Elinor Ostrom vs. Karl Marx

Retten die „Commons“ die Welt oder müssen sie selber gerettet werden? Eine Kritik zur Idee der ökologischen Allmenden

von Nikolaus Weihe und Conrad Kunze

Dieser Artikel war ursprünglich für die Veröffentlichung im Studentischen Soziologiemagazin gedacht, das ihn jedoch als „zu ideologisch“ ablehnte.

Elinor Ostrom erhielt im Jahr 2009 den Wirtschaftsnobelpreis für ihr empirisches und theoretisches Werk zu Allmenden, sprich Gemeingütern, im Englischen commons genannt. Wer im Kapital Band II nachschlägt, findet einige Gedanken von Marx zu den „enclosures“. Dass Marx das Gegenteil von Ostrom schreibt ist dabei keine Überraschung, bietet aber einen Standpunkt, von dem sich argumentieren lässt.

Noch immer sind die „commons“ en vogue als Antwort auf die ökologische und wirtschaftliche Krise der Gegenwart. Doch was sind eigentlich Allmenden? Üblicherweise zählen dazu ökologische Güter wie Fischbestände, Wälder und Weideland, aber auch nicht lokalisierbare Ressourcen wie die Ozonschicht, die genetischen Vielfalt der Biosphäre, open source Software, die Internetinfrastruktur und andere Güter, die weder zum privaten noch staatlichen Besitz gehören. Als Aspekt des Gemeingutes kann auch ein stabiles globales Klima gelten, dessen Gefährdung indirekt schon Aristoteles ansprach: „das Gut, das den meisten zugänglich ist, genießt die geringste Pflege.“ (Aristoteles 350) Eine Denkfigur, der sich die meisten gegenwärtigen Ökonomen anschließen und folglich die Privatisierung als Allheilmittel empfehlen. Dem widersprechen nicht nur Autoren wie Ostrom. Auch in der Praxis, wie etwa an der open-source Bewegung beobachtbar, lassen sich erfolgreiche Gegenbeispiele finden. Im zweiten Band des Kapitals findet der geneigte Leser einige Seiten über Gemeingüter, worin Marx sowohl deren vollständiges Verschwinden als auch sich daran verschärfende Klassenwidersprüche zwischen Besitzern und Besitzlosen in blumigen Szenen am Beispiel englischer Schafweiden beschreibt. Ostrom hingegen bewirbt die Wiederentdeckung der Allmenden als alternative Besitz- und Organisationsformen um Bewässerungssysteme, Wasserreservoirs, Wälder, Fischbestände und Böden vor der Zerstörung durch eben jene historischen Prozesse fortschreitender Privatisierung zu retten. Herrschaft, Akkumulation und Kapitalverwertungslogik sind nur einige Elemente, die in Ostroms Werk fehlen, dabei liegt hier eigentlich der Hase im Pfeffer.

Marx über die „commons“

Dass Gemeineigentum in Privateigentum und manchmal auch in Staatseigentum überführt wird ist keine Neuheit, sondern eine Grundtendenz des Kapitalismus. Eine der zentralen Grundlagen menschlicher Produktion und Reproduktion ist der Ackerboden, welcher den feudalen und klerikalen Nutzungsrechten entzogen wurde, um ihn zunehmend dem Markt als privatrechtlich handelbare Ware verfügbar zu machen. Damit wird auch der Boden dem Zugriff liquiden Kapitals zugänglich gemacht, auf seiner rastlosen Suche nach gesteigerten Renditen, also höheren Erträgen. Was allgemein Effizienzsteigerung genannt wird, bedeutet bekanntermaßen Effizienz im Sinne der erzielten Marktpreise bzw. optimierter Gewinne. Wenn die Schafwolle einer englischen Weide also mehr bringt als die Landwirtschaft auf derselben Fläche, bedeutet das eine “sinnvolle“ Gewinnsteigerung und wenn Überweidung mehr bringt als ökologisch langfristig tragbare Beweidung, ist das ebenfalls eine -wenn auch kurzfristige- Effizienz- und Gewinnsteigerung. Wie stark eine Fläche über-nutzt wird ist freilich abhängig vom temporären Erwartungshorizont des investierten Kapitals. Je kürzer der Bewirtschaftungszeitraum ist, je schneller also Renditen ausgezahlt werden sollen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit ökologischer, da es dann ökonomisch „rationaler“ ist, einen Wald für einen einmaligen Profit abzuholzen statt nur soviel Holz zu schlagen wie langfristig nachwächst. Die gleiche Frage stellt sich in der Landwirtschaft, der Wassernutzung und globaler auch beim klimatischen Gleichgewicht, dessen Schutz laut Sternreport (Stern 2006) langfristig wesentlich billiger kommt als die Kosten seiner Zerstörung. Bekannterweise setzt die ökonomische Logik derzeit in zu hohem Maße auf kurzfristige Ausbeutung und ignoriert die langfristigen Schäden und Kosten ohne die kleinste Sorgenfalte.

Derart destruktive Tendenzen analysierte Marx auch anhand des englischen Bodens, der einmal zur Ware geworden, sprich „kommodifiziert“, dem Gesetz der Kapitalverwertung unterliegt. Dies schließt kurzfristige Effektivitätssteigerung zwecks Profitsteigerung ein und muss dies sogar, denn so wie sich die Arbeitskraft verkaufen muss, um existenzieller Not zu entgehen, so muss sich das Kapital in immer neuen Anlageformen reproduzieren, um seinem inflations- und zinsbedingten Verfall zu entgehen. Wenn die Bedingungen hierfür nicht gut genug sind, schafft sich das Kapital ein günstigeres Umfeld. Was Marx an einigen historischen Beispielen ausmalt: Bauernvertreibung in England -weil Schafzucht weniger arbeitsintensiv ist als Ackerbau-, Enteignung der Kirche – damit ihr Land ver-marktlicht werden kann und Bestrafung der arbeitsunwilligen zu Vagabunden gewordenen Bauern. Heute hieße dies: Hartz IV. Statt Land werden freilich auch weniger greifbare Güter kommodifiziert1 wie etwa Bildung und Gene, wobei die Vertreibung durchaus wieder die Bauern trifft, nämlich jene die weiterhin nicht-gen-manipuliert anbauen wollen.2 Freilich ging mit der Enteignung und Vermarktlichung des Bodens auch eine Globalisierung von Abhängigkeitsverhältnissen einher. Die Abhängigkeitsketten wurden sozial und geographisch immer länger. Zuvor nicht-lohnabhängige englische Bauern arbeiteten in Manufakturen, die Schafwolle von Schafen, die auf ihrem zuvor privatisierten Land grasten, zu Kleidung verarbeiten, die in anderen Teilen der Welt gegen Nahrung getauscht wird. Dafür erhielten die Arbeiter bekannterweise gerade genug um ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, sprich zu überleben. Hierin liegt für sie die Verschlechterung: statt Eigentümer ihrer Produktionsmittel und erarbeiteten Mehrwerte zu sein, erhalten sie nur noch das Notwendige zum Leben. Respektive zu heute: das, was ihre politische Vertretung in Form von Gewerkschaften und Parteien und Berufsverbänden für sie noch zu erkämpfen vermag. Im Gegensatz zu Marx wissen wir heute, dass auch der real existierende Sozialismus nicht ohne Enteignung des Bodens, Mechanisierung, Landflucht und Effizienzsteigerung auskam, und sonst wohl viel früher gescheitert wäre.

Es handelt sich also um kein exklusives Charakteristikum des Kapitalismus. Was beide Systeme unterscheidet ist eher die Verteilung des gewonnenen Surplus. Obwohl die Bevölkerungsgruppen, deren Land enteignet wird noch nie besonders davon profitierten, fallen Produktion und der Genuss des erzielten Mehrwerts in Zeiten beschleunigter Globalisierung doch noch weiter auseinander als in Marx‘ englischem Beispiel. So werden Bauern in Usbekistan oder West Afrika enteignet oder unter Druck gesetzt, ihr Land zu veräußern, damit dieses dann ökonomisch höchst gewinnträchtig (und ökologisch meist katastrophal) zur Baumwollproduktion für den Weltmarkt genutzt werden kann. Die Kleidung kommt aber erst nach zehn Jahren mit der Kleiderspende zurück, an Bauern, die weder ihre Baumwolle in den Städten selber verarbeitet haben noch einen finanziellen Gewinn aus der Baumwollproduktion erhalten konnten. Dieser fließt vielmehr an die Kapitalgeber zurück, die ihn, dem Zirkulationszwang des Kapitals folgend (Simmel 1900: 240ff.), wieder anderswo reinvestieren, nämlich da, wo noch fruchtbare Böden übrig sind. Die ausgelaugten Baumwollfelder überlassen sie nun gerne wieder den enteigneten Bauern, der Allgemeinheit oder dem Staat. Im Laufe des letzten Jahrhunderts sind im Zuge der industriellen Modernisierung auch die letzten großen materiellen Gemeingüter vermarktlicht worden. Böden in aller Welt wurden ihren ‚ursprünglichen‘ Verhältnissen entrissen. Das geschieht noch heute mit dem Ejido-Land in Mexiko, den Gebieten der Aborigines, der Tuareg, der Kleinbauern in Russland und in China. Überall wird Gemeingut in marktwirtschaftlichen Privatbesitz überführt.

Was in England begann, endet anscheinend im Amazonas, im mexikanischen Bergland, im Niger, in der australischen Wüste, freilich nicht für Schafwolle, sondern für die letzten Erze und Öl- und Uranvorkommen. Doch es zeigt sich noch eine andere Kehrseite technologieintensiver Effektivitäts- und Effzienzsteigerung von der Marx noch nichts ahnte: die Senken3 sind voll. Laut Meadows (Meadows/Meadows/Randers 2006) werden die verschiedene Grenzen des Ökosystems Erde überstrapaziert sein bevor die Ressourcen erschöpft sind, das heißt Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum werden nicht nur durch einen Mangel an „seltenen Erden“ und Rohstoffen, sondern an Trinkwasser und fruchtbarem Boden gebremst. Plötzlich ist die Menschheit genötigt, Gemeindeland wahrzunehmen, wo zuvor “open access”, terra nullius, oder sogar überhaupt kein Gut oder Objekt, das der Aufmerksamkeit wert ist, vermutet wurde: die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, die Versauerung der Meere oder die Artenvielfalt nehmen wir erst ex negativo als Gut war, wenn es verschwindet, als eben die Freiheit von sauren Meeren, CO2 angereicherter Luft, Feinstaub, radioaktiver Strahlung, chemischen Giften usw. Die Erkenntnis der (nicht intendierten) Schädlichkeit einer neuen Technologie folgt dieser meist in einem zeitlichen Abstand, der keine vollständige Regeneration mehr erlaubt.4 (Sieferle 1982)

Beide Phänomene zusammengenommen, die Entdeckung neuer gemeinschaftlicher Güter, dort wo ewiger Überfluss zu herrschen schien und die wissenschaftliche Erklärung des sozial-ökologisch-sozialen Rückkopplungsprozesses, in dessen Verlauf die Expropriateure selber ökologisch expropriiert werden, hat zum Aufstieg der Allmende-Theorie geführt, die wir Dank Ostrom im neuen Kleide vor uns haben. Doch wer von Allmende spricht, soll von Akkumulation und Enteignung nicht schweigen! Marx meinte, dass die kapitalistische Produktionsweise, die auf die Enteignung von Gemeingütern gründet, schließlich einen so hohen Grad der Akkumulation (und damit verbunden Ungleichheit) und Zentralisierung erreicht, dass sie sowohl der Mehrheit die Motivation nimmt, die Verhältnisse länger zu dulden als auch dass sie “unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle” und dem Fortschritt der Produktionsverhältnisse zur Fessel (Marx 1867: 791). Das ist, abgesehen von dem bekannten 80 jährigen Intermezzo, nicht eingetreten. Zur Fessel ist vielmehr der Nationalstaat geworden, und der wird zunehmend entmachtet, ohne dass die Verkehrsform des Kapitalismus bisher darunter leidet. Zur zu engen Hülle aber wird nicht die kapitalistische Produktionsform sondern die Erde selber. Da sich die Enge aber immer als Enge für einige und zwar für die Ärmsten und Machtlosesten einstellt, kann sie vom Produktionssystem so weit ignoriert und integriert werden. Ressourcenknappheit und sich verschlechternde Lebensbedingungen werden durch ungleiche Verteilung von ökologischen in soziale Probleme weitergegeben, und erzeugen wiederum einen neuen Markt, zum Beispiel für sauberes Trinkwasser, Bio-Lebensmittel, frische Luft, ein Grundstück am Rand von Hamburg, das nicht von steigendem Wasserpegeln betroffen ist uns so weiter. “Aber die kapitalistische Produktion erzeugt mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses ihre eigene Negation.” (Marx 1867: 790) In gewisse Weise hat Marx also auch dies vorhergesehen. Der Satz müsste heute jedoch anders enden, nämlich: sie erzeugt die Negation der zu ihrer Reproduktion notwendigen Naturprozesse. (Vgl. O´Connor 1996) Diese Negation deutet sich heute nicht alleine in der sozialen Verarmung an – die freilich auch global outgesourct wird- und der Entstehung ineffizienter Monopole, sondern in der Negation ihrer stofflichen, biologischen Grundlage, indem die zu expropriierenden Bodenschätze, die fruchtbaren Böden (gespiegelt dazu: die Senken) so knapp werden, dass eine Steigerung der Produktion immer schwieriger zu erreichen ist.

Wenn die Nettoproduktion aber zurückgeht, so verliert der Kapitalismus eine entscheidende Legitimationsgrundlage: Vermehrung des materiellen Wohlstands. Es wird dann nur noch Gewinnsteigerungen durch Umverteilung, aber eben keinen netto Quantitätszuwachs mehr geben. Die somit systemisch produzierten Widersprüche werden als ökologische Kosten an die gesamte Menschheit weitergegeben. Gleichzeitig, und wohl auch nur dadurch, können weiterhin Profite für die Minderheit der gut situierten Kapitalbesitzer produziert werden, um den Preis der Enteignung der letzten Kollektivguter/Gemeinschaftsguter: der Atmosphäre, des klimatischen Gleichgewichts, der Küstenstreifen, nicht-toxischer Landstriche und der Artenvielfalt. Der Kapitalismus kann gar nicht anders, als diese neu entstehenden Märkte wieder zu einem Feld der Geldverwertung und Profitmaximierung zu machen. Es liegt nicht im Interesse der Profit/Markt-Konstellation, demokratisch verwaltete Allgemeingüter zu schaffen, weil ohne Knappheit gar kein Gut vorliegt, wo Trinkwasser kostenlos ist, kann keines verkauft werden. Ohne knappes Gut kann kein Kapital verwertet werden. Daher ist die leise vorgetragene Forderung Ostroms, nach gemeinschaftlich demokratischer Verwaltung/Kontrolle des Privateigentums richtig, um die ökologischen Allgemeingüter zu retten, oder sogar wieder herzustellen und doch ist sie in diesem Akkumulationsregime unmöglich. Indirekt scheint das auch bei Ostrom angedeutet, denn die von ihr angeführten Allmende-Erfolgsgeschichten sind nur erfolgreich in der Vermeidung ihrer Übernutzung durch Beschränkung der Mittel ihrer Nutzung (zum Beispiels nicht-motorisierte Fischerboote) und der askriptiven Beschränkung ihrer Nutzer. So werden die Rechte am mexikanischen Ejidoland an die ältesten Söhne vererbt. Die von ihr beschriebenen Mechanismen waren aber insbesondere da möglich, wo noch nie eine Marktform vorgeherrscht hat.

Die von Ostrom beschriebenen Kollektivgüter wurden noch nie quantifiziert, in-wertgesetzt und ver-geldlicht. Diese vormodernen Allmenden sind zwar ein kultureller Schatz an Ideen, aber nicht unbedingt direkt übertragbar auf die drängenden globalen Allmendedilemmata. Das weiß auch Ostrom, wenn sie schreibt, dass die von EU und Kyotoprotokoll stets beworbenen Quantitätsbeschränkungen, als marktförmige Lösungen ungeeignet sind, wie sich an zu hohen Fischfangquoten und ineffizientem CO2 Handel regelmäßig zeigt (Ostrom 2005). So war auch die große Erfolgsgeschichte der internationalen Umweltpolitik, das schnelle und weltweite FCKW Verbot der 80er Jahre, gerade kein Ergebnis von Quotenregelungen, sondern einer gezielten politische Beschränkung der Produktion. Vielleicht lassen sich also doch einige Erkenntnisse aus Ostroms Fallstudien auf globale Ebene verallgemeinern. Dann gäbe es zwei Lösungen für globale Umwelt-Allmenden. Zum einen könnte die Logik der Kapitalverwertung gebrochen werden, indem die zulässigen Mittel beschränkt werden (nur noch kleine Fangschiffe, restriktive Erdölextraktion) oder aber wichtige Güter wie Land werden dem Markt entzogen und in ein Allmendebesitzrecht überführt. Das klappt allerdings kaum bei unteilbaren Gütern wie Luft und Ozeanen. Ein weiteres Problem ökologischer Gemeingüter ist das ihrer gerechten Verteilung, das sich um so dringlicher stellt als ihrer andauernden Zerstörung kein Einhalt geboten wird. Bei zunehmender Verknappung führt die Verteilung über den Markt zum Ausschluss immer größerer Gruppen der Bevölkerung, insofern sich der Ausschluss aus bezahlter Arbeit und die daran gekoppelte Teilhabe an Dienstleistungen weiter fortsetzt.

So wie es dem Kapitalismus in seiner historischen Genese gelungen ist, kurzfristige Enteignung der geschaffenen Werte immer weiter auszuschließen, bis zur höchsten Stufe, dem „possessiven Individualismus“, so müsste es einem nachhaltigen Wirtschaftsregime gelingen, darüber hinaus die kurzfristige Ausbeutung von Ressourcen und Menschen auszuschließen.5 Als der Kapitalismus noch ein zartes Pflänzchen war, in Genua, Venedig und Florenz des Spätmittelalters und im Holland der Reformation mussten die angehäuften Kapitalia ständig gegen Enteignung durch den Feudaladel verteidigt werden. Der systemische Druck gegen ein ökologisch und sozial nachhaltiges Wirtschaftssystem erscheint heute nicht weniger stark.6 Ein grundlegender Wandel wird daher nicht ohne Weiteres im großen Maßstab und erst recht nicht innerhalb der etablierten Machtstrukturen entstehen. Eine ökologische Wende muss daher auch lokal realisierbar sein, sie muss kleinteilig funktionieren und sich dort als Alternative gegenüber dem herrschenden Verwertungsregime beweisen. Ostrom hat deshalb ganz Recht wenn sie betont, dass nachhaltig bewirtschaftete ökologische Gemeingüter auf lokaler Ebene ein wichtige Rolle spielen. Mit Marx ist ihr entgegenzuhalten, dass das gegenwärtige Verkehrssystem durch die rastlose Suche nach kurzfristigen Gewinnen, die auch aus den verbliebenen nicht monetarisierten Gütern gepresst werden, angetrieben und nicht durch ökologische oder soziale Vernunft gelenkt wird. Eine Lösung der globalen Allmende-Dilemmata ist deshalb nur möglich in Verbindung mit einem Systemwandel.

Literatur

Aristoteles, Politik, Buch II, Athen 350 vor Christus

Marx, Karl, Das Kapital, London 1876 [Berlin 1973]

Meadows, Donella/Meadows, Dennis/Randers, Jørgen, Die neuen Grenzen des Wachstums, Reinbeck 1998

O´Connor, J., The Second contradiction of Capitalism, In: The greening of Marxism, New York 1996

Ostrom, Elinor, Understanding Institutional Diversity, New Jersey 2005

Sieferle, Rolf Peter, der unterirdische Wald, München 1982

Simmel, Georg, die Philosophie des Geldes, Leipzig 1900 [Frankfurt am Main 1989]

Stern, Niclas, Stern Review on the Economics of Climate Change, London 2006

Anmerkungen

1 kommodifizieren = ver-dinglichen was eine Vorstufe der Ver-marktlichung ist.
2 Was weniger auf Europa aber umso mehr auf Bereiche Nord- und viele Regionen Südamerikas zutrifft.
3 Als „Senken“ wird die Fähigkeit bestimmter Bereiche des Ökosystems bezeichnet eine gewisse Menge an Schadstoffen aufzunehmen. Was jeweils als „voll“ gilt, hängt freilich von verschiedenen Definitionen ab, laut Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist die „Senke Atmosphäre“ voll, wenn die 2 Grad Celsius Erwärmung erreicht ist.
4 Man denke hier an FCKW und andere Fluorwasserstoffe, die die Ozonschicht schädigen, an die vielen chemischen Additive in Nahrung, in Plastikartikeln, im Holzschutzmittel und in der Kleidung, deren Schädlichkeit erst lange nach ihrer Markteinführung erkannt und behoben wird. Oft ist es dann zu spät, wie die Atomkraft ein ums andere Mal wieder beweist. Als erste Großtechnologie, welche schon vor ihrer Einführung aufgrund ihrer Risiken massiv abgelehnt wird dürfte die Genmanipulation von Menschen, Tieren und Pflanzen gelten.
5 Unter Ausbeutung ist hier auch der Verbrauch ökologischer Senken zu zählen, also die Emission von Schadstoffen aller Art!
6 Unter einem Problem leidet allerdings dieses System. Es kann die “anderen” in vielen Punkten nicht von seinen Gewinnen ausschließen. Saubere Luft, sich regenerierende Fischbestände und saubere Küstengewässer kommen auch den “schmutzigen” Nachbarn zugute, die fröhlich weiter verschmutzen. Dieses ökologische Trittbrettfahrerdilemma lässt sich nicht ohne weiteres ausschließen (es sei denn durch Importzölle die den Exporteure mehr belasten als den Importeur). Freilich verbleiben genug ökologische Gewinne, durchaus lokal, bei ihren Produzenten: saubere Binnengewässer, nicht-zerlöcherte Landschaft, gesunder und fruchtbarer Boden für eine gute Lebensmittelversorgung, sauberere Luft und Küstengewässer, nicht kontaminiertes Grundwasser usw. Ebenso deutlich zeigen sich ja selbst heute immer noch die sozialen Gewinne der europäischen Arbeitnehmerrechte.

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