise begründen wollen, die sich praktisch auf die Produktion von Konsumtionsmitteln beschränken soll. In Christians „acht essentials“, den Bereichen lebensnotwendiger Bedürfnisse, die die Peer-Ökonomie befriedigen soll (Audio 5), sind zwar auch Infrastruktureinrichtungen, wie Strom- und Wasserversorgung, vorgesehen, die sich ebenso konsumtiv wie produktiv nutzen lassen. Aber davon abgesehen, gehört die Produktion von Produktionsmitteln nicht zu den „essentiellen“ Aufgaben der Peer-Ökonomie, obwohl Christian natürlich sehr wohl weiß, daß ohne sie auch keine Produktion von Konsumtionsmitteln möglich ist. Mag sein, daß diese „Fehlstelle“ in Christians Modellkonstruktion noch so etwas wie Realitätssinn ausdrücken und dem Vorwurf eines lächerlichen Gigantismus vorbeugen soll. Man stelle sich etwa ein Peer-Projekt zur Errichtung eines Hüttenwerks oder zum Bau eines Containerschiffs vor! Mag auch sein, daß Christian die Attraktivität der Peer-Ökonomie für so unwiderstehlich hält, daß er meint, die Lohnabhängigen der Produktionsmittelindustrien würden eines Tages der kapitalistischen Produktion den Rücken kehren und sich mitsamt ihren Fabriken der Peer-Ökonomie anschließen. Doch es ist gar nicht nötig, über die Motive seiner eigenwilligen Konstruktion und deren fernere Zukunftschancen zu spekulieren, es reicht, ihre Konsequenzen für den „Start“ der Peer-Ökonomie zu durchdenken.
Die erste ist, daß die Peer-Produzenten die allermeisten Produktionsmittel, die sie für ihre „Projekte“ benötigen, würden kaufen müssen. Entlastung durch frei verfügbare Gemeingüter und den Aufbau eines „commons“-Netzwerks (Audio 7) wäre bestenfalls in marginalem Umfang auf der Stufe kleindimensionierter, einfacher Handwerks- und Manufakturarbeit herstellbar. Soll die Peer-Ökonomie aber bemüht und – hinreichendes zahlenmäßiges Wachstum der Projekte einmal vorausgesetzt – imstande sein, eines Tages das ganze Spektrum der „acht essentials“ abzudecken, und zwar mit Gütern und Dienstleistungen, die denen der kapitalistischen Produktion ebenbürtig sind, dann bräuchte sie dazu auch vergleichbare Produktionsverfahren, also technisch gleichwertige Produktionsmittel – von der erforderlichen Produktivität noch gar nicht zu reden. Solche Produktionsmittel aber wären nur in Ausnahmefällen als Gemeingüter verfügbar oder verfügbar zu machen. Augenwischerei ist auch Christians Empfehlung, „für den Anfang“ Projekte „ohne große Vorleistungen oder Eintrittsbarrieren“ zu wählen (Audio 5). Denn die Vertagung technisch aufwendigerer Projekte senkt deren spätere finanzielle „Eintrittsbarrieren“ nicht im geringsten; allenfalls erleichtert der „Zeitgewinn“, die dazu nötigen Mittel anzusparen.
Ums Sparen mit entsprechendem Konsumverzicht würden die Peer-Produzenten allerdings nicht herumkommen. Denn außer den Produktionsmitteln für ihre Projekte würden sie auch die meisten Konsumtionsmittel weiterhin kaufen müssen, weil sie von den vielen tausend Dingen und Diensten des täglichen Lebens „zunächst“ nur einige wenige selbst herstellen könnten. Das aber bedeutet, daß sie „bis auf weiteres“ auf Lohnarbeit als Einkommensquelle angewiesen blieben, sofern sie nicht gerade selbst Kapitalisten wären oder Hartz-IV-Empfänger oder Rentner. Was wiederum zur Folge hätte, daß die meisten von ihnen der Peer-Produktion nur in ihrer begrenzten Freizeit nachgehen könnten (nicht viele Lohnabhängige verdienen halt so gut wie Informatiker, die mit zwei, drei Arbeitstagen pro Woche ihren Lebensunterhalt bestreiten können). Und da eine Vollzeitstelle in der kapitalistischen Wirtschaft eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden erfordert, dürften, fürchte ich, ohne den Idealismus der Peer-Pioniere herabsetzen zu wollen, kaum mehr als 12 bis 15 zusätzliche Wochenstunden als zumutbar gelten.
Die pro Kopf verfügbare Arbeitszeit wäre in der Peer-Ökonomie also nur etwa ein Drittel der „Normalarbeitszeit“ in der kapitalistischen Wirtschaft. Unter sonst gleichen Bedingungen müßte sie daher dreimal so produktiv genutzt werden, um ein vergleichbares Pro-Kopf-Ergebnis an Gütern und Dienstleistungen hervorbringen zu können. Andererseits sollen die Peer-Produzenten (vorerst) nur sich selbst und ihre Familien, also eine vielleicht nur zwei- bis dreifache Personenzahl versorgen, während in der kapitalistischen Wirtschaft z.B. Deutschlands die in der unmittelbaren Produktion von Konsumtionsmitteln Beschäftigten für eine sechs- bis siebenfache Bevölkerung arbeiten müssen. Sie könnten sich daher damit zufrieden geben, das Produktivitätsniveau der etablierten „Konkurrenz“ zu erreichen – wenn es denn erreichbar wäre. Warum es nicht erreichbar ist, möchte ich an einem Beispiel illustrieren.
Angenommen, es finden sich irgendwo 50 Anhänger der Peer-Produktion, die zur Herstellung von Fahrrädern miteinander kooperieren wollen. Da sie keinerlei einschlägige Produktionskenntnisse haben, suchen sie im Internet nach Informationen und Ratschlägen, wie sie die Fahrradproduktion aufziehen könnten. Sie stellen fest, daß es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, von der simplen Montage vorgefertigter Einzelteile bis hin zur komplexen Fabrik mit immerhin 50prozentiger Fertigungstiefe. Auf Christians Empfehlung hin wählen sie das Verfahren mit den niedrigsten Eintrittsbarrieren, mieten eine nicht zu kleine Werkstatt an, bestellen bei verschiedenen Herstellern die Einzelteile für je 50 Tourenräder, Mountainbykes und Rennräder und kaufen noch eine Lackierkabine dazu. Anschließend teilen sie die relativ einfachen Montage- und Lackierarbeiten untereinander auf, und 14 Tage später, nach Eintreffen aller bestellten Vorprodukte, machen sie sich ans Werk. Trotz des Gedränges in den Abendstunden, trotz mancher Ungeschicklichkeiten und trotz einiger defekter oder ungenau gearbeiteter Einzelteile haben sie nach einer Woche 145 Fahrräder fertig, nur fünf sind Ausschuß. Und als die Leute die Produktionskosten pro Fahrrad berechnen, liegt das Ergebnis sogar noch etwas unter den gängigen Ladenpreisen. Mit sich und der Peer-Welt zufrieden, schließen sie das Projekt ab, um sich einem anderen zuzuwenden.
Andernorts sind ebenfalls Anhänger der Peer-Produktion dabei, sich zur Herstellung von Fahrrädern zusammenzuschließen. Als sie den Erfahrungsbericht des vorherigen Projekts im Internet lesen, sind sie jedoch wenig begeistert. „Inclusive Internetrecherchen haben 50 Peer-Produzenten an die vier Wochen für 145 Räder gebraucht, die eine mittlere kapitalistische Fahrradfabrik mit 300 Beschäftigten in weniger als einer Stunde produziert“, stellen sie fest und meinen: „Mit dieser geringen Produktivität werden wir ewig vom Kapitalismus abhängig bleiben und nie eine Gesellschaft aufbauen, die ihre Grundbedürfnisse selbst befriedigen kann. Wir müssen unsere Zeit effektiver nutzen und mehr und mehr selbst herstellen.“ Also entscheiden sie sich – weitsichtig, wie sie sein möchten – für eine Produktion mit größerer Fertigungstiefe, bei der sie alle metallischen Teile selbst formen und zudem variieren können. Allerdings müssen sie sich belehren lassen, daß sie dafür wenigstens 100 verschiedene Arbeitsplätze besetzen müssen. Während sie noch in der lokalen Peer-Szene um neue Mitarbeiter werben, informieren sie sich im Internet schon mal im Detail über die nötigen Produktionsmittel und deren Kosten. Am Ende kommt eine Summe heraus, die das ganze Projekt ad absurdum führt: 5 Mio. Euro oder 50.000 Euro pro Person wären das Mindeste, was sie aufbringen müßten, um die Produktion aufnehmen zu können. Dazu aber bräuchten sie eine langjährige Ansparphase, denn keine Bank leiht ihnen Geld für ein Unternehmen, dessen „Geschäftsinhalt“ in der Vernichtung von „Wert“ besteht statt in seiner Vermehrung. Die erhoffte Produktivitätssteigerung würde sich somit ins absolute Gegenteil verkehren. Und da die Peer-Produzenten (vorerst) ja nur für sich und ihre Familien produzieren wollen, wäre das Ende vom Lied (vorausgesetzt, die Produktion selbst gelänge), daß sie sich die „unentgeltliche“ Nutzung von vielleicht 300 Fahrrädern mit einem Zigfachen ihres Ladenpreises erkauft hätten, vom jahrelangen Konsumverzicht gar nicht zu reden, während die schöne neue Fabrik zwar ihr Eigen wäre, aber erst mal ungenutzt in der Gegend herumstünde. Ob dieser Aussicht wird das ganze Projekt ersatzlos abgeblasen…
Das Dilemma der Beispielprojekte ist genereller Art. Soll die materielle Peer-Produktion finanzierbar sein, bleiben ihr praktisch alle modernen Produktionsmittel und -verfahren verschlossen, kann sie nie über die Stufe einer kommunistischen Freizeitbeschäftigung in einigen arbeitsintensiven und – im Unterschied zur Freie-Software-Bewegung – qualifikatorisch anspruchslosen Randbereichen und Nischen der kapitalistischen Produktion hinauskommen. Soll sie aber die Produktivität der kapitalistischen Industrie erreichen, steigen allein die finanziellen Hürden – und andere sind ja bisher nur angedeutet worden – in schwindelnde Höhen. Die Fahrradproduktion im zweiten Projekt war noch ein relativ kostengünstiges Beispiel. Tatsächlich liegt die „Kapitalintensität“ pro Arbeitsplatz im gesamtindustriellen Durchschnitt in Deutschland bei knapp 300.000 Euro.
Aus dem beschriebenen Dilemma der Peer-Produktion gibt es keinen Ausweg. Es nützt auch nichts, angesichts der hohen „Eintrittsbarrieren“ die Zahl der Projektteilnehmer zu vermehren, um damit die Pro-Kopf-Kosten zu senken und die Vorlaufzeit zu verkürzen. Ob 100 Personen zehn Jahre oder 1.000 Personen ein Jahr lang sparen müssen, macht keinen Unterschied. In beiden Fällen wäre eine gleich große Finanzkraft gebunden, die für andere Projekte nicht zur Verfügung stünde. Da die Produktionsmittelkosten, wie gesagt, ein generelles Problem darstellen, würde das Verfahren außerdem verallgemeinert werden müssen und im Endeffekt bedeuten, daß jedes einzelne Projekt einen überproportional großen Anteil an der verfügbaren Gesamtarbeitskraft beanspruchte und diese deshalb – selbst wenn sie ständig zunähme – immer nur einen Bruchteil des „essentiellen“ Bedürfnisspektrums befriedigen könnte. Auch bei gemeinschaftlicher Produktion können die Menschen ihre begrenzte Gesamtarbeit nun mal nicht in beliebigen Anteilen auf die verschiedenen Produktionszweige verteilen, sind bestimmte, gesellschaftlich notwendige Proportionen einzuhalten, wenn sie alle ihre Bedürfnisse befriedigen wollen.
Nebenbei würden die Kosten der Produktionsmittel auch das Konzept der „Verteilungspools“ durchkreuzen, die die lokale und personelle Beschränktheit der Projekte überwinden sollen (Kap. 5.2). Die Verteilung der Produkte soll beruhen auf dem Vergleich des „Produktionsaufwands“, den sie gekostet, mit dem, den die Menschen selbst zum Pool beigetragen haben. Zum Produktionsaufwand aber zählt Christian allein die für ein Projekt geleistete und nach dessen Regeln „gewichtete“ Arbeitszeit (als wären die „Projekte“ autarke Produktionseinheiten). Der Aufwand und Verbrauch an Produktionsmitteln, hier also ihre Kosten, würde auf beiden Seiten des Vergleichs daher außer Betracht bleiben. Produzenten, die selbst nur geringe Ausgaben für Produktionsmittel hatten, könnten sich also ohne weiteres Produkte aneignen, deren Herstellung ein Vielfaches an Produktionsmittelkosten verschlungen hat. Was würde passieren? Wahrscheinlich gäbe es viel böses Blut, auf die „billigen“ Projekte würde ein Run einsetzen, die „teuren“ Projekte würden nicht mehr genug Freiwillige finden oder sich aus dem Pool zurückziehen; und am Ende stünden die Menschen vor der Wahl, entweder die Produktionsmittelkosten in den Produktionsaufwand einzubeziehen, also ihn und damit zwangsläufig auch die „gewichteten Stunden“ in Geld auszudrücken, was auf die Wiedereinführung der kapitalistischen Produktionsweise hinausliefe, oder die Peer-Produktion mangels Entwicklungschancen einzustellen…
Sowenig gemeinschaftliche Produktion möglich ist ohne Rücksicht auf das verfügbare Volumen der lebendigen Arbeit, die gesellschaftliche Gesamtarbeit, sowenig sie auf die „Vergegenständlichung“ vergangener Arbeit in Form von Produktionsmitteln verzichten kann, sowenig auch auf die „Anhäufung“ vergangener Arbeit in der menschlichen Arbeitskraft selbst, als gesammelte Erfahrung im Umgang mit Arbeitsgegenständen und -mitteln. Doch für Christian scheinen Qualifikation und Spezialisierung der Arbeitskraft bedeutungslos, jedenfalls vernachlässigbar zu sein. Was ihm für die Freie-Software-Bewegung nicht im Traum einfiele, nämlich zu behaupten, daß jedermann ohne spezielle Vorkenntnisse Quellcodes lesen und bearbeiten könne, postuliert er für die materielle Produktion. Er unterstellt der Peer-Ökonomie fabelhafte Alleskönner, denen die Lektüre von Bauanleitungen und Blaupausen bereits das nötige Know-how vermittelt, alle möglichen Produktionsanlagen und -abläufe zu planen und zu beherrschen („Universal Production Upset“, Audio 5), und die ohne einschlägige Produktionspraxis im voraus jeden individuellen Arbeitsaufwand ebenso inhaltlich beurteilen wie zeitlich bemessen können („Aufwandsversteigerung“, Kap. 4.3.3, in gesteigerter Form in den „Verteilungspools“, Kap. 5.2). Sollte die Peer-Produktion je das Stadium der praktischen Erprobung erreichen, wäre jedoch eins sicher: Die meisten Produktionsmittel würden es nicht heil überstehen, und sämtliche Aufwandskalkulationen und -absprachen wären in kürzester Zeit Makulatur. Aber dazu, denke ich, wird es gar nicht erst kommen…
Mit den alten Produktionsmitteln weiterzumachen ist eh eine schlechte Idee. Schließlich machen die uns und den Planeten kaputt. Aber klar sind die die große Hürde die es zu nehmen gilt. Auch klar ist, dass sie sich massiv umgestalten und dezentralisieren müssen. Dabei können wir durchaus auch auf existierende Tendenzen aufbauen (Prosumer, Microserien statt Massenproduktion, Open Design, 3d-Drucker, Immaterialisierung …). Wie genau das passieren soll, ist unbekannt. Dass es schwierig ist, ist bekannt. Dennoch ist es nötig. Was genau ist also der Erkenntnisgewinn dieses Textes?
Zum Beispiel die Fahrradproduktion: Schritt 1: Das Open Source-Fahrrad wird von vernetzten Bastlern gemeinsam entwickelt und kann dann deutlich billiger kapitalistisch auftragsgefertigt werden oder selber zusammengesteckt. Schritt 2: Dezentrale Werkstätten entstehen in denen (nicht nur das Fahrrad sondern 1000 andere Sachen) sehr flexibel produziert werden können.
Schritt 1 läuft in vielen Bereichen schon. An Schritt 2 forscht zB das MIT.
Immer wieder erstaunlich, dass Menschen, die vermeintlich den Kapitalismus kritisieren, so wütend werden, wenn jemand eine Alternative dazu vorschlägt. Und Wut ist tatsächlich das Grundmoment dieses Textes. Sie verbirgt sich hinter all seinen (Pseudo-)Argumenten, z.B.:
„Ihm genügt die immanente Plausibilitätsprüfung der Vorstellungen in seinem Kopf“ – wofür? Dafür, mal anzufangen. Und was soll man sonst machen, wenn es um etwas Neues geht, als Vorstellungen im Kopf zu prüfen? Ganz abgesehen davon, dass Christian sie auch in der Realität prüft, soweit sie eben schon vorhanden sind.
„Ja, er hält sein Wunschdenken für so realitätsmächtig, daß er die Praktikabilität der Peer-Ökonomie als Organisationsweise der gesellschaftlichen Produktion nicht nur einfach postuliert, sondern sie kurzerhand auch noch zur aktuellen Möglichkeit erklärt.“ Das ist nicht nur Geschwurbel, es ist auch völlig veränderungsfeindlich. Offenbar darf man nicht auf Basis von Überlegungen etwas Neues vorschlagen. Und am allerwenigsten darf man Argumente dafür anbringen, dass dieses Neue auch funktioniert: „wenngleich er ihre grundsätzliche Realisierbarkeit und Unwiderstehlichkeit schon durch die Kraft seiner Argumente und die Attraktivität des praktischen Beispiels für erwiesen sah.“
Es stimmt natürlich: Wenn Argumente der Realisierbarkeit und Wünschbarkeit nicht mehr zählen, dann hat das Vorhandene gewonnen. Wenn dann noch nicht mal die Attraktivität der praktischen Beispiele dafür motivieren darf, weiterzumachen – hurra! Nun kann das Vorhandene noch so schlecht sein, die Alternative noch so attraktiv und gute Argumente für ihre Realisierbarkeit zur Verfügung stehen – sie darf trotzdem nicht in Angriff genommen werden.
Es geht weiter und weiter: „Solche Produktionsmittel aber wären nur in Ausnahmefällen als Gemeingüter verfügbar oder verfügbar zu machen.“ Und warum nicht? Je mehr „commons“ es gibt, desto raffinierter werden sie auch werden. Es müsste natürlich Unter- und Unterunterprojekte geben, die den jetzigen Zulieferfirmen entsprechen. Warum das nicht gehen soll? Imhof bleibt die Antwort schuldig. Und selbst wenn bestimmte Großtechnologien (wie Atomkraftwerke oder Autolackieranlagen) nicht machbar werden – aus jetzt noch unbekannten systemischen Gründen, Imhof liefert jedenfalls kein Argument dafür -, wäre das nicht vertretbar, verglichen mit der Alternative des kap. „Weiter so“?
Das Beispiel mit der Fahrradfabrik ist schlichtweg Blödsinn, da wiederum vergessen wird, dass man natürlich nicht „beim Kapitalisten einkauft“, sondern eben selber macht. Am Anfang vielleicht noch einfachere Fahrräder – aber gibt’s nicht Millionen von Leuten auf der Welt, die sich kein Fahrrad leisten können? Und wenn Peer-Produktion von Millionen von Fahrrädern existiert – warum sollte diese nicht immer bessere und komplexere Fahrräder bauen können? Anfangen muss man immer klein. Aber nach Imhofs Meinung soll man ja gar nicht anfangen.
Wo kommen solche Vorstellungen her? Hier zeigt sich ein tiefgreifendes psychologisches Dilemma, das mir bereits in Hiddinghausen bei einigen Teilnehmern auffiel: Sie meckern gerne über den Kapitalismus, aber behaupten gleichzeitig steif und fest, man könne ihn nicht ändern (s. oben, „Realisierbarkeit“) und dürfe dies auch gar nicht („Unwiderstehlichkeit“, womit polemisch die Wünschbarkeit bezeichnet wird). Argumente – die Christian für beides reichlich bringt – zählen da gar nicht.
Hier schreibt einer aus dem Gefühl – er WILL nicht, dass es anders geht. Da sind dann vermeintliche Argumente rasch zur Hand, die auf wenig mehr als auf ein „könnt Ihr euch vorstellen, dass …? – Wohl kaum!“ hinauslaufen (man vgl. das Containerschiff-Bsp.), also auf die Verwendung des Status quo als Argument. Das bestätigt sich selbst in der Wortwahl, wenn diese Pseudoargumente herablassend als „Realitätshinweise“ [sic!] angebracht werden.
Aber „Realitätshinweise“ werden nicht mehr genügen, um das Vorhandene zu stabilisieren. Das zeigt auch die Tatsache, dass viele (und gerade Jüngere) durchaus nicht solche Grundsatznegativität haben, sondern sich den Argumenten gegenüber aufgeschlossen zeigen. Auch das hat sich meiner Beobachtung nach in Hiddinghausen gezeigt.
Welche Ableugnungsprozesse sind hier am Werk? Schämt man sich, dass man selbst immer gemeckert, aber nie weitergedacht hat? Und deshalb nun unseren Kindern eine verkorkste Welt hinterlassen muss? Ist es das Gefühl, sein eigenes Leben herabgesetzt zu sehen, wenn jemand einfach eine Alternative zu dem aufzeigt, was man für unveränderlich hielt? Da gibt es noch viel zu erforschen. Jedenfalls greift der Kapitalismus sehr tief in die Psyche selbst derjenigen ein, die glauben, ihm kritisch gegenüberzustehen – das hat dieser Text exemplarisch gezeigt.
Sonst zeigt er leider sehr wenig, denn der Autor hat sich mit Christians Argumenten offenbar gar nicht im Detail beschäftigt. Sonst müsste er nämlich auf sie eingehen – anstatt sich immer nur über die scheinbare Absurdität des Unterfangens zu wundern. Dennoch, was der Text zeigt (die Stärke des Kapitalfetisch und seiner psychologischen Auswirkungen), ist wichtig: Mit solchen Gefühlen haben wir – als Menschen, die etwas ändern wollen – zu rechnen und müssen wir umgehen. Sie werden sogar ein Haupthindernis werden. Es ist daher wichtig, sie zu verstehen.
Hi Martin,
du schreibst: „Am Anfang vielleicht noch einfachere Fahrräder.“ Schwebt dir da die laufmaschine von papa Drais vor? (http://de.wikipedia.org/wiki/Draisine_(Laufmaschine))
tschuee
lupus
@Martin: Deinen Beitrag finde ich ziemlich unangemessen. Was soll das so zu psychologisieren? Das kann man immer auch umdrehen. Vielleicht sind wir ja die kranken Spinner, weil wir nicht ohne Hoffnung leben können? Dieses Sicht erscheint mir meist sehr viel plausibler.
Insofern muß ich auch mich selbst korrigieren. Der Text hat sehr wohl Erkenntnisgewinn für mich. Das Problem mit den Produktionsmitteln löst sich nämlich tatsächlich nicht von selbst und bei Christian wirkt es manchmal so. Man müsste schon konkret zeigen welche aktuellen Tendenzen eine dezentrale Produktion ermöglichen, denn nur mit dezentralisierten Produktionsmethoden ist Peer-Economy denkbar. Ich denke, hier im Blog gibt es ständig dazu Sachen, die darauf hindeuten, aber das mal zu sammeln und den Zusammenhang zur Peer-Economy aufzuzeigen ist eine Aufgabe, die hier so noch niemand gemacht hat oder zumindestens sehr lange nicht mehr und man muß das ja ständig machen eben gerade weil sich da ja immens viel tut.
Bestimmte Moment der Kritik von Werner in Bezug auf die Realisierung und den Realitätsgehalt sind vielleicht plausibel und berechtigt, diese Kritik könnte in ihrer Funktion sinnvollerweise in eine Verbesserung und Weiterentwicklung des Peerökonomie Konzeptes führen, leider wird in dem Text dieser Weg nicht beschritten (ok die Argumentaion ist in ihrer Binnenlogik schlüssig, Peerökonmie ist so realitätsfremd, dass eine weitere Diskussion obsolet ist).
Die Kernthese über den fehlenden Besitz und die fehlende Verfügung über die Produktionsmittel als Beleg gegen die Durchsetzbarkeit alternativer Konzepte ist einerseits in einem gewissen analytischen und Zielvorstellungszusammenhang richtig, andererseits in der dargestellten Art und Weise aber auch statisch und in der Auswirkung auf das Handeln lähmend.
Mal abgesehen davon, dass der Besitz von Produktionsmitteln für einen Großteil der Bevölkerung ’nur‘ vermittelt über die abhängigen Beschäftigten in der Produktion dominant ist, finde ich die Diskussion und mögliche praktische Umsetzung alternativer Konzepte interessanter und spannender, als das Verharren in den klassischen linken Revolutionshoffnungen und ‚Kapitalismusüberwindungsutopien‘.
@Benni: Ich psychologisiere ja nicht, sondern leite meine Schlüsse aus dem Text her. Wenn das nicht einleuchtet, dann bitte zeigen, wo ich Fehler mache. – Und diese Selbstkasteiung, die du aussprichst und in die du mich einbeziehst, leuchtet mir schon gar nicht ein. Wenn ich meine Ansichten auf Argumente beziehe, wieso sollte ich mich dann als „kranken Spinner“ oder meine Überlegungen als vage „Hoffnungen“ betrachten?
@Michael: Dass die „fehlende Verfügung über die Produktionsmittel“ ein wichtiges und diskutierenswertes Problem des Übergangs zu einer Peer-Ökonomie ist, ist klar. Imhof macht hier allerdings den Fehler, die Beschreibung einer auf Peer-Ökonomie basierenden Gesellschaft, die Christian in „Beitragen statt tauschen“ vornimmt, mit der Beschreibung dessen, was jetzt sofort möglich ist, durcheinanderzubringen. Christian hat beides aber explizit getrennt:
(1) In einer auf Peer-Produktion basierenden Gesellschaft werden auch die Produktionsmittel mit PP hergestellt. Genauso, wie man ein kompliziertes Konsumprodukt in Peer-Produktion produzieren kann, geht es auch mit einem komplizierten Produktionsmittel. Schließlich sind viele wichtige Programmiersprachen (Python, Perl usw.) als Freie Software und Open source entwickelt worden, also in Peer-Produktion. Ähnliches gilt für Designprogramme etc. Also klappt es doch in der immateriellen Produktion schon mit den Produktionsmitteln für diesen Bereich. Eine grundsätzliche Schwelle für die materielle Produktion gibt’s auch hier nicht. Warum sollte z.B. ein Auto in Open source entwickelt werden können – wofür’s ja schon Ansätze gibt -, aber ein Fertigungsroboter grundsätzlich nicht? So groß sind die Unterschiede der Komplexität auch wieder nicht.
(2) Der Übergang ist wieder ne andre Frage. Hier schlägt Christian mit seinem UPset und Commons-Netzwerken Lösungen vor, die unter den jetzigen Gegebenheiten funktionieren sollen. Im ersteren würde sich auch der „Quellcode“ (Entwürfe etc.) von Produktionsmitteln nach und nach sammeln. In zweiteren würden zunehmend Güter und Ressourcen eingebracht, wozu allmählich (wenn die Entwürfe aus den UPsets umgesetzt werden) auch mehr und mehr Produktionsmittel gehören würden.
@Wolf: Nö, obwohl ich schon mal auf so nem Ding durch Berlin gondeln würde. 🙂
@alle: Werner schreibt sich beim Nachnamen nur mit einem „f“ (und nicht mit zweien), also Imhof . Ich habe das im Beitrag korrigiert. Sorry für den Fauxpas.
hi, wollte nur sagen, dass ich es nicht geschafft habe, imhofs text ganz durchzulesen. Habe mich redlich bemüht. Es lag daran, dass ich keine Auseinandersetzung mit ARgumenten fand (bis auf das, was Michael in seinem Beitrag benennt und was diskutierenswert ist), sondern nur ein Draufhauen auf den Autor ist – mit saloppen Formulierungen, bei denen ich immer dachte – mit solch vernichtenden Urteilern will ich gar keine andere Welt denken und bauen. Sorry. Ich dachte immer, es geht um Konstruktion, nicht um Destruktion
In meinen Augen ist Christians Modell erst einmal ein Gedankenexperiment, das zeigt, dass eine sich nicht warenförmig komplex arbeitsteilig strukturierende Gesellschaft vorstellbar ist.
Ob es eine Entwicklung genau zu diesem Modell oder etwas anderem gehen wird, ist eine nebensächliche Frage, und deshalb trifft in meinen Augen eine Kritik „Der Übergang ist für mich undenkbar“ diese Modellvorstellung nicht.
Aber als Kritik der Vorgehensweise, Experimente in Richtung „Peer-Economy“ zu gehen, kann ich Werners Text gut akzeptieren.
Ich kann mir genauso wenig wie Werner einen Übergang in der Form „jetzt machen wir das alles mal selbst und ganz anders“ vorstellen.
Die Keimform-Idee sagt doch schon selbst (so wie ich sie verstehe), dass das Neue im Alten dem Alten auch Vorteile bringen wird.
Also ist doch nicht ein „reiner Weg“ zu erwarten, der „ideologisch korrekt“ direkt in eine wertfreie Vergesellschaftung führt.
Es müssen sich interessante Zwischenformen entwickeln, die eine Tendenz zu immer weiter wachsenden Freiheits-Komponente beinhalten.
Ich kann zum Beispiel folgendes Szenarion denken:
Wenn die Produktion von Waren so gegliedert ist, dass Konzerne zwar die grobe Marschrichtung angeben, die physische Arbeit aber zumeist auf Zulieferer ausgegliedert ist könnte diese Plan- und Koordinierungsleistung durch Peer-Netzwerke oder Firmen, die sich Peer-Einfluss öffnen, übernommen werden. Die dort entworfenen Waren sind nach wie vor Waren, aber die eingebaute Knappheit wird geringer, weil OS-Designer mehr auf genormte Modularität wert legen werden. Eine Vorahnung davon gibt die Freifunk-Community, die Linux-basierte Router mit freier Firmware umnutzt. Der Markt für „UserCommunityFriendly“-Waren fängt langsam an zu wachsen.
Momentan kämpfen ja die Marken-Hersteller darum, ihre Produkte möglichst inkompatibel zu machen. Eine „dumme“ Nutzerschaft erlaubt es ihnen. Wenn sich die Nutzer Produkt-Unabhängig vernetzen, könten sie Normierung- und Kompatibilitätforderungen stellen, die gegen die Monopolbestrebungen der Markenfirmen laufen.
Diese „Solidarisierung und Prosumisierung der jetzigen nur-Konsumenten“ scheint mir eine interessante Bewegung, die momentan anscheinend nur in Nischen abläuft.
Beim Universal-Tool „Computer“ können wir sie jedoch schon relativ ausgereift sehen, was die Ausstattung mit Betriebssystemen angeht: hier ist es undenkbar, mehr als einige große „Normen“ — im Prinzip heute nur noch zwei, nämlich Windows und Unix (da Apples OS auch auf Unix basiert) — zu unterstützen.
Eine kleine Firma könnte zum Beispiel anfangen, selbst-reparierbare und hackbare Autos herzustellen, oder Kühlschränke oder …
Und um zum Beispiel der Fahrrad-Herstellung zu kommen: eine der kleinen Fahrrad-Hersteller könnte in Richtung OS-Fahrrad gehen — allerdings fehlt mir da der Überblick, ob es da eine „Hacker-Community“ gibt, und welche interessanten offenen Features so ein Fahrrad haben müsste.
Eine Möglichkeit — OS ein wenig anders verstanden — könnte es in bei der Nahrungsherstellung geben: wenn das Bewusstsein für die Zusammenhänge wachsen würde, könnten Nahrungsmittelerzeuger, die ihre Quellen offenlegen, einen Vorteil zur „Ich bin irgendwie Bio“-Ware haben.
Letztendlich finde ich Keimform.de interessant, wenn wir diese Entwicklungen beobachten und durchdenken, als Anregung für unsere eigene Praxis und Experimente.
Theoretischem Schlagabtausch bin ich skeptisch gegenüber, dies wird meiner Ansicht nach nicht viel ändern.
Und dem paternalistischen „Mach das nicht, das bringt doch eh nichts“ gegenüber auch. Ich finde eine Einstellung „wie kann ich dir beim Fehlermachen möglichst behilflich sein“ interessanter.
Denn wir lernen nur aus Fehlern ….
Bezüglich Produktionsmitteln müsste wahrscheinlich tatsächlich ein Umdenken stattfinden. Wie auch schon hier erwähnt, wird auf der Factor E Farm in Richtung Peer-Ökonomie gearbeitet.
Auf ihrer product line zeigt ein sehr modularer Ansatz, der ausgehend von einem zentralen Antrieb (multimachine) eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten erlaubt.
Natürlich geht es beim Global Village Construction Set primär darum, Dörfer und Siedlungen mit lokalen Rohstoffen erbauen zu können, welche über einen hohen Grad an Autarkie besitzen, aber man sieht zum Beispiel am bereits existierenden LifeTrac, einer Art Universaltraktor, dass vielleicht auch der Stand der heutigen Industriefertigung nicht der Weisheit letzter Schluss sein dürfte: es geht auch mit weniger BlingBling und die Funktion (und damit auch Reparierbarkeit) darf durchaus auch wieder mehr im Vordergrund stehen.
Marcin und sein Team bauen mit einfachsten Produktionsmitteln (Schweissbrenner, Handmaschinen zur Metallbearbeitung) funktionierende Maschinen (LifeTrac, CEB Press), welche wiederum Produktionsmittel für weitere Produktionsprozesse sind.
Aber richtig: irgendwer muss erstens das Halbzeugs herstellen (Metallprofile) und zweitens die Maschinen und Werkzeuge …
Das Argument klingt so, als hätte im Feudalismus jemand Adam Smith kritisiert dass er über Flandern und Oberitalien spricht, aber die Gesamtproduktion des Getreides in Europa vergessen. Es ist doch kinderleicht einzusehen dass etwas Neues nicht im Gesamten des Alten widerzufinden ist.
Es geht nicht um den „Aufbau einer parallelen Produktionssphäre“, sondern
1. um die Etablierung eines Modells von Kooperation das sich punktuell als überlegen und als adaptierbar erweist. „Überlegen“ heisst hier gerade nicht im Sinn von Produktenausstoss, sondern im Sinn von gesellschaftlicher Wirksamkeit.
2. Um die Korrektur von im Grunde genommen als Selbstläufer und Kette von stofflichen Irrationalitäten sich entwickelnd habenden technischen Anti – Mustern, die die moderne Produktenwelt zu einem Panoptikum der Bösartigkeit gemacht haben.
Peer2Peer ist wesentlich gebunden an einen Strukturwandel in der industriellen Produktion selbst. Es geht um die zunehmende doppelte Inkompetenzsetzung von autonomen Produzenten als Mitglieder kollaborativer Netzwerke und als Urheber von tauglichen Modellen einerseits, als Verfüger über automatisierte Produktionsmittel andererseits.
Anders gesagt: die Frage nach den Produktionsmitteln ist eine sekundäre, nachgelagerte, die dann zu beantworten ist wenn der Wille da ist eine vernünftige Technologie ins Werk zu setzen.
An Projekten wie „Open Source Car“ lässt sich gedanklich durchspielen, was es heissen würde, die vorhandenen produktiven Kapazitäten mit diesem gemeinschaftsgeleiteten Designs zu verbinden. Auch heute ist eine Fabrik bereits oft nur mehr der Ort an dem viele Teile eines Fahrzeuges zusammengebaut werden, die in Zulieferbetrieben entstanden sind. (geringe Fertigungstiefe). Ein Netzwerk von dezentralen Assemblierungen in Werkstätten ist keine Utopie mehr.
Am Beispiel der Freien Software lässt sich hingegen studieren, dass existente kapitalistische Betriebe kein Problem haben, sich in die gemeinschaftsgeleitete Entwurfswelt einzuklinken, wenn es ihnen als eine lohnende Anlagesphäre erscheint. Sie werden sich allerdings sehr genau mit den Bedürfnissen von Entwicklern UND Benutzern beschäftigen müssen wenn das funktionieren soll. Insoferne ist es auch keine Utopie sondern liegt in der Logik der Sache dass „die Lohnabhängigen der Produktionsmittelindustrie“ da auch schon mal passiv hineingezogen würden.
Ich gebe dem Beitrag recht dass ohne eine grundlegende Existenzsicherung die materielle Basis für die Teilnahme an der p2p Ökonomie weitgehend nicht zu haben ist (das habe ich immer als den „blinden Fleck von Oekonux“ bezeichnet); aber angesichts der Tatsache dass die Lohnarbeit massiv als Einkommens- und Erwerbsquelle der Menschen ausfällt und dies auch durch keinen noch so radikalen Klassenkampf mehr zu korrigieren ist – muss eben eine Kombination des Umlenkens von Ressourcen sozialstaatlicher und privater Provenienz mit der Selbstorganisation kooperativer lokaler Kreislaufprozesse a la Marcin die Grundlage für eine „produktive Zivilgesellschaft“ legen. Dafür müssen Massenbewegungen mobilisiert werden, zur Erkenntnis des unglaublich überlegenen Wertes der kreativen Potenzen all derjenigen, die für die Commons arbeiten. DIESEN Kampf haben wir vordringlich heute zu organisieren. Und das gibt es vor allem ein Mittel das viel zu selten in Anspruch genommen wird: selber ein Beispiel sein und die Beispiele anderer gesellschaftlich bewusst machen!
Was das Fahrradbeispiel anbelangt: bitte zur Kenntnis nehmen – vielleicht anhand der Lektüre der Konzepte von Open Source Ecology – dass die Ökonomie der Zeit, derzeit noch ausgedrückt in der verqueren Geldform, selbstverständlich immer ein Bestandteil des Designs und der strategischen Entscheidungen ist. Höhere Fertigungstiefen können nicht durch Investitionen einer Community alleine erreicht werden, sondern nur durch kooperative Kreislaufschlüsse verschiedener Communities oder durch die Ausdehnung einer Community!.
Insoferne hinkt das Beispiel von Werner gewaltig:
Das wär ja wirklich verrückt. Aber so wird sich das eben nicht abspielen. Wenn schon Fabrik, dann ist auch klar, dass sie genutzt wird. Das muss man sich eben vorher überlegen und die dementsprechenden Vereinbarungen ex ante treffen. Eine reine Eigenproduktion gibt es nie, und die Verkettung von Eigenproduktionen lassen automatisch größere Strukturen entstehen…
Was ist denn da alles drinnen? Nur die paar Maschinen, das kanns ja wohl nicht sein. Da ist auch Management, Marketing, Vertrieb, Logistik etc. eingerechnet. Eben der ganze Overhead einer zeitgenössischen betriebswirtschaftlichen Wirtschaftsarmee, die für ihre Produktionsschlachten jede Menge faux frais produziert!
Die Grundlage der Argumentation gegen P2P wankt für mich also beträchtlich. dennoch halte ich diesen Anstoß, mal endlich konkret zu werden, für extrem erfrischend im Angesicht der philosophischen Abstraktionen, mit denen die Sache bislang abgehandelt wurde. Insofern Dank an Christian und Werner, dass sie die Grundlage eines produktiven Streits gelegt haben!
@Martin. Lieber Martin! Christian hat einen interessanten Text vorgelegt, der bei der Komplexität des Sujets notwendig unvollständig sein muss. Werner hätte sich sicher nicht zu einem solch umfangreichen Kommentar aufgerafft, wenn er den Ansatz nicht spannend fände. Allerdings zeigt er – in aller gebotenen Kürze – auf eine Stelle, die auch schon in der Debatte auf [ox-de] im Herbst 2007 – http://www.oekonux.de/liste/archive/msg12634.html – eine zentrale Rolle gespielt hat, nämlich dass hier an allen Ecken und Enden die kapitalistische Form hervorlugt. Für euch ein Sakrileg, für Werner (und mich) macht es das Thema aber erst richtig spannend, weil wir ein anderes Verständnis von „Überwinden dieser Gesellschaftsordnung“ haben – eben das von Keimen in dieser Gesellschaft. Deinen Vorwurf gegen Werner nach fehlender substanzieller Argumentation gebe ich allerdings zurück, denn die vielfältigen Detailargumente der damaligen Diskussion liegen nach wie vor brach. Ich hatte im Vorfeld von Hiddinghausen das noch einmal zusammengefasst und einer Reihe von Teilnehmern geschickt. Inwieweit die damaligen Argumente dort eine Rolle gepielt haben, können nur die Teilnehmer beurteilen. In den auswertenden Materialien finde ich dazu nichts. Also, wenn du substanzielle Argumente in Werners Richtung suchst, dann schau doch einfach mal hier: http://www.hg-graebe.de/Texte/Kommentare/peer-economy.pdf
@Thomas Kalka: Da die Praxen die Angewohnheit haben, oft anders zu verlaufen als es die theoretischen Überlegungen im Vorfeld suggerieren, wäre es in der Tat spannend, solche Praxen mal genauer zu studieren, etwa http://www.strike-bike.de oder http://www.melkus-sportwagen.de. Letzteres finde ich im Lichte von OS-CAR besonders interessant (zu studieren), um den Bogen zu alter Ingenieurskunst zu spannen, etwa http://www.buso-partner.de, http://www.solifer.de, http://www.viunet.de usw.
Franz, Du solltest mir zugestehen, daß ich mich nur auf Christians Buch und seine Vorträge in Hiddinghausen beziehe. Wenn es im Vorfeld differenziertere oder auch kontroverse Debatten über eine Peer-Ökonomie gegeben hat, die ich nicht berücksichtige, weil ich sie nicht kenne, mag das ein Mangel meinerseits sein. Aber das ist kein Grund, meine Kritik an Christians Konzept einfach beiseitezuwischen, indem Du behauptest „Es geht nicht um den “Aufbau einer parallelen Produktionssphäre”, sondern (…)“ Doch, doch, genau darum geht es, um die abenteuerliche Vorstellung, unabhängig von und neben der bestehenden kapitalistischen Produktion – samt den in ihr tätigen Lohnabhängigen! – eine neue, eine „zweite“ materielle Zivilisation nach den Prinzipien der Peer-Ökonomie begründen zu können. Diese Vorstellung ist so absurd, so blind für alle gesellschaftlichen Voraussetzungen heutiger materieller Produktion, daß sich mir eine absurde Szene wie diese aufdrängt: Ein Mensch steht am Rande eines Hochausdaches in der Absicht zu springen, weil er sich einbildet, fliegen zu können. Ein anderer warnt ihn mit dem Hinweis, daß sein Gewicht und seine aerodynamischen Eigenschaften ihm das Fliegen schnell verleiden werden. Zetert der Möchtegernflieger: Du bist flugfeindlich. Du willst mir das Wünschen verbieten. Du bist dagegen, daß ich Gravitation und Aerodynamik überwinde…
Zugegeben der Vergleich hinkt. Der Flugversuch der materiellen Peer-Ökonomie wäre nicht annähernd so gefährlich. Viel mehr Gefahr, als sich dabei zu blamieren, besteht nicht. Aber der Realitätsverlust ist durchaus vergleichbar. Zum Beleg ein Beispiel: „Mit den alten Produktionsmitteln weiterzumachen ist eh eine schlechte Idee. Schließlich machen die uns und den Planeten kaputt.“ (Benni) So, so, dann wäre es also eine bessere Idee, sie durch neue Produktionsmittel zu ersetzen? Und der dazu nötige Verbrauch an Naturressourcen, würde der den Planeten nicht erst recht ruinieren?
Ich will mir auch gar nicht erst ausmalen, was passieren würde, wenn die „alten Produktionsmittel“ mal für nur vier Wochen stillgelegt würden. Jedenfalls würde sich zeigen, daß sie noch eine andere Funktion haben, als uns und den Planeten kaputtzumachen. Fragen möchte ich nur, wie überhaupt die neuen Produktionsmittel entstehen sollen, wenn nicht mit Hilfe der alten? Eine Antwort, die keine ist: „die Frage nach den Produktionsmitteln ist eine sekundäre, nachgelagerte, die dann zu beantworten ist wenn der Wille da ist eine vernünftige Technologie ins Werk zu setzen.“ (Franz) Wer aber soll dann die „vernünftige Technologie ins Werk setzen“, wenn nicht die Kapitalisten, die über die „alten“ Produktionsmittel verfügen (bis auf weiteres jedenfalls)?
Martin weiß den Ausweg: „Das Beispiel mit der Fahrradfabrik ist schlichtweg Blödsinn, da wiederum vergessen wird, dass man natürlich nicht “beim Kapitalisten einkauft”, sondern eben selber macht.“ …eben selber macht, aha. Nun, für den Fahrradrahmen braucht man z.B. Stahlrohre, für die Rohre braucht man ein Walzwerk, für das Walzwerk braucht man außer Walzen und ein bißchen Drumherum Vormaterial, für das Vormaterial braucht man ein Hüttenwerk, für die Hütte Erz, Koks und ein „paar Maschinen“ (Franz), dafür u.a. wiederum einige Maschinen- und Stahlbaubetriebe, ein Bergwerk, eine Kokerei, Transportmittel zu Lande und zu Wasser, dafür wieder Häfen, Werften und Automobilwerke, außerdem Straßen, Kräne und und und. Für Martin anscheinend kein Problem: „Es müsste natürlich Unter- und Unterunterprojekte geben, die den jetzigen Zulieferfirmen entsprechen. Warum das nicht gehen soll? Imhoff bleibt die Antwort schuldig.“ Warum das nicht gehen soll? Weil 1. alle Unter- und Unterunterprojekte selbst Produktionsmittel bräuchten, um ihrerseits welche herzustellen, sie die nötigen Produktionsmittel aber nicht von Hand zusammenbasteln, sondern nur „beim Kapitalisten einkaufen“ könnten. Weil 2. Millionen von Unterunterunterprojekten weltweit nötig wären, um den kapitalistischen Weltmarkt ersetzen zu können, denn auf nichts anderes würde das „Eben-Selbermachen“ hinauslaufen müssen. Weil 3. dennoch die Peer-Produzenten ihr Leben lang auf das profitable „Weitermachen mit den alten Produktionsmitteln“, also auf einen florierenden Kapitalismus angewiesen blieben, um Geld a) für die nötigen eigenen Produktionsmittel, b) für die (noch) nicht selbstproduzierten Konsumtionsmittel zu verdienen, und sie deshalb nur einen Bruchteil der vom Kapital kommandierten Arbeitszeit zur Verfügung hätten.
Exkurs @Franz: Dein Konzept für eine „existenzielle Grundsicherung“ durch das „Umlenken von Ressourcen sozialstaatlicher und privater Provenienz“ beißt sich selbst in den Schwanz, weil es den Kollaps des Systems der Lohnarbeit verkündet, dessen Florieren es gleichzeitig voraussetzt. Denn die Zeit, die in der „verqueren Geldform“ ausgedrückt wird, ist allein die in der Produktion für den Austausch verbrauchte – lebendige und bereits „vergegenständlichte“ – Arbeitszeit, also die produktiv angewandte Lohnarbeit. Sie ist – von Resten einfacher Warenproduktion abgesehen – die einzige Quelle aller monetären Ressourcen von Privaten wie des Staates. Ginge sie dauerhaft zurück, gingen auch die umlenkbaren „Ressourcen sozialstaatlicher und privater Provenienz“ zurück, und keine Mobilisierung von „Massenbewegungen“ könnte dagegen etwas ausrichten. Nur ist der Kapitalismus trotz aktueller Rezession oder gar möglicher Depression weit davon entfernt, die wertkritische Mär vom „Ausbrennen der Wertsubstanz“ zu bewahrheiten. Weil sie deshalb 4. nie die Produktivität erreichen könnten, die nötig wäre, um dem Kapitalismus auch nur das Wasser zu reichen, und sie den Zusammenhang zwischen disponibler Zeit, Produktivität und dem Umfang realisierbarer Bedürfnisbefriedigung ebensowenig außer Kraft setzen können wie die Gravitation. Und weil 5. schließlich zum Problem der nötigen Produktionsmittel noch das weit größere Problem der nötigen Menschen hinzukommt, die imstande sind, sie zu beherrschen, und es eine Schnapsidee ist, eine neue gesellschaftliche Produktionsweise durchsetzen zu wollen ohne die Menschen oder an den Menschen vorbei, die die heutige Produktionsweise tragen. Sollten die sich aber eines Tages entschließen, der kapitalistischen Produktion ein Ende zu setzen, dann sicher nicht auf dem Umweg über die Errichtung einer parallelen kommunistischen Freizeitproduktion, sondern auf dem direkten Wege der gemeinsamen Aneignung und Beherrschung der vorhandenen Produktionsmittel, um ihre Beziehungen untereinander vom Ballast des Privatinteresses und des Tauschzwangs zu befreien und die Produktion samt ihrer technischen Basis nach humanen, also auch ökologischen Maßstäben umzugestalten.
Damit es dazu kommen kann, wären allerdings Entwicklungen nötig, von denen wir noch weit entfernt scheinen und die bestimmt durch kein noch so ausgeklügeltes Wunschkonzept zu ersetzen oder zu überspringen sind. Aber das ist hier vermutlich ein zu abgelegenes Thema.
@Werner: Dein Vergleich hinkt garnicht. Denn bekanntlich fliegen Menschen seit 100 Jahren fröhlich in der Luft herum. Natürlich waren nur die wenigsten so dumm dass durch Sprung vom Haus zu versuchen. Das scheinst Du aber Christian zu unterstellen.
Du sitzt einem grundsätzlichen Mißverständnis auf: Du verwechselst Christians Konzept eines Zieles mit dem Weg dahin. Deswegen verstehst Du auch meine Anmerkung mit den zerstörerischen Produktionsmitteln (absichtlich?) nicht. Es ist doch eine absolute Trivialität, dass jede Alternative zum Kapitalismus neue Produktionsmittel mit den alten herstellen wird müssen. Wie denn sonst? Oder willst Du uns einfach nur sagen, dass es eben schlicht keine Alternative zum Kapitalismus geben kann? Wozu dann das ganze marxistische Wortgeklingel?
Natürlich unterstellt er das, @Benni!
Du müsstest also versuchen zu zeigen, dass die Unterstellung unsinnig ist, wenn Du der Meinung bist, dass sie sowohl falsch als auch wenig hilfreich ist.
Und als Frage @benni: Wenn die Sache mit den alten Produktionsmitteln eine solche Trivialität ist, was sollte dann dein Einwand aus der ersten Entgegnung Richtung @werner?
„Mit den alten Produktionsmitteln weiterzumachen ist eh eine schlechte Idee. “
So ist das m. E. eine Nonsensdiskussion und soll es womöglich auch sein!?
@alle: ich habe mit einigen ausführlicheren Überlegungen versucht Werners Beitrag zu unterstützen, indem ich das Gesellschaftlichkeitskonzept in Christians Buch einer Prüfung unterziehe. Weil es den Umfang eines kleinen Diskussionsbeitrag definitiv sprengt, habe ich es nicht hier eingestellt sondern eigenständig veröffentlicht. Wenn jemand eine bessere Idee hat möge er oder sie sich melden. Zu finden ist der Beitrag unter
http://docs.google.com/Doc?id=dgph76s6_1g7bqf4dz
@Hubert: Danke für Deinen Beitrag. Ich hab erstmal nur ne Frage: Du schreibst:
„Und natürlich macht dieser Blick keinerlei Abkehr von solidarischen Unterstützungsleistungen notwendig, @Benni! Aber kann der Glauben wirklich realistisch sein, die Zukunft einer nicht auf dem Wert basierenden Gesellschaft hinge ab vom passiv Teilen können? Hängt die Sache nicht doch mehr am aktiv Teilen wollen (und können) und vor allem daran, Verantwortung zu übernehmen und Arbeitskraft in die Hand zu nehmen, wenn das Geteilte und zu teilende verbraucht ist? Die Moral allein schafft hier doch kein Körnchen Realität, @Benni!“
Worauf beziehst Du Dich denn da? Wann soll ich denn sowas in der Richtung gesagt haben?
gern geschehen, @Benni!
hab‘ mich aber doch ein bisschen schwergetan, weshalb es auch so lange gedauert hat.
Die Bemerkungen auf die Du mich hier ansprichst beziehen sich auf die WAK mails vom 4.9. bezüglich des Kesselbergs, die von deiner Seite darin gipfelten mir moralisch die Produktion (Ökonomie) gegen die Produktion (von Leben: eben die Produktion des K-bergprojektes aus deiner Sicht) um die Ohren zu hauen (rein moralisch, als wenn ich schon grundsätzlich Einwände gegen deren Leben hätte, weil sie etwa zur normalen Ökonomie nichtt so viel beitragen). Es geht hier reineweg um die Interpretation von Verhalten und das Verhalten welches ich bezüglich des Kesselberges am meisten hervorheben würde leisten genau die Unterstützer, die entgegen der Systemlogig noch Mühen und Aufwand nicht scheuen mit ihre Produkten zur Bedürfnisbefriedigung von anderen beizutragen. Aus meiner Sicht ist nicht die geldlose Produktion das wichtigste, sondern die Schaffung verantwortungsvoller, gesellschaftlicher Bezüge.
@benni: Voraussetzung jeder ernsthaften Diskussion ist intellektuelle Redlichkeit. Wo ist die bei Dir, wenn Du jetzt so tust, als ginge es Christian (und dem sich hinter ihm versteckenden BB) allein um die Vorstellung eines Zielkonzepts für eine fernere Zukunft, nicht aber um den praktischen Weg dahin? Wer sich die Hiddinghausen-Audios anhört, kann sich leicht vom Gegenteil überzeugen. Wer selbst dabei war, weiß es sowieso besser. Deine eigenen Beiträge dort bestätigen das ebenso wie die von Stefan Meretz gesammelten Fragen und natürlich die ersten Reaktionen von Martin und Dir auf meine Kritik. Also ein miserabler Versuch, sich aus der Verantwortung für die eigenen Aussagen zu stehlen. Miserabel auch der rhetorische Trick, als absolute Trivialität hinzustellen, was bisher hartnäckig ignoriert wurde. Den Rest beantworte ich mit einer rhetorischen Gegenfrage: Ist das der p2p-übliche Diskussionsstil? Wenn ja, dann bin ich hier fehl am Platz.
@Hubert: Äh, da hab ich doch gerade _gegen_ eine moralische Argumentation angeschrieben. Da liegt wohl ein Mißverständnis vor. Naja, aber man muß vielleicht nicht wirklich die Debatten von vor einem halben Jahr wieder ausgraben, wenn hier eh niemand die Mail lesen kann.
@Werner: Mach mal halblang, erst ne Polemik schreiben und dann sich über Diskussionsstil beklagen find ich ziemlich daneben.
Ich versuche mich trotzdem nochmal inhaltlich:
1. Ich verstecke mich nicht hinter Christian (wenn überhaupt versteckt er sich ja gerade hinter mir 😉 ). Ich bin auch in keinster Weise mit ihm identisch. Im Gegenteil sind wir sehr oft unterschiedlicher Meinung. So wie im übrigen alle hier. Also seid doch bitte alle vorsichtig damit uns in einen Topf zu werfen. Das ist in dieser Diskussion schon viel zu oft vorgekommen. Insbesondere in der Frage des Übergangs haben Christian und ich durchaus unterschiedliche Vorstellungen, was nicht heißen muß, das wir nicht trotzdem Schnittmengen haben und auch darüber reden können, zB in Hiddinghausen. Es geht uns natürlich allen um den „praktischen Weg“, alles andere wäre ja auch eitle Hirnwixerei. Für mich ist Christians Buch wertvoll vor allem nicht als konkrete Handlungsanweisung sondern als Gedankenexperiment, weil es eben die Vorhaltungen von vielen Seiten, dass Peer-Production nur im Immateriellen funktionieren kann widerlegt – natürlich erstmal nur gedanklich. Möglicherweise bist Du einfach nicht die Zielgruppe, weil Du zum einen Peer-Production nie als etwas Neues oder Relevantes angesehen hast und zum anderen vielleicht gar keinen Zweifel an der Möglichkeit allgemeiner menschlicher Emanzipation hast. Diese ganze Diskussion wäre dann vor allem ein großes Mißverständnis.
2. Trotzdem haben wir in Hiddinghausen viel über an Christians Konzept orientierte mögliche Projekte diskutiert. Das ist ja auch notwendig, wenn man von der Ebene des Gedankenexperiments wegkommen will. Da übernehme ich auch gerne Verantwortung für meine Aussagen. Nur weil ich anhand Christians Konzeptes über praktische Wege diskutiere muß doch aber sein Konzept selbst noch kein praktischer Weg sein, oder? Oder pointierter: Nur weil etwas kein praktisches Projekt ist, muss es ja noch lange kein unpraktisches sein. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass Christian selbst oder Martin (oder ich selbst vor einem Jahr) das anders sehen und mehr zur Auffasung „praktisches Konzept“ neigen, aber das mußt Du mit denen klären und nicht mit mir. Wie gesagt: Bitte nicht alle in einen Topf werfen.
3. Das Problem der Produktionsmittel wird hier im übrigen nirgendwo „hartnäckig ignoriert“ sondern im Gegenteil ist das seit über zwei Jahren Thema dieses ganzen Blogs. Wir wissen durchaus, dass das Problem schwierig ist – sonst könnten wir uns ja das ganze Geschreibsel sparen – aber nur weil wir deswegen nicht den Kopf in den Sand stecken sondern nach Ansätzen von Lösungen suchen heisst das ja nicht, dass wir es „ignorieren“. Das Ganze ist also kein rhetorischer Trick sondern Ausfluß langjähriger Forschung. Die widerum scheinst Du komplett zu ignorieren.
4. Ganz generell habe ich den Eindruck, dass sowohl Hartmut als auch Du irgendwie einfach nicht verstehen, dass es hier um Denken in Prozeßen geht und ihr deshalb immer leicht am Thema vorbei argumentiert. Euch gehts wahrscheinlich umgekehrt genauso. Da ist irgendeine gemeinsame Grundlage an Erfahrung einfach nicht vorhanden, was auch immer das sein mag. Einfach eine andere Welt. Deswegen glaube ich auch, dass wir die Diskussion ganz gut erstmal beenden können.
Werner, wenn Du fragst „Wer aber soll dann die “vernünftige Technologie ins Werk setzen”, wenn nicht die Kapitalisten, die über die “alten” Produktionsmittel verfügen (bis auf weiteres jedenfalls)?“ dann weiß ich nicht ob Du das als rhetorische Frage verstehst oder nicht. Würde man sie wirklich beantworten wollen dann wäre Benni Recht zu geben dass schon das praktische Stellen der Frage nach der vernünftigen Produktion einen Prozess auslöst, indem sich vielleicht genügend Druck und Gelegenheit aufbaut, das völlig verrückte lineare Technologiesystem umzubauen. Die sogenannten Produktivkräfte, das ganze herrschende System der Produktion und Konsumtion sind jedenfalls in sich selbst weder nachhaltig noch einer umfassenden von innen herauskommenden Selbstkritik fähig. In verschiedenen Formen werden wir erleben, dass es Menschen auch nicht mehr reicht, auf den Sankt Nimmerleinstag zu warten, wo eine imaginäre politisch bewusste Arbeiterklasse für diesen Saustall – der aus künstlich aufgeblähter Komplexität, nicht notwendiger Vergesellschaftung und einem Schrottplatz von zur baldigen Obsoleszenz bestimmten Produkten besteht – von den „Kommandohöhen der Volkswirtschaft“ aus die praktische Verantwortung übernimmt…
Was das lineare Produktionssystem betrifft ist eine kurze und dennoch systematische Darstellung der akkumulierten Verrücktheiten endlich mal hier gelungen: The Story Of Stuff.
Daran gemessen ist jede Vorstellung, die Kommunisten und/oder die Arbeiter könnten diesen Laden eben mal übernehmen, sowas von idealistisch und weltfremd, das es noch das praktische Gefühl jedes Menschen auf der Strasse merkt. Deswegen sind auch wohlgemeinte Versuche wie dieser hier zum Scheitern verurteilt, wenn sie nicht von einer praktischen Kritik der gesamten Technologiestruktur begleitet werden.
Zum Grundeinkommen hast Du vielleicht auch mal was von der Position von Karl Reitter gehört, der wie Du um die prekäre Basis der Sache bescheid weiß, aber dennoch sehr gute Gründe vorzulegen hat: hier und vor allem hier.
@Benni:
1. Wer ist denn jetzt der Hartmut (ich hoffe nicht ich!)?
2. wieso schaffst Du es ohne Probleme, deine Kritik in Richtung Werner – „seid doch bitte alle vorsichtig, uns in einen Topf zu werfen“ – selbst so total zu ignorieren?
3. was verleitet dich zu der Annahme, dass das Denken nur bei dir/euch ein Prozess ist?
4. Wäre es nicht besser, statt mit diversen Behauptungen hausieren zu gehen, mal ein kleines Stück Argumentation aufzubauen, in der die Argumente des anderen als wiedererkennbare auftauchen, an denen Du dich abarbeitest?
5. Warum stellst Du den email Wechsel (vom September) nicht hier rein oder antwortest mir direkt?
@Hubert:
ad1: Doch mit „Hartmut“ warst Du gemeint. Peinlich, sorry.
ad2: Weil ihr selbst so auftretet? Ich hab das aber denke ich nur da gemacht wo ihr tatsächlich das selbe sagt. Meiner Wahrnehmung nach natürlich nur – wie immer.
ad3: Deswegen schon ich ja das „Euch gehts wahrscheinlich umgekehrt genauso.“ nach. Hast Du das überlesen? Ich wollte Dir nur meine Wahrnehmung schildern. Du kannst damit machen was Du willst. Mir geht es aber nicht um „Denken als Prozeß“ sondern um „Denken in Prozessen“. Großer Unterschied.
ad4: Du siehst keine Argumente wo ich welche sehe. Ich seh keine Argumente wo Du welche siehst. Wir drehen uns im Kreis. Wie gesagt vermute ich, dass das mit unterschiedilchen Erfahrungswelten zu tun hat. Diesen Abgrund (wie die meisten) können wir rein diskursiv wohl nicht überbrücken.
ad5: Weil ich nicht jede tote Diskussion weiterverfolgen kann. Irgendeine Mail muß mal die letzte sein. Dazu kommt noch, dass die K-Berg-Leute explizit darauf hingewiesen hatten, dass ihr Projekt nicht dafür geeignet ist öffentlich diskutiert zu werden. Sonst hätten wir ja auch schon längst drüber gebloggt.
Das absurde an Werners Thesen ist ja, dass sie sich an einem Thema abarbeiten, das schlicht nicht existiert. Niemand (soweit ich weiß) hat ja behauptet, dass das von mir skizzierte gesamtgesellschaftliche Modell in dieser Form auch für kleine Gruppen im Rahmen einer ansonsten kapitalistisch produzierenden Gesellschaft geeignet sei. Ich habe das jedenfalls nicht behauptet. Trotzdem unterstellt mir Werner das, und zwar wiederholt, was ich in Bezug auf die „intellektuelle Redlichkeit“ schon bedenklich finde.
Spannender wäre es natürlich, entweder zu zeigen, dass das Neue grundsätzlich nicht im Alten und aus dem Alten heraus entstehen kann – dass die „Keimform-These“ falsch ist –, oder selbst positive Überlegungen dazu vorzulegen, wie dieser Übergang denn aussehen kann. Ersteres tut Werner nicht, er behauptet es nur einfach; letzteres wurde immerhin in vielen Kommentaren aufgegriffen, was ich eine gute Sache finde.
Während Werner irgendwelche Fantasieszenario „dekonstruiert“, die von niemandem vertreten wurden, beschäftigen sich Huberts
Argumentationen immerhin schon mal mit meinem realen Modell — Danke dafür! Dazu werde ich bei Gelegenheit noch einen eigenen Kommentar schreiben.
@alle: Ich war gerade im Begriff, ein paar versöhnliche Worte an Benni zu formulieren, denn auch ich halte es für sinnvoller, die unergiebige Diskussion zumindest zwischen uns beiden „erstmal“ zu beenden, da kommt Christians Kommentar herein. Und verschlägt mir die Sprache. Da hat er nun das Modell einer Peer-Ökonomie in die Welt gesetzt mit keinem geringeren Anspruch als dem, daß es die kapitalistische Produktionsweise „verdrängen“ und zur „herrschenden Produktionsweise“ und damit den Lauf der Menschheitsgeschichte verändern werde. In Hiddinghausen hat er dann – für jeden, der hören kann, unzweideutig nachvollziehbar – mehrere Stunden lang ausgeführt und diskutiert, wie er sich den Start dieses weltbewegenden Verdrängungsprozesses vorstellt. Da war von den 8 Essentials die Rede, die allesamt durch „spontane Kooperation“ würden befriedigt werden können, vom Universal Production Upset und vom Commons Net. Als Beispiele möglicher Start-Projekte wurden u.a. die Möbelproduktion, die Übernahme eines von Schließung bedrohten Schwimmbades und selbst die häusliche Schmuckherstellung genannt. Einen Mangel an Konkretion gab es wahrlich nicht. Und jetzt soll das alles ein Fantasieszenario gewesen sein? Mir wird übel. Entschuldige, Benni, daß ich Dir Versteckspiel vorgeworfen habe.
@Werner: Der „Start dieses weltbewegenden Verdrängungsprozesses“ war ja, wenn die hier diskutierten Thesen hinkommen, eher schon 1983, als Richard Stallman das GNU-Projekt ins Leben rief. Bzw. noch viel früher, denn wie Yochai Benkler zeigt, hat es Peer-Produktion bzw. soziale Produktion schon lange gegeben.
Eine Frage ist nun, wie eine primär auf commonsbasierter Peer-Produktion basierende Gesellschaft aussehen könnte — damit beschäftige ich mich in meinem Buch.
Eine zweite Frage ist, was man in der heutigen Situation sinnvollerweise tun kann. Da ist Open design (nach Freier Software & Open Content), das ich in Hiddinghausen unter dem Stichwort UPset (mit den 8 Essentials als Orientierungspunkten für die Sammlung Freier Design-Projekte) verhandelt habe, ein wichtiges Thema, wie die momentan in diesem Bereich aus dem Boden schießenden Projekte auch klar zeigen. Und das Commons-Netzwerk ist die Idee, Praktiken aus heutigen Community-Projekten wie Freien Funknetzen (community networks), Interkulturellen Gärten (community gardens) oder Freecycle/Umsonstläden aufzugreifen und ihre Verallgemeinerung zu erleichtern.
Man kann nun jede dieser Fragen für unwichtig erklären oder die jeweils gegebenen Antworten für falsch – gerade in Bezug auf die zweite Frage sind die von mir und anderen gegebenen Antwortvorschläge immer tastend und vorläufig (das scheint mir überhaupt ein generelles Problem zu sein, dass man – auch bei ungemein erfolgreichen Projekten wie der Wikipedia – im Vorhinein kaum sagen kann, ob sie funktionieren werden), insofern sind da konstruktive Vorschläge, die zeigen was man da anderes oder besseres machen könnte, natürlich immer sehr willkommen. Aber zu behaupten, dass ich mein Buch zu einer Art Blueprint für unser heutiges Tun erklärt hätte, geht vollkommen an der Realität vorbei.
@Werner: warum regst Du dich so auf? Es lässt sich doch als Erfolg deiner Argumentation ansehen, dass nun dieser Rückzug angetretenwird. Im übrigen bestätigt er ja so zumindest einen gut Teil deiner Ausführungen, er will nur nicht die Ursache gewesen sein.
@Christian: müsstest Du nicht viel dringender @Martin zur Mäßigung rufen als @Werner Unredlichkeit vorzuwerfen? Nicht @Martins Argumente, aber sein total überdrehter Tonfall zeigt doch glasklar, dass es hier um wesentlich mehr gegangen ist, als Du jetzt glauben machen willst. Auch fast alle übrigen Beiträge (Benni, Silke) spiegeln genau diesen Fakt. Dazu lässt sich ja auch in deinen Argumentationen reingucken bzw. reinhören. Zu lesen ist immer als normale Zeitform der Präsens ohne Hinweise auf Einschränkungen die erst im Futur zu bewältigen sind und auch der Konjunktiv ist dir völlig fremd. Einzige Einschränkung – wenn ich nichts übersehen habe – ist der Hinweis, dass einige der bekanntesten open source Projekte (firefox, thundrebird etc) keine reinen peer-Projekte sind, sondern durch die normalen Marktaktivisten angetriebene. Aber auch das bekommt bei dir den Charakter einer gedanklichen Ergänzung: ‚die Aktivisten müssen daran denken das sie die Nutzerinnen besser einbeziehen…..‘, ansonsten hättest Du die Hemmnisse viel genauer erörtern oder noch weiter zugespitzt: sie überhaupt benennen müssen, anstatt eine zukünftige Gesellschaftlichkeit problemlos in die Gegenwart zu setzen. Die faktische Nichtdiskussion dieser Hemmnisse (Hiddinghausen ff) zeigt genau den unter der Hand angenommenen Realitätsanspruch an.
@Benni: die Entschuldigung ist selbstverständlich angenommen. Aber zeigt dieses Missgeschick nicht zumindest ein wenig (also im Sinn einer Freudschen Fehlleistung) wie Du mit der Diskussion umgehst. Du adressierst noch um 21:28 Uhr eine Nachricht an mich völlig korrekt und um 22:00 hast Du deine Kampfansage an Werner eingesetzt und mich zum unbekannten Waffenbruder Werners befördert…..
@alle: wenn wir uns nun beim Realitätsgehalt offensichtlich schon mal ein gutes Stück weit näher gekommen sind, wäre es doch m. E. möglich, dies für die weitere Diskussion produktiv zu nutzen, anstatt mit hirnrissigen Nickeligkeiten weiter die Zeit totzuschlagen
@Franz. Hallo Franz, du haeltst es fuer noetig, das „völlig verrückte lineare Technologiesystem umzubauen“. Ich koennte mir eine meinung bilden, wenn ich wuesste, was ein „lineares produktionssystem“ waere. Als mathematiker hab ich einen begriff von linearitaet. Ist ein produktionssystem linear, wenn’s in einem linearen raum stattfindet (linearer raum: s. zb. E. Sperner: Einfuehrung in die analytische geometrie und algebra, s. 44 ff. )?
Weiters: „Die sogenannten Produktivkräfte“ scheinen dir kritikwuerdig. Ich will beispielhaft erfragen, was deine kritik herausfordert:
Die sichel ist bekanntlich nicht nur ein politisches symbol, sondern auch arbeitsgeraet von bauern gewesen, die damit das getreide abschnitten. Ich hab am linken zeigefinger eine kleine narbe von solcher kreuzschmerzen machender taetigkeit. Mit meinem baeuerlichen jugendfreund diskutierte ich vor mehr als einem halben jahrhundert, warum man in jenem schwarzwalddorf nicht zumindest die sense fuer den roggen nahm. Wir einigten uns nicht. Die pferdgezogene maehmaschine kaum nur beim hafer zum zuge, nicht beim roggen, ganz anders als in meiner heimat. Doch man wandelte sich: zunaechst zog in den 1960ern ein traktor die maehmaschine ueber den acker, schliesslich fuhr probeweise ein maehdrescher durch ein paar felder, am ende durch alle.
Ab welcher stelle wurde das produktionssystem verrueckt, bzw. wurde seine verrueckheit auf dem acker spuerbar? Und warum? Ab wann waren die mit sichel, sense, pferd, maehmaschine, traktor, maehdrescher jeweils verbundenen produktivkraefte nur sogenannte und kritikwuerdig? Und warum?
Ab welcher stelle erweisen sich diese mittel als teil einer „kuenstlich aufgeblaehten komplexitaet“, wie du schreibst?
Und wo ist die linearitaet verborgen?
Zaehlst du den computer, mit dem du dich an dieser diskussion beteiligst, zu einem teil des „völlig verrückten linearen Technologiesystem“? Ist er eine „sogenannte“, d.h. keine wirkliche produktivkraft?
Mit lieben gruessen
lupus
Ich denke mal, dass es Benni und allen hier natürlich um mehr geht …
Denn die Identifikation mit der Peerproduktion ist natürlich schon da und wenn jetzt jemand kommt und alles zerstört, ob berechtigt oder unberechtigt sei dahingestellt, dann reagiert man eben eher ablehnend, … ;-).
Vielleicht sollten sich alle Teilnehmer dieser Diskussion noch mal bewusst machen, dass dieses Modell ansich eigentlich nur ein Mittel zum Zweck ist und ein Mittel kann man austauschen.
Das mag sich zwar im ersten Moment hart anhören, ist aber nur realistisch -> das soll jetzt keine Kritik an irgendeinem Modell sein, sondern nur ein allgemeiner Diskussionsratschlag sein -> er würde sie wahrscheinlich erleichtern ;-))
Die Contraseite sollte allerdings auch nicht unbedingt Öl ins Feuer gießen und ich verstehe auch nicht, wie man gleich so wütend werden kann. Ich schätze sie nimmt sich und ihr Selbstverständnis von der Sache auch zu wichtig @Werner.
So, und nun erschlagt mich nicht ;-). Ich habe keine Lust zwischen irgendwie geartete Fronten zu geraten, sondern nehmt die Worte mit, um eure Gemüter abzukühlen 😉
mfg
Harm
Lieber Werner, eine Analyse auf dem Hintergrund der Marxschen Arbeitswerttheorie zeigt – und ich denke, ich habe das in der Oekonux-Debatte im Sommer 2007, insoweit das in diesem Diskussionskreis überhaupt machbar ist, ausführlich genug expliziert –, dass Peer-Economy eine spezielle kapitalistische Produktionsweise ist, in der es nur Kleinunternehmer, aber keine Lohnarbeiter gibt. Der Fokus der Betrachtungen liegt auf der reproduktiven Seite, aber da, wo Zahlen ins Spiel kommen, entsteht eine Wertform. Das zeigt insbesondere ein Vergleich der kreislaufökonomischen Ansätze von Christian im Anhang des Buches mit klassischen betriebswirtschaftlichen Input-Output-Rechnungen. Die analytische Dimension bewegt sich also auf der Ebene von Kapital Band 1. Wer weitergehende Fragen stellt, der wird beschimpft.
Für mich ist der Ansatz aber auch deshalb interessant, weil meine Analysen umgekehrt ergeben, dass Kapitalismus – auf der Ebene von Band 1 Kapital – im Grunde Peer-Economy ist. Bei Marx hat man ja die semantische Unschärfe, dass Produzenten einmal die sich auf dem Markt treffenden Individuen, also die Unternehmer sind, die “mit scharfem Kennerblick …”, und zum anderen die Lohnarbeiter. Erstere sind per se in dieselben Mechanismen einer Wertrechnung eingebunden, wie sie Christian mit seinen “gewichteten Stunden” zu modellieren sucht. Insofern ist vieles, was Christian vorschwebt, längst in Teilen erfunden. Die verschiedenen Arten, “gewichtete Stunden” zu rechnen, entsprechen verschiedenen bürgerlichen Vertragsformen (Werkvertrag, Abrechnung nach Aufmaß etc.). Eine solche Analyse lässt sich in diesem Diskussionskreis aber wohl nicht weiter vorantreiben.
@Werner Hallo Werner! Du beendest deinen ruhmreichen artikel mit: „Sollte die Peer-Produktion je das Stadium der praktischen Erprobung erreichen, wäre jedoch eins sicher: Die meisten Produktionsmittel würden es nicht heil überstehen, und sämtliche Aufwandskalkulationen und -absprachen wären in kürzester Zeit Makulatur. Aber dazu, denke ich, wird es gar nicht erst kommen.“
Nanana! Glaubst du wirklich, dass die peer-produzenten in ihrer schusseligkeit soviel kaputt machen koennten, wie taeglich unter der regie und auf befehl von kapitalisten zerstoert wird?
Meinst du, p2p-leute haetten Rheinhausen platt gemacht? Oder das Nokia-werk in Bochum gefilzt? Oder wuerden die peers es schaffen, zwei wochen lang kein gas durch pipe zu druecken, wie es uns einige kapitalisten derzeit vormachen? Oder im laufe der jahre etwa 30.000 km schienenwege abzureissen? Oder mal eben einen ICE an einer weiche auf die falsche strecke zu schicken? Oder die verwendung hoch giftiger pestizide zu vervielfachen? Oder die existenz von hunderte millionen kleinbauern durch ausfuhr hoch subventionierter lebensmittel zu bedrohen? Oder nordseekrabben im kuehllaster nach Marokko zu karren, um sie dort auszupuhlen und wieder zurueck zum deutschen esser zu fahren? Meinst du, bei p2p waere das gebiet der einstigen deutschen demokratischen republik noch mehr deindustrialisiert worden? Gaebe es bei p2p nicht nur ein ruinoeses Detroit, sondern gar keines mehr?
Die zerstoerung materieller gueter und die vernichtung von menschenleben, wie taeglich in kriegen vorgefuehrt: meinst du, solches bekaemen die peers auch hin?
Du wirst mir beipflichten, dass es rund um den globus noch viel mehr solcher beispiele gibt.
Gruss lupus
PS: @alle: ein schoenes neues jahr ( und moege ein jeder und eine jede recht behalten)
Hi alle zusammen,
PeerToPeer-Ökonomie hat mensch wahrscheinlich in den Genen.
Die Einzelkämpfer in der Steinzeit sind wahrscheinlich
über kurz oder lang unter dem Fuß eines Mammuts
oder im Magen eines Säbelzahn-Tigers gelandet.
Nur die Jäger in Gruppen haben überlebt: jeder hat
mit einem Pfeil und einem Speer zum Tod des Mammuts
beigetragen und dann wurde geteilt…also P2P-Ökonomie.
Die Pfahlbau-Dörfer der Bronzezeit sprechen auch sehr
für P2P. Die Stämme im Urwald bauen heute noch
Gemeinschaftshäuser am Boden oder in den Baumkronen.
Meine Generation hat ihre Kinderwelt so gebaut.
Ich bin nach dem Krieg aufgewachsen.
Industrielles Spielzeug gabs da kaum,
wir Kinder mussten unser Leben selbst gestalten.
Unsere Siedlung war nahe an einem Wald
und einem Wildbach mit breitem Bachbett.
Und da haben wir Hütten, Baumhütten und
Planschbecken im Bachbett gebaut :
ohne Geld
durch Beitragen von Material, Werkzeug und Arbeit,
genutzt haben wir das dann gemeinsam.
Was Peer-Ökonomie angeht, habe ich also praktische
Erfahrung.
Wie ich mir das vorstelle, ist auf
http://home.pages.at/goedhe/GOD_Deutsch/Zukunft/2069Buch/2069D_18.html#Kleinprojekte und Großprojekte
(wahrscheinlich müsste mensch auch noch
Kap.2 ‚Die Erde als Ganzes‘ lesen, um klarzukommen)
Es brauchte viel VErziehungsArbeit, um die Menschen
zu WirtschaftsSklaven umzukrempeln.
Die VErziehungsArbeit hat allerdings gewirkt:
die meisten Menschen können sich eine
andere Wirtschaftweise als die derzeitige nicht vorstellen.
Das derzeitige Wirtschaftssystem stellt auch nur schlechte
Rahmenbedingungen für PeerToPeer-Ökonomie bereit:
wenig Freizeit, erschöpfte Menschen ….
Um P2P-Ökonomie in großem Stil zu betreiben,
müssten auch die Rahmenbedingungen geändert werden,
so dass die Menschen genug Freiraum haben,
z.B. ‚bedingungsloses Grundeinkommen‘ (mit Geld)
oder ‚bedingungsloses GrundStück‘ ohne Geld(=System ‚2069‘)
Freundliche Grüße
Heinz
Ein etwas verspäteter Kommentar
Ich finde das Modell der „Peer Ökonomie“ sympathisch aber es ist leider
ökonomisch sehr schwammig formuliert und nicht konzise durchdacht.
Einiges wurde schon in anderen Kritiken erwähnt.
Kurz zusammengefasst meine Einwände.
1. Die nicht marktwirtschaftlichen Nischen, die erwähnt werden (zB. Open
Source) sind aufgrund ihrer Besonderheiten, die Werner Imhof recht gut
beschreibt, durchführbar. Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass die
Rohstoff- und Industrieproduktion auf hoher Stufenleiter so zu organissieren
sind.
2. Bei den meisten Alternativmodellen wird es geradezu vermieden, eine
geplante Wirtschaft (Produktion) ins Auge zu fassen – wahrscheinlich weil
der Begriff „Planwirtschaft“ vom „Realen Sozialismus“ schon besetzt wurde
und von Unkundigen mit Stalinismus gleichgesetzt wird.
Eine verlässliche Versorgung der Leute mit benöigten Gebrauchgütern wird
wahrscheinlich nicht mit einer losen Koppelung von „Projekten“
funktionieren, in der die Bildung und Beteiligung (wie in Christians Modell)
sich auch recht spontan entwickelt.
Das Beispiel mit der Projektgruppe Rad macht den kurzsichtigen Ansatz klar.
Irgendwie liegt das Bild vor, dass es ein Radeinzelteilelager gibt und es
nur mehr darum ginge, das Rad zusammenzubauen. Dass es voher der Produktion
von Aluminium (vorausgesetzt sind auch die Anlagen der Aluminium Fabrik),
der Verarbeitung zu einem Rahmen, der Produktion von Kautschuk etc. etc.
bedarf, dass aus einem Rad ein Rad wird, wird einfältig ausgeblendet. Oder
besteht etwa die Vorstellung Räder in kleinen Schmieden handwerklich
herzustellen? Übetragen auf medizinische Geräte ist es noch drastischer –
das weist den Weg zurück ins Mittelalter, auch was die Gesundheit betrifft.
3. Die Koppelung zwischen Arbeit und Verteilung in dem Modell von Christian
hat was für sich, beruht jedoch auf zu schwammigen Ansätzen. Ich habe in
meinem Buch „Die bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft“ (zu lesen im
Blog Stattkapitalismus.de) diesen Zusammenhang genauer ausgearbeitet.
Im Gegensatz zu Werner Imhof vetrete ich die Ansicht, dass es in einer
Gesellschaft, in der es bei der Produktion von Gebrauchsgütern noch auf den
Einsatz von menschlicher Abeitskraft ankommt, ein Zusammenhang zwischen
Arbeit und Verteilung geben wird.
Dass es bei der „Bewertung“ von Arbeiten gesellschaftliche Diskussionen geben und Einigungen auch ausgestritten werden müssten, wird dabei in Kauf genommen.
Alfred F.
@Alfred: Also ich finde ja man kann Christians Buch alles vorwerfen, nur „schwammig“ ist es ganz sicher nicht. Deine Einwände hingegen finde ich ziemlich „schwammig“. Ich lese da viel „es ist nicht anzunehmen“ und „wird wahrscheinlich nicht funktionieren“ usw. aber kein einziges wirkliches Argument.
Bei der Ablehnung zentraler Planung geht es auch nicht darum einen irgendwie besetzten Begriff zu vermeiden weil er ein schlechtes Geschmäckler hat sondern schlicht darum die historisch gewonnene Erkenntnis ernst zu nehmen, dass zentrale Planung aller Lebensbereiche die Selbstentfaltung des Einzelnen massiv behindert und zur Bildung neuer Herrschaftseliten führt. Man kann sicherlich über alle Details diskutieren, aber dass wir etwas brauchen was dezentral und transparent ist, ist für mich persönlich ein absolutes Kriterium einer Gesellschaft für die es sich lohnt sich einzusetzen.
Und zum Rad: Da wird doch nix ausgeblendet sondern sich eben des Beispiels wegen ein einzelnes Projekt angeguckt. Wenn ich ein neues Softwareprojekt starte hat das auch Millionen von Vorraussetzungen und trotzdem funktioniert es. Natürlich ist es eine Herausforderung Produktion gesamtgesellschaftlich verlässlich zu organisieren. Nur warum das _prinzipiell_ nicht dezentral funktionieren können soll habe ich immer noch nicht verstanden. Alles was ich verstehe ist, dass viele nicht dran _glauben_. Das allerdings kann ich gut verstehen, weil es natürlich schwer ist daran zu glauben so lange man keine entsprechenden Erfahrungen gemacht hat.
@Alfred Fresin:
Zum Beispiel der Fahrradproduktion habe ich an anderer Stelle noch einiges geschrieben, s. die folgenden Kommentare:
http://www.keimform.de/2008/12/11/hubert-herfurth-gesellschaftlichkeitsdefizit-in-der-peer-oekonomie/#comment-15545
http://www.keimform.de/2008/12/11/hubert-herfurth-gesellschaftlichkeitsdefizit-in-der-peer-oekonomie/#comment-15554
http://www.keimform.de/2008/12/11/hubert-herfurth-gesellschaftlichkeitsdefizit-in-der-peer-oekonomie/#comment-15567
Der Fehler, der von Werner, Hubert und auch dir gemacht wird, besteht darin, den Kapitalismus quasi in Peer-Produktion „nachmachen“ zu wollen. So funktioniert das natürlich nicht. Etwas Neues funktioniert immer wesentlich anders als das alte. Man muss sich daher, um es zu verstehen, erstmal in das, was anders ist, einarbeiten. So muss man, um die PÖ zu verstehen, erstmal genau prüfen, was eben nicht wie im Kapitalismus ist.
Bei Christians Modell geht es gerade darum, wie die nötigen Aufgaben verteilt werden – das Argument, dies sei nicht ausreichend gesellschaftlich vermittelt (oder es sei würde nicht klappen), weil es eben keine Planungsbehörde gibt, kommt nicht hin. Denn ihr beschäftigt euch ja gar nicht mit dem (auf Aufgabenversteigerung mit Hilfe von „weighted hours“) basierenden Mechanismus, den Christian gerade für den Fall vorschlägt, dass es eben nicht von alleine geht – d.h. dass eine Aufgabe zu tun ist, aber zunächst niemand Interesse hat. Ebenso widmet sich das Modell der Frage, wie Produktionsmittel hergestellt werden und wo die Rohstoffe herkommen.
Tatsächlich haben die beiden Punkte viel mit der Kernidee des Buches zu tun: Zu zeigen, wie es auf der Grundlage von Einzelprojekten und ohne planwirtschaftliche Zwangsverteilung von Aufgaben dennoch funktionieren kann, dass alle für eine Produktionsweise nötigen Aufgaben erledigt werden; dies ist selbstverständlich die Voraussetzung für eine Ablösung des Kapitalismus durch die PÖ.
Hier nochmal ein kurzes Beispiel, wie es mit den Produktionsmitteln funktionieren kann: Wenn jemand z.B. Fahrräder bauen will und bestimmte Rohsotffe (etwa Aluminium) oder Produktionsmittel (etwa eine Aluminiumpresse) sind nicht vorhanden, dann müsste er/sie folgendes machen: Erstmal überhaupt checken, ob es Nachfrage gibt; wenn ja, dann sollte es kein Problem sein, beim entsprechenden Verteilungspool die nötige Aufgabe quasi „ausschreiben“ zu lassen. Dort wird dann angekündigt, dass ein Projekt gebraucht wird, dass die entsprechenden Aufgaben erledigt. Und wenn sich niemand findet, der darauf Lust hat, vielleicht weil es eine langweilige, dreckige oder gefährliche Arbeit ist, dann bedeutet das nicht das Ende des Fahrrad-Vorhabens. Vielmehr werden dann eben die Gewichtungen für diese Arbeiten immer höher und höher gesetzt, vielleicht bis man schließlich mit einigen wenigen Stunden pro Woche seinen Anteil leisten kann. Das ist das Prinzip der „Aufgabenversteigerung“. Irgendwann werden sich einige, die jetzt mehr Stunden investieren müssen und die angebotene Arbeit nicht allzu viel schlimmer finden als die, die sie grade machen, wechseln.
[Anmerkung: Im Normalfall würde man in einer PÖ versuchen, solche Arbeit, die wirklich niemand machen will, die dreckig oder gar gefährlich ist, so schnell wie möglich wegzurationalisieren – oft geht das, nur besteht im Kap. keine ausreichende Notwendigkeit, etwa wenn es schlechtbezahlte Tätigkeiten sind, die die Kapitalisten nicht teuer kommen. Man kann diesen Vorgang jetzt schon in der Freien Software beobachten. Dort werden eben nicht, wie es im Kap. immer wieder vorkommt, Leute mit langweiligen, öden, belastenden Arbeiten hingesetzt, z.B. irgendwas raussuchen. Stattdessen versucht man, eine andere Lösung dafür zu finden, und da man motiviert ist, die Arbeit nicht machen zu müssen, klappt das auch oft.]
Dies ist also das Szenario für den Fall, dass sich für etwas kein ‚freiwilliges‘ Projekt finden lässt. So häufig, wie man denkt, wird es allerdings wohl nicht sein – das kann man zumindest vermuten, denn auch im Bereich Freier Software findet sich oft jemand, der etwas freiwillig macht, was viele nicht so gern mögen; Menschen sind sehr unterschiedlich und im Kap. können sie die Vielfalt ihrer Begabungen und Interessen nicht voll entwickeln. Dennoch: Vorkommen wird es, aber genau dafür hat Christian ja sein Buch geschrieben und diese Lösung vorgeschlagen.
Von den hier auftretenden Kritikern (v.a. Werner und Hubert) werden aber keineswegs die von Christian vorgeschlagenen Lösungen kritisiert. Es wird eigentlich nur zur Kenntnis genommen, dass die jetzige Peer-Produktion – irgendwie – verallgemeinert werden soll. Dies ist aber eine allgemeine Idee, mit der schon das Ökonux-Projekt gestartet ist und die später von keimform übernommen wurde. Für Christians Buch, wie auch für frühere Arbeiten, ist sie nur der Ausgangspunkt. Es wird von diesen ‚Kritikern‘ gar nicht beachtet, WIE das bei Christian gemacht wird. Deshalb kann man eure Kritik – sorry – auch nicht wirklich Kritik an Christians Modell nennen. Sie ist Kritik an naiven Vorstellungen, die eigentlich alles gleich lassen wollen, nur irgendwie den Kap. abschaffen und dafür Einzelprojekte auf freiwilliger Basis setzen. Das geht natürlich nicht, hat aber auch niemand hier behauptet.
Hey @Martin Du Träumer,
wie groß setzt du denn den Zeitrahmen an, an dessen Ende Du akzeptierst, das deine erdachten Voraussetzungen wohl deinen Wünschen nicht standgehalten haben? Ab wann können „diese’Kritiker'“ imFall des Falles mit einer Rehabilitierung rechnen?
@Hubert: Hier geht’s nicht um Entwicklungen, die man in ein bestimmtes Zeitschema pressen könnte oder müsste. Das Experiment ist dann vorbei, wenn der Kapitalismus durch ein besseres System abgelöst wurde — ganz egal, wie lang oder kurz das dauert. Dann werden wir sehen, wer am Ende der tatsächlichen Entwicklung am nächsten gekommen ist und welche Ansätze sich durchgesetzt haben. 🙂
In der Zwischenzeit wäre ich auch sehr gespannt auf konkrete Vorschläge, wie man es denn tatsächlich besser machen könnte als ich es in meinem Buch beschreibe…
@Christian es ging mir überhaupt nicht darum, irgend welche Entwicklungen in ein Zeitschema pressen zu wollen, sondern ich habe @Martin gefragt, wieviel Zeit ins Land streichen muss, damit er von seinem hohen Ross herunter kommt und sich den eigenen Voraussagen mit einem selbstkritischeren Blick stellt! Deine Antwort lässt vermuten, dass ihr hier ziemlich schmerzresistent seid, aber das glaubten eure diversen Vorgänger auch!
Wenn Du meine 1. Entgegnung zu deinem Buch genauer liest, müsstest Du sehen, dass ich sogar eine deiner Formulierungen aufgreife, die einen richtigeren Zugang auf die Probleme eröffnet, nur dass Du ihr selbst keine Bedeutung beimisst. Das andauernde Abstrahieren über „gemeinsame Projekte“, „gemeinsame Produktion“ etc. übersieht ja völlig, dass es so was nur äußerst eingeschränkt, im äußerst kleinen Maßstab gibt und das sich in dieser Gemeinsamkeit schon selbst wieder die Trennung zu den anderen Gemeinschaften verbergen kann – zumeist auch verbirgt. Eine kleine Gemeinschaft muss also absolut nichts gemein mit der Gesellschaft haben um die es jedoch letztlich geht und die das eigentliche Kriterium des Erfolges bildet und nicht etwa ein bestimmter Grad der Übereinstimmung in einer Subgemeinschaft. Statt der Floskel vom „zusammen machen“ geht es hier um die Gegenseitigkeit (ich bekomme etwas und möchte entsprechend etwas zurückgeben – das Äquivalenzproblem lassen wir mal beiseite, auch Uli diskutiert hier m. E. nicht auf Basis der vorhandenen Gesellschaft). Dies drückt für mich den deutlich höheren Gesellschaftlichkeitsgrad aus und um genau den geht es. Auch Ulis Text leidet ja stark darunter, dass er einen Leitsatz von Marx (Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen) so seltsam herunter bricht, das der Zusammenhang den die Individuen als Gesellschaft eingehen, letztlich faktisch als technische Produktivitätsgröße erscheint die eben schon gegeben ist oder nicht. Die eigentliche Frage nach dem Zusammenhang der Individuen als Gesellschaft taucht hier genau auch nicht auf bzw. er übernimmt faktisch eure Antworten die aber an dieser Stelle eben keine sind. Ihr scheint zu glauben, dass diese Gemeinsamkeit in der Kostenlosigkeit liegt, aber diese ist nur die Folge oder das Resultat, wenn die Gesellschaft (also ‚alle‘ einzelnen) sich als Gesellschaft annimmt. In diesem Sinn liegt die Keimform der höheren Gesellschaftsform genau in der Warenform selbst, weil sie die für die nächst Gesellschaft notwendige Gesellschaftlichkeit überhaupt entwickelt. OS ist da ein Baustein auf dem Weg, nicht mehr – aber auch nicht weniger!
Eine kurze Replik zur Kritik von benni und Martin bezüglich meiner Kurzkritik an dem Modell der Peer Ökonomie:
Einverstanden bin ich mit der Entgegnung, dass Einwände wie „schwammig“ und „wird wahrscheinlich nicht funktionieren“ keine Argumente sind. Ich habe allerdings ausgeführt, was ich unter schwammig und unpraktikabel verstehe.
Bedauerlich und auch ärgerlich finde ich die (leider nicht nur von benni) ständig vollzogene Verwechslung von Organisation (z.B. Planung) und Herrschaft (z.B. Sowjetstaat). Auch die Verknüpfung von beiden – das eine ginge aus dem anderen hervor – ist logisch inkonsistent. Schließlich die sofortige Verbindung des Begriffs Planung mit „Zentrale“, die meine Bedürfnisse knebelt.
Dazu ein Beispiel zur Verdeutlichung: Beim jetzt stattgefundenen Kongress zur „Solidarischen Ökonomie“ gab es ein zentrales Organisationskommitee , welches den Kongress plante: Sammlung der Beiträge, Organisation der Räumlichkeiten, der Shutteldienste, Speisen, Unterkünfte etc. Es wurde auch ein Programmheft aufgelegt, und alles klappte aufgrund dieser Planung gut. Niemand kam auf die Idee, den Veranstaltern „Zentralismus“ oder „Herrschaft“ vorzuwerfen, auch wenn gewisse Veranstaltungen gestrichen wurden oder aufgrund verspäteter Anmeldung nicht mehr aufgenommen wurden. Jeder hätte sich auch bei der Planung beteiligen und seine Ideen einbringen können. Allgemein anerkannt wurde, dass es „Fachleute“ gab, die schon mehrere Kongresse dieser Art organisiert hatten, und wußten worauf es ankommt.
Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der es ständig unsicher ist, ob die Versorgung mit Lebensmittel gelingt und die mangelhaft ausfällt, weil es an Arbeitskräften mangelt oder an Planung (gewisse Güter brauchen eben eine Volaufzeit und sind nicht sofort (re)produzierbar). Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der die Versorgung mit Gütern arbeitsteilig durchgeführt wird, also ich mich nicht an allem, was ich brauche selbst arbeitsmäßig beteiligen muss – letzteres wäre wahrlich ein großer gesellschaftlicher Rückschritt. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der z.B. CT-Geräte für die Untersuchng von Patienten noch verbessert werden und in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Dies setzt allerdings wissenschaftliche Forschung, Rohstoffe und Produktion voraus. Das sind schon einige Projekte, die ineinander verzahnt werden müssten. Was spricht gegen eine Planung, die von Fachleuten durchgeführt wird und einer Produktion, die arbeitsteilig durchgeführt wird?
„Was spricht gegen eine Planung, die von Fachleuten durchgeführt wird und einer Produktion, die arbeitsteilig durchgeführt wird?“
nichts. PÖ ist ja auch ein Planungsansatz, nur eben ein weitgehend dezentralisierter. Aber selbst da gibt es ja hierarchisch-zentralistische Elemente bei den lokalen Assoziationen (was ich im übrigen nicht den besten Part in PÖ finde, das wirkt ein bisschen wie eine Notlösung auf mich).
Es spricht eben nur sehr viel historische Erfahrung (aber vielleicht tatsächlich nichts „logisch konsistentes“) dagegen alle Planung einer zentralen Instanz zu übergeben, weil diese Instanz sehr viel Macht anhäuft, die wohl sehr oft zu Herrschaft gerinnt. Für mich ist historische Erfahrung mindestens so wichtig wie logische Konsistenz.
Schöne Antwort @Alfred! Insbesondere deine Anforderungen an die Produktion teile ich völlig und fände es eigentlich ganz gut, wenn die P-Ö Vertreter mal erklärten, wie sie von der gemeinsamen Produktion, in der ja das eigne Bedürfnis noch dominiert, zu einer letztlich gesellschaftlichen Produktion kommen, wo die Bedürfnisse der anderen im Mittelpunkt stehen.
@Alfred (und Hubert): siehe Kap. 5 meines Buchs, das nicht umsonst das mit Abstand längste Kapital ist und wo es ja gerade darum geht, wie dieser Sprung von der gemeinschaftlichen zur gesellschaftlichen Produktion (wo man die selbst benötigten Dinge in in 99% der Fälle nicht selber produziert) stattfindet.
Wie Benni bin ich der Auffassung, dass man Peer-Produktion durchaus als „Dezentralplanung“ beschreiben kann — dein Beispiel finde ich dafür sehr treffend:
Und während dieses Komitee sich um die Ablaufplanung des Kongresses kümmerte, kümmerten und kümmern sich andere Teams (Projekte) um die Durchführung einzelner Veranstaltungen, die Organisation anderer Kongresse und Veranstaltungen, und um ganz andere Aufgaben (Betrieb der Wikipedia, Weiterentwicklung des Linux-Kernels, Betrieb der Freien Funknetze in Berlin und vielen anderen Städten, etc.). Das ist Peer-Produktion!
Die Unzuverlässigkeit, vor der du Angst zu haben scheinst, ist meiner Ansicht nach ein wesentliches Merkmal des Kapitalismus und gerade nicht der Peer-Ökonomie. Der kapitalistische Bäckereibetrieb bei mir um die Ecke wird zumachen, wenn seine Profite nicht mehr stimmen, ohne sich darum zu kümmern, wie ich denn nun an meine Brötchen komme. Das von dir genannte Organisationskomitee, und ebenso die von mir genannten Projekte, und auch ein (bislang noch gedachter) Bäcker, der seine Aufgabe als Teil eines lokalen Netzwerks von Peer-Produzent/innen übernommen hat, schmeißen dagegen in aller Regel nicht von heute auf morgen hin — die führen ihre Aufgabe zu Ende, und suchen sich zumindest noch Nachfolger/innen wenn sie selbst keine Lust mehr haben.
Als Illustration für die Peer Produktion als gesamtgesellschaftliches Modell werden immer Beispiele (Projekte) genannt, die sich vielleicht innerhalb des kapitalistischen Systems als Peer Produktionsnischen durchführen lassen. Softwareentwicklungen, Fahrräder zusammenbauen, der Bäcker um die Ecke. Mag ja sein dass sich solche Nischen im Kapitalismus ergeben und nicht sofort von der Wertproduktion geschluckt oder umgebracht werden. Aber die Propagierung dieser Nischen als gesamtgesellschaftliches System ist problematisch. Der Kapitalismus in seinem heutigen Stadium ist doch über das Selbstversorgerstadium weit hinaus – dass arbeitsteilig in großen Massen hergestellt werden kann, ist dieser Wirtschaft am wenigsten vorzuwerfen. Zu kritisieren sind Zweck und Grundlage dieser Produktion. Ihr wisst es ja: Profit soll mit Eigentum gemacht werden, mit Tausch soll aus Geld mehr Geld werden. Das bringt einige ungemütliche Sachen mit sich, zB. Armut, Lohnarbeit, Krisen, Konkurrenz, „Anarchie der Produktion“etc.
Wir wollen doch ein gutes Leben. Zu diesem gehört doch auch eine verlässliche und ausreichendeVersorgung mit Gütern und Leistungen (zB. medizinische Versorgung) Es wäre doch , ich sags einfach, verrückt, wenn sich jeder einzeln überlegt, welche Güter ihn interessieren, um dann mit Gleichgesinnten Projektgruppen zu gründen, die sich an der Produktion von A bis Z abarbeiten. Überlegt euch das an meinem Beispiel medizinischer Untersuchungsgeräte. Wenn sich ein Großteil der Leute einig sind, die Entwicklung und Produkion dieser Geräte voranzutreiben, dann übenehmen das mehrere Planungskomitees – und sind nicht identisch mit den Leuten, die ein Interesse an dem Gut haben, sondern Fachleute: Mitarbeiter für Forschung bereitstellen, Vorlaufzeit festlegen, Bestimmung der Anzahl der Geräte, benötigte Rohstoffe, Maschinenkapazitäten, Abeitskräfte für die Produktion (-wobei bei diesem Beispiel der Zeitdruck für die Fertigstellung wiederum nicht so groß ist wie bei anderen Gütern, wie z.B bei Lebensmitteln). Da gibt es eine Arbeitskräfteabteilung, eine Rohstoffabteilung, eine Energieabteilung etc. welche die notwendigen Ressourcen planen und bereitstellen, nicht nur für dieses, sondern für alle „Versorgungsprojekte“. Beschrieben habe ich das ausführlich in meinem Buch „Die bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft“ (zu lesen in: stattkapitalismus.blogsport.de oder bei amazon erhältlich).
Auf das Prinzip des Nehmens und Gebens in Chistians Modell will ich an dieser Stelle noch nicht eingehen, das muss ich mir noch genauer ansehen. (Auch der Zusammenhang zwischen Arbeit und Konsum wird im Modell der BVW – Bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft ausführlich behandelt)
@Alfred. Du schreibst ganz dick: „Da gibt es eine Arbeitskräfteabteilung,… welche die notwendigen Ressourcen planen und bereitstellen …“
Da bin ich sofort dabei, in der arbeitskraefteabteilung naemlich.
Die notwendigen arrbeitskraefte-ressourcen planen und die arbeitskraefte bereitstellen, das kann ich ganz prima. Wehe, ’ne arbeitskraft verweigert sich der bereitstellung! Ich bin fachmann darin, dass eine geplante und bereitgestellte arbeitskraft auch arbeitet. Das nenne ich arbeitsteilung: die einen, z.b. ich, planen, die bereitgestellten arbeiten.
Cuum suique.
Oder wie es der herr Aristoteles vor ein paar tagen sagte: „Zur Erhaltung hat die Natur Führer und Gefolge bestimmt. Denn wer klug vorausschauen kann, den hat die Natur zum Führer und Herrn bestimmt, wer mit seiner Hände Arbeit die Befehle ausführen kann, zum Gehorchen und Knecht.“ Aristoteles, Politik, Buch I, 1252a, Die Lehrschriften, herausgegeben, übertragen und in ihrer Entstehung erläutert von Dr. Paul Gohlke, Ferdinand Schöningh, Paderborn 1959
Wenn man sich die bestehenden Peer-Grundversogungsstrukturen im Informationssektor anschaut (Linux / NetBSD / FreeBSD / OpenBSD / Darwin) dann ist zumindest die Entwicklung von Linux meritokratisch, die von Darwin kapitalistisch. Bei BSD kenne ich mich leider nicht aus.
Gitb es irgendwo eine Übersicht der Organisationsstruktur solcher Grundversorgungseinrichtungen ?
Dazu würde ich
– Programmiersprachen
– Kernel
– Basisbibliotheken
– Distributionen
zählen.
Mit einer solchen Übersicht bräuchte man nicht rein idealistisch zu argumentieren, sondern könnte auf emergente Strukturen referieren.
@Thomas: Ich denke alle PP-Projekte sind meritokratisch. Aber sie haben auch alle demokratische und anarchische Anteile. Was man machen kann wäre eine Bestandsaufnahme der offiziellen Strukturen (Maintainerprinzip, Abstimmung, Stiftung, …) aber ich glaube da kommt nicht viel bei rum was wir nicht eh schon wissen ausser dass es das halt alles gibt. Aber ich verstehe auch den Zusammenhang zur Diskussion oben nicht so ganz grade…
Wolfgangs Einwand war die Spöttelei, dass alle Organisationsstrukturen in Führer und Gefolge aufteilen. In PP-Projekten scheint es auch so zu sein.
@Thomas: Achso. Einem Führer zu folgen der mir nichts befehlen kann, ist aber eben keine „Folgschaft“, oder? Also ich glaube weiterhin, dass diese Frage nach den formalen Strukturen hier etwas in die Irre führt. Zentral sind die unangreifbaren Commons (bei Software durch Lizenzen gesichert).
Nochmals mein Hinweis: Verwechselt nicht Fachkenntnis mit Herrschaft (Kratie). Herrschaft beruht immer auf Gewalt bzw. Zwang.
Zu lupus: Bei angenehmen und unangenehmen Arbeiten könnten sich venünftige Menschen auf ein Arbeitsrotationssystem einigen.
Ihr klebt bei Überlegungen alternativer Güterproduktion immer an speziellen Softwareprojekten. Überlegt euch doch mal das Ganze beim Projekt: Bau eines Krankenhauses, welches dringend für die Versogung der Leute gebraucht wird.
@Werner. Oder: Kapitalistische senkungsrisse.
Werner schreibt am ende seines beitrags:
„Sollte die Peer-Produktion je das Stadium der praktischen Erprobung erreichen, wäre jedoch eins sicher: Die meisten Produktionsmittel würden es nicht heil überstehen, und sämtliche Aufwandskalkulationen und -absprachen wären in kürzester Zeit Makulatur.“
Der 3. maerz scheint uns in Köln ein herrliches schauspiel einer peer-produktion geliefert haben: Das historische archiv der stadt Köln hat den u-bahnbau nicht heil überstanden. 400 mio schaden, tausend jahre alte dokumente im dreck, 2 tote, weitere einstürzende häuser, einsturzgefährdete schulen. Die baukosten der u-bahn schon bislang fast 400 mio ueber dem plan von knapp 600 mio – und nun der schaden obendrauf! Wenn das nach Werners vorstellungen kein szenario aus der p2p-produktion ist!
Keine weitere häme gegenüber p2p. Da waren kapitalistische setzungsrisse am werk, auch wenn die juristen aller beteiligten juristischen personen das unterirdisch wirkende, aber mit überirdischen kräften erfüllte grundwasser zum zahlungsunfähigen verursacher erklären werden.
Schluss jetzt mit der metaphorik.
Der kölner crash ist folge der von Werner hochgepriesenen und von Hubert umjubelten kapitalistischen arbeitsteilung und folge der damit verbundenen und ebenso gelobten kapitalistischen gesellschaftlichkeit. All die vielen scheinbaren nebensächlichkeiten, die zum crash führten, wären bei p2p mit hoher wahrscheinlichkeit vermieden worden.
Da haben mitarbeiter des archivs seit monaten die wachsenden risse bemerkt und dem chef gemeldet. Da hat es der chef der stadt gemeldet. Dann haben es die bauherrlichen stadtwerke erfahren – und nach einer weile ihre „fachleute“ geschickt – fachleute, auf die Werner und Hubert so großen wert legen. Da wurden dann „ganz normale senkungsrisse“ festgestellt. Da bemerkten besucher zu den mitarbeitern: „Also ich würde hier nicht mehr arbeiten wollen. Das wär mir zu gefährlich.“ Da bekundete schon lange der türkische gemüsehändler gegenüber seinen kunden, dass er seit dem schiefen kirchturm große angst hat, dass hier noch etwas passiert. Die fachleute der stadtwerke konstatierten aber immer nur „ganz normale setzungsrisse“.
Ja, was sollten sie auch anderes feststellen sollen? „Anormale“ risse? Jeder anormale riss hätte die aufwandsrechnung in euro und cent noch weiter in die höhe getrieben, zu makulatur gemacht. DAS durfte nicht sein. Ein riss hat keinen gebrauchswert – und dann doch dafür bezahlen? Nein!
Peers sind absolut gleichberechtigt. In der kapitalistischen arbeitsteilung steht es jedem jedoch nur zu, in seinem abgeteilten bereich zu schalten und walten. Kritik an den rissen darf man weitergeben. Etwas dagegen tun, darf nur der arbeitsteilig zuständige, sonst niemand. Selbst mal nach unten in die baustelle gehen und nachsehen, wieviel schlamm mit dem wasser weggepumpt wird, wie groß vielleicht schon das verborgene loch sein könnte, selbst eine probebohrung in gang setzen oder mit laser erdbewegungen nachmessen: nicht nur undenkbar, sondern unerlaubt in der von kapitalistischer arbeitsteilung auseinander gehaltenen gesellschaft, die eigentlich nur die betrieblichen gemeinschaften kennt, wo es stets den dienstweg einzuhalten gilt, auf dem sich keine peers bewegen. Das, was schließlich zwischen den juristischen personen, dem archiv, der stadt, den stadtwerken, den baufirmen und den natürlichen anwohnern abläuft, ist schnöder austausch, bei dem’s letztlich um bare zahlung geht. Wer trägt die kosten, in euro gemessen, wenn ein handschlag getan werden soll? Welche gesellschaftlichkeit ist das, die Werner und Hubert gegenüber p2p so hoch halten, wo die konkret betroffenen außen vor bleiben, bei p2p aber mitten drin, ganz dabei wären? Wo der gemüsehändler gleichermaßen fachmännisch und gleichberechtigt mit den bauleuten und mit den andern betroffenen die normalität oder die anormalität der setzungsrisse klären und bestimmte arbeiten verlangen könnte? Wo der archivmitarbeiter das archiv verschließen und nach hause gehen könnte ohne um seinen unterhalt fürchten zu müssen , wenn das knirschen und reissen im gebäude nicht gestoppt würde?
Der kölner crash steht natürlich im widerspruch zu dem, was man sich wünscht – sonst wär’s kein crash. Und dieser widerspruch treibt die kapitalisitsche gesellschaftlichkeit ein winziges stückchen weiter, hin zu einer p2p-gesellschaftlichkeit, zu sehen in den rettungsarbeiten, in der gründung einer bürgerinitiative, in „hilfsangeboten“. Das ist noch lange nicht das neue. Aber es enthält das, worauf Annette Schlemm in einer email verwies:
„Das ist aber ein mühsamer Prozess, der sich eben nicht nur in der Freien
Softwareszene, bei den Peer-Ökonomisten und TheoretikerInnen abspielt,
sondern bei den Klimacamps, Sozialforen, alltäglichen
Widerstandsaktivitäten, so mickrig die von unserer „höheren Warte“ aus
aussehen mögen.“
Die kapitalistischen setzungsrisse, seien sie so wörtlich wie beim kölner crash zu nehmen oder seien sie von der art der finanzkrise, werden uns noch einige zeit plagen und immer wieder eine „rettungsaktin“ auslösen, bei der die etablierte kapitalistische arbeitsteilung angekratzt oder teils über den haufen geworfen wird. Dabei wird auch jene klägliche kapitalistische, nur durch austausch und wert hergestellte und gekittete gesellschaftlichkeit neu geformt, indem die individuen neue beziehungen untereinander eingehen, die elemente von p2p enthalten, mit den jahren wieder ganz vom austausch dominiert sein können und von den nachwachsenden jungen leuten neu gefunden oder erlernt werden müssen, bis – verhüllt – in der gesellschaft, wie sie ist, die materiellen produktionsbedingungen sämtlich vorhanden sind, um sie in die luft zu sprengen.
Interessant, was einige Linke sich so zusammendenken, um den Kapitalismus am Leben zu halten.Von den Leuten, die sich Alternativen zum kapitalistischen System denken, wird immer ein fertiger Masterplan erwartet, den sie gefälligst auf Befehl hervorzuziehen haben. Und wehe, dieser Masterplan erhält ein paar gedankliche Lücken, dann wird er natürlich als ganzes verworfen.Nehmen wir das Beispiel mit den Fahrrädern. Da geht Werner Imhof davon aus, dass man zuerst alle bestehenden Fahrräder in den Müll schmeißt und dann PP-Fabriken aufbaut, die die Produktivität kapitalistischer Fahrradfabiken erreichen müssen. Der Kapitalismus hat aber erfreulicherweise so viele Fahrräder bereits hervorgebracht, dass man sich erstmal auf die Instandhaltung und Verbesserung konzentrieren könnte statt auf die Neuproduktion. Dies Zeit würde auch reichen, um Leute für die Produktion fit zu machen. Da ferner mit dem Kapitalismus auch das Eigentumsprinzip auf dem Prüfstand stünde, könnten natürlich auch intelligente Nutzungssysteme entwickelt werden. Etwa wie beim Carsharing. Man käme also ohnehin mit einem Bruchteil der Fahrräder aus. Ähnliches gilt natürlich auch für große Sachen wie Containerschiffe, wo es ebenfalls eine weltweite Überproduktion gibt. Wir würden in allem ohnehin eine riesige Infrastruktur vorfinden, die man erstmal abfrühstücken könnte. Natürlich werden die Kapitalisten die nicht rausrücken. Aber in nächster Zeit werden selbst staatliche Organe nicht mehr um die Frage drum herum kommen, was sie wollen: einen Polizeistaat, um den Kapitalismus am Leben zu halten, oder aber, Alternativen zu unterstützen. Schließlich bröselt dieses grandiose Wirtschaftssystem gerade vor sich hin und die meisten Politiker wissen, dass sie seinen Untergang nicht aufhalten können. Den Optimismus sollte man dann doch haben. Es könnte trotz allem von staatlicher Seite Hilfe kommen. allein aus schierem Eigennutz.