Geistiger Klimaschutz
Die große Feindbeobachtung der 80.000 in Rostock hat gemäß der vorbereiteten Choreographie auch die entsprechenden Berichte in den Medien gefunden, vielleicht sogar vorproduziert. Einen inspirierten Bericht einer uninspirierenden Latschdemo schrieb Meike.
Wie schon mal bejammert, fand auch diesmal wieder das sogenannte geistige Eigentum fast keine Aufmerksamkeit (korrigiert mich!). Ist schon irritierend, sich selbst ganz oben zu finden, wenn man nach g8+“geistiges Eigentum“ googelt.
Verwirrend finde ich auch, was Walden Bello über die geplante G8-Abschlusserklärung sagt:
Ein Punkt in dieser Erklärung ist, daß sie den Entwicklungsländern sagen, sie sollen sich für die Konzerninteressen öffnen, sie sollen geistige Eigentumsrechte der Konzerne achten. Dies ist keine Erklärung für Klimaschutz. Wir lehnen diese Erklärung ab.
Alles nur Klimaschutz? Jenseits vom »geistigen Eigentum« war inhaltlich das Beste, das ich fand, das hier:
Etwas, was immer nur ein Traum schien, wäre heute möglich – das gute Leben aller. Aber es ist nicht möglich, wenn alles und jedes zur Ware wird. Unter dem Diktat des Kaufens und Verkaufens muß Mangel herrschen, damit die Preise stimmen. Dabei ist genug für alle da. Jeder Mensch hat ein Recht, daran teilzuhaben. Das muß sich niemand verdienen, nicht durch Arbeit, nicht durch Wohlverhalten, durch gar nichts. Das hat jede und jeder einfach nur so, weil es sie gibt – die unbedingte Teilhabe am Reichtum der Welt und am Leben der Gesellschaft. Das ist ein Menschenrecht. Und ich sage es noch einmal: Es ist genug für alle da, weltweit. (Werner Rätz, attac)
Ist ’nen Ansatz, aber immer noch ziemlich unkeimförmig.
Das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ hat vorhin eine Pressemitteilung rausgeschickt: „G8 soll freie Spuren auf den Highways der Informationsgesellschaft einrichten“. Lohnt sich, bis zum Ende zu lesen, Herr Kuhlen hat mal wieder tief in der Metaphernkiste gekramt 😉
Also, wenn Meike da von „doofen Autonomen“ und „hirnlosen Chaoten“ schreibt, ist das ja wohl voll daneben! Von wem geht denn die Gewalt aus? Doch vom stummen Zwang des Kapitalverhältnisses, dem die Gewalt eingeschrieben ist. Und vom Staat als gewaltsamer Klammer zur Aufrechterhaltung kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Dafür gibt es Bullen und Militär und mehr! Selbst der Hunger ist dem Kapital kein Grund zur Produktion. Wieviele Menschen verhungern täglich weltweit, obwohl es für eine von den Fesseln des Kapitalverhältnisses befreite Menschheit ein Leichtes wäre, alle Menschen dieser Welt zu sättigen? Auch in den Metropolen werden immer mehr Menschen von den käuflichen Lebensmittelwaren ausgeschlossen, da sie kein Geld mehr haben (Armutsentwicklung!) und sich kein Essen mehr kaufen können! Stattdessen werden Lebensmittel planmäßig und unter Einsatz des staatlichen Gewaltmonopols vernichtet! Solange es Kapitalismus gibt, kann und darf Gegengewalt nicht ausbleiben. In Rostock ist wohl was schief gelaufen bei der Koordination der unterschiedlichen Protestformen. Da kann und soll man drüber streiten. Aber solidarisch und ohne unwürdige Distanzierungen, wie sie jetzt von den Staats-Fetischisten von Attac serienweise vom Stapel gelassen werden. Sinnvolle Militanz braucht nachvollziehbare Ziele und kann auf unterschiedlichen Ebenen auch Menschen einbeziehen, die sich selbst nicht direkt an miltanten Aktionen beteiligen wollen. Guerilla diffusa! Vielversprechend ist auch das Clowns Army Konzept. Die Clowns sind unkenntlich und können die Bullen effektivt behindern! Gut an Rostock war aber, dass viele junge Militante erstmals die Erfahrung machen konnten, dass sich der Widerstand gegen die Staatsmacht auf der Straße militant behauptet hat. Die Bullen sahen zeitweise ganz schön alt aus!!
Für einen vielfältigen Widerstand! Gegen Staat und Kapital! Für den Kommunismus!
@gewaltbereiter Autonomer: Thema verfehlt?
Ansonsten waren wohl die „Staatfetischisten“ von Attac vor allem sauer, dass „ihr“ ihnen ihre Demo kaputt gemacht habt entgegen aller Absprachen vorher.
Sich auf der Straße gegen „die Bullen“ zu behaupten kann doch auf lange Sicht sowieso nicht funktionieren, alles was man erreicht ist die Gewaltspirale weiterzudrehen. Sorry, ich kann militante Aktionen durchaus manchmal verstehen aber das in Rostock war nur Bullshit.
Wer ist eigentlich Meike?
Meike ist die Meike von Commonspage.net — klick den Link im Beitrag.
@benni: „Thema verfehlt“ würde ich nicht gerade sagen. Die Beschreibung des Kapitalverhältnisses von „gewaltbereiter Autonomer“ trifft es ja ganz gut, und wenn wir uns Gedanken über Keimformen einer neuen Gesellschaft machen wollen, können wir sie kaum ausblenden.
Da wunderte mich eher Stefans Ein-Punkt-Perspektive, in Hinblick auf den Gipfel nur das Geistige Eigentum ins Visier zu nehmen. Als ob man es von den anderen Desastern, die die kapitalistischen Eigentums- und Produktionsverhältnisse mit sich bringen, abtrennen könnte…
Was aus Straßenschlachten mit der Polizei Positives erwachsen könnte, außer zur Reality-TV-Unterhaltung für die Massen beizutragen, sehe ich allerdings nicht.
@Christian: Quark, mir geht es überhaupt nicht um eine Ein-Punkt-Perspektive, und das weisst du genau. Mir geht es darum, dass aus meiner Sicht die Bedeutung und Brisanz des Themas „geistiges Eigentum“ unterschätzt wird. Viele denken: Na ja, das sind irgendwelche Regeln, und überhaupt kann Piraterie ja nicht richtig sein. Ich will dagegen hervorheben: (auch) „geistiges Eigentum“ tötet.
Ansonsten noch das: Chronologie einer Falschmeldung und das: Gesichter des G8-Widerstandes
Bei Netzpolitik gibt es einen kritischen Artikel zur G8-Abschlusserklärung. Heise Online berichtet auch: G8: Weiche Ziele beim Klima, aber starke Rechte fürs geistige Eigentum.
Hans-Olaf Henkel hat übrigens im Nachtstudio zum Thema Grundeinkommen gesagt, dass ihm diese Vorstellung, jeder Mensch könne einfach so geboren werden und automatisch an der Gesellschaft teilhaben, zuwider sei. Wie passend.
Hier der Link: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhalt/28/0,4070,5515164-5,00.html
ob friedlich oder militant
wichtig ist der widerstand!
Milli
http://www.stern.de/politik/deutschland/:G-8-Proteste-Nennen-Sie-Hooliganismus/590940.html?p=2&nv=ct_cb
Obenstehend der Link zu einem „Stern“-Interview mit Michael Kronawitter, Arzt aus Berlin, G-8-Protestierender und offensichtlich bei der „Interventionistischen Linken“ (IL) aktiv. Anders als IL-Sprecher Tim Laumeier geht Kronawitter auf Distanz zur von sämtlichen ideologischen Staatsapparaten geforderten (und von Attac & Co willfährigst gelieferten) „Distanzierung von Gewalt“. Sich ebenfalls nicht einreihen in den Distanzierungsreigen des von „gewaltbereiter Autonomer“ hier treffend mit dem schönen Ausdruck „Staats-Fetischisten“ beschriebenen (sich in unablässiger Politikberatung ergehenden und damit die staatlich-politische Sphäre der Warengesellschaft legitimierenden) „zivilgesellschaftlichen“ Spektrums mag das „Ums-Ganze“-Bündnis: http://umsganze.blogsport.de
Offensichtlich handelt es sich um einen – bundesweiten – Zusammenschluss verschiedener (vor allem) Antifa-Gruppen. Am Ums-Ganze-Block in Rostock am 02.06.2007 beteiligten sich immerhin 3000 Menschen. Von Optik und Anmutung her präsentiert sich dieser Block ziemlich schwarz. Sieht einigermaßen „autonom“ aus. Diesen Stil, sich zu kleiden, kann mensch mögen oder auch nicht. Hm. NDR-Redakteurin Meike Richter weiß ja von „doofen Autonomen“ und „hirnlosen Chaoten“. Die Texte der Ums-Ganze-Homepage jedenfalls kommen so hirnlos nicht daher. Nein, nein. Orientiert wird sich wohl weitgehend am Ansatz von Michael Heinrich, wozu sich sicherlich auch noch dieses oder jenes bemerken ließe. Aber „hirnlos“ oder „doof“?
Apropos Michael Heinrich. Den kann mensch sich in einem G-8-TV-Video anschauen. Gewandet in einen schwarzen (!) Pullover erklärt Heinrich dort so einige Eigenheiten des Kapitalismus. Im Video-Abspann werden Britta Schneider und Sabine Nuss als Produzentinnen genannt. Hier der Link:
http://g8-tv.org/clip.php?clipId=1623
Und noch zwei Audio-Links zu Radio-Interviews mit „Ums-Ganze“-Aktivisten:
http://www.freie-radios.net/mp3/20070608-topberlina-17486.mp3
http://www.freie-radios.net/mp3/20070604-kritikande-17261.mp3
Zu letzterem Audio-Link im Folgenden per Copy & paste der Ankündigungstext zu dem von „Radio Corax“ in Halle am 04.06.2007 produzierten Interview:
gespräch mit andreas von der „top“. die gruppe beteilgte sich trotz kritik an der globalisierungskritik an der demonstration am samstag. beim „um’s ganze block“. von diesem gingen wahrscheinlich erste gewaltaktionen richtung polizei aus.