Ende des »Strike-Bike«

War 2007 noch optimistisch von einer »Pilotfunktion« die Rede, die das erst besetzte und dann selbstverwaltete Fahrrad-Werk in Nordhausen erfüllen könne, so ist nun die Ernüchterung groß: Die Strike Bike GmbH hat Insolvenz angemeldet. Das Strike-Bike war zunächst der Soli-Hit, aber mit Solidarität lässt sich auf Dauer kein kapitalistisches Geschäft aufrechterhalten.

Die anarchosyndikalistische FAU hatte sich ziemlich in das Projekt reingehangen, doch zum Konkurs gibt’s jetzt kein Wort. Dabei täte eine Auswertung jetzt Not. Also gibt’s ersatzweise einige Überlegungen von mir.

Das Kernproblem alternativer Ansätze besteht darin, dass die Verwaltungsform eines Betriebes nichts am Verwertungszwang ändert, an dem sich die Produktion orientieren muss. Ob also der Betrieb selbst- oder fremdbestimmt sich den Imperativen des Marktes unterwirft, ist am Ende zweitrangig. Sofern man den Anspruch hegt, eine Alternative zum Kapitalismus entwickeln zu wollen, kann dies nicht mit den Mitteln des Kapitalismus geschehen. Die Vorstellung, betriebsintern andere soziale Beziehungen zu etablieren, setzt betriebsextern einen Erfolg auf dem Markt voraus. Will man jedoch Erfolg haben, müssen sich die betriebsinternen Strukturen an diesem Ziel — Erfolg in der Konkurrenz — orientieren. Die (schwarze) Katze beisst sich in den Schwanz: Die Logik des Marktes wird gleichsam »importiert«. Gelingt die Selbstunterordnung nicht, so droht schnell die Pleite.

Wichtig für die Beteiligten ist dabei: Eine Pleite ist nicht auf individuelles Versagen zurückzuführen, und sie hat auch grundsätzlich nichts mit der Verwaltungsstruktur des Betriebs zu tun. Niemandem ist vorzuwerfen, sich den Verwertungszwängen nicht ausreichend unterworfen zu haben. Der Verwertungszwang selbst ist das Problem. Und den bekommt man nun mal nicht mit einem Betrieb vom Tisch.

Auf Indymedia kommentiert ein »Strike-Biker« am 28.10.2007 um 13:20 Uhr einen Artikel über das Strike-Bike-Projekt:

Die Löhne wurden für die Produktion in Selbstverwaltung um zwei Euro pro Stunde erhöht.
Der Lohn in der Selbstverwaltung war ein Einheitslohn. Egal wie lange die Betriebszugehörigkeit ist, egal wie alt, egal welche Arbeit, egal ob Mann oder Frau, Azubi oder FacharbeiterIn, Aushilfe oder VorarbeiterIn.
Die Bänder liefen mit 60 % der „Normalgeschwindigkeit“.
Es wurden viel mehr Pausen gemacht.
Unsere Produktion war „illegal“, die Maschinen haben wir uns genauso wie die Fabrik angeeignet. Damit haben wir kapitalistische Logik bewusst durchbrochen, das Eigentum wurde angegriffen.
Wir haben uns von niemandem etwas reinreden lassen. Weder von den Versagern der IG-Metall, noch von Politikern oder „Linksradikalen“. Alles wurde kollektiv selbst entschieden.
Hervorragend war die Zusammenarbeit und Unterstützung durch die FAU, Café Libertad sowie die Hilfe der Radspannerei Kreuzberg.

Die Maschinen und die Fabrik wurden angeeignet, jedoch wurde damit keineswegs die kapitalistische Logik durchbrochen. Auf Grundlage der damaligen Solibestellungen konnte mit wesentlich niedrigerer Produktivität — denn das bedeuten 60% Bandgeschwindigkeit, mehr Pausen und höhere Löhne — produziert werden (eine frühere Tagesproduktion dauerte so eine Woche). Es ist jedoch eine Illusion anzunehmen, dies ließe sich bei »normalem Marktauftreten« von Strike-Bike durchhalten. Der oben beschriebene Teufelskreis erlaubt keinen willkürlichen Einzelausstieg aus der kapitalistischen Logik. Das ist die bittere Wahrheit.

Aus dem Teufelskreis haben einige Projekte die Konsequenz gezogen, die interne soziale Logik von der externen fremden Verwertungslogik möglichst zu entkoppeln. Das bedeutet, dass der Projekterfolg nicht von einem Verkaufserfolg auf dem Markt abhängig gemacht wird. Das bedeutet aber auch, dass die notwendigen monetären Transfers in das Projekt anderweitig organisiert werden müssen: per Spenden, Stiftung, Mitgliedsbeiträgen, Nutzungsgebühren o.ä. Die Produkte, die ein Projekt hervorbringt, werden dann nach Bedürfnis verteilt. Kurz: Güter werden nicht als Waren hergestellt.

Eine solche Entkopplung von interner und externer Logik ist im Bereich digitaler Güter (Software, Wissen, Kultur etc.) sicherlich leichter zu organisieren als im Bereich der stofflichen Produktion. Aber auch hier gibt es erste Ansätze. Die ganze Problematik hat Christian in einem zusammenfassenden Artikel zur selbstorganisierten Fülle ausgeführt bzw. detaillierter in einer vierteiligen Artikelserie, die hier beginnt.

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