Commons und Geld
Bei Treffen des Commons-Instituts in Leipzig vom 29.10. bis 1.11. haben Denis Neumüller und ich einen Vortrag zum widersprüchlichen Verhältnis von Geld und Commons gehalten. Hier die Folien und der Audiomitschnitt — leider in mieser Qualität die erste Minute ist mies, dann ist die Qualität ok (Download Folien: PDF|ODP, Download Audio: OGG|MP3):
Was ist Geld?
Die Ansammlung von (ziemlich blöden) Zitaten scheint zu zeigen, dass die Commons (oder deren Theoretiker) auf Theorie oder wenigstens auf Geldtheorie verzichten. Mag sein, dass Geld in Commons unwichtig ist. Dass Geld als Sack , wo das Tauschen der Esel ist.
Die wesentliche Funktion von Geld liegt NICHT im Tauschen, sondern im Darlehen, respektive in der Bewertung von Kredit – was ich in der Commondiskussion bislang nicht gesehen habe, was aber – jenseits der hier gegebenen Folien – auch sehr gut an meiner eigenen Unbelesenheit liegen mag.
In dem Vortrag sollte deutlich werden, dass Geld ein gesellschaftliches Verhältnis ist hinter dem die Ware als Elementarform steht. Sowohl Geld ist Tausch wie Geld ist Schuld greifen also zu kurz.
ich würde vielmehr sagen „Geld ist ein gesellschaftliches Verhältnis …“ ist genau so kurz wie „Geld ist Tausch“.
Die Bedeutung von solchen Schlüsselwörter muss im je konkreten Fall entfaltet werden.
Wer Geld durch Tauschen bestimmt, akzentuiert und verallgemeinert einen isolierten und eher nicht sehr relevanten Aspekt der „Kapitalanalyse“ von K. Marx. Geld ist zwar die allgemeine Wertform, aber der Gehalt der Wertform-Analyse ist der Mehrwert, der durch Lohnarbeit entsteht. Mehrwertabschöpfung braucht kein Geld, das Geld ist zufällig. Deshalb ist jede Geldkritik, die die je gemeinten „gesellschaftlichen Verhältnisse“ nicht entfalltet auch zufällig.
Wie gesagt, ich kenne die Literatur nicht, aber ich nehme an, dass im Vortrag auch Menschen wie ich angesprochen sind. Commons die auf Geld und auf Tausch verzichten, verpassen das Wesen der marxschen Kapitalkritik. Sie müssten auf Mehrwertabschöpfung verzichten !! Und das kann ich dem Folien eben gerade nicht entnehmen (was ich – vielleicht vorschnell – auf ein nicht entwickeltes Geldverständnis zurückgeführt habe)
Geld als gesellschaftliches Verhältnis ist zwar sprachlich kurz, inhaltlich aber umfassend, denn hier setzt die Kritik an. Commons sind die Keimform eines qualitativ anderen gesellschaftlichen Verhältnisses => Vortrag.
Das würde ich wg. der Totalität des kapitalistischen Gesellschaftszusammenhangs bezweifeln, ist aber hier nicht so wichtig. Wichtiger ist diese Aussage:
Im Gegenteil: Sie erfassen sein Wesen, weil sie eben grad nicht nur das Tausch- oder Kreditmittel etc. kritisieren, sondern die basale Produktionsform ersetzen können: die Warenproduktion.
Das tun sie – idealiter unter commonistischen Bedingungen, denn sie sind Kern eines anderen sozialen Verhältnisses, dass nicht mehr über die abstrakte Wertvermittlung hergestellt wird. Realiter unter kapitalistischen Bedingungen sieht es notwendig widersprüchlich aus. Aber diese beiden Diskurse müssen sorgfältig unterschieden werden.
Hier steht wieder nicht, WIE auf die Warenproduktion verzichtet wird. Es macht vielmehr den Anschein als das der Tausch (und daann auch Geld) etwas mit Warenproduktion zu tun habe.
Die Warenproduktion ist aber durch denn spezifischen Tausch gegen ARBEITSKRAFT bestimmt, also ausschliesslich durch Lohnarbeit, vielleicht scheint das so klar, dass es nicht erwähnt werden muss.
Ich kenne kenne Bedingungen, die mich zwingen, jemandem Lohn zu geben, obwohl ich in der kapitalistischensten Welt lebe, die ich mir vorstellen kann.
Ich weiss aber, dass bei der Wikipedia beispielsweise (die oft als Common aufgefasst wird) viele Menschen im Lohn stehen.
@Rolf:
Siehe Vortrag, es gibt viele Formulierungen: Durch commonsschaffende Peer-Produktion etc.
Der Warentausch? Ja, selbstverständlich, womit sonst?
Arbeitskraft ist eine Ware, ja, aber nicht die einzige. Der Witz ist die getrennte Privatproduktion, die den Warencharakter der Güter erzwingt, weil die getauscht werden müssen, um gesellschaftlich zu zirkulieren. Die nix besitzen außer ihrer Arbeitskraft müssen eben die tauschen. Die Ware Arbeitskraft wird ebenso gegen Geld getauscht wie andere Waren auch.
Ja, wo ist das Problem? Du musst ja kein Kapital verwerten. Wenn du aber Kapital verwerten willst, dann muss du Arbeitskraft ausbeuten, weil nur die wertschaffend ist (Verwertungsvorgriffe durch Finanzspekulation klammere ich mal aus).
Dann weisst du auch, dass sie dort keinen Lohn bekommen, sondern einfach Geld, weil sie keine Waren produzieren. Commons heißt nicht, dass kein Geld fliesst. Das zu zeigen und zu diskutieren, war Ziel des Vortrags.
Wir haben offensichtlich sehr verschiedene Auffassungen von „Das Kapital“, womit ich eben Theorie meine, die hier zu kurz kommt oder nicht hinreichend entfaltet wird.
In meiner Leseweise:
Arbeitskraft ist KEINE Ware, sie wird im Kapitalismus als Ware be/gehandelt. Das ist, was Marx kritisiert – und was wir aufheben müssen.
Was nicht in Lohnarbeit hergestellt wird, ist NUR INSOFERN Ware, als es mit Waren getauscht werden kann.
Niemand – gar niemand MUSS Kapital verwerten, nur Kapitalisten tun es, indem sie Lohnarbeitskraft als Ware kaufen. Die Redeweise, wonach angestellte Wikipedia-Arbeiter keinen Lohn bekommen, müssten wir genauer anschauen, dazu müssten wir ihre Verträge kennen.
Das alles hat mit Geld nichts zu tun. Wenn der Vortrag das zeigen will, ist er einfach bei mir nicht angekommen, was nichts über den Vortrag und nichts über andere Leser sagt. Nur, bei der Theorie scheint mir einiges schräg. Aber Commons brauchen vielleicht gar keine Marx-Theorie.
@Rolf: Aus meiner Sicht ist es nicht möglich, Arbeitskraft von der Form, in der sie unter den konkret-historischen Bedingungen verausgabt wird, zu trennen. Die Warenform ist der Arbeitskraft genauso wenig äußerlich wie das bei anderen Gütern der Fall ist. Die Ware wird nicht erst Ware, wenn sie in die Zirkulation kommt, die Arbeitskraft nicht erst Ware Arbeitskraft, wenn sie gekauft wird. Ich hatte das Argument schon einmal versucht stark zu machen: In einem systemtischen Zusammenhang wie dem Kapitalismus lassen sich einzelne Momente dieses Zusammenhang nicht isolieren und als unschuldige Dinge behandeln, denen die Form nur äußerlich ist. Das, so lese ich deine Interpretation, versuchst du zu tun.
Gleichwohl gibt es keine einfache Identität von Ware und Arbeitskraft, das stimmt. Wie aber das überschüssige Moment fassen und nicht in die Falle der Äußerlichkeit tappen?
Annette Schlemm (und nicht nur sie) hat eine Unterscheidung von Arbeitskraft und Arbeitsvermögen vorgeschlagen, die ich ziemlich überzeugend finde.
mir geht es um die Perspektive. Ich lese was Kapitalisten tun und sagen, und merke – mit Marx – dass sie so tun, als ob Arbeitskraft eine Ware wäre. Und weil die Kapitalisten so tun, ist es für sie eine Ware. Sie dadurch bestimmt, dass sie gegen Lohn getauscht wird.
Solange es Waren gibt, SCHEINEN alle Güter, die gegen Waren getauscht werden als Waren.
Das Revolutionäre an der Kritik von Marx besteht darin, den Tausch von Lohn und Arbeitskraft als spezifische – eben kapitalistische – Gesellschaftsform zu erkennen UND diese Form aufzuheben, genau dadurch, dass dieses konstitutive Tauschverhältnis aufgehoben wird.
Wo kein Lohn ist, ist auch keine Arbeitskraft. Und wenn es keinen Lohn mehr gibt, gibt es weder Waren noch Arbeitskraft. Ich meine also NICHT, dass Arbeitskraft von Lohnverhältnissen getrennt werden könnte, ich meine dass das dasselbe ist und zusammen verschwindet.
Marx hat soweit ich sehe, nichts über die dem Kapitalismus folgenden Verhältnisse gesagt, er hat vielmehr ganz deutlich gesagt, dass der zu überwindende Kapitalismus auf Lohnarbeit beruht. Ich habe keine Ahnung, was die Zukunft bringt und was passiert, wenn wir Lohnarbeit abschaffen – aber ich habe ein glasklare Vorstellung davon, was Marx als Kapitalismus bezeichnet (ich weiss schon, dass das je meine eigene Vorstellung ist, deshalb schreibe ich HIER darüber)
PS: Arbeitsvermögen übersteigt ArbeitskraftAnnette Schlemm „Die Marxsche Theorie tut sich nun mit diesem Teil meiner Fähigkeit, etwas Produktives zu tun, der mir persönlich sehr wichtig ist, sehr schwer. Es gibt ihn eigentlich gar nicht. „
Das nehme ich als EXPLIZITEN Beleg dafür, dass Annette mit der Marxschen Theorie nicht genau anfangen kann und deshalb eine andere Theorie entwickelt.
Interessanter Vortrag, der meine bisherige Erkenntnis eher bestätigt als verändert.
Völlig richtig, was in Bild 19 und 24 gesagt wird: Ohne eine klare Abgrenzung der Idee, drohen Rückfälle.
Auf die entscheidende Aussage: ..Doch heute müssen Commons-Projekte in einem strukturell feindlichen Umfeld, das von der Geldlogik bestimmt ist, überleben.., versuche ich hier ja permanent hinzuweisen:
-> Privatgüter sind stärker (und zum Teil attraktiver) als Gemeingüter!
Bilder 20 bis 23 zeigen mögliche existierende Formen von Commons im bestehenden System. Meistens wird hier davon ausgegangen, dass Menschen sich in Commons-Projekten beteiligen, die dann selbst organisierend zu großen Netzwerken heranwachsen und zusammen
mit Peer-Communities das jetzigen System irgendwann ersetzen.
Ich gehe davon aus, dass ein möglicher Übergang nur durch Peer-Communities zu schaffen ist. Grund: Wenn Menschen sich in einzelnen Commons-Projekten einbringen, sind sie ja nicht wirklich unabhängig. Sie haben dann immer noch ein Konto, sind im bestehenden
System Renten und Kranken versichert, müssen GEZ-Gebühren zahlen, sind beim Finanzamt steuerpflichtig usw. Sie bleiben also abhängig vom bestehenden System und vor allem vom Gelderwerbszwang.
Eine weitestgehende Unabhängigkeit kann also nur durch das kollektive Wirtschaften in Peer-Communities erreicht werden. Wenn es sich durchsetzen soll, muss es attraktiver und stärker sein, als das bestehende System. Attraktivität, Stärke und damit Unabhängigkeit erreicht man, in dem man alle Effizienzpotenziale hebt, wie z.B. Lagerwirtschaft,
gemeinsamer Einkauf, gemeinsame Ressourcennutzung, gemeinsame Wissensnutzung, flexible Aufgabenverteilung, Kreislaufwirtschaftsprozesse usw. Das ist eben am besten in gut
organisierten Peer Communities zu erreichen.
Die zukünftige Gesellschaft sollte also aus Zellen (als kleinste Verwaltungseinheit) bestehen, die Peer-Communities (oder Polis-Allmenden) mit vielleicht 500 bis maximal 5000 Menschen.
Größere Projekte wie Flugzeugbau, Stadion, Raumschiffe usw. werden dann von den Peer-Communities organisiert und nicht dadurch, dass sich einzelne Menschen an solchen Großprojekten beteiligen.
@Rolf Todesco (Handelsbilanz, Staatsanleihen und Defizitkreislauf)
Guter Beitrag, gut beschrieben. Vielleicht hättest du noch die Frage beantworten sollen, wo den die deutschen US-Anleihen Berge sind. Deutschland ist doch regelmäßig Exportweltmeister, bekommt somit viele USD, die laut Bretton Woods zurück in die USA müssen. Welche Gegenleistung bekommt Deutschland für die vielen USD? Und warum? (Vielleicht habe ich dass ja auch überlesen, ist mir jedenfalls nicht aufgefallen.)
Viele Grüße
Roland Dames
@Roland Dames, ja „Deutschland“ hat natürlich auch das Problem, dass teilweise mit Dollars bezahlt wird. Bezüglich diesem Betrag (Dollar-Berg) ist Deutschland wie Japan, aber Deutschland exprortiert eben auch sehr viel in die EU, wo mit Euro bezahlt wird. Die EU ist das besondere, was Deutschland – wie ehedem – von anderen Grossmächten unterscheidet.