Schlagwort: marktversagen

Markt-Absurditäten. Heute: Ravioli

Es gibt seeehr viele, die wollen noch viele gute Haare am »Markt« finden. Immerhin gelinge doch die Ressourcen-Allokation, also die Verteilung der Waren an die Stellen, wo sie nachgefragt werden. Und wie das gelingt.  Das zeigt der Film »Ravioli – Träume in Dosen«, heute 23:10 Uhr auf ARTE. Absurditäten in Dosen:

Die Tomaten wachsen in Portugal. In einer Fabrik in der Nähe von Porto werden sie zu Soße verarbeitet. Der Weizen für den Ravioliteig wächst in der Ukraine. Das Fleisch für die Füllung stammt von deutschen Schweinen und Rindern, die allerdings aus Kostengründen nicht in Deutschland geschlachtet werden. Die Tiere werden in polnische Schlachthöfe transportiert. Alle Zutaten kommen in Frankreich zusammen. Dort werden sie zu Ravioli verarbeitet. Ein Spediteur sorgt für den Lkw-Transport der fertigen Ravioli nach Finnland. Und in Finnland gelangen die Ravioli endlich an den Verbraucher.

Grandios, dieser Markt.

Landgrabbing ist Agrarimperialismus

… stellt der Wirtschaftsjournalist Tomasz Konicz fest. Damit weist er ungenannt die Überlegungen der bekannten Commons-Forscherin Ruth Meinzen-Dick zurück, die im großflächigen Aufkauf von Land (Landgrabbing) eine Chance für Investitionen und Jobs in Entwicklungsländern erblicken wollte — und damit Irritationen in der Commons-Community ausgeöst hat.

Konicz stellt klar, dass die neuen Agrarstrukturen — Abbau von Subventionen, Landverkauf, Marktöffnung — den armen Ländern im Rahmen des Washington Consensus aufgezwungen wurden. Sie führten zur Zerstörung der ursprünglichen eher subsistenz- und commons-orientierten lokalen Produktionsstrukturen. Die jetzige Hungersnot ist Ostafrika hat nicht nur Trockenheit und Bürgerkrieg als Ursachen, sondern ist wesentlich »marktgemacht«. Wer jedoch den Markt nur als neutrale Austausch-Instanz betrachtet, muss diesen Zusammenhang übersehen. Konicz bringt es auf den Punkt:

Das kapitalistische Marktsystem versagt …: Derzeit besteht in Somalia oder Äthiopien keine gesteigerte Marktnachfrage nach Lebensmitteln, obwohl dort Menschen massenhaft verhungern, [da] (…) »Marktnachfrage« »kaufkräftige Nachfrage« ist und nicht etwa der Deckung menschlicher Grundbedürfnisse dient, sondern nur eine Etappe im Rahmen der Kapitalverwertung ist.

[Update] Eine weitere Kritik an der Marktideologie.

Einschluss statt Ausschluss

[Vgl. dazu auch: »Which Commons Sense?«]

In der entwicklungspolitischen wie in der linken Szene ranken sich die Diskussionen oft entlang griffiger Begriffe. Nach Nachhaltigkeit, Neoliberalismus, Globalisierung und Multitude geht ein weiteres Zauberwort herum: die Commons. Und schon haben die Stars der Globalisierungskritik, Antonio Negri und Michael Hardt, mit „Common Wealth“ den Bestseller zur Debatte veröffentlicht (siehe iz3w 319).

Doch was sind die „Commons“ eigentlich? Sind dabei vor allem Gemeingüter wie Wasser und Boden gemeint, die allen gehören sollen? Geht es um frei verfügbare Dienstleistungen wie z.B. Freie Software oder Bildung für alle? Was ist am Gemeinschafts-Konzept der Commons kapitalismuskritisch, was nicht?

Einschluss statt Ausschluss — Commons jenseits des Kapitalismus

Von Stefan Meretz

Der Kapitalismus hat mit seinen Imperativen erfolgreich Handeln, Denken und Fühlen der Menschen besetzt – weltweit. Seine unerbittliche Logik gibt sich wie ein natürlicher Zusammenhang. So erscheint auch den kritischsten KritikerInnen »Wirtschaft« als das Selbstverständlichste von der Welt. Gleichzeitig ist der Kapitalismus in einer ökonomischen Krise, und auch seine Akzeptanz schwindet. Dies allerdings bedeutet nicht, dass seine Imperative zur Disposition stehen. Die scheinbar in Beton gegossene Unhinterfragbarkeit seiner grundlegenden Mechanismen wurde und wird immer wieder auch durch antikapitalistische Ansätze bestätigt. Alle Erzählungen sind erzählt und probiert: Die Linke in ihrem Lauf hält den Kapitalismus dennoch nicht auf.

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Wie das Fliegen regeln?

Die Pole der ökologischen Diskussion sind meistens Markt und Staat. Doch die Commons-Diskussion lehrt: In dieser Polarität ist nichts zu holen, wir müssen jenseits der Pole denken. Die Markt-Staat-Dualität führen der Grüne Winfried Hermann und der Linke Ivo Bozic in einer Diskussion um die Luftverkehrsabgabe in der Zeitschrift Jungle World exemplarisch vor — witziger Weise mit spiegelverkehrten Rollen: Hermann setzt auf den den Staat und findet die Luftverkehrsabgabe des schwarz-gelben Sparpakets gut, und Bozic auf der anderen Seite feiert den Markt als Schöpfer des Billigfliegens für »alle« und findet die Abgabe unsozial. Christian Lauk diskutiert diese Entgegensetzung und bringt viele Fakten ins Spiel (etwa: »alle«=7% der Weltbevölkerung).

Doch das Ping-Pong zwischen unsozialer Ausgrenzung (steigende Preise) und ökologisch schädlichen Effekten (steigende Emissionen) ist letztlich nicht auflösbar. Warum?

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Gegen Markt, radikal!?

GEGEN MARKT RADIKALAber hallo, das verblüfft mich ja nun doch! Ver.di tritt mit dem Slogan GEGEN MARKT RADIKAL zur Bundestagswahl auf. Eine bewusste Wortspielerei, die im Vorübergehen den Markt komplett in Frage stellt: RADIKAL GEGEN MARKT. Gemeint ist wohl eher gegen einen radikalisierten Markt, also GEGEN RADIKAL-MARKT.

Denn ver.di ist so treu wie alle anderen Gewerkschaften für den Markt. Alles andere ist denkunmöglich. In den Siebzigern hätten die ver.di-Vorläufer etwa texten können MARKT GEGEN RADIKALE. Aber heute? Liegt die naheliegende Lösung der Losung GEGEN MARKT, RADIKAL! so ganz außerhalb des Denkrahmens? Ist der Slogan also nur so raus- und durchgerutscht? Eine Freudsche Fehllosung? Ein unterbewusstes »endlich raus aus dem Scheiss«?

Jedenfalls konnte ich noch nie so fröhlich dazu stehen, dass ich ver.di-Mitglied bin (nicht nur das: ich lohnarbeite sogar dort — das als Disclaimer).