Commons? Commonism!
Im sehr lesenswerten Commonsblog gibt es einen interessanten Grundsatzartikel von Silke Helfrich. Gesucht wird dort die Gemeinsamkeit ganz unterschiedlicher Prozesse von Freier Software über Artenvielfalt bis hin zur Klimadebatte im Begriff der Commons oder Allmende. Viele der Konflikte heutzutage lassen sich so verstehen als Konflikte um die institutionelle Ausgestaltung der Commons. Daran ist viel wahres und wir beackern das Thema ja auch oft. Dennoch habe ich wesentliche Kritik an diesem Vorgehen:
Obwohl der historische Begriff der Allmende nicht nur im Untertitel des Blogs prominent vertreten ist, mutet vieles seltsam unhistorisch an. Ist es nicht so, dass die Verwaltung der Commons genau deswegen zum Problem wird, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der die Produktion unseres Lebens organisiert ist als die Produktion unabhängiger Eigentümer die sich erst über den Markt vermittelt? Wieso haben Allmenden früher lange funktioniert? Wieso waren sie lange so gut wie verschwunden kommen aber jetzt wieder ins Bewusstsein? Sind diese vielfältigen Probleme zu verstehen ohne diese Produktionsweise zu verstehen? Ich meine nein. Ich würde sogar noch weiter gehen: Wenn man diesen Aspekt aussen vor lässt sitzt man dem ganzen tief sitzenden Missverständnis in der Allmendedebatte auf. Diese wurde angestoßen durch einen biologistischen Artikel zum Thema „Tragik der Allmende“ von Garrett Hardin. Seiner Meinung nach ist es ein unausweichliches Schicksal der Allmende überausgebeutet zu werden, weil jeder einzelne Nutzer für sich immer so viel wie irgend möglich rausschlagen wird. Diese von Hardin biologistisch gesetzte Annahme ist richtig allerdings nur in eben der Gesellschaft, in der nicht die Bedürfnisse ausschlaggebend für die Entnahme sind, sondern in der Bedürfnisse als potentiell unendlich gesetzt und gemacht werden. Hardin hat Recht, aber nur im Kapitalismus. Nur der Kapitalismus ist die Universalisierung der Gier, die den Commons notwendig den Garaus machen muss. Wenn man über Commons redet, aber über den Kapitalismus schweigt, wird also immer eine gute Portion Hardin mitschwingen.
Wenn man nun aber nach einer Produktionsweise sucht, die den Commons angemessen wäre, stößt man schnell auf die Peer-Production. Diese wird üblicherweise beschrieben als auf die immaterielle Sphäre beschränkt. Sehr richtig beschreibt Silke Hefrich dagegen die vielfältigen Verschränkungen des Materiellen mit dem Immateriellen:
„Materielles und Immaterielles ist ineinander eingeschrieben. Pflanzen sind die Trägersubstanz der genetischen Information die sie bergen. Die Dekodierung – in traditionellen oder wissenschaftlichen Erkenntnissen – ihrer Heilkraft ist geknüpft an diese Pflanze und die in sie eingeschriebene Information. Der kulturelle und soziale Aspekt von Landschaft komponiert sich aus Anfassbarem: aus Wasser, Bergen, Erde, Bäumen aber auch aus Nichtanfassbarem: Dem Himmel über und der Stille um uns. Die Ideen sind fixiert zwischen Buchdeckeln, also auf dem Holz der Bäume, die für sie gefällt wurden. Selbst die These von der nahezu unbegrenzten Reproduzierbarkeit von Ideen und Information im digitalen Zeitalter findet ihre Grenze im Verbrauch von Ressourcen und Energie für Hardware und Übertragungswege. Inhalt ist immer “aufgesteckt” auf irgend etwas. Keine Idee ohne Substanz, die sie trägt.“
Wenn nun also Die Peer-Production, die den Commons angemessene Produktionsweise ist und die ansonsten hier und heute übliche Produktionsweise den Commons schadet, wäre doch die naheliegende Schlußfolgerung: Wir müssen uns auf die Suche machen nach einer Produktionsweise, die den Commons angemessen ist, dem Commonismus, materiell und immateriell. Diese Antwort bleibt (noch?) aus. Ein erster Ansatz Peer-Production auf materielle Güter auszuweiten, der noch immer viel zu wenig diskutiert wird, ist Christians Buch zur Peerconomy.
Ich will noch auf einen anderen Aspekt aus dem genannten Artikel eingehen. Es wird dort betont, dass es nicht so sehr auf die Eigentumsordnung ankommt:
„Aus dieser Perspektive auf Konflikte zu schauen heißt oft, jenseits der bisweilen unfruchtbaren Polarisierung um Markt versus Staat, Öffentlich versus Privat, Kooperation versus Konkurrenz zu argumentieren. Jenseits von Markt und Staat, wie die Friends of the Commons sagen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Commonstheorie lautet meines Erachtens: “government ownership, private ownership, and community ownership have all succeeded as well as failed to insure long term sustainable commons management”, so schreiben Ostrom und Laerhoven kürzlich als Resümee der Analyse institutioneller Erfahrungen im natürlichen Ressourcenmanagement.“
Dem kann ich nur zustimmen würde allerdings ergänzen, dass alle diese dort genannten Eigentumsformen ja nur Subformen der grundsätzlich im Kapitalismus üblichen Form des Eigentums sind. Auch das ist ja bekanntlich historisch gewachsen und nichts natürliches, wie wir von Sabine Nuss und Christian Schmidt gelernt haben. Dass alle diese Subformen mit den Commons nicht zurechtkommen liegt genau daran. Dass sie alle eben doch manchmal zurechtkommen liegt daran, dass die Gier eben nicht universalisierbar ist und es deshalb im Kapitalismus, immer Ritze, Nieschen und Keimformen geben wird. Diese suchen sich dann die am ehesten passendsten Eigentumsformen, die es eben gibt. Das geht dann bei den Allmendebesetzungen der Digger los und endet noch lange nicht bei den Copyleft-Lizenzen.
wenn man das problem der tragik der allmende nicht aus dem blickwinkel der „unbegrenzten bedürfnisse“ betrachtet, und nicht allen menschen unterstellt, nur von zwölf bis mittag denken zu können, bleibt noch das problem des (nichtlinearen) bevölkerungswachstums.
die reproduktionskraft der erde ist begrenzt (und bitte packt mich jetzt nicht der einfachheit halber in die falsche ecke.) bei jared diamond finden sich da viele beispiele. deutsche ökobauern müssen eingestehen, sollte die gesamte landwirtschaftliche produktion auf „nachhaltig“ umgestellt werden, könnte der bedarf nicht gedeckt werden (subtrahiert man die produkte, die auf grund künstlicher verknappung vergammeln siehts vielleicht etwas besser aus…)
gut, ich bin wie immer etwas am thema vorbei, nur muss sich diesem problem ja früher oder später auch eine peer-production stellen.
@er: Es gibt eine Studie, das globale Biolandwirtschaft möglich ist, weil global betrachtet eher ertragreicher(!) als das jetzige vorgehen. Leider finde ich das nicht mehr, war mal in unserem Empfehlungsfeed. Errinnert sich wer?
Auch das Bevölkerungswachstum ist ja nicht naturgegeben. Die Anzahl der Menschen wächst exponentiell, das kann so oder so nicht mehr lange weitergehen. Es gibt die These, dass das mit dem Patriarchat zusammenhängt, weil der Patriarch sich durch Kinderreichtum auszeichnen muss(te). Hab ich so mal bei Maturana gelesen, ich glaube in „Liebe und Spiel“ (oder andersrum?).
Lieber Benni,
Danke für die ausführlichen Bezüge auf unseren Blog und für die Blumen. Auf dem Blog gibt es durchaus allerhand Historisches zu lesen. Aber er ist erst ein paar Monate alt, soll und wird weiter wachsen. Allerdings legen wir großen Wert darauf, den Allmendebegriff ein bisschen zu entstauben. Viele Leute denken immernoch an `glücklich grasende Kühe auf Schweizer Almen` wenn sie „Allmende“ hören (so ähnlich hat das Bernd Lutterbeck mal formuliert).
Uns geht es schon um eine Commonsdebatte, die klassische Kriterien von Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie mit den „New Commons“ (und der ihnen angemessenen Produktionsweise) der Wissensgesellschaft verbindet. Dabei kann man nicht immer alle Ideen zur Verregelung und Institutionalisierung auf alle Commonskategorien übertragen. Das scheinst Du aber zu tun.
Es gibt tatsächlich ein „ganz tief sitzendes Missverständnis in der Allmendedebatte“, das auf Hardin und der famosen Metapher von der “Tragik der Allmende” beruht. Es ist allerdings nicht das, was Du benennst. (wobei die Hardinsche Grundannahme vom Menschen als bloßer Nutzenmaximierer auch nicht haltbar ist, da hast Du schon recht. Der Mensch ist jedoch auch Nutzenmaximierer – und dass dürfen wir wiederum nicht übersehen)
Also, das Mißverständnis ist: Hardin hat für natürliche Ressourcen(systeme) – also rivalisierende Güter – open access Situationen analysiert. Und festgestellt: Da passiert Übernutzung quasi zwangsläufig.
Und für genau solche Situationen hat er auch meistens Recht. Dann hat er aber Open Access Situationen nicht sauber von in Gemeinbesitz befindlichen Ressourcensystemen getrennt und flugs behauptet: Übernutzung passiere zwangsläufig bei Ressourcen, die sich in Gemeinbesitz befinden.
Und in dem Punkt irrt er (und mit ihm Heerscharen von Ökonomen und Politikern) Natürliche COMMONS sind nicht Open Access, vielmehr gehören sie in der Regel einer spezifischen Gemeinschaft (Kollektive, Gemeinde; manchmal auch dem Staat) die dann Zugangs- und Nutzungsregeln (inkl. Beschränkungen) festlegt, um Übernutzung zu vermeiden.
Genau dass klappt bei Global Commons nicht. U.a. daher das Problem mit dem Klima, der Biodiversität…
Also: Hardin hat Recht, aber nur für natürliche Ressourcensysteme in open access Situationen; im Kapitalismus wie im Sozialismus. Seine Metapher und das darauffolgende tiefsitzende Mißverständnis hat der Commonsdebatte erheblichen Schaden zugefügt.
Zur Diskussion um die Produktionsweise erstmal nur soviel: Es gibt nicht DIE DEN Commons angemessene Produktionsweise. Fürchte ich. Wir müssen immer fragen;
von welcher Ressource reden wir? Wie funktioniert sie ökonomisch? Welche Gemeinschaft steht zu ihr in einer besonderen Beziehung/ist anspruchsberechtigt? Welche Rechtesysteme existieren schon/ sind hilfreich für eine Bewirtschaftung der Commons, die zwei Sachen sichert:
1. dass die Ressource erhalten bleibt, bzw. sich erweitert, Innovation und Kreativität fördert.
2. dass sie immer wieder an die Gesellschaft zurückfällt.
Das ist eine der wenigen Aussagen, die aus meiner Sicht für alle Commons gilt.
Man kann freie Software als Alternative zu Microsoft aufbauen.
Aber keine „Freien Transgenen Organismen“ als Alternative zum Genamipulierten Saatgut Monsantos. Man kann in der Natürlichen Welt nicht de-buggen. Das ist auch ein zentraler Unterschied zwischen den unterschiedlichen Commonskategorien.
Beste Grüße vom Commonsblog
Silke
@silke: ich habe echt ein problem mit dem negativ konotierten begriff nutzenmaximierer. als mensch und nutzenmaximierer bin ich doch daran interessiert, „dass die Ressource erhalten bleibt, bzw. sich erweitert, Innovation und Kreativität fördert“ (das ist, so behaupte ich, auch der eigennutzbegriff bei adam smith), dann braucht es auch keine erzwungene exclusion („Kollektive, Gemeinde; manchmal auch dem Staat“).
sonst geb ich dir recht, „Man kann in der Natürlichen Welt nicht de-buggen.“
@Silke: Zum Nutzenmaximierer: Das macht doch in dieser Abstraktheit keinen Sinn. Da geht es doch immer drum welchen Nutzen ich meine. Und so lange das ein Nutzen ist, der an menschliche Bedürfnisse gekoppelt bleibt und nicht an den sich selbstverwertenden Wert, funktionieren auch die Commons. Das ist eine Aussage, die ich sehr wohl für verallgemeinerbar halte. Das wäre mein Punkt 3. in Deiner Liste. Ansonsten klar, wie das dann inhaltlich aussieht, das kann ganz unterschiedlich sein, schrieb ich ja auch schon. Das ist ja gerade der Witz an der neuen Produktionsweise, die wir suchen: Sie nimmt wieder Rücksicht auf Inhalte, genau das tut der Kapitalismus ja eben nicht und deshalb haben in ihm die Commons einen so schweren stand.
Zum Debuggen: Das mit dem debuggen ist im übrigen auch in der „unnatürlichen“ (was sollte das sein?) Welt nicht so viel anders. Wer einmal eine Webapplikation administriert hat, weiß wovon ich rede. Da ist ein Fehler auch sehr schnell nicht mehr rückholbar… ganz zu schweigen von Steuerungssoftware für technische Anlagen etc… ich wunder mich etwas, dass Du da wieder die scharfe Trennung aufmachst, die Du in Deinem Text ja sehr richtig verneint hast. Ich kenne im übrigen auch beide Arbeitsweisen, ich arbeite als Programmierer und hab (vor langer Zeit zugegeben) mal Zivi in einem Biotechlabor gemacht. So sehr unterscheiden die sich nicht. Der Hauptunterschied ist, dass die Debuggingzyclen extrem viel länger sind (Wochen statt Minuten). Aber daran arbeiten sie ja mit Hochdruck und da gibt es ja auch riesige Fortschritte in der Automatiserung von Gensequenzierung und so Sachen.
Hallo, noch kurz was zum „Nutzenmaximierer“ – ich beziehe mich auf den homo oeconomicus, der vor allem an der Realisierung kurzfristiger Gewinne interessiert ist, so wie er in der liberalen Wirtschaftstheorie absolut gesetzt wurde.
Ich selbst finde das natürlich auch verkürzt und hinkend und stimme Euch perspektivisch ja zu.
Interessant die Differenzierung, die Du zum de-buggen machst, Benni. Aber frag mal einen Agrarexperten, ob er mit der Idee etwas anfangen kann, dass einfach der Debuggingzyklus länger ist, um einmal freigesetztes genmanipuliertes Saatgut wieder „einzufangen“. Natürlich müssen wir alle Arten von commons programmatisch-politisch zusammen denken. Nur dann kann die Debatte Wirkungsmacht entwickeln. Aber wir dürfen doch die Unterschiede zwischen natural ressource systems und commons of the minds nicht aus den Augen verlieren. Ich habe weit und breit keinen vernünftigen Text zur Politischen Ökonomie der Commons gefunden, der sich auf alle Commonskategorien beziehen würde. Das ist kein Zufall. Wenn Ihr da helfen könnt, wäre ich sehr dankbar.