Buch: »Die Befreiung der Information«

André Spiegel hat vor ein paar Monaten ein nettes kleines Büchlein über »GNU, Linux und die Folgen«, wie es im Untertitel heißt, herausgebracht. Der Autor konnte einen Verlag überzeugen, das Werk sowohl kommerziell zu vertreiben und wie auch den freien Download unter einer Creative-Commons-Lizenz zu akzeptieren — geht doch! Was steht drin? Eine nachgereichte Rezension…

Das Buch ist sehr locker geschrieben und gibt einen guten, aber für ExpertInnen etwas oberflächlichen Einstieg in »GNU und Linux« als den »Grundlagen einer Revolution«. Die Geschichte von Stallman und dem Drucker wird erzählt, die vier Freiheiten freier Software und die GPL werden erklärt; dass Linus Torvalds eine neue Produktionsweise etablierte, wird allerdings verpasst. Klar, Eric Raymond kommt vor und »open source« als Marketingbegriff. Dann noch ein bißchen Lizenzstreit, weshalb es heute mit KDE und GNOME zwei prima Desktops gibt.

Der Autor scheint ein persönliches Faible für Kryptografie zu haben — gleich ein ganzes Kapitel ist dem gewidmet. Mir erschließt sich nicht, warum das im Kontext des Buches soo wichtig ist.

Die nächsten drei Kapitel befassen sich mit den anwendungsorientierten Themen »Musik«, »Film« (hier geht’s nochmal in die Kryptografie) und »Wort«. Hier werden Filesharing, DRM und freie Bücher. Für den Autor ist die Tendenz zur vermehrten (auch illegalisierten) Verbreitung von Informationsprodukten nicht mehr aufhaltbar. Sie sei aber insofern nichts grundsätzlich Neues, als das es historisch stets Technologien gab, die verschwanden und mit ihr die Möglichkeit, damit Geld zu machen.

Ein interessantes Kapital ist das über Kooperation, und zwar wegen zweier Beispiele, die mir in der dargestellten Form neu waren. Im Grunde veranschaulicht der Autor hier ein Phänomen, dass Lovink/Spehr mal präziser als »aus-kooperieren« bezeichnet haben. Beispiel 1 handelt von einem Schachduell, bei dem der damalige Schachweltmeister Garri Kasparov fast von einer 15-Jährigen »aus-kooperiert« wurde. Das zweite Beispiel beschreibt den Fall der CD-Titel-Datenbank CDDB, die ursprünglich mal frei startete, dann aber privatisiert wurde, weil zwar die Software unter der GPL stand, aber vergessen wurde, die kooperativ gesammelten Inhalte unter eine Freie Lizenz zustellen. In kürzester Zeit gelang es jedoch dem FreeDB-Projekt gleichzuziehen. Diesen Fehler hätte dann — das ist das dritte Beispiel — das Wikipedia-Projekt nicht noch einmal gemacht: Die Freiheit der Inhalte ist hier durch die GFDL geschützt.

Im letzten Kapitel, das den Titel des Buches trägt, resümiert der Autor die dargestellten Inhalte anhand dreier »Faktoren«: Kopie, Kommunikation/Kooperation und Ökonomie. Während die ersten beiden Faktoren schnell abgehakt sind, fand ich bemerkenswert, dass jemand, der keine warenkritischen Absichten hegt, über die ökonomischen Konsequenzen nachdenken will. Um sich nicht zu schnell Kritik von den Kommerz-Heiligern zuzuziehen, versichert er vorab:

»Es kann nicht genug betont werden, dass keine der erwähnten Bewegungen ihrem Wesen nach anti-kommerziell ist.«

Anschließend erklärt er durchaus überzeugend, warum die Effekte eigentlich doch darauf hinauslaufen: Informationen und Produkte, die darauf basieren, seien »als ein freies Gut zu betrachten«. — Aber wieso »betrachten«? Informationen sind ein Universalgut, die erst durch Privatisierung in eine proprietäre Form geraten — das sagt auch das Wort »proprietär«: eigentumsförmig. Der Titel des Buches müsste also eigentlich lauten: »Die Befreiung der privatisierten Information«.

Das ist dem Autor auch irgendwie klar. Zu den Konsequenzen schreibt er:

»Kurzfristig wird das bedeuten, dass manche, die bisher mit der Herstellung von Information, bisweilen auch mit deren künstlicher Verknappung, ihr Geld verdient haben, sich nach neuen Erwerbsmöglichkeiten umsehen müssen.«

Die besten Sätze des Buches, mit denen der Autor er nette Perspektive jenseits der Lohnarbeit aufmacht, stehen dann schließlich am Ende:

»Es wird in der Zukunft immer weniger Gelegenheiten für reine Erwerbsarbeit, und immer mehr für wirkliche Arbeit geben. Die Menschen werden Probleme nicht mehr darum lösen, weil sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen müssten, sondern weil diese Probleme wichtig sind, drängend, oder auch faszinierend.«

Das ähnelt dann auch der Utopie, über die Benni aus dem MAME-Projekt berichtet hat:-)

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