André Gorz – Kongress in Saarbrücken
Am 15. und 16. Februar 2013 im VHS-Zentrum Saarbrücken, Schlossplatz. Motto:
Der Horizont unserer Handlungen:
den Zusammenbruch des Kapitalismus denken
Der Sozialtheoretiker und Philosoph André Gorz (1923-2007) hat mit seinen Publikationen in vielen europäischen und nichteuropäischen Ländern nachhaltige Wirkungen ausgelöst. Der Kongress in Saarbrücken befasst sich mit Werk und Wirkungen.
Die theoretisch-praktischen Schriften von André Gorz werden von zwei autobiografischen Entwürfen eingerahmt: „Der Verräter“ (1958) mit dem Vorwort von Jean-Paul Sartre steht am Beginn von Gorz‘ publizistischen Tätigkeiten. Und am Ende seines Lebens erscheint dann „Brief an D. Geschichte einer Liebe“ (2007). In beiden Büchern radikalisiert er seine Selbst- und und Sinnsuche als Intellektueller und seine Selbstfindung als Persönlichkeit in dem dialogischen Du-Gespräch mit seiner Frau Dorine, das ihre Erfüllung in dem gemeinsamen Freitod fand. Abgesehen von den persönlichkeitsspezifischen Besonderheiten zeigen diese beiden Schriften den verallgemeinerbaren Zusammenhang von Autonomie, Freiheit des Einzelnen und seiner notwendigen Bindung an den anderen exemplarisch auf.
André Gorz verstand sich als undogmatischen Linken, als einen radikalen Denker. Man hat ihn als den typischen revolutionären, systemüberwindenden Reformer charakterisiert. Was bleibt von diesem Denken für uns heute? Was hat Bestand angesichts der zunehmenden Umweltkatastrophen, der Krise des (Finanz-) Kapitalismus, der Bedrohung der Demokratien durch fortschreitende Eindämmung der Grundrechte, des Erstarkens nationalistischer und rassistischer Bewegungen und Parteien, des sich ausbreitenden Vertrauens- und Sinnverlustes?
Inhalt des Kongresses:
In vier moderierten Dialogforen sollen grundsätzliche Fragen behandelt werden:
- MORAL – Welche „andere“ Moral braucht die künftige Gesellschaft?
- ARBEIT- Welche „andere“ Arbeit, Beschäftigung, Ökonomie brauchen wir?
- POLITIK – Welches „andere“ politische System wird dem linken Gesellschaftsentwurf gerecht?
- ZUSAMMENLEBEN – Wie ist die konviviale Gesellschaft zu gestalten?
Referent_innen u.a.: Oskar Negt (Hannover), Heiko Breit (Saarbrücken), André Häger (Greifswald), Francoise Gollain (Machynlleth, Grossbritannien), Aldo Haesler (Caen, Frankreich), Reinhard Klimmt (Saarbrücken), Alfons Matheis (Trier, Birkenfeld), Stefan Meretz (Berlin), Arno Münster (Paris, Nizza), Alexander Neumann (Paris, Saarbrücken), Hinrich Oetjen (Ludwigshafen), Franz Schandl (Wien).
Initiator und Organisator: Prof. Dr. Hans Leo Krämer (Brno/Tschechien, Saarbrücken), hl.kraemer ät mx.uni-saarland.de
Veranstalter: Stiftung Demokratie Saarland
Programm
15. Februar 2013
10:00 Uhr Eröffnung: Grussworte
10:30 Uhr Prof. Dr. Hans Leo Krämer (Saarbrücken, Brno): André Gorz. Leben und Werk – eine Skizze
11:15 Uhr Prof. Dr. Oskar Negt (Hannover): André Gorz – ein revolutionärer Realist und Denker des Übergangs in eine sozialistische Gesellschaft
Mittagspause
13:30 – 15:00 Uhr
D i a l o g f o r u m 1: Welche „andere“ Moral braucht die künftige Gesellschaft? Moderation: Dr. Gerhard Schneider (Saarbrücken)
- Prof. Dr. Alfons Matheis (Trier-Birkenfeld): „…dazu verurteilt, frei zu sein“ (J.P.Sartre). Versuch einer Rekonstruktion der politischen Ethik von André Gorz
- Prof. Dr. Matthias Bohlender (Osnabrück): Zwischen Marx und Sartre. Motive der Gesellschaftskritik bei André Gorz
- Cand. Phil. André Häger (Greifswald): André Gorz und das Subjekt des Verrats
Diskussion
Kaffeepause
15:30 – 17:30 Uhr
D i a l o g f o r u m 2: Welche „andere“ Arbeit, Beschäftigung, Ökonomie brauchen wir? Moderation: Prof. Dr. Erich Steiner (Saarbrücken)
- Dr. Alexander Neumann (Paris, Saarbrücken): Die Wurzeln der Arbeitskritik bei André Gorz
- Dr. Stefan Meretz (Berlin) und Dr. Franz Schandl (Wien): André Gorz und die Wertkritik. Die Aufhebung des Kapitalismus denken
- Dr. Heiko Breit (Saarbrücken):Auf der Suche nach utopischen Energien und ihrer Aktualität im Werk von André Gorz
Diskussion
16. Februar 2013
10:00 – 12:00 Uhr
D i a l o g f o r u m 3: Welche „andere“ Politik wird dem linken Gesellschaftsentwurf gerecht? Moderation: Dr. Luitpold Rampeltshammer (Saarbrücken)
- Prof. Dr. Arno Münster (Nizza): André Gorz als Visionär einer sozial-ökologischen und zivilisatorischen Alternative zum neo-liberalen globalisierten Spätkapitalismus
- Bundesminister und Ministerpräsident a.D. Reinhard Klimmt (Saarbrücken): André Gorz und seine Forderung an die praktische Politik, Maßnahmen zu schaffen, die eine andere Zukunft und Gesellschaft möglich erscheinen lassen
- Ehm. Leiter DGB-Bundesjugendschule Hattingen Hinrich Oetjen (Schifferstadt): Macht und Utopie. Gewerkschaften als Adressat
- Dr. Carolin Lehberger (Saarbrücken): Politische Alternativen entwickeln. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit und die Idee von André Gorz für ein neues Arbeitszeitmodell
Diskussion
Kaffeepause
12:30 – 14:15 Uhr
D i a l o g f o r u m 4 : Wie ist die konviviale Gesellschaft zu gestalten? Moderation: Dr. Hans Horch (Saarbrücken)
- Prof. Dr. Francoise Gollain (Nottingham-Trent): Der Entwurf der konvivialen Gesellschaft bei Gorz im Spiegel der aktuellen Wachstumskritik
- Dipl.Soz. Stefan Kerber-Clasen (Saarbrücken): „the whole bakery ?“ Gorz ́sche Einsichten in die solidarische Ökonomie
- Prof. Dr. Aldo Haesler (Caen): Die Erosion der Gegenseitigkeit
Diskussion
Scheint im Wesentlichen ein Männerkongress zu sein, oder habe ich da was übersehen? ich wundere mich wirklich, wie man einen Kongress zu diesem Thema so konzipieren kann. Wird dieses „Linke Männer schmieden Pläne zur ultimativen Rettung der Welt“ nicht auch ihnen selber irgendwann mal langweilig?
Kopfschüttel.
@Antje: Hast vermutlich nichts übersehen, zwei Frauen zähle ich, ich werde die Frage stellen… Mir wird es übrigens (hoffentlich) nicht langweilig, da ich vermute, dass es soo ultimativ nicht werden wird. Es könnte eher für meinen Geschmack zu akademisch werden…
hallo stefan,
anknüpfend an antje.
wie schätzt du denn das überhaupt ein? du kennst die szenerie ja besser.
lohnt sich anreisen von bodensee, um inspirationen, impulse zu erhalten, erkenntnisse – den horizont – zu erweitern und vielleicht kontakte mit gleichgesinnen menschen zu knüpfen? mögliche wege in das „gute leben“ zu erforschen oder wenigstens ansatzpunkte dazu, die „risse“ zu erweitern und zu anziehungspunkten zu gestalten, um „aufzuhören, den kapitalismus zu machen“ (frei nach holloway)
unter der prämisse, dass eins den zusammenbruch des kapitalismus eh schon lange denkt, u.a. die „streifzüge“ liest (und eure blogs) und am solidarökonomie-kongress in wien teilnehmen wird.
kurz gefasst was für erwartungen kann eins an so einen – oben benannten „alt-männer-kongress“ realistischerweise haben? (übrigens nichts gegen alt, nichts gegen männer….)
hast du da bereits erfahrungen, was diese zusammenstellung von referenten und kongressszenerie angeht?
(meine liegen schon lange zurück)
@anita: Diese Kongress-Szenerie ist für mich nicht so vertraut, da ich mich nicht so oft in akademischen Kreisen bewege. Und wenn, dann waren meine Erfahrungen eher »naja«, weswegen ich das oben an Antje auch als Bedenken notierte. Ich fahr da hin, weil ich mit André Gorz briefbefreundet war und mehr über ihn erfahren will, wenigstens, wie er rezipiert wird, und ob sich das mit meinen Erfahrungen deckt. Ich werde da auf jeden Fall was rausziehen.
Was aber die »ultimative Rettung der Welt« angeht, wie Antje das ironisch nannte, was »inspirationen, impulse zu erhalten, erkenntnisse – den horizont – zu erweitern und vielleicht kontakte mit gleichgesinnen menschen zu knüpfen« wie du es ansprichst, angeht, verspreche ich mir zehnmal mehr vom Solidarökonomie-Kongress in Wien. Dazu haben eine Reihe von Leuten aus dem Demonetize-Zusammenhang eine eigene Veranstaltungsschiene organisiert (Liste erscheint morgen hier auf keimform.de). Ich würde mich freuen, dich dort zu treffen 🙂
@stefan: ja ich freue mich auch dich in wien zu sehen. vielleicht auch in saarbrücken. ich schätze andre gorz schon seit langem und bin ebenfalls interessiert, ihn mal aus der sicht anderer – unter welchen aspekten auch immer – zu sehen.ich werde also nicht allzuviel erwarten, falls ich hinfahre… und mich freuen über die möglichen denk-erkenntnis-anstöße und die begegnung mit anderen menschen, die ihn ebenfalls schätzen.