Commons Verbünde Diskussion

zwischen Jan Hendrik Cropp und Gunter Kramp

Jan Hendrik Cropp hat den Text Commons Verbünde zweiter Anlauf mit einem so gehaltvollen Kommentar versehen, dass es eine intensivere Auseinandersetzung damit brauchte. Deshalb gab es im Rahmen des Commons-Institut-Frühjahrstreffens vom 5-8.5.22 eine Diskussionsrunde dazu, an der Jan auch online beteiligt war. Basierend auf dem Protokoll dieser Diskussion und zusätzlichen Gedanken von mir ist nun dieser Text entstanden, indem ich aus dem Kommentar von Jan eine schriftliche Diskussion gemacht habe.

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Commonsverbünde – Zweiter Anlauf

Eine Idee für die Verbindung von commonsbasierten Projekten
zu einer gemeinsamen solidarisch-selbstorganisierten Ökonomie,
die das Mitmachen erleichtert und Demonetarisierung ermöglicht

Von Gunter Kramp (Basistext)
mit Luisa Kleine (Illustrationen)
und Nele Klemann (illustrierende Geschichten)

In Gedenken an Silke Helfrich, die zum Basistext mit intensiven Lektorat beigetragen hat.

Vorgeschichte

Im Nachgang eines von Gunter initiierten Workshops, der am 23. April 2016 in Hiddinghausen stattfand, haben Christian Siefkes und andere einen Text zu Commonsverbünden verfasst, der erfreulicherweise einige Resonanz gefunden und Menschen zu eigenen Gedanken inspiriert hat: http://keimform.de/2016/commonsverbuende/

Daraufhin kam es auch zu Kritik an der Idee der Commonsverbünde. Diese Kritik hat im wesentlichen zwei Stoßrichtungen:

  1. Das geht ja in Richtung autoritärer Planwirtschaft! Die Freiwilligkeit von Beiträgen der Beteiligten sowie die Autonomie der Projekte bleiben auf der Strecke.
  2. Bei Beibehaltung einer Autonomie der Teilprojekte sind diese zu wenig solidarisch miteinander verbunden. Damit führt die „Außenwirtschaftsproblematik“ (also die Tatsache, dass sich bezogen auf das Gesamtprojekt materieller und finanzieller Input und Output die Waage halten müssen) dazu, dass sich die Tauschlogik auch zwischen den Projekten durchsetzt.1

Beide Kritikansätze überzeugen nicht wirklich. Zusammen genommen zeigen sie sogar, dass der Begriff „Commonsverbünde“ in der Rezeption des Textes so sehr aufgeweitet wurde, dass er fast beliebige Formen der Vernetzung von Commons Projekten zu beschreiben scheint. Es ist zwar Kernpunkt der Kritik, wie diese Projekte im Rahmen eines Commonsverbundes interagieren sollten, die Interaktion wird aber von den KritikerInnen ganz unterschiedlich gedacht. Zum anderen befürchten ein und die selben KritikerInnen gleichzeitig, dass die Struktur zu eng integriert könnte und damit zentral und autoritär würde und dass sie zu lose integriert sein könnte und daher die Marktlogik in die inneren Beziehungen Eingang finden könne. Das Konzept wird damit quasi über seine extremsten denkbaren Varianten bzw. Entwicklungswege kritisiert, ohne zu begründen, ob diese wirklich zwingend auftreten müssen.

Daher möchten wir aus heutiger Sicht noch einmal präzisieren, wie wir uns Commonsverbünde vorstellen und auf welche Probleme sie eine Antwort bieten und auf welche nicht.

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Die Kalkulation von Aufwand in einer Ontologie der Verbundenheit

Die folgenden Überlegungen nahmen ihren Ursprung im Rahmen der Entwicklung des „Global Commoning System“ – einem in Arbeit befindlichen Softwarekonzeptes, das unter Nutzung des Internets globale gesellschaftliche Selbstorganisation ermöglichen will.

(https://meta.allmende.io/c/transcomm)

Will ein Mensch den Aufwand für Tätigkeiten zur Her- oder Bereitstellung bzw. für Reparatur, Pflege und Erhalt abschätzen und bemessen, so denkt er heutzutage wohl intuitiv an die Zeit, die zur Erledigung dieser erforderlich ist. Konkreter ausgedrückt: Die notwendige Arbeitszeit. Zusätzlich spielt womöglich noch die Intensität bzw. körperliche oder geistige Beanspruchung der Tätigkeit eine Rolle im Sinne des Aufwandes. Zudem werden vielleicht auch Aspekte der Qualifikation, der Verantwortung und des Risikos im Angesicht der konkreten Tätigkeit mit in die Betrachtung einbezogen.

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Commonsverbünde als Transformationsmodell

Download als PDF: Commonsverbünde als Transformationsmodell

Die Abbildung ist als logische und nicht geografisch-räumliche Darstellung zu verstehen.

Produktionsstätten

Kapitalistische Unternehmen funktionieren nach wohl bekannten Regeln und Strukturen. Letztendlich dient die hier stattfindende Produktion von Waren der Profitmaximierung nach der Formel G – W – G‘. Dabei koordinieren sich die Unternehmen vermittelt durch Angebot und Nachfrage am Markt und kalkulieren die Produktion im Voraus, um dann hoffentlich auch den entsprechenden Absatz und Gewinn realisieren zu können.

Commons-Projekte realisieren sich ausschließlich in der commonistischen Sphäre durch Commoning-Prozesse. Ziel ist hier nicht die Profitgenerierung, sondern die Bedürfnisbefriedigung nach der Formel B- – C – B+, weshalb hier auch kein Geld zirkuliert. Produziert wird hier nur zum tatsächlichen Bedarf, der aus der Summe von Einzelbedürfnissen entsteht und vom Meta-Commons mit allen zur Verfügung stehenden Ermöglichungen zur Bedürfnisbefriedigung vermittelt wird.

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Commonsverbünde

Von Christian Siefkes, Johannes Euler, Gunter Kramp und Nikolas Kichler

Logo des Commons-InstitutsEine Idee für die Verbindung von commonsbasierten Projekten zu einer gemeinsamen solidarisch-selbstorganisierten Ökonomie, die das Mitmachen erleichtert

[Diesen Artikel gibt es auch als PDF. / This article is also available in English.]

Die in diesem Dokument dargestellten Ideen entstammen einer Open-Space-Session, die am 23. April 2016 in Hiddinghausen im Rahmen des Frühjahrstreffens des Commons-Instituts stattfand. Initiiert wurde die Session von Gunter, weitere Teilnehmende waren Britta, Christian, Hannes, Nikolas, Sarah, Sunna.

Diese Dokumentation wurde erstellt von Christian, Hannes, Gunter und Nikolas unter Mitwirkung von Stefan T.

Kontext und Problembeschreibung

Es gibt diverse Kommunen mit gemeinsamer Ökonomie (z.B. Niederkaufungen, Twin Oaks), aber das Leben in solchen Kommunen ist nur für recht wenige Menschen attraktiv und die Einstiegshürden sind hoch. Das liegt unter anderem daran, dass in einer Kommune sehr viele Lebensbereiche mit derselben Gruppe (in unterschiedlichen Konstellationen) geteilt und gestaltet werden, dass man sich oft genau untereinander abstimmen und dass vieles ausdiskutiert werden muss. (Erkenntnis eines neuen Kommunarden: „Das ist wie 70 Leute gleichzeitig zu heiraten.“)

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Nikolas Kichler, Sigrun Preissing: Von der Marktabhängigkeit zum Commoning: das Potential der Vergesellschaftung

Wenn Governance, Naturverbunden Sein und das Grundbedürfnis Wohnen zusammenkommen

Abstract: Im Beitrag wird mit einer Analyse des strukturellen Dilemmas zwischen Markt und Staat im Bereich der Wohnraumversorgung und den damit verknüpften ökologischen Folgen begonnen. Dabei werden die negativen Auswirkungen der Privatisierung öffentlicher Wohnungen in Deutschland seit den 1990er-Jahren auf bezahlbaren Wohnraum und soziale Gerechtigkeit dargelegt.

Anschließend wird die Bürgerinitiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« in Berlin als wegweisendes Beispiel für die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen vorgestellt. Diese Initiative kämpft auf Grundlage von Artikel 15 des Grundgesetzes gegen die Profitorientierung des »Marktstaats« im Bereich Wohnen und erlangte im Jahr 2021 vor allem durch einen erfolgreichen Volksentscheid große Aufmerksamkeit. Ihr Konzept sieht vor, die Verwaltung der vergesellschafteten Wohnungen künftig über Anstalten öffentlichen Rechts zu organisieren.

Die Autor*innen bringen für die Gestaltung dieser neuen Strukturen Erfahrungen aus unterschiedlichen Commons-Projekten im deutschsprachigen Raum ein. Werden diese miteinbezogen, könnte die Anstalt öffentlichen Rechts in eine Public-Commons-Partnership münden und einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Daseinsfürsorge einläuten.

Im Weiteren wird das große Potenzial, das sich hinter Commoning verbirgt, anhand der Projekte Neustart Schweiz (Zürich), Haus des Wandels (Ostbrandenburg), vivihouse (Wien) und Inseln mit Hafen (Tübingen) aufgezeigt. Alle vorgestellten Projekte setzen auf die aktive Teilhabe der Beteiligten an Entscheidungsprozessen und auf fürsorgendes Wirtschaften. Sie reduzieren ökologische Zerstörung und fördern ökologische Nachhaltigkeit.

Im Resümee wird schließlich das Potenzial der Vergesellschaftung von Wohnraum herausgearbeitet: Sie könnte als Instrument dienen, die Rolle des Staats grundsätzlich neu zu denken – weg vom Marktstaat hin zu einem »Partnerstaat«. Ein Staat, der bedürfnisorientierte, fürsorgende Strukturen in Kooperation mit Bürger*innen ermöglicht und sich für eine fairere, lebendigere, aber auch wehrhaftere Gesellschaft einsetzt.

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Tilman Wendelin Alder: Ein Gespräch über Organizing bei DWE auf dem Weg zur Vergesellschaftung

Abstract: Dies ist ein Gespräch unter Kampagnenteilnehmenden von »Deutsche Wohnen & Co enteignen« (DWE) mit der Ausgangsfrage, inwiefern die Organizing-Methoden von DWE bereits das umsetzen, was mit der Vergesellschaftungsidee angestrebt wird. Sind sie der Anfang und die Voraussetzung? Colleen, Leonie, Lukas, Tanja und Tilman sprechen über den Basisaufbau im Kiez sowie in einzelnen Siedlungen und die damit zusammenhängenden Herausforderungen wie die Einbindung von Migrant*innen, Sprachgerechtigkeit, demokratische Teilhabe, Klimagerechtigkeit und Mitbestimmung. Es wird betont, dass diese Themen nicht auf einen ungewissen Tag danach verschoben werden können, sondern dass es Synergien braucht und das Vernetzung und die Organisierung eine Grundlage schaffen, um langfristige politische Veränderungen zu bewirken.

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Annette Schlemm: »Das ändert alles…«

Klassenkampf im Klima-Umbruch

Abstract: Nach den für die Bäuer:innen verlorenen Aufständen bis 1525 galt die Losung »Die Enkel fechtens besser aus«. Diese Losung gilt nicht mehr in der früheren Weise, denn bis zur Lebenszeit unserer Enkel werden sich die Grundlagen des Lebens und damit auch aller Kämpfe massiv verändern. Die Ausbeutung der Lohnarbeit und die Unterdrückung menschlicher Würde waren seit jeher auch mit einer Plünderung anderer natürlicher Quellen des Lebens, wie der Wälder und des fruchtbaren Bodens, verbunden. Diese Quellen sind mittlerweile so erschöpft, dass das Überleben vieler Pflanzen- und Tierarten und damit auch das Überleben vieler Menschen auf dem Spiel steht. Nicht nur die Abschöpfung des Mehrprodukts muss den herrschenden Klassen, d.h. derzeit denen, die das Kapital besitzen und Arbeitskraft kaufen (und ausbeuten), verwehrt werden, sondern auch die Durchsetzung ihrer Entscheidungen über unsere Lebensgrundlagen nach ihren Zwecken und mit den von ihnen vorgegebenen Methoden. Die Vergesellschaftung ist ein wesentlicher Schritt in diese Richtung.

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Marcus Meindel: The Tragedy of Commoning et al.

Zu den Grenzen einer auf Gemeinsamen basierten Lebensweise

Abstract: Ist Eigentum als Ursache gegenwärtiger Katastrophen wie ungleicher Machtverteilung und ökologischer Zerstörung identifiziert, lautet die konsequente Antwort darauf Vergesellschaftung. Wenn mit Vergesellschaftung nicht Verstaatlichung gemeint ist, dann wird das vergesellschaftete Eigentum zu Commons. Der Umgang mit solchen Commons birgt allerdings Herausforderungen. Auf drei davon soll in diesem Text eingegangen werden: die Herausforderung hoher kooperativer Distanzen, mangelnde Selbstorganisationskraft und marktstaatliche Gesetzlichkeit.

Um diese Herausforderungen richtig einordnen zu können, muss der Begriff der Commons, wie er im deutschsprachigen Raum gegenwärtig verwendet wird, zuerst verstanden werden. Das scheint nicht möglich, ohne den Bezug auf zwei Personen: Zum einen ist das Elinor Ostrom, die für ihre Forschung zur Komplexität von Commons-Situationen den sogenannten Wirtschaftsnobelpreis erhielt, und zum anderen ist das jemand, der sein Leben lang nichts mit Commons zu tun hatte – die Rede ist von Garrett Hardin, Gründervater der Commons-Bewegung wider Willen.

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Friederike Habermann: Aus Commons wurde Eigentum

Wird mit Vergesellschaftung aus Eigentum Commons?

Abstract: Noch vor wenigen Jahren schien eine breite öffentliche Debatte zu Enteignung undenkbar. Dabei ist unser heutiges Verständnis von Eigentum als das Recht, auszuschließen von ausreichenden Ressourcen, einerseits sowie als Recht zu zerstören andererseits historisch jung. Das Konzept davor – so vielfältig, wie es sich ausgestaltete – kann als Commons gefasst werden. Erst vor gut 300 Jahren wurde Eigentum jenseits von Gewalt oder Religion in aufklärerischem Sinne begründet. Diese Begründung hatte es in sich: Sie diente der Enteignung der Bäuer*innen und der Legitimierung der kolonialen Eroberung.

Nicht selten traf dies sehr demokratische Gesellschaften. Wenn jetzt im Zuge der Kampagne von »Deutsche Wohnen & Co enteignen« (DWE) das Ziel der Vergesellschaftung ein doppeltes ist – Enteignung und Demokratisierung –, dann ist es kein Zufall, dass als Commons-public-Partnership wieder der Begriff Commons ins Spiel kommt. Denn Commons als das Konzept vor Eigentum sind mehr als gemeinsame Güter: Sie entstehen durch materielle Inklusion und letztlich durch demokratisches Miteinander.

Vergesellschaftung kann für eine sozialökologische Transformation insofern ein wesentliches Element darstellen; denn die Marktwirtschaft basiert auf dem modernen Verständnis von Eigentum, und erlaubt nicht nur den Ausschluss Bedürftiger, selbst von überreichlichen Ressourcen, sondern erfordert ihn. Entsprechend wird in diesem Beitrag auf der einen Seite die historische Entstehung des Eigentums skizziert sowie auf der anderen Seite Wege zu seiner Überwindung. Dies wird letztlich nur möglich sein als Überwindung der Marktwirtschaft hin zu einem wirklich demokratischen Wirtschaften: dem Commoning.

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