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SOPA, ACTA, Urheberrecht = Marktwirtschaft

SPONs Konrad Lischka wirft [1] sich in die Bresche:

Wer die Markwirtschaft (sic!) akzeptiert, aber Urhebern das Recht aufs Wirtschaften abspricht, ist ein Heuchler.

Er hat ja sowas von recht. Allerdings ganz anders als er denkt.

Lischka echauffiert sich über die Anti-SOPA [2]– und Anti-ACTA [3]-Proteste, deren Stoßrichtung er so sieht:

Das Urheberrecht ist das eigentliche Übel, ein vormodernes Überbleibsel aus analogen Zeiten, das heute die Freiheit fast aller Menschen einschränkt, nur einer winzigen Minderheit nützt.

Das ginge ja nun nicht. Eigentlich ist das Urheberrecht nämlich ganz toll, es sei geradezu ein Freiheitsgesetz. Es ermögliche die Selbstverwertung.

Auch die übliche Polemik gegen die Content-Mafia sei daneben, denn letztlich ermögliche das Urheberrecht an dieser Mafia teilzuhaben. Das Urheberrecht ermögliche ein Einkommen (auch Kleinvieh macht Mist…), und die Urheber (ja, nur Männer) hätten die Möglichkeit, ihre Rechte an einen Verwerter zu verkaufen, um sich »aufs Schreiben, Komponieren, Gestalten zu konzentrieren statt selbst zu vermarkten«. Dass »vermarkten« nicht erst dann stattfindet, wenn man Rechte an Verwerter verkauft, sondern schon bei jenem »Schreiben, Komponieren, Gestalten« auf die Verkaufbarkeit hin, kommt dem Autor nicht in den Sinn. Aber das nur am Rande.

Der wichtigste Punkt trifft nämlich voll ins Schwarze.

Im Aufruf zur Anti-ACTA-Demo in Berlin [4], die heute stattfindet, lautet eine Forderung:

Wir setzen uns für ein modernes, verständliches und menschenfreundliches Urheberrecht ein, das die Interessen von Kreativen und Nutzern vereint.

Hübsch. Haben auch wir als mitaufrufender [5] Blog unterstützt. Es ist eine subversive Forderung. Denn bei Lichte besehen — und darauf weist Lischka hin — kann es das nicht geben: Vereinigung der Interessen von Kreativen und Nutzern. Es bedeutet nämlich übersetzt, die Interessen von Verkäufern und Käufern zu vereinen. Doch die einen wollen viel einnehmen (oder wenigstens etwas) und die anderen wollen wenig (am liebsten gar nichts) ausgeben. Ergo: Die Interessen lassen sich nicht vereinen, sie sind gegensätzlich, einander ausschließend, geradezu feindlich. Andere reden daher statt von einer »Vereinigung« auch lieber von »Balance«, aber wie die definiert soll, habe ich noch nie verstanden.

Modern, verständlich und menschenfreundlich hingegen wäre es, das Urheberrecht abzuschaffen [6]. Doch das geht nicht so einfach, sagt Lischka. Es sei befremdlich, dass

…die Kritiker niemals die kapitalistische Marktwirtschaft an sich in Frage stellen. Wenn man aber eine kapitalistische Marktwirtschaft für Kultur anzweifelt, kann man nicht gleichzeitig befürworten, dass neue Verwerter wie Apple, Google und Facebook Öffentlichkeit im Netz privatwirtschaftlich strukturieren.

Genau. Stimmt. That’s it. Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Urheberrecht schweigen. Und dann aber auch von SOPA, ACTA und Co. Das ist ein logischer Zusammenhang. Und an den wollen viele Kritiker_innen tatsächlich nicht ran. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß. Gut erkannt, Konrad.

[Update] Die Frage ist dann nur konsequent: Wisst Ihr ACTA-Demonstranten, dass ihr für Diebstahl auf die Straße geht? [7]