Schlagwort: geschichte

Die vierte Internet Revolution passiert jetzt

Dieser Artikel wurde geschrieben auf Anfrage von Leuten des Debattenblogs der IL. Da deren Mühlen etwas langsam mahlen und es um aktuelle Ereignisse geht, veröffentliche ich ihn schon mal hier. Dass nur als Erklärung vorne weg, weil die Zielgruppenansprache vielleicht ein bisschen off wirkt 😉

Bekanntlich rennt die Zeit im Internet schneller als anderswo. Was eben noch Gewissheit war, ist jetzt schon überholt. Ein Trend jagt den nächsten. Doch grob lässt dich die Geschichte des jungen Mediums in drei Phasen einteilen. Interessanterweise korrespondieren diese Umbrüche auch mit den historischen Umbrüchen, die mehr oder weniger gleichzeitig in der größeren Welt „draussen“ passierten.

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Nehmen, Geben, Opfern

Besprechung eines Abschnitts aus dem Buch von Georges Duby (1977): Krieger und Bauern. Die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft im frühen Mittelalter, Frankfurt am Main: Syndikat, dort: Nehmen, Geben, Opfern (S. 52 -60).

Den Text habe ich vor ein paar Jahren für mich zusammengefasst und möchte ihn nun gerne teilen.

Duby steht in der Tradition der Historikerschule Annales (Marc Bloch, Febvre, Braudel, Pirenne, Ariès, LeGoff, …). Er geht der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft im frühen Mittelalter nach. Das ist die vorkapitalistische Periode, in der kapitalistische Keimformen noch nicht vorkommen.

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Besondere Umstände … again

Wir haben mal wieder gepodcastet.

Zum ersten mal waren wir zu viert. Es sprachen Antje, Benni, Eva und Anne über 

  • wie historisch sind die Zeiten in denen wir leben und
  • Wie ist das Verhältnis von Wahrheit und Politik (ab ca. Minute 46)

Es ging im Folgenden dann auch noch viel darüber was überhaupt die Möglichkeiten von Politik sind, was das überhaupt ist und ähnliche Fragen.

Und bei all dem natürlich auch wieder um unsere Dauerbrenner, Klima- und Coronakrise, Kapitalismus und Patriarchat.

Die Ankunft der Zukunft

Vier Frauen fangen ein Gespräch ganz harmlos als eine Art kombinierter Film- und Literaturrezension an. Es geht zuerst um den Science-Fiction-Film Arrival und die Kurzgeschichte auf der er basiert (Vorsicht Spoiler). Am Ende landen sie bei den ganz großen Fragen, wie wir der Menschheit eine lebenswerte Zukunft verschaffen und ob wir dafür nicht sogar unsere lineare Zeitvorstellung aufgeben müssen. Dabei verläuft die Diskussion dann teilweise ein bisschen parallel zu dem was wir hier oft in den Kommentarspalten erleben: Sind wir nur romantische Träumer oder die eigentlichen Realisten?
Sehr sehenswert:


Die Keimformtheorie ist tot! Es lebe die Keimformtheorie!

Elementarformen

Nachdem ich etwas holprig bestimmt habe, was Elementarformen sind und welche es bisher in der Menschheitsgeschichte gab und nachdem ich erste Eigenschaften bestimmt habe, die die Elementarform des Kommunismus haben muss, möchte ich jetzt das Thema noch weiter vertiefen und mich dabei auch etwas genauer mit dem Begriff der Keimform auseinandersetzen. Die Diskussion wurde in der Vergangenheit etwas erschwert dadurch, dass es hier in unseren Kreisen zwei Verwendungen des Begriffs gibt. Die erste, die im Untertitel unseres Blogs allgemein beschrieben wird als „Das Neue im Alten“ ist sehr unbestimmt und bezeichnet eigentlich mehr oder weniger alle Ansätze im Hier und Heute, in denen wir Potential sehen für eine Neue emanzipatorische Gesellschaft. Neben dieser Verwendung gibt es noch eine speziellere, wie sie vor allem von Stefan, Simon und anderen in der ungeliebten Nachfolge von Robert Kurz  verwendet wird. Sie meinen mit „Keimform“ die Vorläufer der Elementarform der Neuen Gesellschaft in der Alten. Ohne die erste allgemeinere Verwendung des Wortes ausschließen zu wollen, beziehe ich mich im Folgenden auf die zweite, engere Verwendung des Begriffes, weil nur in diesem Sinne von einer „Keimformtheorie“ gesprochen werden kann und weil ich denke, dass ich, nachdem ich etwas präziser verstanden habe als bisher, was die Elementarform einer Gesellschaft ausmacht, ich nun auch etwas präziser bestimmen kann, was die Keimform einer neuen Gesellschaft in diesem engeren Sinn auszeichnen müsste.

  1. Da die bestimmende Eigenschaft von Elementarformen ist, die Kohärenz einer Gesellschaft herzustellen, kann es nicht mehrere Elementarformen gleichzeitig geben, da eine Gesellschaft nicht auf mehrere Arten kohärent sein kann. Es kann nur eine Elementarform geben.
  2. Daraus folgt unmittelbar, dass es zu jeder Bewegung von einer Elementarform zu einer anderen auch nur eine Keimform (ge)geben (haben) kann. Es mag mehrere verschiedene Formen gegeben haben, die von der alten Elementarform abgewichen sind, aber nur eine davon konnte sich in einer Richtung zur neuen Elementarform entwickeln. Es kann aber durchaus unterschiedliche Keimformen geben, die sich in unterschiedliche Richtung in der Elementarform-Matrix entwickeln. Vom den agrargesellschaftlichen Imperien aus betrachtet sind also sowohl Warenproduktion als auch Care und Commons Keimformen.
  3. Wir haben gesehen, dass schon die Veränderung eines Parameters in der Matrix ein extrem seltenes und schwieriges Ereignis ist. Dass sich beide Parameter gleichzeitig ändern, können wir also als nahezu unmöglich ausschließen. Mit anderen Worten: Es gibt keine Keimformen, die zu einer diagonalen Bewegung in der Matrix führen. Das bedeutet also, der direkte Weg von einer imperial organisierten Gesellschaft zum Kommunismus ist ausgeschlossen. Ebenso ausgeschlossen ist aber auch der direkte Weg vom Kapitalismus zu einer auf Commons und Care und interpersonaler Vermittlung basierenden Gesellschaft. (mehr …)

Was sind und warum gibt es Elementarformen?

In der Diskussion über meine 42 Thesen ist mir klar geworden, dass die Bestimmung der Elementarform einer Gesellschaft für mich noch nicht klar genug war. Es wurde auch gefragt, wofür man so etwas überhaupt braucht. Ich versuche mich nun diesen Fragen zu nähern. Dabei muss ich ausholen um den philosophischen Hintergrund deutlich zu machen vor dem eine solche Elementarformtheorie überhaupt Sinn ergibt. Wenn man den nicht teilt, kann man vermutlich dann auch mit der daraus entstandenen Theorie nicht viel anfangen.

  1. Als erstes halte ich fest, dass der Ausgangspunkt von dem ich hier schreibe der einer materialistischen Weltsicht ist. Im gesellschaftstheoretischen Kontext bedeutet dass, dass ich es für möglich erachte, die wesentlichen Eigenschaften einer Gesellschaft aus ihren materiellen Existenzbedingungen abzuleiten.
  2. Das sind zuerst mal die stofflichen und energetischen Bedingungen (im Folgenden zusammenfassend stofflich genannt). Also solche Sachen wie unser Lebensraum Erde und sein Klima, stoffliche Eigenschaften der Dinge und des Menschen, die Naturgesetze oder die Position von Körpern im Raum. (mehr …)

Märkte jenseits des Kapitalismus? – Vorüberlegungen

Bazar von Athen (Ausschnitt), Gemälde von Edward Dodwell (1821, gemeinfrei)

In der linken Kapitalismuskritik ist es üblich (und auch ich habe das lange so gemacht), Märkte und Kapitalismus weitgehend gleichzusetzen und jede Kapitalismuskritik gleichzeitig als Kritik an Märkten als gesellschaftlichen Vermittlungsinstrument aufzufassen. Üblich ist dieselbe Gleichsetzung – nur nicht kritisch gesehen – aber auch in der Mainstream-Ökonomie (Neoklassische Synthese, auch kürzer und etwas ungenau „Neoklassik“ genannt). In letzterer wird der Begriff „Kapitalismus“ zwar oft vermieden und stattdessen von „Marktwirtschaft“ gesprochen (in Mankiw (2014) fällt der Begriff „market economy/economies“ viele Dutzend Male, während von „capitalism“ nur in ein paar Zitaten die Rede ist) – damit ist aber genau die von ihren Kritikerinnen „Kapitalismus“ genannte Produktionsweise gemeint, andere Spielarten von marktbasierten Ökonomien existieren vermeintlich nicht.

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42 Thesen zu Geschichte, Weltraum und Kommunismus

Elementarformen

  1. Seit der Kritischen Theorie und der Erfahrung des Faschismus gibt es eine Angst der Linken vor der Geschichtsphilosophie. Deswegen vorneweg: Geschichtsphilosophie ist unverzichtbar. Auch wenn man keine hat, hat man eine. Es ist wie mit jeder Theorie: Wenn man sie ignoriert, hat man die der anderen.  Im folgenden werde ich deshalb einige Thesen aufstellen, von denen die ein- oder andere durchaus steil ist. Gegen Ende werden es dann aber eher Fragen als Thesen.
  2. Gesellschaften entwickeln sich weiter. Dabei unterliegen sie einem Evolutionsprozess von Mutation und Selektion. Das macht den Vorgang nicht zu einem biologischen, aber dennoch hat in der gesamten Menschheitsgeschichte ein Prozess stattgefunden, der manche Gesellschaften anderen gegenüber bevorteilt hat. Es gab Situationen in denen Gesellschaften nicht mehr überlebt haben (was nicht gleichbedeutend sein muss mit dem Tod der Individuen) und sich deswegen ihre Prinzipien nicht halten konnten oder an den Rand gedrückt wurden. Um so einen Prozess über einen Zeitraum von Jahrtausenden wirksam zu machen reicht es auch völlig aus, dass er im statistischen Mittel wirkt. Es wird also auch immer Gegenbeispiele geben.
  3. Die Erfahrung des Faschismus und die Kritische Theorie haben uns aber dennoch gelehrt: Es gibt keine Automatismen, der Fortschritt ist nicht automatisch auf unserer Seite. Dennoch folgt daraus nicht, dass es keinen Fortschritt gibt oder dass wir nicht bestimmen könnten welche Art von Fortschritt auf unserer Seite ist. Tatsächlich ist das Bewusstsein darüber zentral für jeden Kommunismus. Es ist sehr wichtig, dass man das Kind des Kommunismus nicht mit dem Bad von Determinismus und Teleologie ausschüttet.
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Das Geld, eine historische Anomalie?

Über 2500 Jahre alte Münze[Dieser Text entstand im Rahmen des von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts Die Gesellschaft nach dem Geld.]

Die Vorstellung einer „Gesellschaft nach dem Geld“ impliziert, dass Geld ein historisches Phänomen von begrenzter Dauer ist. Alle von Menschen verwenden Werkzeuge (in einem weiten Sinne) sind irgendwann entstanden. Grundsätzlich macht es Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, unter welchem Umständen sie künftig wieder verschwinden können und ob dann etwas anderes an ihre Stelle treten oder aber ihre Funktion komplett überflüssig werden würde. Spekulieren ließe sich etwa über eine „Gesellschaft nach dem Auto“, in der die heute unter anderem von Automobilen erfüllte Funktion (der Transport von Personen und Dingen) vollständig von anderen Arten von Fahrzeugen übernommen wird (z.B. Bahnen, Fahrrädern und Drohnen). Dabei muss man allerdings auch begründen, warum man es für plausibel hält, dass eine solche Entwicklung eintreten wird.

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Utopie

streifzuege63[Kolumne Immaterial World in der Wiener Zeitschrift Streifzüge]

Utopie hat einen schlechten Ruf. Es ist der Nicht-Ort einer fiktiven zukünftigen Gesellschaft, die es nicht geben kann, weil eine Gesellschaft nicht nach einem Masterplan gebaut wird. Gleichzeitig haben wir, die wir etwas anderes als Kapitalismus wollen, Vorstellungen eines Zukünftigen. Wir müssen uns also mit Utopie befassen. Vier zentrale Kritikpunkte möchte ich diskutieren.

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