Friederike Habermann: Aus Commons wurde Eigentum

Wird mit Vergesellschaftung aus Eigentum Commons?

Abstract: Noch vor wenigen Jahren schien eine breite öffentliche Debatte zu Enteignung undenkbar. Dabei ist unser heutiges Verständnis von Eigentum als das Recht, auszuschließen von ausreichenden Ressourcen, einerseits sowie als Recht zu zerstören andererseits historisch jung. Das Konzept davor – so vielfältig, wie es sich ausgestaltete – kann als Commons gefasst werden. Erst vor gut 300 Jahren wurde Eigentum jenseits von Gewalt oder Religion in aufklärerischem Sinne begründet. Diese Begründung hatte es in sich: Sie diente der Enteignung der Bäuer*innen und der Legitimierung der kolonialen Eroberung.

Nicht selten traf dies sehr demokratische Gesellschaften. Wenn jetzt im Zuge der Kampagne von »Deutsche Wohnen & Co enteignen« (DWE) das Ziel der Vergesellschaftung ein doppeltes ist – Enteignung und Demokratisierung –, dann ist es kein Zufall, dass als Commons-public-Partnership wieder der Begriff Commons ins Spiel kommt. Denn Commons als das Konzept vor Eigentum sind mehr als gemeinsame Güter: Sie entstehen durch materielle Inklusion und letztlich durch demokratisches Miteinander.

Vergesellschaftung kann für eine sozialökologische Transformation insofern ein wesentliches Element darstellen; denn die Marktwirtschaft basiert auf dem modernen Verständnis von Eigentum, und erlaubt nicht nur den Ausschluss Bedürftiger, selbst von überreichlichen Ressourcen, sondern erfordert ihn. Entsprechend wird in diesem Beitrag auf der einen Seite die historische Entstehung des Eigentums skizziert sowie auf der anderen Seite Wege zu seiner Überwindung. Dies wird letztlich nur möglich sein als Überwindung der Marktwirtschaft hin zu einem wirklich demokratischen Wirtschaften: dem Commoning.

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Verteilte commonistische Planung

Aus: Thomas Stölner, Uwe H. Bittlingmayer, Gözde Okcu (2023, Hg.): Anarchistische Gesellschaftsentwürfe. Zwischen partizipatorischer Wirtschaft, herrschaftsfreier Vergesellschaftung und kollektiver Entscheidungsfindung. Münster: Unrast.

Von Stefan Meretz, Simon Sutterlütti

Einleitung

Aus dem 20. Jahrhundert könnte man lernen, dass die »sozialistische Übergangsgesellschaft« mehr als nur einige »Muttermale« (Karl Marx) des Kapitalismus trägt, sondern mit diesem eine gemeinsame Basis teilt: Warenproduktion, Lohnarbeit, Abspaltung der Care-Arbeit, Geld, Externalisierung und Exklusionslogik. Das große Versprechen gesellschaftlicher Planung, Befreiung von Privateigentum und bedürfnisorientierter Produktivkraftentwicklung musste auf der fortbestehenden kapitalistischen Basis von Ware, Wert, Arbeitszwang etc. scheitern. Auch die vielfältigen aktuellen Alternativkonzepte von mehr markt- bis zu eher staatssozialistischen Ansätzen sind weiterhin von vielen dieser Muttermale gekennzeichnet. Deswegen vertreten wir mit dem Commonismus eine mögliche Gesellschaft, die viele Impulse der Commons – als heutiger re/produktiver Praxis »jenseits von Markt und Staat« (Elinor Ostrom) – aufnimmt und gesellschaftlich verallgemeinert. Das sei im Folgenden skizziert (vgl. Sutterlütti/Meretz 2018, 2023), bevor wir in diesem Text den Schwerpunkt auf die Planungsfrage legen.

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Das commonistische Internet

[Erschienen in: Utta Isop (2023, Hg.*). Lernen im Überwachungskapitalismus. Schulen und Universitäten für digitale Autonomie! Neu-Ulm: AG SPAK)]

Stellen wir uns vor, es sei vorbei mit dem Kapitalismus, der uns drangsalierte und überwachte. Wie sieht die neue Welt aus – heute, nach dem Kapitalismus – und wie das neue Internet? Und gab es damals in Zeiten des Überwachungskapitalismus nicht auch schon gute Ansätze, die heute für die Bedürfnisbefriedigung aller genutzt werden?

Für unsere Leser:innen in der Vergangenheit sei erklärt, wie die neue, die commonistische Gesellschaft funktioniert, denn das ist sie, eine auf Commons basierende und fortwährend Commons schaffende Gesellschaft. Heute weiß, nein, fühlt jedes Kind, was Commons sind, doch wie erkläre ich das den Menschen in der Vergangenheit, die davon keinen Plan haben? Vielleicht mit einer Analogie: wie die Ware, so die Commons.

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FOSS-Report: Valueflows

Der Keimform-Blog steht ist in seiner Tradition verbunden mit Freier Software und den sich daraus ergebenden Potentialen. Im Projekt ,Global Commoning System’ haben wir in den letzten Jahren nach Entwicklungen der (Freien) Informationstechnik Ausschau gehalten, mit denen Commoning als Lebensweise gefördert werden könnte. Das Projekt ValueFlows hat dabei für uns besondere Bedeutung erhalten. Da es über ValueFlows möglich wird, größere Infrastruktur aus voneinander unabhängigen Software-Projekten aufzubauen (ein Gegenmodell also zu zentralen Plattformen), möchte ich an dieser Stelle einen kurzen Einblick geben: Zu dem, was ValueFlows ist, zur Entstehungsgeschichte des Projektes, zu zwei Projekten mit ValueFlows-Implementierung (Bonfire & HoloREA) und zu einer wesentlichen, damit einhergehenden Problematik.

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Warum wir eine Bewegung für die Vergesellschaftung des Energiesektors brauchen

Am kommenden Samstag, 27.8., findet in Köln eine Großdemonstration unter dem Motto „Enteignen statt Krise – eine klimagerechte Zukunft aufbauen“ statt. Gefordert wird die Enteignung von Stromkonzernen und die Vergesellschaftung der Energieproduktion. Die dazugehörige Kampagne „RWE und Co enteignen“ greift damit die Forderung nach Vergesellschaftung, die durch die Berliner Kampagne „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ (DWE) populär geworden ist, auf und wendet sie auf den Energiesektor an. Beiden Kampagnen geht es bei Vergesellschaftung nicht um eine reine Verstaatlichung, sondern um ein Modell, bei dem Konsument*innen (Mieter*innen bzw. Energieverbraucher*innen) und Produzent*innen (Angestellte von Wohnungs- bzw. Energieunternehmen) sowie weitere Betroffene und Vertreter*innen der Allgemeinheit gemeinsam durch Formen basisdemokratischer Selbstorganisation über den Wohnraum bzw. die Energieproduktion verfügen. Es geht also letztlich in Richtung Commons.

Die Forderung nach Vergesellschaftung des Energiesektors ist damit eine linke und emanzipatorische Antwort auf zwei sich derzeit zuspitzenden Krisen: Die Klimakrise und die Energiepreiskrise. Sie könnte deshalb eine gemeinsame Perspektive für Proteste und Bewegungen sein, die sich um diese beiden Fragen drehen, und zugleich ein Schritt in Richtung einer revolutionären Transformation zur Überwindung des Kapitalismus.

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Chronos & Kairos – unite!

Auf Einladung der Gesprächsrunde „Solawi & Gesellschaftliche Transformation“ des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft habe ich einen Vortrag mit dem unscheinbaren Titel „Mit Solawis die Gesellschaft ändern“ gehalten. Der Vortrag wurde aufgezeichnet: Ihr könnt ihn HIER anschauen und anhören, und HIER gibt es die verdichteten Folien (im Vortrag habe ich die Seiten schrittweise aufgeblättert).

Ich habe die Gelegenheit genutzt, ein paar grundsätzliche Überlegungen zur gesellschaftlichen Transformation vorzustellen, die keineswegs alleine auf meinem Mist gewachsen sind, sondern in vielen Zusammenhängen entwickelt wurden (explizit nennen möchte ich die AG „Verschränkung von Commons und Sozialen Bewegungen“ der Assoziation Kritik, Utopie und Transformation).

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Was tun mit der Theorie „intrinsischer/extrinsischer Motivation“?

Fühlt sich in dieser Gesellschaft jemand dazu berufen, etwas über Motivation zu sagen, dann unterscheidet sie*er ziemlich schnell zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Und das klingt ja auch irgendwie naheliegend, Menschen können aufgrund ‚innerer‘ oder ‚äußerer‘ Gründe etwas tun. Ob dann handeln, weil man etwas richtig findet oder weil man sonst eingesperrt wird, beides motiviert heißen muss, ist dann schon fraglich. Aber das ist bei weitem nicht der größte Fehler, den die hegemoniale Theorie intrinsischer/extrinsischer Motivation zu bieten hat. Ihre wissenschaftlich-hegemoniale Fassung – glücklicherweise nicht ihre alltagstheoretisch-hegemoniale – trennt den Menschen von der Welt, isoliert ihn zu einer selbstbezogenen Monade, verschleiert systematisch und strukturell Herrschaft und verhindert theoretisch eine befreite Gesellschaft. Wäre intrinsisch/extrinsische Motivation nur irgendeine Kleinst-Motivationstheorie, who cares, aber sie ist absolut hegemonial in der Motivationstheorie. Kaum ein Nachdenken über Motivation in dieser Gesellschaft kommt an ihr vorbei. Und well, Motivationstheorien denken ja auch nur darüber nach, was Menschen eigentlich machen wollen in ihrem Leben. 

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Buchtipp: „Solidarische Ökonomie & Commons“ von Andrea*s Exner und Brigitte Kratzwald

Nach Massimo De Angelis‘ „Omnia Sunt Communia“ habe ich den kurzen Band „Solidarische Ökonomie & Commons“ von Andrea*s Exner und Brigitte Kratzwald (erschienen 2012) aus der Intro-Reihe des Mandelbaum-Verlags gelesen. Darin geben die Autor*innen eine Einführung in die Thematik von Commons und Solidarischer Ökonomie, eingebettet in eine Kritik an Marktwirtschaft und Kapitalismus sowie die Perspektive gesellschaftlicher Transformation, bei der auch Kämpfe und politisches Bewusstsein eine wichtige Rolle spielen. Gerade ist im Mandelbaum-Verlag eine erweiterte und aktualisierte Neuauflage erschienen, durch die das Buch hoffentlich wieder mehr in die Diskussion kommen wird. Die darin vorgenommenen Aktualisierungen werden in dieser Rezension nicht berücksichtigt, da mir nur die ältere Ausgabe vorlag (auf die sich auch die Seitenangaben beziehen).

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Massimo de Angelis‘ „Omnia Sunt Communia“ – Eine Grundlegung der Commons

Auf der Suche nach Commons-Theoretiker*innen, die Commons im Zusammenhang mit sozialen Kämpfen diskutieren, stieß ich durch eine Empfehlung von Friederike auf Massimo De Angelis und sein Buch „Omnia Sunt Communia: On the Commons and the Transformation to Postcapitalism“ (die Erstausgabe erschien noch mit dem Untertitel „Principles for the Transition to Postcapitalism“). Annette hat es relativ zeitgleich mit mir auch gelesen und bereits eine ausführliche Besprechung in mehreren Teilen auf ihrem Blog veröffentlicht. Es ist schade, dass es bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde, denn das Buch bietet eine umfangreiche theoretische Bestimmung des Commons-Begriffs, die aus einer systemtheoretischen Perspektive stets auch das (kapitalistische) Umfeld heutiger Commons in den Blick nimmt sowie Commons im Kontext von Klassenkämpfen und sozialen Bewegungen diskutiert und damit einige interessante Anregungen für Transformationsstrategien liefert. Was leider zu kurz kommt, ist eine grundsätzlichere Kritik an Markt und Tauschlogik, deren Fehlen gemeinsam mit dem leider noch immer sehr üblichen Vermeiden utopischen Denkens dazu führt, dass De Angelis einigen Potentialen des Commonings, trotz sonstiger theoretischer Schärfe, nicht ganz gerecht wird. Dennoch lässt sich „Omnia Sunt Communia“ dank der oben genannten Punkte als eine Art „Grundlegung“ der Commons aus einer antikapitalistischen Perspektive bezeichnen.

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Warum versagt der „ideelle Gesamtkapitalist“?


Greta Thunberg trifft den ideellen Gesamtkapitalisten (2019; Quelle, Foto des Europäischen Parlaments, Lizenz: CC BY)

[Voriger Teil: Wie die drohende Heißzeit mit den Kapitalmärkten zusammenhängt]

Wenn also die Firmen im Kapitalismus nicht das Richtige und Notwendige tun können, warum sorgen dann nicht die Staaten dafür, dass das passiert? Friedrich Engels hat den modernen Staat als „ideelle[n] Gesamtkapitalist“ bezeichnet, dessen primäre Aufgabe es sei, „die allgemeinen äußern Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten“ (MEW 19, 222). Der Staat ist keiner einzelnen Firma verpflichtet, und sei sie auch noch so groß, sondern sein Hauptanliegen ist es, den kapitalistischen Verwertungsprozess am Laufen zu halten – und wenn Konzerne dies behindern, etwa indem sie Monopole bilden oder illegale Absprachen treffen, um so die Konkurrenz aus dem Markt zu drängen oder Innovationen zu verhindern, dann kann er einschreiten, um dies zu verhindern.

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