Schlagwort: demokratie

Repräsentativsystem und Perspektiven weiterer Demokratisierung

Arbeitskreis Lokale Ökonomie HamburgEin Diskussionsbeitrag aus dem Arbeitskreis Lokale Ökonomie e.V. (AK LÖK), Hamburg

Möglichst viel Demokratie ist allerseits gewünscht. Darauf können sich viele einigen. Bei genauerem Hinsehen nimmt sich eine wirkliche, basisdemokratische Mitwirkung der Menschen an ihrer Gesellschaft bisher freilich eher bescheiden aus. So ist z.B. ein kleiner Teil der Bevölkerung nahezu dauerhaft in einer Sprecherrolle, während es der Großteil schon seit der Kindheit gewohnt ist, dass andere für ihn sprechen und handeln. Gleichzeitig stellt sich für jeden von uns ein alltäglicher gesellschaftlicher Zusammenhang durch eine Vielzahl von Kauf-Verkauf-Handlungen her.1) Das sind Vorgänge, die von Einzelnen kaum praktisch in Frage gestellt werden können, wenn sie nicht verhungern wollen.

Im folgenden soll dargestellt werden, wie die Menschen vielleicht eines Tages ihre eigenen gesellschaftlichen Zusammenhänge intensiver, direkter und weniger stellvertretend bestimmen, also wirklich »mehr Demokratie wagen« könnten. Dazu ist es aber nötig, sich die real erfahrbaren Hindernisse von dauerhafter Selbstorganisation anzusehen, um nach Möglichkeiten ihrer Überwindung zu suchen. (mehr …)

Crowdsourced Verfassung für Island geknickt

Was haben sich alle gefreut, als per Telefonbuch zufällig ausgewählte Isländische Bürger*innen ihre Ideen aufschrieben und ein gewählter Bürger*innen-Verfassungskonvent daraus eine Verfassung baute, die dann auch noch in einer Volksabstimmung mit Zweidrittel-Mehrheit angenommen wurde. Island, das Land, das mit Bankenkontrolle, Ressourcen-Commons, Direkter Demokratie u.a.m. ernsthaft Konsequenzen aus dem Bankencrash 2008 zog? Pustekuchen. Ein »demokratisches« Lehrstück — und kein Aprilscherz.

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Hoffnung von unten

[Beitrag aus dem Commons-Buch (Commons – Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat, Hg. Silke Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung); Lizenz: CC BY-SAEnglish version]

Gustavo Esteva

Das besondere Prinzip des Zusammenlebens in Oaxaca

Von Juni bis Oktober 2006 gab es in Oaxaca de Juárez, einer Stadt mit 600.000 Einwohnern, keine Polizei, nicht einmal Verkehrspolizisten. Der Gouverneur der Provinz traf sich mit seinen Funktionären heimlich in Hotels oder Privatwohnungen; in ihre Büros wagten sie sich nicht. Die Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca (APPO), die Volksversammlung der Völker Oaxacas, hatte alle öffentlichen Gebäude sowie Rundfunk- und Fernsehstationen rund um die Uhr bewacht. Als der Gouverneur veranlasste, diese Wachen in den Nachtstunden anzugreifen, errichteten die Menschen Straßenbarrikaden.

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Die soziale Steuerung von Open Source (Teil 2)

[Fortsetzung des Interviews mit George Dafermos: Teil 1]

Michel Bauwens: Charles Leadbeater hat in We Think eine sehr starke Aussage über die Steuerung von Open-Source- und kollaborativen Online-Communities formuliert: „Unter keinen Umständen handelt es sich dabei um egalitäre selbstgesteuerte Demokratien“. Glaubst du, dass das stimmt – warum oder warum nicht – und wie sollen wir die Peer-Steuerungs-Praktiken solcher Communities beurteilen? Kannst du uns etwas über deine Sicht auf die Spannung zwischen Gleichheit und Hierarchie in der Peer-Produktion erzählen? Was hältst du von dem Konzept des „gütigen Diktators“?

Ich habe Leadbeaters Buch nicht gelesen, aber ähnliche Argumente wurden auch von anderen geäußert. Gewöhnlich ist der Tenor des Arguments, dass informelle Formen der Organisation – wie sie in vielen Projekten der Peer-Produktion zu finden sind – für die Bildung von administrativen Klüngeln anfällig sind und dadurch den Nährboden für Korruption und Machtmissbrauch bereiten.

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Linke & Commons & Öffentliches

Mein Beitrag auf der COM’ON-Tagung am 10.12.2011:

In keiner politischen Strömung ist die Eigentumsfrage so hochbewertet wie in der Linken. Auch die Partei Die LINKE markiert einen grundlegenden Unterschied zu allen anderen Parteien – auch den Piraten übrigens – dass sie seit jeher programmatisch, kulturell und mittlerweile (seit etwa einem Jahrfünft) auch durchaus deutlicher als dereinst die PDS auch politisch in der Eigentumsfrage eine Schlüsselfrage ihrer politischer Praxis sieht. Hier hat sich deutlich eine Veränderung ergeben.

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Liquid Feedback und die Dialektik des Datenschutzes

Es ist ja sei den Bundestagswahlen etwas ruhig geworden um die Piraten. Sie kreisten sehr um sich selbst. Nun ist mal wieder etwas aus dem Bauch der Piratenpartei nach oben gespült worden, was eine größere (Netz-)öffentlichkeit interessiert obwohl auch das eigentlich eine rein interne Angelegenheit ist.

Ich habe ja schon von Anfang an gesagt, dass – bei aller Kritik die ich an den Piraten geäußert habe – einer ihrer interessantesten Aspekte ihre Experimente mit neuen Demokratieformen sind. Zu diesem Zweck benutzt zum Beispiel der Berliner Landesverband ein Tool namens „Liquid Feedback“ (eine Implementation der Ideen der „Liquid Democracy„). Die Bundespartei will das laut einem Parteitagsbeschluss auch einführen. Was ist das überhaupt? Im Kern geht es um eine Mischung aus direkter und repräsentativer Demokratie. Ich kann je nach Thema selber abstimmen oder meine Stimme für bestimmte Themenkomplexe delegieren. Die Leute an die ich die Stimmen delegiere, können diese dann selbst wieder delegieren. Ich kann jederzeit meine Delegation widerrufen (Das Parteigesetz lässt allerdings nicht zu, dass Beschlüsse damit gefasst werden, das System soll also vorerst nur empfehlenden Charakter haben).

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Common Wealth

Rainer Rilling schreibt in der ND-Beilage zur Leiziger Literaturmesse eine Besprechung des Buchs »Common Wealth. Das Ende des Eigentums« von Michael Hardt und Antonio Negri — nach »Empire« und »Multitude« das dritte Buch einer Trilogie. Auszug:

Den Abschluss dieser ungewöhnlichen Trilogie bildet nun der eben in Deutsch erschienene und von Thomas Atzert hervorragend übersetzte Band »Common Wealth. Das Ende des Eigentums.« Er möchte die Voraussetzungen und Formen der »demokratischen politischen Aktion im und gegen das Empire« entwickeln – also nichts weniger als einen Vorschlag für eine grundlegende, revolutionäre Veränderung umreißen. (mehr …)

Digital ist besser?

[geschrieben gemeinsam mit Michel]

Zu W. Paul Cockshotts und Allin Cottrells Utopie eines zentralistischen Computersozialismus

In einem Buch, das wir beide schätzen, dem polemischen Antikapitalismuspamphlet Maschinenwinter von Dietmar Dath, sind wir auf einen Buchtitel gestoßen, der uns aufhorchen ließ: Alternativen aus dem Rechner, von Dath gepriesen als Experiment, das „Undenkbare zu erwägen – eine demokratische Planwirtschaft“. Schon seit längerem auf der Suche nach interessanten Alternativmodellen zur kapitalistischen Marktwirtschaft schien uns der Vorschlag einer demokratischen, auf den Rechenkapazitäten und partizipativen Möglichkeiten des Computers und des Internets basierenden Planwirtschaft in der Tat bedenkenswert.

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